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Mittwoch (Vormittag), 4. September 2013 Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion 34 2012.1473 Motion 253-2012 Müller (Bern, FDP) Personelle Kapazitäten bei der Staatsanwaltschaft kostenneutral erhöhen

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Sitzungstitel7 2012.1473 1

Der Grosse Rat des Kantons Bern

Le Grand Conseil du canton de Berne

Mittwoch (Vormittag), 4. September 2013

Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion

34 2012.1473 Motion 253-2012 Müller (Bern, FDP)

Personelle Kapazitäten bei der Staatsanwaltschaft kostenneutral erhöhen

Vorstoss-Nr: 253-2012

Vorstossart: Motion

Eingereicht am: 19.11.2012

Eingereicht von: Müller (Bern, FDP) (Sprecher/ -in)

Weitere Unterschriften: 12

Dringlichkeit:

Datum Beantwortung: 05.06.2013

RRB-Nr: 740/2013

Direktion: JGK

Personelle Kapazitäten bei der Staatsanwaltschaft kostenneutral erhöhen

Der Regierungsrat wird ersucht, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, welche die Ge- richtsbehörden zur Aushilfe in der Staatsanwaltschaft verpflichten, soweit mit den verfüg- baren Ressourcen die gesetzlichen Zielsetzungen eines raschen Verfahrens nicht erreicht werden (insbesondere im Strafmandatswesen).

Begründung:

Die Staatsanwaltschaft ist überlastet, und die Untersuchungsverfahren dauern zu lange (vgl. Geschäftsbericht Staatsanwaltschaft und Bericht Justizkommission). Die neue Straf- prozessordnung des Bundes hat im Kanton Bern zu einer Umverteilung der Aufgaben von der Justiz zur Staatsanwaltschaft geführt. Der Staatsanwaltschaft wurden zwar zusätzliche Ressourcen zur Verfügung gestellt, doch scheinen die dafür getroffenen Annahmen nicht dem tatsächlichen Ressourcenbedarf zu entsprechen. Das Untersuchungsverfahren stellt das Fundament der Strafrechtspflege dar, weshalb fehlende Ressourcen nicht zu einer Verschleppung solcher Verfahren führen dürfen.

Mit der letzten Justizreform wurde die Selbstverwaltung der Gerichtsbehörden und der Staatsanwaltschaft eingeführt. Daran soll festgehalten werden. Im Interesse eines funktio- nierenden Rechtsstaates sollen diese Behörden indessen zu einer bereichsübergreifenden Ressourcenbewirtschaftung angehalten und zur Aushilfe verpflichtet werden. Damit soll zudem sichergestellt werden, dass die Justizleitung im Rahmen der ihr übertragenen Res- sourcensteuerung den Bedürfnissen der Staatsanwaltschaft hinreichend Rechnung trägt.

Im Bereich Sicherheit konnten Fortschritte erzielt werden (Polizeibestand, Schnellrichter usw.). Diese dürfen nun nicht «verspielt» werden. Da die Stärkung der Staatsanwaltschaft nicht den Steuerzahlenden aufgebürdet werden soll und zudem die Reorganisation zu Entlastungen bei der Gerichtsbarkeit geführt hat, sind dortige Ressourcen zur Unterstüt- zung der Staatsanwaltschaft beizuziehen.

Antwort des Regierungsrats

Die Motion verlangt eine bereichsübergreifende Ressourcenbewirtschaftung. Mittels An- passung der Rechtsgrundlagen soll sichergestellt werden, dass die Gerichtsbehörden bei Kapazitätsengpässen zur Aushilfe in der Staatsanwaltschaft verpflichtet werden können.

