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Archiv "Probleme der chemischen Trinkwasserqualität" (06.01.1997)

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D

ie Gefährdung durch chemi- sche Inhaltsstoffe im Trink- wasser wird in Deutschland meistens eher ernst genom- men als die Bedrohung durch Krankheitserreger. Besonders wer- den gesundheitliche Spätfolgen nach langfristiger Exposition mit niedri- gen Dosen gefürchtet. Die Sorgen um die chemische Qualität des Trinkwassers sind nicht unbegrün- det. Bereits das Niederschlagswasser erfährt durch Schwefeldioxid, Stick- oxide und andere Luftverunreini- gungen eine erhebliche anthropoge- ne Belastung, die sich sowohl dem Grundwasser als auch dem Ober- flächenwasser mitteilt. Das Grund- wasser wird vor allem durch die viel- fältige Verwendung von Agrar-Che- mikalien, durch verschiedene indu- strielle Aktivitäten, Verkehrswege und Müllablagerungen beeinträch- tigt, während das Oberflächenwas- ser darüber hinaus durch die Einlei- tung von häuslichem und industriel- lem Abwasser dauernd belastet wird und zusätzlich durch unbeabsichtig- te Einleitungen nach Unfällen, Bränden oder Nachlässigkeit gefähr- det ist.

Infolge von gesetzgeberischen und technischen Maßnahmen ist al- lerdings die Belastung der Gewässer in Deutschland deutlich rückläufig, sowohl ihre chemische als auch ihre biologische Qualität hat sich teilweise erheblich gebessert (22). Daher sind einige Substanzen, welche über den Trinkwasserpfad aufgenommen wer- den und zu Erkrankungen führen können oder auch geführt haben, diesbezüglich ohne aktuelle Bedeu-

tung, wie zum Beispiel Cadmium, Quecksilber und polyzyklische aro- matische Kohlenwasserstoffe (PAK).

Grenz- und Richtwerte

Grenz- und Richtwerte für che- mische Substanzen sind in den Anla- gen 2, 3, 4 und 7 zur Trinkwasserver- ordnung (TrinkwV, 6) aufgeführt, in der Anlage 2 solche für Stoffe mit ver- muteter gesundheitsschädlicher Wir- kung in trinkwasserrelevanten Kon- zentrationen (Tabelle 1). Anlage 3 enthält die für Aufbereitung und Des- infektion allein zulässigen Zusatzstof- fe, Anlage 4 „Kenngrößen und Grenzwerte zu Beurteilung der Be- schaffenheit des Wassers“, Anlage 7 Richtwerte für Zink und Kupfer. Sie entsprechen den Werten, die in der EG-Richtlinie über die Qualität von Wasser zum menschlichen Gebrauch (17) festgelegt sind. Sie dürfen allen- falls strenger sein. Die EG-Richtlinie wird zur Zeit überarbeitet, so daß auch eine Anpassung der TrinkwV er- forderlich werden dürfte (1, siehe auch Tabelle 2). Die Weltgesundheits- organisation (WHO) hat „Leitwerte“

für chemische Stoffe empfohlen (23).

Ausführliche Ableitungen und Be- gründungen der Werte sind in den WHO-Richtlinien (23) enthalten, zu den EG-Werten bei Premazzi et al.

(16) dargestellt. Die Richtlinien der EG und der Bundesrepublik kommen

in einigen Fällen, aber nicht immer, zu strikteren Grenzwerten (Tabelle 2).

Die Grenzwerte sollen sicherstellen, daß das Wasser lebenslang ohne Ge- sundheitsschaden getrunken werden kann. Für ihre Festlegung können aber ganz unterschiedliche Kriterien maßgeblich sein (Tabelle 3).

