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Montag (Nachmittag), 17. März 2014 Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion 5 2013.1224 Motion 262-2013 FDP (Müller, Bern) Unbedingte Freiheitsstrafe bei Gewalttaten gegen Beamte

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Sitzungstitel7 2013.1224 1

Der Grosse Rat des Kantons Bern

Le Grand Conseil du canton de Berne

Montag (Nachmittag), 17. März 2014

Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion

5 2013.1224 Motion 262-2013 FDP (Müller, Bern) Unbedingte Freiheitsstrafe bei Gewalttaten gegen Beamte

Parlamentarischer Vorstoss. Antwort des Regierungsrates

Vorstoss-Nr.: 262-2013

Vorstossart: Motion

Richtlinienmotion:

Geschäftsnummer: 2013.1224 Eingereicht am: 10.09.2013 Fraktionsvorstoss: Ja

Kommissionsvorstoss: Nein

Eingereicht von: FDP (Müller, Bern) (Sprecher/in)

Weitere Unterschriften: 1 Dringlichkeit verlangt: Nein

Dringlichkeit gewährt:

RRB-Nr.: 159/2014 vom 17. März 2014 Direktion: Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion Klassifizierung: Nicht klassifiziert

Antrag Regierungsrat: Ablehnung

Unbedingte Freiheitsstrafe bei Gewalttaten gegen Beamte

Der Regierungsrat wird aufgefordert, bei den Bundesbehörden eine Standesinitiative mit folgendem Wortlaut einzureichen:

«Der Bund wird aufgefordert, die nötigen gesetzlichen Anpassungen vorzunehmen, damit Gewalttä- ter im Fall von Gewalt und Drohung gegen Beamte zwingend mit einer unbedingten Freiheitsstrafe nicht unter 30 Tagen bestraft werden.»

Begründung:

Die Fälle von Gewalt und Drohung gegen Beamte haben massiv zugenommen. Zu Beginn der 1980er-Jahre gab es gut 300 Fälle, heute sind wir bei über 2000, Tendenz steigend. Betroffen sind vor allem Polizisten, aber auch Beamte in Sozialdiensten, Betreibungsämtern usw.

Vorliegend geht es nicht einfach um einen grösseren Strafrahmen innerhalb der gleichen Strafkate- gorie (z. B. Busse), wie in der aktuellen StGB-Revision, sondern es geht insbesondere darum, dass Gewalttäter zwingend eine Freiheitsstrafe absitzen müssen (d. h. ohne Bewährung). So dass sie zu Hause, am Arbeitsplatz usw. fehlen.

Der schwerwiegende Konflikt mit dem Gesetz dürfte so zudem auch im Umfeld eines Täters eher wahrgenommen werden. Einzig die angedrohte Geldbusse zu erhöhen, hilft nicht weiter. Solange

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wird sich die oben beschriebene Tendenz nicht ändern. Die Publikation von Gerichtsurteilen dürfte hingegen eine abschreckende Wirkung entfalten.

Ein gewisser Anpassungsbedarf am bestehenden System des StGB wird bewusst in Kauf genom- men. Anders lässt sich das Anliegen, Gewalt gegen Beamte unter eine unbedingte Freiheitsstrafe zu stellen und so Gewalt nicht zum Berufsrisiko von Kantonsangestellten werden zu lassen, nicht erreichen. In der Güterabwägung zwischen «juristischer Systematik» und der körperlichen Unver- sehrtheit von Angestellten des Kantons muss Letzterem klar der Vorzug gegeben werden.

Antwort des Regierungsrats

Es trifft zu, dass Gewalt und Drohungen gegen das Personal des öffentlichen Dienstes (zivile Ange- stellte sowie Mitarbeitende der Polizei) zugenommen haben. Die Bandbreite an Übergriffen reicht von der verbalen Attacke über physische Gewaltandrohung bis hin zu konkreter Gewaltanwendung, Tötungsversuchen sowie Tötung von Mitarbeitenden. Die extremen Formen betreffen vornehmlich Polizisten und Polizistinnen bei Spezialeinsätzen an Wochenenden, bei Einsätzen an besonderen Brennpunkten sowie Gewaltangriffe anlässlich von Ordnungsdiensteinsätzen.

Der Motionär will mit seinem Vorstoss dieser Entwicklung entgegen wirken. Einerseits verlangt er eine Verschärfung der Strafdrohung in Artikel 285 StGB (Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte), indem der Täter mindestens zu einer Freiheitsstrafe nicht unter 30 Tagen verurteilt wird.

Andererseits soll bei diesem Delikt in jedem Fall eine unbedingte Strafe verhängt werden.

Der Regierungsrat anerkennt, dass Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte ständig zu- nehmen und begrüsst daher grundsätzlich Massnahmen, die geeignet sind, dieser Entwicklung ent- gegen zu wirken. Zu diesem Thema wurden bereits diverse Vorstösse überwiesen.

