• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Jahrestagung der HNO-Ärzte – Hörsturz: „Siebsystem“ der Diagnostik erforderlich" (06.06.1997)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Jahrestagung der HNO-Ärzte – Hörsturz: „Siebsystem“ der Diagnostik erforderlich" (06.06.1997)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

„Streß“ gilt noch immer als die wichtigste Ursache für einen Hör- sturz. Gerade wenn jüngere, gesunde Patienten in die Praxis kommen, wird man daher versuchen, den Patienten

„zur Ruhe“ zu bringen, erklärte Prof.

K. Seifert (Neumünster) auf der 68.

Jahrestagung der Deutschen Gesell- schaft für Hals-Nasen-Ohren-Heil- kunde in Nürnberg. Als erste Maß- nahmen werden Bettruhe, Rauchver- bot, bewußtes Maßhalten

bei Essen und Trinken und eine orale medika- mentöse Therapie emp- fohlen.

Diese Frühbehand- lung ist auf wenige Tage begrenzt und entbindet nicht von der Verpflich- tung einer Mindestdia- gnostik. In den Leitlinien der Deutschen Gesell- schaft für Hals-Nasen-Oh- ren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie (im Inter- net abrufbar über die Homepage der Arbeits- gemeinschaft der Wis- senschaftlichen Medizini- schen Fachgesellschaften

„AWMF“) hat man daher die Diagno- stik in notwendige Untersuchungen und solche, die im Einzelfall nützlich sind, unterteilt.

Ableitung der

Hirnstammpotentiale

Unverzichtbar sind eine audio- metrische Untersuchung, die Prüfung der Mittelohrreflexe, die Ableitung der Hirnstammpotentiale und eine Gleichgewichtsprüfung. Zeigt eine der Untersuchungen einen pathologi- schen Befund, sollten auch ein Kern- spintomogramm und eine komplette elektronystagmographische Gleich- gewichtsprüfung durchgeführt wer-

den. Diese Art „Siebsystem“ der Dia- gnostik sollte unbedingt durchgeführt werden, damit möglichst kein anderes Krankheitsbild übersehen wird.

Denn das klinische Bild des plötzlichen – meist unilateralen – Ausfalls des Gehörs kann verschiede- ne Ursachen haben. Die Palette reicht von Ohrenschmalz, Verletzungen der Schalleitungskette, Tubenfunktions- störungen bis zu ernsthaften Erkran-

kungen wie Tumoren der Hör- oder Gleichgewichtsnerven. Auch viele junge Leute klagen heute nach lautem Musikkonsum über plötzliche Hör- störungen.

In Deutschland kommt etwa eine Erkrankung auf 2 600 Einwohner pro Jahr. Nach Berechnungen der AOK sind dies jährlich 27 000 bis 30 000 Hörstürze. Gerade beim Hörsturz sollte man sich nicht in Sicherheit wie- gen, weil sich das Gehör, auch ohne Behandlung, zwischen 40 und 75 Pro- zent wieder erholt. „Jedes entzündli- che Krankheitsbild, ob Appendizitis oder Herzinfarkt, hat eine Spontanre- missionsrate, und keiner käme auf den Gedanken, den Patienten des- halb nicht zu behandeln“, so Prof. W.

Arnold (München) in Nürnberg. Der Verlust des Gehörs ist für die Betrof- fenen ein extremes Angsterlebnis.

Ein therapeutischer Nihilismus sei nicht zu verantworten. Man muß tun, was nach augenblicklichem Kenntnis- stand erfolgreich ist. Erfahrungs- gemäß ist die Chance der Wiederer- holung des Hörvermögens dann be- sonders gut, wenn möglichst frühzei- tig mit den therapeutischen Möglich- keiten begonnen wird. Besonders gut ist die Erholungsfähigkeit bei Tiefton- hörstürzen.

Mehr Komplikationen beobachtet

Die klassische Behandlung ist ei- ne Verbesserung der Durchblutung, obwohl bekannt ist, daß die Durchblutung per se nicht die Ursache für den Hörsturz ist. Dazu Arnold:

„Unsere Therapie ist poly- pragmatisch. Wir geben verschiedene Medikamen- te in der Hoffnung, daß ei- ne Komponente wirkt.“

Zu diesem polypragmati- schen Spektrum gehören nach wie vor Medikamen- te, die die Durchblutung und Sauerstoffversorgung verbessern, und Kortison, dessen entzündungshem- mende und antiödematöse Wirkung bei bestimmten Formen des Hörsturzes sehr wirkungsvoll ist.