Kriterien der

Grenzwertfestsetzung

Bei der Grenzwertfestsetzung aufgrund einer (a) toxikologischen Einzelbewertung müssen die Wirkun- gen in den Zielorganen und die Dosis- Wirkungsbeziehungen der Substanz bekannt sein, ferner die über das Trinkwasser aufgenommene und re- sorbierte Menge in bezug auf die Ge- samtzufuhr sowie die Wirkungsweise von Metaboliten und die Wirkung auf spezielle Risikogruppen (zum Beispiel Säuglinge) oder unter besonderen Umständen (beispielsweise in heißen Klimaregionen). Auf diese Weise sind die Grenzwerte für Blei, Cyanid, Fluo- rid und Quecksilber abgeleitet.

Das (b) Vorsorgeprinzip wird auf potentiell toxische Substanzen und Substanzgruppen angewendet, die man am liebsten überhaupt nicht im Trinkwasser finden möchte, weil sie natürlicherweise nicht vorkommen und für die Trinkwassergewinnung, -versorgung und -gebrauch keinerlei Nutzen mit sich bringen (8). Dies be- trifft vor allem die organisch-chemi- schen Stoffe zur Pflanzenbehandlung und Schädlingsbekämpfung (PBSM).

Der Grenzwert wurde in den Bereich der (inzwischen allerdings überhol-

Probleme der chemischen Trinkwasserqualität

Konrad Botzenhart, Friedrich Schweinsberg

Trinkwasser von einwandfreier chemisch-physikalischer Qualität ist keine Selbstverständlichkeit. Die Basis für ge- sundheitlich begründete Grenzwerte muß durch epidemio- logische und toxikologische Untersuchungen gelegt werden.

Auch heute noch müssen viele Substanzen, besonders in be- zug auf ihre Langzeitwirkung, neu diskutiert und zuweilen auch neu bewertet werden. Die Umsetzung in verbindliche

Grenzwerte und eine dementsprechende Analyse- und Auf- bereitungstechnik erfordert häufig höchst kontroverse Dis- kussionen und die Abwägung zwischen konkurrierenden Gütern, wie beispielsweise bei den Agrarchemikalien. Ne- ben Inhaltsstoffen des Rohwassers können auch Substan- zen aus dem Verteilungs- und Installationsnetz, nament- lich Blei und Kupfer, gesundheitliche Bedeutung erlangen.

Abteilung für Allgemeine Hygiene und Um- welthygiene (Direktor: Prof. Dr. med. Konrad Botzenhart), Hygiene-Institut der Eberhard- Karls-Universität, Tübingen

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ten) Bestimmungsgrenze gelegt. Die WHO hat dagegen, im Hinblick auf Entwicklungsländer, in denen die Steigerung der Nahrungsmittelpro- duktion Vorrang hat, für ungefähr 35 PBSM toxikologisch ermittelte Leit- werte angegeben. Mit der Grenzwert- festsetzung allein ist es aber nicht ge- tan. Man muß die Werte kontinuier- lich (entsprechend dem Gebrauch in der Landwirtschaft) analytisch kon- trollieren können, die PBSM gegebe- nenfalls aus dem Wasser entfernen oder ihren Gebrauch einschränken können. Insofern bietet das Vorsorge- prinzip entscheidende Vorteile.

Für (c) kanzerogene Substanzen ist eine Wirkungsschwelle nach heuti- ger Kenntnis nicht zu ermitteln. Man toleriert daher bei natürlich vorkom- menden Substanzen ein epidemiolo- gisch abgestütztes Restrisiko („Refe- renzrisiko“) in der Größenordnung von einem Krebsfall auf 105Personen bei lebenslanger Zufuhr mit dem Trinkwasser. Dies gilt beispielsweise für die Substanzen Arsen, Cadmium und die Gruppe der PAK. Soweit kan- zerogene Substanzen technisch be- dingt oder technisch beeinflußbar sind, gilt außerdem das Minimie- rungsgebot, das heißt sie sollen auch unterhalb der festgelegten Grenzwer- te soweit wie technisch möglich ver- mindert werden. Dies gilt vor allem für die Desinfektionsnebenprodukte.