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Geschäfts-Nr.: 2012.1473 Seite 2/6

Gemäss der neuen bernischen Gerichtsorganisationsgesetzgebung sind Staatsanwalt- schaft und regionale Gerichtsbehörden unterschiedliche Organisationseinheiten, denen je für sich das Recht zur Selbstverwaltung zusteht (vgl. Art. 2 und 3 sowie Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes vom 11. Juni 2009 über die Organisation der Gerichtsbehörden und der Staats- anwaltschaft [GSOG; BSG 161.1]). Eine Verbindung dieser Behörden besteht insofern, als sowohl Gerichte als auch Strafverfolgungsbehörden in gewissen strategischen Belangen der Justizleitung unterstehen, welche als gemeinsames Organ von Obergericht, Verwal- tungsgericht und Generalstaatsanwaltschaft bereichsübergreifende Koordinations- und Steuerungsaufgaben für die gesamte dritte Staatsgewalt erfüllt (vgl. Art. 17 und 18 GSOG).

Die Justizleitung überprüft bereits heute periodisch im Rahmen ihrer Aufgaben die Stellen- dotation in den Justizeinheiten und passt sie den Bedürfnissen an. Aufgrund der ersten Erfahrungen mit den neuen Prozessgesetzen wurde im Frühjahr 2012 beschlossen, 9,75 Stellen (davon 3 Richterstellen) in der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit abzubauen. Drei infol- ge Pensionierung oder Wahl an das Obergericht entstehende Vakanzen an den Regional- gerichten werden nicht ersetzt und die frei werdenden Mittel auf die Staatsanwaltschaft übertragen. Der Stellenabbau wird im laufenden Jahr abgeschlossen. Die bei der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit frei werdenden Mittel werden der Staatsanwaltschaft mit dem Voran- schlag 2014 vollständig zur Verfügung stehen.

Solchen bereichsübergreifenden Steuerungsmöglichkeiten setzt das geltende Recht aller- dings gewisse Grenzen. Gemäss Art. 21 Abs. 4 und 22 Abs. 3 GSOG legt der Grosse Rat durch Dekret die Höchstzahl der Stellen der hauptamtlichen Richterinnen und Richter, der Vorsitzenden und Mitglieder der regionalen Schlichtungsbehörden, der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie der Jugendanwältinnen und Jugendanwälte fest. So verfügt etwa die Staatsanwaltschaft über höchstens sechs Vollzeitstellen für leitende Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und maximal 70 Vollzeitstellen für Staatsanwältinnen und Staatsanwäl- te (vgl. Dekret vom 8. September 2009 über die Besetzung von Richter- und Staatsan- waltsstellen, BSG 161.11). Diese Vorgaben binden die Justizleitung bei der Zuteilung der Ressourcen im Budgetprozess.

Immerhin sieht das geltende Recht vor, dass gewisse Richterinnen und Richter zur Aushil- fe in einer anderen Organisationseinheit mit richterlicher Funktion verpflichtet werden kön- nen (vgl. Art. 62 Abs. 2, 66 Abs. 2, 87 Abs. 1 GSOG). Diese Aushilfeverpflichtungen betreffen jedoch nur dieselbe Produktgruppe (Zivil- und Strafgerichtsbarkeit). Damit das Anliegen der Motion auch mit Bezug auf die Funktion der Richterin/des Richters bzw. der Staatsanwältin/des Staatsanwalts umgesetzt werden könnte, müsste eine entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen werden.

Dies wäre allerdings mit verschiedenen Schwierigkeiten verbunden: Zunächst gilt es zu bedenken, dass sich die Aufgaben der Staatsanwaltschaft und der Gerichte erheblich un- terscheiden. Die Arbeit der Staatsanwaltschaft erfordert nebst juristischem Sachverstand auch praktisches Wissen in Bezug auf die strafrechtliche Untersuchung, das nur durch eine gewisse Berufserfahrung erworben werden kann. Ein gewinnbringender Einsatz von Richterinnen und Richtern als Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ist daher erst nach einer gewissen Einarbeitungszeit möglich.

Als weiteres kommt hinzu, dass die Rückkehr von vorübergehend als Staatsanwältinnen und Staatsanwälte tätigen Richterinnen und Richtern in Konflikt mit deren richterlicher Un- abhängigkeit geraten könnte. Das ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts be- reits dann der Fall, wenn in einem konkreten Fall der Anschein der Befangenheit besteht.

