21. UNTERMANNIGFALTIGKEITEN
Bisher haben wir Mannigfaltigkeiten mit Hilfe konkreter Karten beschrieben. Einfacher ist es manchmal, sie als Untermannigfaltigkeiten , z.B. desRn, zu identifizieren.
Beispiel 21.1. GLn(R)⊆Rn×n ist offen und somit eine Mannigfaltigkeit (mit einer einzigen Karte als Atlas). Auch viele andere Matrixgruppen wie z.B.
On={A∈GLn(R):A>A=1n} sind in natürlicher Weise Mannigfaltigkeiten, aber wie(so)?
Definition 21.2. Eine glatte Mannigfaltigkeit M mit einem m-dimensionalen Atlas heißt glatte Mannigfaltigkeit derDimensionm; wir schreiben danndimM=m.
Definition 21.3. Sei M eine m-dimensionale glatte Mannigfaltigkeit. Eine Teilmenge N⊆M heißt n-dimensionale Untermannigfaltigkeit, wenn es um jedes x∈N eine glatte Karteφ:U→Rmgibt mit
φ(U∩N) =φ(U)∩(Rn× {0}) in Rn×Rm−n=Rm. In dem Fall heißt m−n dieKodimensionvon N in M.
Bemerkung 21.4. Durch Einschränkung der Karten vonMaufNerhält man dann einen Atlas fürN; insbesondere istNeinen-dimensionale glatte Mannigfaltigkeit.
Wir betrachten nun glatte Abbildungen f: N→M glatter Mannigfaltigkeiten und un- tersuchen, für welchey∈M das Urbild f−1(y)wieder eine Mannigfaltigkeit wird.
Beispiel 21.5. Bei der Projektion des Doppeltorus auf die reelle Achse wie im folgenden Bild besteht für fast alle y∈Rdas Urbild aus ein oder zwei Kopien von S1. Für vier Punkte ist das Urbild eine Acht und somit keine Untermannigfaltigkeit:
Wir benötigen nun folgende Sätze der Analysis II, die oft als Aussagen über einmal stetig differenzierbare statt glatte Funktionen formuliert und bewiesen werden:
Satz 21.6(Umkehrsatz). Sei U⊆Rnoffen, f:U →Rnglatt, x0∈U und D fx (=totale Ableitung von f im Punkt x) invertierbar. Dann ist f auf einer offenen Umgebung U0⊆ U von x0ein Diffeomorphismus (von U0nach f(U0)).
Beweis-Idee. Banachscher FPS: Fürynahe beiy0= f(x0)hat die Gleichungy= f(x) eine Lösungx=limxk mit
xk+1:=xk+ (D f)−x01(y−f(x))fürk≥0,
weil die Abbildungg(x):=x+ (D f)−x01(y−f(x))umx0eine Kontraktion ist:
Dgx0 =id+ (D f)−x01(0−D fx0) =0.
Satz 21.7(Implizite Funktionen). Seien U1⊆Rkund U2⊆Rmoffen, f: U1×U2→Rm glatt, x1∈U1, x2∈U2und
∂f
∂x2(x1,x2) =D f(x1,x2)|{0}×Rm: Rm→Rm.
invertierbar. Setze y0= f(x1,x2). Dann gibt es offene Umgebungen Wi⊆Uivon xiund eine glatte Abbildung g:W1→W2mit g(x1) =x2und
(W1×W2)∩f−1(y0) ={(z1,g(z1)):z1∈W1}. Beweis-Idee. Umkehrsatz angewendet auf
h: U1×U2→Rk×Rm, (z1,z2)7→(z1,f(z1,z2))
und die Punkte(x1,x2)und h(x1,x2) = (x1,y0) liefert um (x1,x2) eine glatte Umkehr- funktionh−1: (z1,y)7→(z1,z2(z1,y)); setze danng(z1):=z2(z1,y0).
Um die Voraussetzung dieses Satzes für Abbildungen zwischen Mannigfaltigkeiten zu formulieren, benutzen wir folgenden Begriff:
Definition 21.8. Sei U ⊆Rnoffen und f:U →Rmdifferenzierbar. DerRang von f in einem Punkt x∈U ist der Rang von D fx: Rn→Rmund wird mitRgx f bezeichnet.
Sei nun f: N→Meine glatte Abbildung glatter Mannigfaltigkeiten undx∈N.
Lemma 21.9. Sind(Ui,φi)und(Vi,ψi)für i=1,2glatte Karten um x beziehungsweise f(x), so gilt
Rgφ1(x)(ψ1◦f◦φ−11) =Rgφ2(x)(ψ2◦f◦φ−21).
Beweis. Die Kettenregel liefert
D(ψ1◦f◦φ−11))φ1(x)=D(ψ1◦ψ−21)ψ2(x)
| {z }
invertierbar
◦D(ψ2◦ f◦φ−21)φ2(x)◦D(φ2◦φ−11)φ1(x)
| {z }
invertierbar
.
Damit ist folgende Definition sinnvoll:
Definition 21.10. Sei f: N→M eine glatte Abbildung glatter Mannigfaltigkeiten.
• DerRang von f inx∈N wird mittels glatter Karten(U,φ)um x und(V,ψ)um f(x)definiert alsRgxf =Rgφ(x)(ψ◦f◦φ−1).
• x∈N heißt regulärfür f , fallsRgxf =dimM.
• y∈M heißtregulärer Wertfür f , falls jedes x∈ f−1(y)regulär ist.