Grenzwerte aufgrund (d) ästheti- scher Gesichtspunkte sind einerseits für die Akzeptanz des Wassers bedeu- tend, die Merkmale Geruch, Ge- schmack, Färbung und Trübung sind aber manchmal auch entscheidende Indikatoren für unkontrollierte Ver- schlechterungen der Wasserqualität durch Eindringen von Fremdwasser, Versagen der Aufbereitung oder feh- lerhafte Arbeiten am Verteilungs- netz. Hinweise auf Gefahren für die Wassergüte sind ferner von gesund- heitlich zunächst unerheblichen Ei- genschaften wie Oxidierbarkeit und pH-Wert abzuleiten.

Grenzwerte wichtiger Substanzen

Von den Substanzen, die in der TrinkwV, von der EG oder der WHO mit Grenzwerten belegt sind, sollen

im folgenden diejenigen betrachtet werden, die in Deutschland im Trinkwasser nicht nur vereinzelt auf- treten und deren gesundheitliche Auswirkungen in den letzten Jahren eingehender diskutiert worden sind.

Es handelt sich dabei um Alumini- um, Arsen, Asbest, Blei, Fluorid, Kupfer, Nitrat, PBSM und Trihalo- genmethane. Die Hinweise auf schädliche Wirkungen von Bor (bei männlichen Ratten reprodukti- onstoxisch) und Bromat (mutagen,

bei Ratten kanzerogen) (24) sind noch zu neu, als daß für das Trink- wasser eine fundierte Beurteilung möglich wäre.

Aluminium

Aluminium (Al) ist in der Erd- kruste sehr weit verbreitet. Al-Ver- bindungen werden als Folge des sau- ren Regens vermehrt aus Boden und Gesteinen mobilisiert und ins Roh- wasser eingetragen. Außerdem wer- den sie bei der Wasseraufbereitung als Flockungsmittel zugesetzt. Es ist ein Zusammenhang zwischen der Al- Aufnahme, speziell mit dem Trink- wasser, und dem Auftreten der Alz- heimerschen Krankheit diskutiert worden. Die epidemiologischen Da- ten, die diese Annahme stützen könn- ten, sind aber sehr lückenhaft. Neuere Forschungen über die Pathogenese der Alzheimerschen Erkrankung las- sen keinen Zusammenhang zwischen Al-Aufnahme mit dem Trinkwasser und der Alzheimerschen Erkrankung

erwarten. Die durch Al in Medika- menten und dem Dialysewasser ver- ursachte Enzephalopathie von Dia- lyse-Patienten hat ein anderes Er- scheinungsbild und kann im Unter- schied zur Alzheimerschen Krankheit durch Chelatbildner erfolgreich be- handelt und durch Verwendung von Al-armem Wasser verhindert werden (11). Die WHO sieht aufgrund der vorhandenen Daten keine Notwen- digkeit, aus gesundheitlichen Grün- den einen Leitwert für Al festzulegen.

Der Wert der EG für diesen Parame- ter wird als „Indikatorwert“ bezeich- net, also als Zeichen unvollkomme- ner Aufbereitung.

Arsen

Arsen ist ebenfalls in Böden und Gesteinen weit verbreitet und kann daher in manchen Regionen wegen der lokalen geologischen Verhältnis- se vermehrt im Wasser auftreten.

Aufgrund neuerer epidemiologi- scher Erkenntnisse über den Zusam- menhang zwischen Arsen und Krebserkrankungen (Bronchial-, Blasen- und Hautkarzinome) ist die im Trinkwasser zulässige Arsenkon- zentration von 0,040 mg/l auf 0,010 mg/l herabgesetzt worden. Damit wird aber statt des generell akzep- tierten Zusatzrisikos von 1025 ein Lebenszeitrisiko von 631024 für Hautkrebs in Kauf genommen (23).