Auch wenn gewährleistet wird, dass ein Richter keine Fälle beurteilt, in denen er zuvor als Staatsanwalt die Untersuchung geführt hat, könnte der Anschein der Befangenheit nur schon dadurch zu bejahen sein, dass die betreffende Person während der Untersu- chungsphase zu der mit dem fraglichen Fall befassten regionalen Staatsanwaltschaft ge- hörte.

Schliesslich müsste im Falle der Umsetzung des Motionsanliegens beachtet werden, dass die Wahl durch den Grossen Rat dem gewählten Richter eine hohe Legitimität verschafft.

Die Wahl durch das Parlament an ein bestimmtes Gericht – z. B. an ein Regionalgericht oder ein kantonales Gericht – enthält implizit die Verpflichtung (und das Recht) der ge-

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Geschäfts-Nr.: 2012.1473 Seite 3/6

wählten Person, die ihr übertragene richterliche Aufgabe während der sechsjährigen Amtsdauer zu erfüllen.

Angesichts dieser Schwierigkeiten und Vorbehalte steht der Regierungsrat dem Anliegen der Motion skeptisch gegenüber. Bevor die noch junge Gerichtsorganisationsgesetzge- bung in einer so grundlegenden Frage angepasst wird, sollten die bereits bestehenden Möglichkeiten der ressourcenübergreifenden Steuerung genutzt und erste Erfahrungen gesammelt werden. Gemäss den Ausführungen des Regierungsrats im Vortrag zur Justiz- reform findet fünf Jahre nach Inkrafttreten der neuen Justizorganisation, d. h. 2016, eine Evaluation statt. Diese hat insbesondere zum Ziel zu prüfen, ob die neuen strukturellen Rahmenbedingungen für die Führung und Steuerung der Gerichtsbehörden und der Staatsanwaltschaft zweckmässig sind. Dazu gehört auch die Prüfung der Frage, ob die bestehenden Aushilfeverpflichtungen genügen oder ob sie im Sinne der Motion weiter ausgebaut werden sollen.

Vor diesem Hintergrund beantragt der Regierungsrat, die Motion als Postulat anzuneh- men.

Der Regierungsrat beantragt:

Annahme als Postulat

Präsident. Das Wort hat der Motionär.

Philippe Müller, Bern (FDP). Die neue Strafprozessordnung des Bundes hat zur Umverteilung von Aufgaben von den Gerichten zur Staatsanwaltschaft geführt. Was hier etwas langweilig klingt, hat durchaus Auswirkungen. Aufgrund der Umverteilung gibt es eine Zunahme der Strafbefehle, es gibt Einspracheverfahren und eine Zunahme der Untersuchungen. Die Staatsanwaltschaft ist überlastet.

Auf der anderen Seite wurden die Gerichte und die Richter entlastet. Bei der Staatsanwaltschaften gibt es viele hängige Verfahren. Bei den vier regionalen Staatsanwaltschaften gab es per Ende 2012 1972 hängige Verfahren. Davon waren 594, also 30 Prozent, überjährig.

Ziel der Verfahren ist es, dass man rasch einen Entscheid hat. Die Täter sollen rasch der Bestra- fung zugeführt werden können. Nur so kann ein Strafurteil eine abschreckende Wirkung haben. Die Zielsetzung des raschen Verfahrens wird heute nicht mehr erreicht. Das gilt insbesondere im Straf- mandatswesen. Die Zahlen zeigen das. Wie erwähnt sind 30 Prozent der hängigen Verfahren über- jährige Verfahren.

Was verlangt die Motion? Im Interesse des funktionierenden Rechtsstaats sollen die Behörden zur gegenseitigen Aushilfe verpflichtet werden können. Man will die Möglichkeit schaffen, dass Richter bei der Staatsanwaltschaft aushelfen können. Damit hätte man eine zusätzliche Flexibilität. Was sagt die Regierung zu diesem Vorstoss? Sie sagt, das gebe es schon heute. Das geltende Recht lässt es bereits zu, dass gewisse Richterinnen und Richter zur Aushilfe in einer anderen Organisati- on verpflichtet werden können. Das gibt es also schon – einfach nicht in diesem Bereich. Die Regie- rung sagt weiter, die Arbeit der Staatsanwaltschaft verlange ein praktisches Wissen in Bezug auf die strafrechtliche Untersuchung. Nötig ist eine gewisse Berufserfahrung. Meine Damen und Her- ren, das ist ein fadenscheiniges Argument. Es gibt auch Stellenwechsel zwischen Staatsanwalt- schaft und Gericht. Selbstverständlich müssen sich die Leute einarbeiten. Das ist bestimmt ein lös- bares Problem.