Artikel 285 des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. Dezember 1937 (StGB; SR 311.0) regelt den Straftatbestand der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte. Dieser Tatbe- stand stellt die Hinderung einer Amtshandlung (oder Nötigung dazu) durch Gewalt oder Drohung sowie den tatsächlichen Angriff auf Beamtinnen und Beamte unter Strafe. Der Grundtatbestand sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor. Ziffer 2 enthält einen qua- lifizierten Tatbestand, welcher bei Begehung der Tat durch einen «zusammengerotteten Haufen»

bereits die Teilnahme an der Zusammenrottung unter Strafe stellt, und – wenn dabei (von anderen) Gewalt an Personen oder Sachen verübt wird – als Mindeststrafe eine Geldstrafe von 30 Tagessät- zen vorschreibt.

Der Tatbestand von Artikel 285 StGB deckt eine grosse Bandbreite strafbarer Handlungen ab. Ein von der Polizei kontrollierter Autofahrer, der sich, aufgefordert zur Vorlage seiner Ausweise, unflätig benimmt und den Polizisten zum Beispiel wegschubst, könnte den Tatbestand bereits erfüllen. Aus Sicht der Justiz wäre in diesem Fall eine Mindeststrafe von 30 Tagen Haft und der Ausschluss einer Ausfällung einer Geldstrafe im Quervergleich mit zahlreichen anderen Straftatbeständen verfehlt.

Strafdrohungen für schwere Straftatbestände – beispielsweise Tötungs- oder Körperverletzungsde- likte (Art. 111 ff StGB) – kommen immer ergänzend zu Artikel 285 StGB zur Anwendung. Dies be- deutet, dass das Gericht den Täter, der mit einer Handlung die Voraussetzungen von mehreren gleichartigen Strafen erfüllt (z. B. Körperverletzung und Gewalt gegen Behörden und Beamte), zu der Strafe der schwersten Tat verurteilt und diese angemessen erhöht (Art. 49 Abs. 1 StGB). Somit dürfte eine allfällige Verschärfung des Strafmasses zu Artikel 285 StGB nur diejenigen Übergriffe abdecken, die sich, gemessen an der Bandbreite der möglichen Übergriffe gegen Behörden und Beamte, im geringfügigen Bereich bewegen.

Auf Bundesebene laufen verschiedene Gesetzgebungsprojekte, welche auf eine Verschärfung der Strafen abzielen, spezifisch auch für den Tatbestand von Artikel 285 StGB. Mit einer Revision des allgemeinen Teils des StGB (Änderung des Sanktionenrechts) schlägt der Bundesrat vor, bei Geld- strafen generell auf die Möglichkeit des bedingten Vollzugs zu verzichten sowie wiederum die kur- zen Freiheitsstrafen einzuführen. Gemäss einer anderen Gesetzesvorlage sollen die Strafrahmen im StGB, im Militärstrafgesetz und im Nebenstrafrecht «harmonisiert», respektive erhöht werden.

Gemäss der Vorlage und der dazugehörenden Botschaft ist vorgesehen, die Mindeststrafe von Zif- fer 2 Absatz 2 des Artikels 285 StGB von 30 auf 90 Tagessätze Geldstrafe zu erhöhen, «um dem erschwerenden Umstand der Gewaltanwendung angemessen Rechnung zu tragen».

Die vom Motionär konkret formulierte Forderung, dass das Gericht den Täter, der gegen Artikel 285 StGB verstossen hat, zwingend zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilen muss, ist aus Sicht des Regierungsrats und der Justiz jedoch problematisch. Wie der Motionär selbst anerkennt, ist sie systemwidrig, weil die Sanktionsarten sowie die Gewährung des bedingten oder teilbedingten Voll-

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zugs von Strafen im allgemeinen Teil des StGB geregelt sind, der für sämtliche Delikte des beson- deren Teils (also auch für Art. 285 StGB) gilt. Das Anliegen, in einem einzelnen Straftatbestand den bedingten Vollzug einer Strafe vollständig auszuschliessen, hebelt einen zentralen, bisher unange- fochtenen Grundsatz des Strafrechts aus. Nach geltendem Recht soll der bedingte Vollzug nach Massgabe der Prognose und begrenzt auf gewisse Maximalstraflängen gewährt oder verweigert werden (Art. 42 und 43 StGB). Eine Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren wird in der Regel aufgeschoben, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter vor der Bege- hung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten. Dem Strafbedürfnis ist hinreichend Rechnung getragen, indem die Artikel 42 Absatz 4 und Artikel 43 Absatz 1 vorsehen, dass das Gericht eine bedingte Strafe mit einer unbedingten Geld- oder Freiheitsstrafe verbinden kann.

Der Regierungsrat kommt zum Schluss, dass das Anliegen des Motionärs, die Strafdrohung in Arti- kel 285 StGB zu verschärfen, zwar grundsätzlich zu begrüssen ist. Auf Bundesebene laufen jedoch – wie erwähnt – bereits entsprechende Gesetzgebungsprojekte.

Nicht unterstützen kann er dagegen die Forderung, dass der Täter bei der Erfüllung des Tatbestan- des von Artikel 285 StGB zwingend zu einer unbedingten Freiheitsstrafe zu verurteilen ist. Der Re- gierungsrat erachtet es nicht als gerechtfertigt, wegen eines einzelnen Straftatbestandes einen zentralen, bisher unangefochtenen Grundsatz des Strafrechts auszuhebeln. Unter diesen Umstän- den beantragt der Regierungsrat die Ablehnung der Motion.