In den meisten Kliniken werden die Patienten nach wie vor an den

„Tropf“ gehängt, der für vier bis sechs Stunden mit der Beigabe von Korti- son laufen sollte. Bei Patienten, die zeitlich unter Druck stehen, verab- reicht man Kortison intravenös.

Die Sinusitis, lästige Begleiter- scheinung fast jedes stärkeren Schnupfens, läßt sich normalerweise gut behandeln. Seit zwei Jahren beob- achtet man an großen HNO-Kliniken aber eine Zunahme an Komplikatio- nen. Eine Antibiotikaresistenz der Erreger scheint dafür nicht die Ursa- che zu sein. Eher glaubt Prof. U.

Ganzer (Düsseldorf), daß die Sinusi- tis oft zu lange falsch und unzurei- chend mit Homöopathie oder Natur- A-1553

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 23, 6. Juni 1997 (37)

Jahrestagung der HNO-Ärzte: Hörsturz

„Siebsystem“ der

Diagnostik erforderlich

Auch von HNO-Ärzten immer wieder betont: Lärm schädigt die Gesundheit.

(2)

heilverfahren behandelt oder nicht lange genug mit Antibiotika thera- piert wird.

Bei den chronischen Formen der Nasennebenhöhlenerkrankungen steht fast immer ein operativer Ein- griff am Beginn der Therapie. Die Operation wird heute schonend mini- mal invasiv durchgeführt. Auch die chronische Entzündung der Nasenne- benhöhlen bedarf unter Umständen der konservativen Therapie, die le- benslang sein muß, wenn sie auf Grundlage einer Allergie entstanden ist. Im Kindesalter wird heute beson- derer Wert auf Prävention gelegt und intensiv Therapie betrieben, oft auch

„gegen den Wunsch anderer Fach- gruppen“, meinte Ganzer.

Begünstigender Faktor für Na- sennebenhöhlenentzündungen im Kindesalter ist die vergrößerte Ra- chenmandel. Weiter zählen dazu Eng- stellen der Nase wie Verbiegungen der Nasenscheidewand, nicht mehr rückbildungsfähige Nasenmuscheln oder Engstellen im Siebbeinsystem.

Implantierbare Hörgeräte

Die größte Gruppe der Schwer- hörigen in Deutschland ist auf Hör- geräte angewiesen. Hörgeräte wur- den in der Vergangenheit gezielt ver- bessert und sind heute Hochleistungs- computer. Dennoch besitzen sie grundsätzliche Nachteile, die nicht zu beheben sind. Dazu zählt der sehr kleine Lautsprecher, der den Schall, der auf das Trommelfell trifft, ver- zerrt. Selbst die besten Hörgeräte sind wegen dieser Verzerrung nicht in der Lage, Tonhöhen von 4 000 Hertz vernünftig zu übertragen. Seit Jahr- zehnten wurde daher an der Idee ge- arbeitet, Hörgeräte ähnlich wie Herz- schrittmacher zu implantieren.

Nun ist man bei der Entwicklung einen entscheidenden Schritt weiterge- kommen. In Nürnberg wurde von Prof.

H.-P. Zenner (Tübingen) das erste teilimplantierbare Hörgerät vorge- stellt. Erstmals besitzt dieses ein im- plantierbares Mikrophon, das neben dem Trommelfell unter die Haut des Gehörgangs eingepflanzt wird. Dies nimmt den Schall auf und überträgt ihn als Vibration – über einen Wandler ver-

stärkt – auf das Innenohr. „Während das normale Hörgerät den Schall eher quakend wiedergibt, sind hier die Töne schwebend und transparent“, berichtet Zenner über einen Selbstversuch.

Über einen gleichmäßigen Frequenz- gang können bis zu zehn kHz verzer- rungsfrei übertragen werden.

Entscheidend ist außerdem der extrem niedrige Energieverbrauch.

Bisher wurden fünf Patienten in klini- schen Studien versorgt. Das Gerät soll nun zu einem vollständig implan-

tierbaren Hörgerät weiterentwickelt werden. Auch Batterie und Steue- rungselektronik sollen in Zukunft eingepflanzt werden. Zenner rechnet im übernächsten Jahr mit der voll- ständig implantierbaren Form. Das Implantat wird von außen durch die Haut ansteuerbar sein, so daß es le- benslang eingestellt werden kann, falls sich das Hörvermögen verändert.

Die Batterien sollen über einen Kopf- hörer wiederaufladbar sein.