Weiter führt die Regierung aus, die Richter seien durch den Grossen Rat gewählt worden. Das ist richtig. Sie haben die Verpflichtung, ihre richterliche Aufgabe wahrzunehmen. Das wird nicht tan- giert. Wenn sie freie Kapazitäten haben, sollen sie zusätzlich bei der Staatsanwaltschaft aushelfen können. Sie sehen also, es besteht kein grundlegendes Problem, zumal es das schon gibt. Man hätte einfach etwas mehr Flexibilität. Man schafft eine Möglichkeit, die Staatsanwaltschaft zu entlas- ten, und das kostenneutral. Dafür hat man weniger Pendenzen. Die Verfahren können rascher durchgeführt und abgeschlossen werden. Verfahren, die lange hängig und nicht entschieden sind schaden dem Rechtsstaat. Das trägt dazu bei, dass man vor Strafentscheiden keinen Respekt mehr hat. Das müssen wir verhindern. Hier haben wir die Möglichkeit, dazu einen Beitrag zu leisten. Und das ohne zusätzliche Stellen. Ich danke Ihnen für Ihr Ja zu dieser Motion.

Präsident. Für die Justizkommission und die BDP-Fraktion äussert sich Frau Grossrätin Gygax.

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Monika Gygax-Böninger, Obersteckholz (BDP), Präsidentin der Justizkommission. Der Motionär stellt fest, dass die Staatsanwaltschaft überlastet ist und Untersuchungsverfahren zu lange dauern.

Darum soll der Regierungsrat Grundlagen schaffen, wonach die Gerichtsbehörden dazu verpflichtet werden können, auszuhelfen, wenn das notwendig ist und wenn ansonsten die gesetzliche Zielset- zung eines raschen Verfahrens nicht umgesetzt und erreicht werden kann. Es geht also um eine bereichsübergreifende Ressourcenbewirtschaftung.

Der Motionär hat mit seiner Feststellung nicht Unrecht. Dazu kann ich mich als Präsidentin der Jus- tizkommission äussern. Wir wissen es alle: Die Justizreform, seit Anfang 2011 in Kraft und umge- setzt, hat grosse Veränderungen und Neuerungen gebracht. Das betrifft sowohl die Ebene der Füh- rungs- und Steuerungsstruktur als auch die Ebene des Personals, der Finanzen, der Informatik und weitere Strukturen. Mit der Justizreform haben wir das Gesetz über die Organisation der Gerichts- behörden und der Staatsanwaltschaft (GSOG) erlassen. Das noch junge, aber aktuell geltende Ge- setz setzt die Grenzen für eine solche vom Motionär verlangte bereichsübergreifende Ressourcen- verschiebung. Was möglich ist, hat die Justizleitung in Zusammenarbeit mit den Gerichtsbehörden und der Staatsanwaltschaft bereits gemacht. Das Personalthema ist ein Thema, das die Justizlei- tung regelmässig beschäftigt. Im Rahmen der Möglichkeiten werden Anpassungen vorgenommen.

Der Regierungsrat hat die Thematik in seiner Antwort ausführlich beschrieben. Er verweist auch auf den Vortrag zur Justizreform II. Im Jahr 2016 ist nämlich eine Evaluation geplant. Diese soll aufzei- gen, ob die Zielsetzungen der Reform erreicht worden sind, oder ob es Bereiche gibt, die Verbesse- rungen verlangen. Die Personaldotation wurde seinerzeit auf der Basis von Annahmen, Schätzun- gen und theoretischen Berechnungen vorgenommen. Die Unsicherheiten waren damals recht gross. Die Überlastung der Staatsanwaltschaft hat kurz nach der Inkraftsetzung aufgezeigt, dass sich nicht alle Annahmen und Schätzungen als richtig herausgestellt haben.