Der Regierungsrat beantragt:

Ablehnung

Philippe Müller, Bern (FDP). Der Vorstoss beinhaltet eine Standesinitiative. Der Bund soll aufge- fordert werden, die nötigen Anpassungen vorzunehmen, damit Gewalttäter im Fall von Gewalt und Drohung gegen Beamte – das entspricht Artikel 285 des Strafgesetzbuches – mit einer unbedingten Freiheitsstrafe nicht unter 30 Tagen bestraft werden. Warum dies? Sie wissen, dass die Zahl der Fälle von Gewalt und Drohung gegenüber Beamten stetig ansteigt. Im Vergleich zu vor 20 Jahren haben wir etwa um 700 Prozent mehr solcher Fälle. Wenn unsere Gruppe Sicherheit manchmal am Mittag zur Polizei geht, hören wir die Polizisten von Fällen von täglicher Gewalt erzählen. Genau um solche Fälle geht es hier. Sie alle haben sicher noch die Bilder der Demonstration «Tanz dich frei»

vor Augen, bei der solches ebenfalls passiert ist. Es geht darum, dass Gewalttäter in solchen Fällen eine unbedingte Freiheitsstrafe erhalten. Sie sollen nicht einfach eine Busse oder eine bedingte Freiheitsstrafe erhalten. Das schreckt sie nicht ab. Wenn sie dagegen am Arbeitsplatz fehlen, so wirkt dies.

Diesen Fraktionsvorstoss habe ich im vergangenen Sommer schon einmal eingereicht. Die Regie- rung sagte, man sei grundsätzlich für das Anliegen, es müsse aber besser formuliert werden. Ich habe den Vorstoss zurückgezogen und ihn gemeinsam mit Leuten aus der Verwaltung besser for- muliert, und nun lehnt man ihn einfach rundweg ab. Ich weiss nicht, ob da ein kleines «Buebetrickli»

der Regierung dahinter steht. Einerseits, weil man vielleicht gehofft hatte, ich würde nicht nochmals damit kommen. Anderseits muss ich auch sagen, dass die Haltung etwas mutlos ist. Es gibt nämlich in diesem Bereich eine Standesinitiative vom Kanton Genf. Dort traut man sich offenbar ein biss- chen mehr.

Nur ganz kurz, worum geht es in Artikel 285? Der Artikel greift dort, wo Beamte, insbesondere Poli- zeibeamte, an einer Amtshandlung gehindert, zu einer Amtshandlung genötigt oder tätlich angegrif- fen werden. Um den Autofahrer, der aus dem Autofenster einen Spruch gegenüber der Polizei macht, geht es also nicht. Es geht darum, dass man die Leute insbesondere der Polizei an einer Amtshandlung hindert, sie nötigt oder tätlich angreift.

In der Antwort der Regierung liest man auch, dass es jetzt Revisionen des Strafgesetzbuches gibt.

Diese gibt es, aber das sind Revisionen, bei denen man die Maximalstrafe erhöht. Wir sprechen hier aber von Strafen in einem kleineren Bereich. Es nützt uns nichts, wenn man eine Freiheitsstrafe von drei auf fünf Jahre erhöht, wenn wir 30 Tage wollen. Diese Revisionen nützen also nichts. Wen wir endlich treffen wollen, sind jene Leute, die Steine werfen, die Flaschen werfen, die mit Bau- abschrankungen auf Polizisten losgehen, die Büros von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern – und wenn es dumm läuft auch gleich die sich darin befindlichen Personen – zusammenschlagen. Es geht es dabei insgesamt, wie die Regierung sagt, um Strafen im geringfügigen Bereich. Dort wollen wir etwas ändern, aber die Regierung will das leider nicht. Denn die Strafen, die wir heute haben, bedingte Gefängnisstrafen und Geldbussen, bewirken in diesem Bereich nichts. Unsere strafrechtli- che Systematik beruht aber darauf, dass dies wirkt. Früher hat es vielleicht auch einmal gewirkt,

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aber heute nützt es nichts mehr. Deshalb müssen wir genau hier eingreifen, wo die tägliche Gewalt an Staatsangestellten und Polizisten geschieht. Es geht nicht um Schiessereien, meine Damen und Herren. Diese sind vom Strafgesetzbuch abgedeckt. Es geht vielmehr um die tägliche Gewalt und insbesondere um dies hier, «Stopp Gewalt» an den Polizisten. (Der Redner zeigt dem Rat ein Flug- blatt mit dem Titel «Stopp Gewalt»). Es geht darum, dass es womöglich relativ klein anfängt, in ei- nem Büro, und dann artet es irgendwann aus, es gibt eine Schlägerei, und zurück bleiben Verletzte.

Darum geht es. Es ist ein wenig wie bei einer Lawine. Eine Lawinenverbauung bauen Sie auch nicht unten im Lawinenkegel, wo die Lawine mit voller Wucht auftrifft. Vielmehr müssen Sie sie weiter oben anbringen, wo das Ganze langsam im Entstehen begriffen ist.

