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Archiv "Ein Krankenhaus wird besiedelt: Eine „unendliche Geschichte“ aus Wien" (09.05.1991)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

URZBERICHT

M

it dem Einzug der Abtei- lung für physikalische Me- dizin begann Ende Januar ein Vorgang, der in Osterreich als

„Besiedlung" des neuen Allgemei- nen Krankenhauses (AKH) in Wien bezeichnet wird. 1993 will man damit fertig sein: ein Prozeß, der 1956 be- gann und damit am Ende 37 Jahre gedauert haben wird.

Zwei finsterschwarze Bettentür- me im IX. Wiener Bezirk sind schon seit einiger Zeit als neues „Wahrzei- chen" von weither zu sehen. Das Spi- tal soll am Ende 2200 Betten haben, und damit ist es nicht nur eines der größten, sondern auch eines der teu- ersten Krankenhäuser der Welt.

Vor 35 Jahren begann man mit der Planung, und man ging von Bau- kosten von einer Milliarde Schilling aus (142 Millionen DM). Dann gab es immer wieder neue Umplanun- gen, immer neue Skandale, über die mehrere Minister stolperten, und immer neue Baukostenberechnun- gen: Jetzt ist man bei einer Schät- zung von 36 Milliarden Schilling (über fünf Milliarden DM) ange- kommen In die teilen sich der Bund und der Stadtstaat Wien je zur Hälf- te. Denn das AKH ist zwar einerseits städtisches Krankenhaus, anderer- seits aber auch Universitätsklinik.

Und für die Universitäten ist, anders als in Deutschland, der Bund zustän- dig.

Genau an dieser Stelle ist der nächste Streit vorprogrammiert.

Denn als Universitätsbetreiber ist der Bund auch für die Unterhalts- kosten zuständig: die Stadt Wien will den Bund für Forschung und Lehre am AKH genauso heranziehen wie für den Bau, mit 50:50. Der Bund aber sagt jetzt: Wir zahlen nur 18,5 Prozent der auf mehr als eine Milli- arde DM im Jahr geschätzten Be- triebskosten — das war die Rechtsla- ge für ganz gewöhnliche, also nicht- universitäre Einrichtungen im Jahre 1977. Der Leiter der „erstbesiedeln- den" Abteilung, Professor Dr. Ed- zard Ernst, zeigt sich optimistisch: Er glaubt, bei jedem Patienten genau ausrechnen zu können, was jeweils an Behandlungs- und an Kosten für Lehre und Forschung angefallen ist.

Das mag hier noch angehen, immer- hin ist diese Klinik für physikalische

Behandlung und Rehabilitation eine ziemlich einmalige Einrichtung; unter den ersten zehn Patienten, die bei der feierlichen Eröffnung einzogen, be- fand sich beispielsweise der österrei- chische Tennisstar Barbara Paulus.

Aber ob eine solche Rechnung auch bei einer ganz normalen inneren Ab- teilung möglich sein wird?

Das alles spielt sich ab vor einem düsteren Hintergrund: Die Kranken- hausfinanzierung in Osterreich ist umstritten wie nie. Bisher meldeten die Krankenhäuser, die meist von den Ländern unterhalten werden, ih- ren „Abgang" — auf deutsch ihr Defi-

Ein

Krankenhaus wird

besiedelt

Eine „unendliche Geschichte"

aus Wien

zit — beim Träger an und bekamen ihn ersetzt. Dann wurde 1977 der

„KRAFAZ", der „Krankenanstal- ten-Zusammenarbeitsfonds" gegrün- det, in den die Sozialversicherung und die Länder einzahlen und der zumindest einen Teil des „Abgangs"

deckt. Das Abkommen über den KRAFAZ läuft jetzt aus.

Inzwischen haben einige Länder einen Trick entdeckt: Wien bei- spielsweise fand heraus, daß es eine große Zahl von Patienten aus Nie- derösterreich und aus dem Burgen- land zu versorgen hat — kein Wun- der: Wien liegt inmitten dieser bei- den Länder, die nicht über so hoch- spezialisierte Krankenhäuser verfü- gen wie die Universitätsstadt. Wie- ner Magistratsbeamte versuchen nun, Rechnungen für niederösterrei- chische und burgenländische Patien- ten auszustellen und sie bei den Nachbarn einzutreiben. Bisher war dies vergeblich.

Der Hauptverband der Sozial- versicherungsträger denkt nicht dar-

an, sich weiter an den steigenden Spitalkosten zu beteiligen. Sein Prä- sident, der Gewerkschaftsfunktionär Richard Leutner, beschwert sich:

Vor 30 Jahren hätten die Kranken- hauskosten nur 16 Prozent der Kran- kenversicherungsausgaben ausge- macht, heute aber 30 Prozent — und das beweise, daß sich „die öffentli- chen Haushalte aus der Kranken- hausfinanzierung zurückgezogen"

hätten. Mit anderen Worten: Nicht die Benutzer sollen für das Kranken- haus zahlen, sondern der Steuerzah- ler. Wenn aber der „KRAFAZ" aus- läuft, dann treten bestehende Geset- ze wieder in Kraft — und die würden bestimmen, daß die Sozialversiche- rung ganz erheblich mehr zur Kasse gebeten wird als jetzt. Mehrere Län- der haben bestehende Verträge mit der Krankenversicherung bereits vorsorglich gekündigt.

Der ebenfalls sozialistische Ge- werkschaftsfunktionär Harald Ettl (Gesundheitsminister) kündigte an, daß die (vergleichsweise niedrigen) Sozialversicherungsbeiträge nun doch erhöht und höhere Selbstbehal- te eingeführt werden müßten. Dies allerdings auch mit der Begründung, daß die Krankenversicherung neue Leistungen zu finanzieren habe:

Hauskrankenpflege, Akupunktur, Homöopathie . . . — Und er will den „KRAFAZ" abschaffen; dafür möchte er einen „Gesundheitsfonds"

einführen. Der soll insbesondere bei den Spitälern ein „leistungsbezoge- nes, diagnoseabhängiges Finanzie- rungssystem" schaffen; Amerika läßt grüßen . . .

Zurück zum AKH in Wien:

Nach Berechnungen einer Wiener Zeitung haben Planung, Bau und da- mit zusammenhängende Skandale acht Finanzministern, vier Bau- tenministern, je fünf Wissenschafts-, Sozial- und Gesundheitsministern (letztere zwei manchmal in Personal- union), vier Bürgermeistern, drei Fi- nanzstadträten, zwei Gesundheits- und zwei Bautenstadträten nicht nur schlaflose Nächte bereitet, sondern einigen von ihnen auch die Ämter gekostet. Und manches erinnert an Aachen: Auch in Wien haben nur die Krankenzimmer Tageslicht — alle Funktionsräume liegen im dunklen Inneren. bt A-1682 (58) Dt. Ärztebl. 88, Heft 19, 9. Mai 1991

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