Die Justizkommission hat im letzten Juni nach diversen Gesprächen mit den Verantwortlichen der Justizleitung beschlossen, die Evaluation betreffend das Personal nicht bis ins Jahr 2016 hinauszu- schieben. Nein, dieser Bereich soll früher genau angeschaut werden. Fragestellungen und Antwor- ten dazu sollen der Justizkommission aufzeigen, ob, und wenn ja in welchem Umfang es bereits vor 2016 Sinn macht, fundierte Veränderungen vorzunehmen und damit die gesetzlichen Grundlagen bereits wieder zu ändern. Die Justizkommission hat eine Evaluation der personellen Dotierung bei unserer Justiz ins Auge gefasst und in Gang gesetzt. Die nächste Sitzung dazu findet morgen statt.

Aus der Sicht der BDP macht es keinen Sinn, eine Motion zu überweisen, die genau das verlangt, was bereits im Gang ist. Mit dem Postulat könnten wir einstimmig leben. Der Prüfauftrag ist er- wünscht, und er ist im Gange. Daher sagen wir zur Motion einstimmig nein und zum Postulat ja.

Peter Bernasconi, Worb (SP). Ich kann mich der Vorrednerin nahtlos anschliessen. Das Problem ist uns in der Justizkommission seit längerem bekannt. Wir wissen, dass die Staatsanwaltschaft knapp dotiert ist. Es ist ein Dauerthema, das wir zusammen mit der Justizleitung diskutieren. Wie bereits gesagt wurde, sind wir derzeit mit einer Evaluation beschäftigt. Mittels eines Drittauftrags soll die Personaldotation genau überprüft werden. Wir rechnen damit, dass die Resultate in einem Jahr vorliegen werden. Es ist nicht sinnvoll, zu versuchen, mit einer Hauruck-Übung eine Gesetzesände- rung durchzubringen, bevor eine Analyse vorliegt. Normalerweise analysiert man ein Problem und ändert die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen aufgrund der Analyse.

Wir wissen, dass die Staatsanwaltschaft knapp dotiert ist. Der Motionär verlangt, dass die Gerichts- behörden verpflichtet werden, dort auszuhelfen. Sind wir denn davon überzeugt, dass es bei den Gerichtsbehörden Leute hat, die unterbeschäftigt sind, die man ohne Weiteres in den andern Be- reich verschieben kann? Es könnte auch sein, dass diese ebenfalls ausgelastet sind. Dann müsste man andere Lösungen suchen. Die Motion ist zeitlich und inhaltlich nicht ganz richtig fokussiert.

Kommt es wirklich zu einer Gesetzesänderung, könnte eine Flexibilität zwischen den Gerichtsbe- hörden und der Staatsanwaltschaft vorgesehen werden, sodass es in beide Richtungen gehen kann. Das wäre das richtige Vorgehen. Die Fraktion SP-JUSO-PSA sieht das Problem. Eine Motion ist jedoch eindeutig falsch. Wir könnten allenfalls ein Postulat unterstützen. Eine Motion würden wir ablehnen.

Marc Jost, Thun (EVP). Die EVP-Fraktion wird diesen Vorstoss höchstens als Postulat unterstüt- zen. Warum würde eine Motion neue Probleme schaffen? Die Antwort der Regierung ist aus unse- rer Sicht sehr gut und ausführlich. Ich möchte Teile daraus aufgreifen, um zu erklären, warum das Postulat richtig ist. Die Vorrednerin und der Vorredner haben es erwähnt: Eine Evaluation ist im

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Gange, beziehungsweise für 2016 geplant. Würden wir hier vorgreifen und eine Motion überweisen, müsste der Regierungsrat innerhalb von zwei Jahren eine fertige Lösung präsentieren. Das würde dem gesamten Prozess nicht gerecht. Wir werden dann noch nicht so weit sein.

Noch viel problematischer ist der Unterschied zwischen Richter und Staatsanwalt. Wir haben als Parlament beschlossen, dass wir die Richter selbst wählen. Bei der Staatsanwaltschaft ist das an- ders. Diese Legitimitätsfrage zeigt der Regierungsrat auf. Das muss genauer angeschaut werden.