Für die Regierung ist leider die juristische Systematik wichtiger, und ich sage dies hier auch als Ju- rist. Wir müssen eine Güterabwägung vornehmen. Was ist uns wichtiger? Die juristische Systematik auf der einen Seite, oder dass wir endlich etwas gegen die Gewalt in diesem Bereich unternehmen können? Wie gesagt, hat der Kanton Genf auch schon eine Standesinitiative eingereicht. Sie ver- langt ein wenig etwas Anderes, aber auch sie greift in die Systematik ein. Und die Ausformulierung liegt ja am Ende bei den eidgenössischen Räten, nicht bei uns. Wenn wir jetzt ein Signal senden, dass wir dies ablehnen, so wird dies für die Bevölkerung völlig unverständlich sein. Man kann es auch anders sagen: Wie würde wohl das Volk, das wir hier vertreten, in einem solchen Fall ent- scheiden? Was wäre dem Volk wohl wichtiger: die juristische Systematik, oder dass wir in einem Bereich, in dem wir jetzt fast nichts tun können, endlich dagegen vorgehen können? Ich glaube, das Ergebnis wäre klar. Danke für Ihre Unterstützung.

Vania Kohli, Bern (BDP). Die BDP ist einstimmig gegen diese Motion. Weshalb dies? Einerseits teilt die BDP die Begründung des Regierungsrats voll und ganz. Anderseits sehen wir, dass es kei- nen Anlass gibt, einen bisher systematisch unangefochtenen Grundsatz des StGB in Frage zu stel- len. Ich zitiere an dieser Stelle einen Regierungsrat, der etwas Gutes gesagt hat: «Es ist ein Irrtum zu glauben, dass man jedes gesellschaftliche Problem mit einer neuen oder der Verschärfung einer alten Norm in den Griff bekommt.» Die BDP wird den Vorstoss nicht unterstützen.

Hasim Sancar, Bern (Grüne). Die Grüne Fraktion dankt dem Regierungsrat für die Antwort, und wir sind über die Ablehnung dieser Motion erfreut. Ich nehme es vorweg, dass wir den Vorstoss ebenfalls ablehnen werden. Ich begründe dies kurz wie folgt: Gewalt verletzt die physische und psychische Integrität eines Menschen und ist nicht zu akzeptieren. Es steht nicht zur Diskussion, Gewalt gegen Beamte anders zu beurteilen; auch hier eine klare Ablehnung! Soviel zum Grundsatz.

Was die hier diskutierte Motion von Herrn Müller betrifft, handelt es sich wohl um einen Briefkasten- Vorstoss, weil er den Regierungsrat auffordert, bei den Bundesbehörden eine Standesinitiative ein- zureichen. Die 200 Bundesparlamentarier und -parlamentarierinnen sind – so lässt uns die Motion zumindest annehmen – ja nicht fähig, selbst auf die Idee zu kommen, die gesetzlichen Anpassun- gen vorzunehmen. Dafür braucht es schon die Hilfe von Bern.

Nun noch etwas zur Materie an und für sich: Die Statistiken, die er in seinem Vorstoss erwähnt, sind mit Vorsicht zu geniessen. Es gibt keine Beweise für eine Zunahme von Gewalt in unserer Gesell- schaft. Die Aussage des Regierungsrats, dass die Gewalt gegen Beamte zugenommen hat, ist da- her irreführend, denn die Statistiken reichen nicht aus, um eine solche Aussage zu machen. Statis- tiken in im Bereich Gewalt geben eher Aufschluss über den Umgang mit dem Phänomen und über das Anzeigeverhalten, und weniger über den effektiven Verlauf der Anzahl von Gewaltakten. Was nicht bewiesen werden kann, soll auch nicht behauptet werden.

Gewalt ist kein neues Phänomen. Mit der gesellschaftlichen und technischen Entwicklung verän- dern sich aber die Gewaltformen und der gesellschaftliche Umgang mit der Gewalt. So gab es vor 40 Jahren keine SMS oder E-Mail. Heute sind dies wichtige Instrumente, um Drohungen auszu- sprechen, Erpressungen einzuleiten usw. Das Phänomen der Gewalt – auch in Form von Drohun- gen – darf nicht bagatellisiert, es soll aber auch nicht dramatisiert werden. Wir leben in einem der sichersten Länder, und nirgends gibt es – leider, muss man sagen – absolute Gewaltfreiheit oder null Gewalt. Gewalt wird von einer Minderheit ausgeübt, und dennoch ist das Thema immer wieder im Zentrum von Diskussionen. Dabei geht vergessen oder wird verdrängt, dass die meisten Men- schen in der Schweiz friedlich sind und sich für gewaltfreie Konfliktlösungen mit den Behörden ein- setzen.

Mit dem Vorstoss setzt der Motionär auf Repression. Er verlangt nämlich, dass eine Person mindes- tens eine unbedingte Freiheitsstrafe bekommt, wenn sie gegen Beamte Gewalt angewendet oder Drohungen ausgesprochen hat. Was ist das Ziel der Motion? Wenn mit Repression die gewünschte

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Ruhe erzielt werden könnte, wären das ja paradiesische Verhältnisse für diktatorisches Regieren.