Dr. med. Cornelia Herberhold

A-1554

P O L I T I K MEDIZINREPORT

(38) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 23, 6. Juni 1997

Ohne das Hören sind soziale Kontakte, aber auch die Wissensauf- nahme erheblich erschwert. Inzwi- schen gibt es für Kinder mit angebore- ner Gehörlosigkeit Chancen, an der akustischen Welt teilzuhaben: Das Cochlea-Implantat imitiert in gewis- sem Umfang die Funktion des ausge- fallenen Innenohrs und reizt die Fa- sern des Hörnervs elektrisch. Wird bei angeborener Gehörlosigkeit ein sol- ches Implantat allerdings erst im Er- wachsenenalter eingesetzt, bleiben die erwünschten Resultate aus.

Der Frankfurter Physiologe Prof.

Rainer Klinke und seine Arbeitsgrup- pe versuchen zu klären, bis zu welcher kritischen Periode in der kindlichen Entwicklung die Verarbeitung von Schallsignalen noch angeregt werden kann. Von mehr grundsätzlicher Be- deutung für die Hirnforschung ist das Interesse der Forscher an den Rei- fungsschritten, die im zentralen Hör- system unterbleiben, wenn das Innen- ohr ausgefallen ist.

Cochlea-Implantat

In Versuchen mit experimentell ertaubten Tieren stellten die Wissen- schaftler fest, daß Nervenzellen in verschiedenen Kernen des Hör- systems schrumpfen. Ähnliches gilt für ertaubte Patienten. Die Zahl der

dendritischen Verästelungen der Neu- rone nimmt ab. In dem freiwerdenden Raum vermehren sich die Gliazellen, Zelltypen, die keine unmittelbare Rolle bei der zentralnervösen Infor- mationsverarbeitung spielen. Doch trotz dieser Degeneration bleiben noch Nervenfasern erhalten, die die Meldungen vom Innenohr an das zen- trale Nervensystem weitergeben kön- nen, soweit die beteiligten Synapsen noch aktivierbar sind.

Versuche mit angeborenen gehör- losen Katzen haben gezeigt, daß ein Informationstransfer vom Hörnerv zum Cortex erfolgt, es aber Defizite in den zentralnervösen Auswerteprozes- sen gibt. Hörvermögen entwickeln da- gegen gehörlose Katzen, wenn sie schon früh mit einem Cochlea-Im- plantat ausgestattet werden: die Kat- zen hören unmittelbar und zeigen Ori- entierungsreaktionen. Im Laufe eini- ger Tage bis Wochen nimmt dann auch die Hörrinde an der Schallanalyse teil.

Die Katzen lernen, auf Schallreize an- gemessen zu reagieren und Schaller- eignisse zu differenzieren. Mit diesem Verfahren lassen sich das zentrale au- ditorische System einer angeborenen gehörlosen Katze zur Reife und Funk- tionstüchtigkeit bringen und die Rei- fungsprozesse studieren. Derartige Versuche tragen zur Weiterentwick- lung von Hörprothesen insbesondere für gehörlose Kinder bei. EB

Angeborene Gehörlosigkeit

Restliche Nervenzellen

sind dennoch aktivierbar

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die charakteristischen Echogramme sind in Abbildung 1 zusammenge- stellt. Bei Verdacht auf Sekretretention im Nebenhöhlenlumen führt Beugen und Überstrecken des Kopfes

Eine Akteneinsicht kann auch auf der Grundlage des Infektionsschutz- gesetzes (IfSG) erfolgen: Werden Tatsachen festgestellt, die zum Auf- treten einer übertragbaren Krankheit

In der Rangfolge der Risikofaktoren nimmt Rauchen die erste Stelle (86 Prozent) ein, bei Frauen die Einnah- me von Ovulationshemmern (86 Pro- zent), dann Rauchen (67 Prozent),

In einem begleitenden Editorial gibt Freek Verheugt vom University Medical Centre in Nijmegen, Niederlande, zu be- denken, dass die beobachtete Erhöhung der Leberenzyme

תולח תחא רואל תחאו ןהכל וניא יכ סא ידכ אלש חכתשת תרות ,הלח שרסמדכ. תורוכבב 1. ןידבו אוה תלחד רואה אל הוה והל

Der eine oder andere Kollege wird sich andererseits aber auch fragen, ob die sekundärprä- ventiven Medikamente ihre morbiditäts- und letalitäts- senkende Wirkung tatsächlich länger

Salminen P et al.: Antibiotic therapy vs appendectomy for treatment of uncomplicated acute appendicitis: the APPAC randomized clinical trial. Shogilev DJ et al.:

Mit dem Weber-Stimmga- belversuch abklären , ob der Ton im gesunden oder kran- ken Ohr lauter gehört wird (angeschlagene Stimmgabel wird mit dem Stimmgabelfuß