Es muss geprüft werden, welche Form der gesetzlichen Regelung angemessen ist. Die zwei Rollen sind zu klären. Es soll nicht zu Überschneidungen und Vermischungen kommen, welche die Unab- hängigkeit und das Ansehen der Gerichte in Frage stellen würden. Auch aus diesem Grund ist das Postulat der richtige Weg, wie das von der Regierung vorgeschlagen wird. Auch die Erfahrung zeigt uns, dass es gut gelaufen ist. Die Gerichtsbehörden haben reagiert, Verschiebungen vorgenommen und Korrekturen gemacht. Wir haben Vertrauen, dass das auch in Zukunft gut gemacht wird. Eine weitere, gesetzliche Verbesserung ist prüfenswert. Wir stimmen daher für das Postulat.

Christian Hadorn, Ochlenberg (SVP). Die SVP hat die Motion angeschaut. Ich nehme es vorweg:

Wir können eine Motion oder auch ein Postulat unterstützen. Der Regierungsrat wird ersucht, ge- setzliche Grundlagen zu schaffen. Wir haben eine Justizreform durchgeführt. Diese enthält neue Elemente. Wir haben gesehen, dass gewisse Dinge noch nicht rund laufen. Die eine Seite ist etwas überlastet, und die andere Seite muss vielleicht ein wenig nach Arbeit suchen. Ich betrachte das von der unternehmerischen Seite. Hat man einen Gemischtbetrieb, der unterschiedliche Dinge an- bietet, so hat man ab und zu im Verkauf einmal mehr von der einen und einmal mehr von der ande- ren Ware, die geliefert werden muss. Wir benötigen Allrounder, die bei den verschiedenen Anliegen mithelfen können. Aus diesem Grund wollen wir ihnen die Möglichkeit noch besser geben, indem die Staatsanwaltschaft und das Untersuchungsrichterverfahren besser miteinander zusammenar- beiten können. Vielleicht können wir mit einer Verschiebung sogar eine Stelle oder zwei einsparen.

Die SVP unterstützt eine Motion. Wir sind davon überzeugt, dadurch werde mehr Flexibilität ge- schaffen. Selbstverständlich würden wir auch ein Postulat unterstützen.

Thomas Brönnimann, Mittelhäusern (glp). Die glp-CVP-Fraktion ist der Meinung, die Motion sei falsch. Die Problemanalyse mag durchaus richtig sein. Der Lösungsvorschlag hingegen geht am Ziel vorbei. Kollege Hadorn hat den Gemischtwarenladen, respektive den Mischbetrieb zitiert. Dar- auf nimmt die Antwort des Regierungsrats auch Bezug. Der Regierungsrat erläutert schlüssig, dass es nicht gleich wie in deinem Betrieb ist, Christian Hadorn. Man kann nicht einfach einen Staatsan- walt als Richter einsetzen und umgekehrt. Dies allein schon wegen der erforderlichen Fähigkeiten.

Daher zieht dieses Argument nicht.

Es gibt ein schlagendes Argument. Der Regierungsrat schreibt: «Als weiteres kommt hinzu, dass die Rückkehr von vorübergehend als Staatsanwältinnen und Staatsanwälte tätigen Richterinnen und Richtern in Konflikt mit deren richterlicher Unabhängigkeit geraten könnten.» Der Kanton Bern hat das einmal verloren. Früher hatte er eine andere Organisation. Er wurde schlussendlich vom Bundesgericht dazu gezwungen, das neu zu organisieren. Das war mit eine Motivation dafür, dass wir die gesamte Gesetzgebung umgemodelt haben. In Ehren, Kollega Müller, dass man hier etwas sparen will – das ist wahrscheinlich das falsche Objekt. Wenn wir hier nun wieder damit beginnen, umzumodeln, gibt es bei der Justizdirektion eine grosse Übung. Am Schluss wird nichts heraus- schauen. Im schlimmsten Fall, wenn wir es ändern, erhalten wir vor Bundesgericht wieder Unrecht und müssen es wieder rückgängig machen.