Die Realität ist aber eine andere.

Das gesamte Strafgesetz und viele Massnahmen richten sich gegen Gewalt. Unseres Erachtens ist dies völlig ausreichend. Die Festschreibung einer solchen Strategie würde indes eine Politik legiti- mieren, die wir erstens gar nicht wollen und die zweitens mit grosser Wahrscheinlichkeit neue Prob- leme mit sich bringen würde.

Das beste Mittel gegen Gewalt und Drohungen sind gezielte Sensibilisierungs- und Präventions- massnahmen sowie die Verbesserung der Integrationsmöglichkeiten zur Förderung der sozialen Gerechtigkeit. Hier sollte investiert werden! So kann auch die Anzahl Gewaltakte und Drohungen, auch gegen die Beamten, möglichst tief und unter Kontrolle gehalten werden. Dies aber immer mit dem leisen Vorbehalt, dass es keine Gewaltfreiheit gibt, auch nicht gegen Beamte.

Schliesslich wäre auch die überfällige Einrichtung einer kantonalen Ombudsstelle ein guter und ef- fektiver Ansatz für frustrierte Bürgerinnen und Bürger. Unzufriedenheiten bei Bürgerinnen und Bür- gern könnten rechtzeitig erkannt und mit gezielten Lösungen abgefedert werden. Deshalb schlage ich Herrn Müller vor, den nächsten Antrag für eine Ombudsstelle doch einfach zu unterstützen. Das kommt sicher billiger zu stehen und ist bedeutend wirksamer als die repressiven Massnahmen. Wie bereits erwähnt, werden die Grünen den Vorstoss ablehnen.

Hans Rösti, Kandersteg (SVP). Philippe Müller möchte eine Standesinitiative. Wie wir wissen, hat eine Standesinitiative meist einen relativ langen Weg und einen schwierigen Stand. Die Standesini- tiative fordert eine gesetzliche Anpassung; gefordert wird eine Freiheitsstrafe von nicht unter 30 Tagen für Gewalttäter. Ich betone hier nochmals, dass es um Gewalttäter geht. Wie Philippe Müller schon erklärt hat, sind dies nicht etwa «Mimöschen», sondern Leute, die in der Lage sind, einen Pflasterstein aufzuheben und diesen irgendwo hin zu werfen, wobei es ihnen egal ist, was dabei passiert. Im Prinzip sollte man diejenigen, die so etwas tun, zu Hause in der Kinderstube erziehen, damit dies eben nicht passiert. Aber hier böte sich wahrscheinlich eine letzte Möglichkeit, damit sie dann nicht später zu grösseren Gewalttaten übergehen.

In der Diskussion in der SVP gab es unterschiedliche Meinungen, die relativ weit auseinander la- gen. Die einen waren derselben Meinung wie der Regierungsrat. Vor allem diejenigen, die sich juris- tisch mit der Sache auseinandersetzten, waren der Meinung, dies sei ein juristischer Ablauf, den man nicht einfach so, mir nichts, dir nichts, ändern könne. Auf der andern Seite gab es Gruppierun- gen, die ein politisches Zeichen setzen wollten. Es ist nicht Sache des Grossen Rats des Kantons Bern, dem Bund einen fixfertigen Gesetzesvorschlag zu machen. Ich glaube, das wird der Bund dann selber machen müssen. Die Sicherheit im Kanton Bern ist zu gewährleisten. Und diese Si- cherheit können wir nur dann gewährleisten, wenn wir auch der Polizei eine gewisse Sicherheit ge- ben. Wenn wir diese Motion überweisen, ist dies ein kleiner Schritt. Aber es ist zumindest ein Schritt. Vor allem ist die Abschreckung der Täter wichtig. Die Täter werden sichtbar gemacht, indem man dann eben am Montag feststellen kann, wenn jemand am Wochenende irgendwo einen Pflas- terstein aufgehoben hat. Deshalb ist es sicher wichtig, dass man diese Motion umsetzen kann.

Wenn wir die Motion ablehnen, geben wir Gewalttätern einen Freipass. Das würde also heissen, dass der Grosse Rat die Polizei nicht schützen will und sie im Regen stehen lässt. Eine Mehrheit der SVP ist für Überweisung der Motion.

Adrian Wüthrich, Huttwil (SP). Philippe Müller macht uns vor, er habe eine Pistole. Er hat aber eine Spielzeugpistole, denn das, was er mit diesem Vorstoss erreichen will, wird er nicht ganz so erreichen, wie er uns plausibel machen will. Das Anliegen ist berechtigt, auch wir wollen, dass Ge- walt gegen Beamte gestoppt werden können soll. Sie haben dies hier im Rat auch so manifestiert mit der einstimmigen Annahme der Motion der Grossräte Meyer, Burkhalter und Bernasconi,