Asbest

Es ist bekannt, daß Asbest bei Aufnahme über die Luftwege zu Me- sotheliomen und Bronchialkarzino- men führen kann. Dies wirft die Frage auf, inwieweit die Verwendung von Asbestzement für Wasserleitungsroh- re zulässig ist. In manchen Regionen der Erde werden aus dem Gestein vergleichsweise sehr viel höhere As- bestfaserkonzentrationen an das Wasser abgegeben. Die WHO kommt zu dem Schluß, daß es kein beweis- kräftiges Material dafür gibt, daß oral aufgenommenes Asbest der Gesund- heit schaden kann oder zu vermehr- ten Krebserkrankungen führt. Daher ist in Übereinstimmung mit der Richt- linie der EG und der TrinkwV kein Leit- oder Grenzwert für Asbest im Trinkwasser festgesetzt worden.

ZUR FORTBILDUNG

Tabelle 1

Mit Grenzwerten belegte chemische Stoffe nach Anlage 2 der Trinkwasserverordnung

Arsen Fluorid PAK Blei Nickel Organische

Cl-Verbindungen Cadmium Nitrat PBSM

Chrom Nitrit Antimon Cyanid Queck- Selen

silber

PAK = Polyzyklische aromatische Koh- lenwasserstoffe

PBSM = Stoffe zur Pflanzenbehandlung und Schädlingsbekämpfung

(3)

Blei

Seit langem ist bekannt (bereits Vitruv weist darauf hin, 25), daß Blei (Pb) toxisch ist und sowohl die Blut- bildung als auch das sich entwickelnde Nervensystem schädigt. Der früher bestehende Grenzwert im Trinkwas- ser von 0,100 mg/l ist durch die Trink- wV von 1975 auf 0,040 mg/l herabge- setzt worden. Neuere Erkenntnisse zeigen aber, daß für Kinder bereits Werte über 0,010 mg Pb/l als schädlich angesehen werden müssen. Diese Konzentration wird von der WHO und dem Entwurf zur neuen EG- Richtlinie angesetzt. Der Wert errech- net sich aus der zufolge der WHO vor- läufig duldbaren wöchentlichen Zu- fuhr (PTWI) von 0,035 mg/kg Körper- gewicht für ein fünf kg schweres Kind mit 750 ml täglicher Wasserzufuhr und 50 Prozent der Pb-Zufuhr über dieses Wasser. Die Herabsetzung des Grenz- wertes auf 0,010 mg/l führt dazu, daß keine Bleirohre mehr im Haushalt oder in den Hauszuleitungen verwen- det werden dürfen, da bei Stagnation des Wassers in den Leitungen der Wert sonst nicht eingehalten werden kann (2, 13). Auch bleihaltige Legie- rungen für Armaturen, Dichtungen und Lötzinn in der Hausinstallation müssen vermieden werden. Als Ein- tragsweg von lokaler Bedeutung ist Grund- und Quellwasser aus früheren Bleibergbaugebieten zu nennen.

Fluorid

Der natürliche Gehalt an Fluo- rid (F¯) im Trinkwasser liegt in Deutschland fast überall erheblich unter dem zur Kariesprophylaxe op- timalen Wert von 0,7–1,2 mg/l. Da- her wird häufig ein Zusatz von F zum Trinkwasser in den Wasserwerken gefordert, was aber die TrinkwV nicht zuläßt. Man muß sich vor Au- gen halten, daß F¯in einer Menge von 5 bis 50 mg F¯/kg Körpergewicht töd- liche Vergiftungen verursacht und solche durch fluoridiertes Trinkwas- ser nach Fehlern in der Dosieranlage auch schon vorgekommen sind (10).

Die Fehldosierung ist organoleptisch nicht wahrnehmbar. Da das F¯ mit Erfolg und sicherer auch auf ande- rem Wege zugeführt werden kann (20), wie mit Speisesalz oder fluori-

dierter Zahnpaste, ist es nicht sinn- voll, in den Wasserwerken eine der- artige Gefahrenquelle zu installie- ren.