Aus diesem Grund ist die Motion juristisch falsch. Eigentlich sollte man den Vorstoss auch als Pos- tulat nicht annehmen. Die glp-CVP-Fraktion wäre aber bereit, einem Postulat zuzustimmen. Es wäre auch schön, wenn Kollega Müller wandeln würde – das ist ja sonst nicht unbedingt sein Stil. Wir hoffen, es werde gewandelt.

Walter Messerli, Interlaken (SVP). Es darf nicht sein, dass wir wieder ins alte Fahrwasser geraten, das vor der Justizreform herrschte, nämlich dass in unserem Justizapparat Leute mit gleicher Be- soldung stark unterschiedliche Arbeitsbelastungen haben. Das war vor der Justizreform der Fall und wurde als Argument für die Justizreform verwendet. Langsam sind wir nun wieder gleich weit. Die neue Strafprozessordnung übertrug der Staatsanwaltschaft bedeutend mehr Kompetenzen. Es wurden Schlichtungsstellen eingeführt. Nun haben wir tatsächlich wieder ein Missverhältnis der Be- lastung von Richtern und Staatsanwälten. Das Missverhältnis hat einen Haken. Marc Jost hat das gut dargestellt. Wir haben ein Legitimationsproblem bei der Wahlbehörde. Was kann man jeman-

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dem zumuten, und was kann man ihm nicht zumuten? Dazu ist tatsächlich auf gesetzlicher Ebene eine bestimmte Regelung notwendig.

Wir diskutieren hier im Grunde genommen über die ASP, und zwar über den Buchstaben «A» – Aufgabenüberprüfung. Die Aufgabenüberprüfung verlangt es, dass im Kanton gleichmässige Belas- tungen bei gleichem Lohn herrschen. Das findet gegenwärtig nicht statt. Wir laufen in Pendenzen und Verfahrensverzögerungen hinein. Anstatt neue Stellen zu schaffen, sind eben ein Ausgleich und eine gesetzliche Grundlage dafür das Richtige. Wo ein Wille ist, ist ein Weg. Ein Postulat mag gut und recht sein. Wir müssen das Problem angehen. Sonst haben wir wieder unterschiedliche Belastungen zu gleichen Löhnen. Das ist ungerecht und führt wieder zu neuen Stellenforderungen.

Philippe Müller, Bern (FDP). Lieber Peter Bernasconi, du zweifelst das zwar an, aber die Ge- richtsbehörden sind in der Tat entlastet worden. Diverse Aufgaben der Gerichte wurden an die Staatsanwaltschaft übertragen. Es gab tatsächlich eine Entlastung, die Zahlen liegen vor – ebenso die Pendenzen, beziehungsweise der «Pendenzenberg», wie es im Bericht der Staatsanwaltschaft heisst. Durch die Schaffung befristeter Stellen ergab sich eine leichte Entlastung. Thomas Brönni- mann, über Stilfragen lasse ich mich hier nicht aus. Das ist der falsche Ort, zumindest für mich. Die grosse Übung, die du erwähnt hast, ist längst im Gange. Vielleicht ist das an dir vorbeigegangen.

Marc Jost hat Recht. Auch bei einer Motion hat der Regierungsrat zwei Jahre Zeit. Er muss das prüfen, um die richtige Lösung herauszufinden. In der Tat braucht auch eine Motion Zeit. Unter den geschilderten Umständen kommt es in diesem Fall nicht darauf an, ob eine Motion oder ein Postulat überweisen wird. wichtig ist, dass das Parlament hier die Richtung vorgibt. Ich bitte Sie, den Vor- stoss als Postulat zu unterstützen.

Präsident. Der Vorstoss wurde ins Postulat gewandelt. Es besteht somit keine Differenz zur Regie- rung mehr. Wir stimmen über das Postulat ab.

Abstimmung

Der Grosse Rat beschliesst:

Annahme als Postulat

Ja 137

Nein 0

Enthalten 0

Präsident. Sie haben den Vorstoss als Postulat angenommen. Ich danke dem Herrn Regierungs- präsidenten Neuhaus für seinen Einsatz.

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