«Übergriffe auf Kantonspersonal: Nulltoleranz!». Diese Motion haben wir mit 136 Stimmen ohne Gegenstimmen überwiesen und nicht abgeschrieben. Darin wird der Regierungsrat aufgefordert, geeignete Massnahmen zu ergreifen, um solche übergriffe auf das Kantonspersonal – inklusive Polizistinnen und Polizisten – bestmöglich zu verhindern. Er soll alle Formen von Übergriffen auf das Kantonspersonal konsequent ahnden und die bestehenden Gesetze durchsetzen. Weiter soll er die Betroffenen bestmöglich unterstützen und dafür sorgen, dass Vorgesetzte auf allen Stufen die betroffenen Mitarbeitenden unterstützen, und dass solche Taten nicht verharmlost werden. Das hier gewählte Mittel der Standesinitiative, lieber Grossratskollege Philippe Müller, ist also das falsche, und es ist auch nicht richtig, wenn man hier auf eidgenössischer Ebene das Strafgesetzbuch ändern will. Es klingt gut, ist aber nicht praktikabel, und wir können der juristischen Begründung folgen, die

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der Regierungsrat hier anführt.

Wie gesagt, sollte man im Gegenteil das geltende Recht konsequenter durchsetzen und dort, wo wirklich Vorfälle geschehen, diese auch konsequent vor die Justiz bringen. Wir haben Kenntnis da- von, dass gerade zwei Autofahrer verurteilt worden sind, weil sie Beamten den «Stinkefinger» ge- zeigt haben. Und es gibt auch den Fall des Hooligans, über den Sie in der Presse lesen konnten, der zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde. In Bezug auf die Praktikabilität stellt sich denn auch die Frage, was es eigentlich bedeutet, wenn man bei Gewalt und Bedrohung gegen Beamte die Leute zwingend 30 Tage «id Chischte» stecken will: Was ist denn genau Gewalt? Und dort, wo es um Beweise geht, wie steht es dann um die Verhältnismässigkeit und die genaue Definition? Ist plötzlich der betrunkene Direktor, der vielleicht etwas Ausfällig wird bei einer Alkoholkontrolle, auch einer, der droht, und muss er auch für 30 Tage «id Chischte»? Ich könnte Ihnen noch andere Bei- spiele nennen, wo es ein wenig ins Absurde führte, würden wir dies so übernehmen. Es geht also letztlich um die Verhältnismässigkeit unseres Strafgesetzbuches. Wir finden, hier werde übers Ziel hinaus geschossen, und wir können diesem Vorstoss nicht folgen. Wohl aber können wir dem An- liegen folgen, und deshalb haben wir hier im Rat ganz deutlich manifestiert, dass wir gegen Gewalt gegenüber Beamten, Verwaltungsangestellten oder Polizistinnen und Polizisten sind. Nulltoleranz wollen wir auch weiterhin, aber wir wollen nicht mittels einer Standesinitiative auf Bundesebene et- was machen. Philippe Müller, der Kanton Genf hat es ja jetzt auf eidgenössischer Ebene einge- bracht. Daher müssen wir hier nicht auch noch unseren Einfluss auf eidgenössischer Ebene verpuf- fen lassen, sondern sollten vielleicht lieber ein anderes Mal bei einem anderen, wichtigeren Thema eine Standesinitiative einbringen. Zum Schluss, das hat schon Grossrat Sancar gesagt: Eine Om- budsstelle wäre natürlich auch eine Möglichkeit. Auch die Whistleblower-Stelle, die wir heute be- schlossen haben, möchte ich in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt lassen. Auch sie hilft mit, dass Gewalt gemeldet und geahndet werden kann. Die SP-JUSO-PSA-Fraktion schlägt Ihnen also vor, diesen Vorstoss abzulehnen.

Marc Jost, Thun (EVP). Die EVP-Fraktion sieht im Anstieg der Gewalt gegen Beamte ein Problem, das im Wachsen begriffen ist. Aus diesem Grund haben wir auch die angesprochene Motion Meyer, Burkhalter und Bernasconi mit Überzeugung unterstützt. Die EVP begrüsst auch die Verschärfun- gen in diesem Bereich, die jetzt auf Bundesebene vorbereitet werden, lehnt aber den vorliegenden Vorstoss ab. Immer wieder werden nicht nur am Stammtisch, sondern auch darüber hinaus bis weit in unsere Gesellschaft hinein Gerichtsurteile heiss diskutiert und auch – in beide Richtungen – scharf kritisiert. Dies manchmal zu Recht, manchmal aber auch, weil man den Fall nicht bis ins De- tail kennt. Aber hier besteht nun wirklich das Potential, dass ein Parlament den Auftrag gibt, eine Grundalge zu legen, die dann wirklich zu seltsamen Entscheiden führen könnte. Wir sehen dabei das Problem insbesondere in dem gewählten Wort «zwingend», heisst es doch: « Q im Fall von Gewalt und Drohung gegen Beamte zwingend mit einer unbedingten Freiheitsstrafe Q ». Philippe Müller sagte, dies sei eine bessere Formulierung als zuvor, als er dies offen gelassen hatte. Wir stellen das in Frage. Das ist eben eine sehr starke Zuspitzung. Man kann es nun so sehen, wie Hans Rösti dargestellt hat, und sagen, das werde ja dann nicht so heiss gegessen, wie es gekocht wurde. Aber wenn diese Formulierung so überwiesen wird, dann geht dies so in den Gesetzestext ein. So leichtfertig gehen wir nicht mit den Formulierungen um. Und ich glaube, eine schlechte For- mulierung wird dann auch nicht zum Freipass für irgendwelche potentiell gewalttätigen Personen, wie dies in Aussicht gestellt worden ist.