Satz 21.11 ((Urbilder regulärer Werte)). Sei f: N →M eine glatte Abbildung und y0 ∈M ein regulärer Wert. Dann ist f−1(y0) eine Untermannigfaltigkeit von N der KodimensiondimM.
Beweis. Es genügt, statt f: N→Mdie Abbildung ψ◦f◦φ−1 für Karten(φ,U)vonN und(ψ,V)umy0zu betrachten. Wir nehmen also o.B.d.A. an, dassN⊆RnundM⊆Rm offen sind. Seix0∈ f−1(y)undk=n−m.
Indem wirφggf. um einen linearen Isomorphismus ändern, können wir annehmen, dass kerD fx0 =Rk× {0}, alsoD fx0|: {0} ×Rm→Rmbijektiv ist.
Schreibe x0= (x1,x2)∈Rk×Rm. Wir zeigen: Es gibt eine glatte Karte (W,χ) um x0 mit
(z1,z2)∈ f−1(y0) ⇔ χ(z1,z2)∈Rk× {0}. (8) Satz 21.7 liefert offene UmgebungenUivonxiund eine glatte Funktiong:U1→U2mit
(U1×U2)∩ f−1(y0) ={(z1,g(z1)):z1∈U1}. Die Abbildung
χ:U1×U2→Rk×Rm, (z1,z2)7→(z1,z2−g(z1))
erfüllt (8) und ist nach Satz 21.6 auf einer UmgebungW⊆U1×U2von(x1,x2)ein Dif- feomorphismus, weil die Ableitung(Dχ)(x1,x2): Rk×Rm→Rk×Rm als Blockmatrix die Form
(Dχ)(x1,x2)=
1k 0
−Dgx1 1m
hat und somit invertierbar ist.
Bemerkung 21.12. Der Satz von Sard besagt, dass die Menge der kritischen Werte, die also nicht reguläre Werte sind, stets eine Lebesgue-Nullmenge ist.
Beispiel 21.13. (1) Für f: Rn+1→R,x7→∑x2i, ist 1 ein regulärer Wert, weilD fx= 0 nur fürx=0. Also ist f−1(1) =Sneine Untermannigfaltigkeit.
(2) SeiS={B∈Mn(R):B=B>} ∼=Rn(n+1)/2. Für f: Rn×n→S,A7→A>A, ist 1n
ein regulärer Wert undOn= f−1(1n)eine Untermannigfaltigkeit, denn D fA: Rn×n→S∼=Rn(n+1)/2, B7→ d
dt
t=0(A+tB)>(A+tB) =A>B+B>A, ist surjektiv: fürC∈SundB:= 12ACfolgtA>B= 12Cund
(D fA)B= 1
2(C+C>) =C.
Folgende Klassen von Abbildungen sind besonders wichtig:
Definition 21.14. Eine glatte Abbildung f: M→N glatter Mannigfaltigkeiten der Di- mension m bzw. n heißt
• Immersion, falls Rgpf = m für alle p ∈M, und Einbettung, falls zusätzlich f: M→ f(M)ein Homöomorphismus ist;
• Submersion, fallsRgpf =n für alle p∈M.
Lokal sehen solche Abbildungen aus wie die kanonischen AbbildungenRm →Rn in den Fällenm≤n(Immersion) bzw.m≥n(Submersion):
Satz 21.15. Sei f: M→N eine glatte Abbildung glatter Mannigfaltigkeiten und p∈M.
(1) IstRgp f =m=dimM, so gibt es Karten(U,φ)um p und(V,ψ)um f(p)mit (ψ◦f ◦φ−1)(x) = (x,0)∈Rm×Rn−m=Rn für alle x∈Rm.
(2) IstRgp f =n=dimN, so gibt es Karten(U,φ)um p und(V,ψ)um f(p)mit (ψ◦f◦φ−1)(x,y) =x für alle(x,y)∈Rn×Rm−n=Rm.
Der Beweis von Satz 21.11 mit Hilfe des Satzes über implizite Funktionen war nicht der direkteste; kürzer geht es über obige Aussage (2).
Beweis. (1) Die Idee ist ähnlich wie im Beweis des Satzes über implizite Funktionen.
Wähle Karten(U,φ)um p und(V0,ψ0) um f(p). Setze f0 :=ψ0◦ f◦φ−1. Da D fφ(p)0 Rangmhat, können wir o.B.d.A. annehmen, dass
D fφ(0 p)Rm=Rm× {0} ⊆Rn. (sonst ändern wirψ0um einen linearen Isomorphismus). Für
θ: φ(U∩f−1(V))×Rm−n→Rn, (x,y)7→ f0(x) + (0,y) gilt
Dθ(φ(p),0)(Rm×Rm−n) =D fφ0(p)Rm+{0} ×Rn−m=Rm×Rn−m.
Nach 21.6 istθauf einer UmgebungW von(φ(p),0)ein Diffeomorphismus. Setze V :=ψ−1(θ(W)), ψ:=θ−1◦ψ0|V.
Dann ist(ψ◦f◦φ−1)(x) = (θ−1f0)(x) = (x,0)für allex∈U.
(2) Ähnlich wie (1), aber stattψ0ändert manφ.
Folgerung 21.16. Ist f: M→N eine Einbettung, so ist f(M)⊆N eine Untermannig-
faltigkeit und f: M→ f(M)ein Diffeomorphismus.