Kupfer

Kupfer (Cu) ist ein für die menschliche Gesundheit essentielles Spurenelement. Seit 1984 sind aber in Deutschland Fälle von frühkindlicher Leberzirrhose beschrieben worden, die auf eine erhöhte Cu-Aufnahme mit dem Trinkwasser zurückgeführt wurden (9). Diese Befunde haben sich im Unterschied zu den Ausführungen der WHO bestätigt (5, 19). Ein geneti- scher Faktor kann eine Rolle spielen (12). Für Neugeborene, bei denen im Vergleich mit Erwachsenen die Syn- these des Transportproteins Coerulo-

plasmin noch nicht voll entwickelt ist, muß die Cu-Zufuhr begrenzt werden (7). Die aufgetretenen hohen Cu- Konzentrationen im Trinkwasser hat- ten ihre Ursache darin, daß bei Einzel- versorgungen mit relativ saurem Was- ser (pH < 6,5) Cu-Leitungen verwen- det wurden. Wasser aus zentralen Ver- sorgungsanlagen mit vorschriftsmäßig eingestelltem pH-Wert hat noch nicht zu derartigen Fällen geführt. Dieser

Befund weist auf die besondere Situa- tion der Eigen- und Einzelversorgun- gen hin, die häufig unzureichend über- wacht werden, und darüber hinaus auf die Notwendigkeit, den pH-Wert des Trinkwassers entsprechend dem Grenzwert der TrinkwV so einzustel- len, daß die Korrosion von metalli- schen Installationswerkstoffen gering gehalten wird. Eine generelle Ableh- nung von Kupferleitungen kann man daraus aber nicht ableiten.

Nitrat

Nitrat wird von der Landwirt- schaft mit Kunstdünger und tieri- schem Dünger in großer Menge in das Grundwasser eingetragen. Hohe Konzentrationen werden daher vor allem in Wasser aus Brunnen und

Quellen im Bereich intensiver Land- wirtschaft beobachtet. Aus Nitrat bil- det sich durch baktierelle Reduktion Nitrit, besonders in bakteriell besie- delten Brunnen und Vorratsbehäl- tern, Nahrungsmitteln, im Mund und auch noch im Magen. Mögliche schädliche Folgen sind die Methämo- globinämie bei Säuglingen, die nicht gestillt werden, etwa bis zum dritten Monat, sowie die Bildung von kan- Tabelle 2

Grenzwerte beziehungsweise Leitwerte für ausgewählte Substanzen im Trinkwasser (mg/Liter)

Substanz TrinkwV-Grenzwert EG-Wert* WHO-Leitwert

Aluminium 0,2 0,2 0,2

Arsen 0,01 0,01 0,01

Blei 0,04 0,01 0,01

Bor 1,0 0,03 0,3

Bromat – 0,01 0,025

Fluorid 1,5 1,5 1,5

Kupfer 3,0 2,0 1,0

(Richtwert)

Nitrat 50,0 50,0 50,0

PBSM 0,0001 0,0001 0,00003 – 0,1

(einzelne Substanz) (je nach Substanz)

0,0005 – –

(Summe)

Chlor 0,3 (0,6)1 – 5,0

THM 0,01 (0,025)1 – 0,06 – 0,1

(je nach Substanz)

Tetrachlormethan 0,003 – –

1 in begründeten Ausnahmefällen darf die Chlorzugabe soweit gesteigert werden, daß nach der Aufbereitung die Chlorkonzentration 0,6 mg/l und die Summe der THM maxi- mal 0,025 mg/l beträgt.

PBSM, THM: Erläuterungen im Text

* Entwurf zur Neufassung der EWG-Richtlinie von 1980 (1)

(4)

zerogenen N-Nitrosoverbindungen nach Umsetzung mit sekundären Aminen im sauren Milieu des Ma- gens. Ein kanzerogenes Potential von bakteriologisch einwandfreiem Was-

ser mit erhöhtem Nitratgehalt ist epi- demiologisch nicht dokumentierbar (24). Der in der TrinkwV enthaltene Grenzwert von 50 mg/l wird allein mit der Gefahr der Methämoglobinämie begründet. Nitrat wird auch aus ande- ren Quellen, wie Gemüse, zugeführt.