Wir sind vielmehr der Meinung, der Vorstoss sollte zurückgezogen werden. Dies genau aus dem Grund, dass wir damit nicht irgendein falsches Signal aussenden, sondern gute und realistische Lösungen vorschlagen wollen, die nicht schon im Vornherein eine Grundlage für sehr eigenartige Urteile bieten. Ein Beispiel dafür wurde in der Antwort des Regierungsrats erwähnt. Es gäbe auch noch andere, die man anführen könnte, bei denen man merkt, dass es trotz einer Verschärfung eben auch eine Verhältnismässigkeit braucht in Bezug auf Drohungen und Gewalt gegenüber Be- amten. Wir lehnen den Vorstoss ab, sehen aber sehr wohl, dass hier ein Problem besteht, dass in unserer Gesellschaft noch nicht ganz gelöst ist.

Thomas Brönnimann, Mittelhäusern (glp). Die glp-CVP-Fraktion lehnt den Vorstoss Müller aus den genannten Gründen ebenfalls ab. Herr Grossrat Rösti hat es bereits gesagt: Hier soll ein politi- sches Zeichen gesetzt werden. Ja, darum geht es hier wohl wirklich: Es geht nicht nur um ein politi- sches Zeichen, sondern um ein Rauchzeichen; am liebsten würde man wohl gleich eine Rauch- bombe werfen. Wir sollten uns eigentlich darin einig sein, dass hier eine Standesinitiative das fal-

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sche Mittel ist. Falls wir uns darin nicht einig sind, habe ich aber das vollste Vertrauen, dass später das eidgenössische Parlament erkennen wird, dass es das falsche Mittel ist.

In der Antwort der Regierung lese ich, dass sogar der Motionär selber anerkennt, dass seine Forde- rung systemwidrig ist. Für mich persönlich ist daher schon fast nicht mehr nachvollziehbar, wenn dann jemand dennoch an so etwas festhält und einfach aus wahltaktischen oder wahlkampfmoti- vierten Gründen gleichwohl einen solchen Vorstoss bringt. Die Antwort der Regierung ist absolut nachvollziehbar und verständlich. Hätte die Standesinitiative Erfolg, heisse das, dass wir einen zent- ralen Grundsatz des Strafrechts aushebeln, nämlich die Verhältnismässigkeit. Und das kann ja wohl nicht die Absicht des Grossen Rats des Kantons Bern sein. Wir sind zudem der Meinung, wir müss- ten aufpassen, dass wir nicht allzu viele politische Zeichen setzen, nur um des Zeichensetzens wil- len, selbst wenn wir eigentlich wissen, dass der Vorstoss im Kern nicht richtig ist. Deshalb bitte ich Sie alle, setzen Sie kein Rauchzeichen und lehnen Sie den Vorstoss ab.

Markus Meyer, Roggwil (SP). Es wurde nun einige Male die Motion Meyer, Burkhalter und Ber- nasconi zitiert, mit der wir tatsächlich Nulltoleranz in diesen Fragen verlangt haben. Ich stehe nach wie vor zu dieser Forderung, welche dieses Parlament damals mit Recht und deutlich überwiesen hat. Ich freue mich auch feststellen zu dürfen, dass die überwiesene Motion bereits erste Früchte getragen hat. Dort, wo ich relativ nahe dran bin, bei der Kantonspolizei, werden heute die Frontleute motiviert, Tätlichkeiten oder Drohungen zur Anzeige zu bringen, und diese werden dann abgeurteilt.

Gerade kürzlich gelang es, ein paar Automobilisten, die gegenüber Polizeikräften, welche eine Ra- darkontrolle durchgeführt haben, beleidigend wurden, entsprechend wegen Beschimpfung abzuur- teilen und sie mit einem Strafmandat zu bedienen. Ich glaube, das ist der richtige Weg. Wir müssen die Gesetze, die wir haben, konsequent durchsetzen. Dem Freisinn, der mit dieser Motion daher- kommt, muss ich hingegen sagen: Dafür bin ich nun wirklich viel zu liberal, als dass ich mich hinstel- len und sagen könnte, jemand, der eine Tätlichkeit oder eine Drohung begeht, ein angetrunkener, der vielleicht irgend etwas Beleidigendes ausstösst, solle, wie Sie das hier verlangen, ohne Rück- sicht auf die näheren Umstände – so ein bisschen à la Ausschaffungsinitiative – « Q zwingend mit einer unbedingten Freiheitsstrafe nicht unter 30 Tagen Q » bestraft werden. Da muss ich sagen:

«Geits eigentlech no?» Die Freiheit ist eines der wichtigsten und schützenswertesten Rechtsgüter, die wir haben. Und nur, um hier irgendwie ein Zeichen zu setzen, in einer solchen Art und Weise einzufahren, das kann ich von Seiten einer freiheitlichen liberalen Partei nicht verstehen. Liebe Kol- leginnen und Kollegen, das ist falsch. Ein solches Zeichen dürfen wir ja nicht aussenden. Denn sonst gehen wir in die Richtung eines Staates und eines Staatsverständnisses, mit dem es wahr- scheinlich niemandem hier drin noch wohl wäre. Deshalb bitte ich Sie aus Überzeugung, diese Mo- tion abzulehnen.