Es wird geschätzt, daß Erwachsene bei einer Konzentration von 50 mg/l im Wasser etwa die Hälfte des Nitra- tes mit dem Wasser aufnehmen.

Pestizide und Herbizide

Organisch-chemische Stoffe zur Pflanzenbehandlung und Schädlings- bekämpfung einschließlich ihrer toxi- schen Hauptabbauprodukte (PBSM):

In Deutschland und der EU gilt ein Vorsorgewert (Tabelle 3)für die Sum- me der PBSM, von der WHO wurden dagegen toxikologisch begründete Leitwerte für zirka 35 PBSM festge- legt. Diese liegen für die Substanzen Aldrin/Dieldrin und Heptachlor noch unter dem europäischen Vorsorge- wert von 0,1 µg/l, überwiegend aber weit darüber. Hier kommen, wie er- wähnt, unterschiedliche Prinzipien und Prioritäten zum Ausdruck. Im

Unterschied zur WHO hat sich in Eu- ropa die Auffassung durchgesetzt, daß in Trinkwassereinzugsgebieten als PBSM keine Mittel verwendet werden sollen, welche in Grund- und

Oberflächenwasser übergehen und dort für Monate oder Jahre persistie- ren können (8, 16). Man geht mit die- ser grundsätzlichen Ablehnung einer- seits einer berechtigten, endlosen Diskussion über die Schädlichkeit vorhandener Reste von PBSM und den damit verbundenen Zweifeln an der Trinkwassergüte aus dem Wege und vermeidet andererseits die kon- kreten Probleme einer lückenlosen, ausreichend genauen Analytik und ihrer Kosten, die für kleine Wasser- werke untragbar sein können.

Trihalogenmethane

Bei der Desinfektion des Wassers mit Chlor kommt es zur Bildung von Reaktionsprodukten des Chlors mit organischen Wasserinhaltsstoffen, zum Beispiel Zerfallsprodukten von Algen oder Huminsäuren aus Wald- und Moorböden. Die Trihalogenme- thane (THM) sind dabei am stärksten vertreten mit Chloroform als Leitsub- stanz (4, 18). Eine Metaanalyse epide- miologischer Studien aus den USA ergab, daß mit Chlor desinfiziertes Trinkwasser mit einem erhöhten

Krebsrisiko vor allem in bezug auf Blasen- und Rektumkarzinome asso- ziiert ist (14, 15). Diese Beobachtung kann auch durch andere Wasserin- haltsstoffe (beispielsweise Arsen) verursacht sein, jedoch wurde die kanzerogene Wirkung der THM im Tierversuch bestätigt. In den USA sind traditionsgemäß die zur Trink- wasseraufbereitung eingesetzten Chlormengen höher als in Europa, es werden auch, ebenso wie von der WHO, höhere THM-Konzentratio- nen zugelassen. Sie orientieren sich an den substanzspezifischen zugemu- teten Restrisiken und berücksichtigen den Umstand, daß auch bei unzuläng- licher Wasseraufbereitung keinesfalls der Desinfektionserfolg in Frage ge- stellt werden darf. Die EG-Richtlinie und die TrinkwV setzen strengere Werte fest, weil es durch Maßnahmen der Wasseraufbereitung, namentlich durch Entfernung organischer Reak- tionspartner des Chlors, möglich ist, niedrigere THM-Werte zu erreichen (Minimierungsgebot). Durch diese Maßnahmen wird außerdem die Zu- verlässigkeit der Desinfektion mit Chlor erhöht. Die hier geltenden Grenzwerte liegen deutlich unter den von der WHO mit den genannten Krebsrisiken assoziierten Konzentra- tionen, so daß bei Einhaltung der Werte und auch bei vorübergehender Überschreitung keine Gesundheits- gefahr anzunehmen ist. In Deutsch- land liegen die THM-Werte meist un- ter der Bestimmungsgrenze von 0,5 µg/l . Konzentrationen über fünf µg/l finden sich speziell nach Transport in langen Leitungsstrecken, in denen das zugesetzte Chlor viele Stunden oder Tage mit organischen Stoffen reagieren kann. Der Grenzwert von 10 µg/l wird nur selten überschritten (3). Die Desinfektion des Wassers kann anstatt mit Chlor auch mit Chlordioxid, Ozon oder UV-Strahlen erfolgen. Eine Alternative bildet am ehesten das Chlordioxid, bei dessen Verwendung ebenso wie bei Chlor über längere Zeiträume antimikro- biell wirksame Konzentrationen auf- rechterhalten werden können, ohne daß es aber zu erheblicher Bildung von THM kommt. Chlordioxid ist ein stärkeres Oxidationsmittel als Chlor;

die zur Desinfektion erforderlichen Konzentrationen sind niedriger.

ZUR FORTBILDUNG

Tabelle 3

Grundsätze der Grenzwertfestsetzung im Trinkwasser mit Beispielen

Stoffe mit Stoffe ohne Stoffe oder Parameter

Wirkungsschwelle: Wirkungsschwelle: ohne eigene Toxikologische Ableitungen Ableitung von Schadwirkung von gesundheitlicher Un- Referenzrisiken

bedenklichkeit

Grenzwerte auf der Basis Grenzwerte auf der Basis Grenzwerte aufgrund von duldbaren Aufnahme- von zugemuteten Rest- ästhetischer Aspekte

mengen risiken (Geruch)

(Blei) (Arsen)

Grenzwerte für technisch Grenzwerte für unvermeidbare Kanzerogene Indikatorgrößen

(THM) (Oxidierbarkeit)

Grenzwerte zum Schutz vor nachteiliger Veränderung

(pH-Wert) Nicht toxikologisch

abgeleitet Grenzwerte nach dem

Vorsorgeprinzip (PBSM, PAK)

(5)

Überschreitung der Grenzwerte

Überschreitungen der Grenz- werte der Trinkwasserverordnung durch die Versorgungsunternehmen sind selten, zumal sie als Straftat ge- ahndet werden können (§ 23 TrinkwV), und müssen unverzüglich abgestellt werden. In Baden-Würt- temberg (21) handelt es sich dabei vor allem um erhöhte Konzentrationen von Nitrat (ein bis zwei Prozent der Versorgungsanlagen), Atrazin (zirka ein Prozent) und Desethylatrazin (vier Prozent). Die zuverlässige, dau- erhafte Gewährleistung einer ein- wandfreien Trinkwasserqualität ist aber bei ungünstiger Rohwasserbe- schaffenheit mit einem hohen Auf- wand für die Aufbereitung und die Analytik verbunden.

Das Wasser aus vorschriftsmäßig geführten und überwachten Anlagen sollte nach heutiger Kenntnis keiner- lei nachweisbare Gesundheitsschä- den verursachen. Ausnahmen sind eventuell bei selten kontrollierten Ei- gen- und Einzelversorgungen zu ver- muten. Zu ärztlicher Besorgnis gibt am ehesten die Bleikorrosion in ent- sprechend installierten Gebäuden Anlaß. Die erwähnten Fälle der früh- kindlichen Leberzirrhose sollten dar- über hinaus daran erinnern, daß auch zunächst gesundheitlich unerhebliche Abweichungen wie zu geringer

pH-Wert oder auffälliger Geruch oder Geschmack Anzeichen oder Ur- sache für gesundheitsschädliche Ver- änderungen des Wassers sein können.