Präsident. Herr Müller möchte nach dem Regierungspräsidenten sprechen.

Christoph Neuhaus, Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektor. Beim ersten Vorstoss hatte die Polizei- und Militärdirektion die Federführung. Ich habe gehört, er sei überarbeitet worden; es würde mich interessieren, wer mitgeholfen hat, ihn zu überarbeiten. Der zweite Vorstoss kam dann zur Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion. Man hatte ihn verbessert, aber er wurde leider Gottes eben verschlimmbessert. Der Regierungsrat und die JGK helfen nicht mit, den allgemeinen Teil des Strafgesetzes auf diesem Weg zu ändern. Auch, wenn Herr Grossrat Müller inhaltlich zu 120 oder 130 Prozent Recht hat: In der Formulierung dieses Vorstosses kommt man nicht ganz auf 100 Prozent, wie Ihnen der Regierungsrat in der Antwort darlegt. Auf Bundesebene laufen bereits Arbeiten, um wieder kurze Freiheitsstrafen einführen zu können, und auch die Erhöhung von Ta- gessätzen bei Geldstrafen ist in Erarbeitung. Ich fasse zusammen: Das Anliegen des Motionärs wird vom Regierungsrat begrüsst, dann folgt jedoch das grosse Aber: Die Forderung, die Gerichte müss- ten Täter, die gegen Artikel 285 StGB verstossen, zwingend zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilen, ist problematisch. Herr Grossrat Müller will auf diesem Weg das Strafgesetzbuch än- dern. Das geht so nicht; lehnen Sie die Motion ab.

Philippe Müller, Bern (FDP). Eines schleckt keine Geiss weg: Wenn wir dort endlich eine Handha- be haben wollen, dann greifen wir in diese Systematik ein; das ist richtig. Dies, weil es anders ein- fach nicht zu haben ist. Man kann nun Vorstosse wie jenen der «Nulltoleranz» anführen. Ich habe diesen unterstützt, das ist wunderbar, aber der Effekt bleibt natürlich schon an einem sehr, sehr kleinen Ort. Denn dass die Betroffenen Anzeige erstatten können, das war vorher auch schon so.

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Ich habe gehört, die Justiz solle doch endlich die Gesetze anwenden, usw. Aber diese Möglichkeit besteht ja schon. Offenbar werden sie angewendet, was dann eine bedingte Strafe oder eine Busse zur Folge hat. Aber das wirkt eben nicht. Es heisst auch, dies sei nicht praktikabel. Es geht um ge- nau einen Satz im Strafgesetzbuch, den man anpassen muss. Diesen passt man an und legt ganz präzise dafür einen Tatbestand fest. Das ist richtig, mehr braucht es aber auch nicht. Wenn ich nun höre, wie von liberal gesprochen wird und wie stark dies eingreifen würde, muss ich sagen: Meine Damen und Herren, es geht hier um Gewalttäter, die gegen Artikel 285 verstossen und um nichts anderes. Es geht um Gewalttäter, und nicht um jemanden, der irgendetwas sagt; das habe ich vor- hin erläutert. Diese Leute erhalten heute halt in Gottes Namen nur eine bedingte Strafe oder nur eine Busse. Dort muss man eingreifen, und das hat nichts mit liberal zu tun. Diese Leute muss man nicht schützen. Es geht nur darum.

Was ich etwas weniger gern gehört habe, war, dass vom Vertreter der Grünen gesagt wurde, es sei nicht erwiesen, dass Gewalt und Drohungen gegen Beamte zugenommen hätten. Ich weiss nicht, wofür denn dann die jährlichen Kriminalstatistiken sind, oder wofür die Kampagnen des eidgenössi- schen und kantonalen Polizeiverbands sind. Ich habe es vorhin schon gezeigt: wofür ist denn das?

(Der Redner zeigt dem Rat nochmals dasselbe Flugblatt.) Warum haben sie das denn gemacht?

Träumen sie das nur? Wohl eher nicht. Die meisten Gewaltfälle sind nicht Schiessereien, sondern es sind Gewaltfälle, die zwar vom Gesetz erfasst sind, aber eben nur bedingte Strafen ergeben.

Und das löst eben die grosse Frustration aus bei den Polizisten. Sie werden verletzt, und der Täter erhält eine bedingte Strafe oder eine Busse, die er dann vielleicht bezahlt oder auch nicht. Nur dar- um geht es. Dies hier zu dramatisieren und mit Masseneinwanderung und wer weiss was allem zu vergleichen – das hat hinten und vorne nichts miteinander zu tun. Es geht um eine Standesinitiative – dieses Instrument gibt es nun einmal –, und ich bitte Sie, diese zu unterstützen.

Abstimmung

Der Grosse Rat beschliesst:

Ablehnung

Ja 47

Nein 98

Enthalten 6

Präsident. Sie haben die Motion abgelehnt.

Referenzen

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