Resümee

Der Nachweis zahlreicher an- thropogener Fremdstoffe im Rohwas- ser und im Trinkwasser rechtfertigt Besorgnisse um die chemische Qua- lität des Trinkwassers. Bei der stei- genden Leistungsfähigkeit moderner Analysenmethoden darf der Grund- satz „dosis fecit velenum“ nicht ver- gessen werden. Durch Maßnahmen des allgemeinen Umweltschutzes und des speziellen Ressourcenschutzes für das Trinkwasser ist in Deutschland die Gefährdung durch Chemikalien aus industriellen Abwässern zur Zeit nicht erkennbar, aber bei Unfällen nicht auszuschließen. Im Bereich der Agrarchemikalien kann bei Einhal- tung bestehender Grenz- und Vorsor- gewerte ein Gesundheitsrisiko über den Trinkwasserpfad als unwahr- scheinlich gelten. Dagegen mußten in den letzten Jahren altbekannte Schad- stoffe wie Blei und Arsen einer Neu- bewertung unterzogen werden und als harmlos geltende Substanzen wie Aluminium und Kupfer unter neuen Aspekten mit unterschiedlichem Er- gebnis bezüglich ihrer gesundheitli- chen Relevanz diskutiert werden. Ne-

ben der Qualität des Wassers „ab Werk“ müssen die Veränderungen im Verteilungsnetz und der Hausinstalla- tion berücksichtigt werden. Bei den Desinfektionsnebenprodukten, bei- spielsweise den THM, muß ein Mittel- weg zwischen den gewünschten und den unerwünschten Folgen gefunden werden. Je nach Interessenlage diffe- rieren die resultierenden Grenzwerte um Zehnerpotenzen. Die Schwierig- keiten bei der Festlegung von Grenz- werten machen deutlich, daß eine gute Rohwasserqualität unersetzlich ist, wenn man sich nicht in die Abhängig- keit von einer sehr aufwendigen Auf- bereitungstechnik, Analytik und unter Umständen politisch beeinflußten Grenzwertfestlegung begeben will.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1997; 94: A-38–42 [Heft 1-2]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift der Verfasser:

Prof. Dr. med. Konrad Botzenhart Prof. Dr. rer. nat. Friedrich

Schweinsberg

Hygiene-Institut, Abteilung für Allgemeine Hygiene und Umwelthygiene

Wilhelmstraße 31 72074 Tübingen

Bei der familiären adenomatösen Polypose (FAP) oder dem Bussey- Gardner- Syndrom handelt es sich um eine autosomal dominant vererbte Erkrankung, der eine Mutation des APC-Gen auf dem Chromosom 5 zu- grunde liegt. Die meisten Patienten entwickeln in der zweiten und dritten Dekade ihres Lebens multiple adenomatöse Polypen, die im Laufe der Jahre in ein multizentrisches Adenokarzinom übergehen. Therapie der Wahl ist entweder eine Procto- Kolektomie mit Pouch-analer Ana- stomose oder eine Kolektomie mit ileorektaler Anastomose.

Die Autoren werteten die Daten von 225 Patienten der Jahre 1956 bis 1995 aus, die im niederländischen Po- lypose-Register erfaßt worden waren und bei denen eine ileorektale Ana- stomose durchgeführt worden war.

Bei 87 Patienten fand sich eine Muta- tion, bei 72 Patienten vor dem Codon 1 250, bei 15 Patienten nach diesem Codon. Das kumulative Risiko, inner- halb von 20 Jahren nach dem operati- ven Eingriff ein Rektumkarzinom zu bekommen, lag bei 12 Prozent. Das Risiko eines zweiten operativen Ein- griffs wegen eines metachronen Ko- lonkarzinoms lag signifikant höher

bei den Patienten, bei denen sich Po- lypose-Mutationen hinter dem Codon 1 250 fanden.

Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß eine ileorektale Anasto- mose die Behandlung der Wahl bei Polyposis-Patienten sein sollte, bei denen sich Mutationen vor dem Co- don 1 250 finden. Eine Proctokolekto- mie ist dann indiziert, wenn sich Mu- tationen hinter dem Codon 1 250

nachweisen lassen. w

Vasen HFA, van der Luijt R , Slors JF M et al.: Molecular genetic tests as a guide to surgical management of familial adenomatous polyposis. Lancet 1996;

348: 433–435

The Netherlands Foundation for the De- tection of Hereditary Tumours, Leiden, and Department of Gastroenterology, University Hospital, Leiden, Niederlande

Gentest vor operativer Behandlung

der familiären Adenomatosis coli

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