DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
D
er jüngste Vorschlag für ein Transplantationsge- setz kommt aus dem Bayerischen Senat. Dessen Rechts- und Gesundheitsaus- schuß plädieren für eine Rege- lung nach dem Muster der Wi- derspruchslösung. Der baye- rische Vorstoß zielt auf ein Bun- desgesetz. In der Tat, nur eine bundesweite Regelung macht Sinn. Weniger überzeugend ist die vorgeschlagene Wider- spruchslösung. Danach kann ein Transplantat entnommen wer- den, sofern der (tote) Spender nicht zu Lebzeiten widerspro- chen hat. Die Alternative wäre die Zustimmungslösung; sie setzt die Zustimmung des Spen- ders oder hilfsweise der Ange- hörigen voraus.Die Bundesärztekammer hat sich unlängst für eine Vari- ante der Zustimmungslösung, die „Informationslösung", einge- setzt. Der Vorstand der Bundes- ärztekammer schlägt vor, eine Organentnahme solle zulässig sein, „wenn die Einwilligung des Verstorbenen zu Lebzeiten er-
Transplantation
Das Vertrauen bewahren
folgt ist oder — bei fehlender Einwilligung des Verstorbenen
— die nächsten Angehörigen über die Absicht der Organent- nahme vom Arzt informiert wur- den und nach angemessener Be- denkzeit nicht widersprochen haben." Eine solche Lösung werde „sowohl der Not und der Hoffnung der auf ein Organ wartenden Patienten, dem Selbstbestimmungsrecht des In- dividuums für seinen Körper...
und dem Respekt vor seinen An- gehörigen gerecht."
Man darf hinzufügen: Eine solche Informationslösung wür- de genauso wie die Zustim- mungslösung in der Bevölkerung das Vertrauen stärken, daß bei Transplantationen alles mit rechten Dingen zugeht. Das soll
nicht heißen, heute oder bei ei- ner Widerspruchslösung würde leichtfertig mit Transplantaten umgegangen. Aber man muß einfach erkennen, wie sensibel das Thema und wie sensibilisiert die Bevölkerung ist. Jede gesetz- liche Regelung sollte somit dem Grundsatz „Vertrauen bewah- ren" folgen.
Sachgerechte Information kann die Spendenbereitschaft fördern. Das hat in den letzten Jahren die Entwicklung bei- spielsweise bei den Nierentrans- plantationen gezeigt. Folglich setzt sich die Bundesärztekam- mer dafür ein, durch vermehrte Information über die Erfolge, die Bedeutung und die Notwen- digkeit von Organtransplantatio- nen aufzuklären. Aufklärung be- trifft nicht nur die Bevölkerung im allgemeinen, sondern auch die Ärzteschaft. Auch sie ist da- zu aufgerufen, die Zahl der Or- ganspenden zu erhöhen, insbe- sondere durch eine Intensivie- rung der Zusammenarbeit zwi- schen Krankenhäusern und Transplantationszentren. NJ
D
er Mann ist Professor der Wirtschaftswissenschaf- ten, 44 Jahre alt, und of- fenbar immer für ein paar mar- kige Worte gut: Walter Krämer tauschte für einen Abend seinen Lehrstuhl für Ökonomie an der Universität Dortmund mit dem„heißen Stuhl" des Kölner Pri- vatsenders RTL-Plus. Er trat mit der gleichermaßen populären wie unverschämten These an:
„Im deutschen Gesundheitswe- sen regieren Korruption und Mißwirtschaft." Ein gefundenes Fressen, um Volkes Stimme zu hören, eher noch, um Stimmung im Volke zu machen.
Bevor Professor Krämer Platz nahm, gab's zur Einstim- mung einige „Feststellungen"
nach Art des Hauses: Der kleine Mann soll zahlen, doch die Gro- ßen sahnen weiter ab. Oder: Der moderne Medizinbetrieb wu- chert ohne Maß und Ziel, deut- sche Ärzte verdienen damit Un- summen. Krämer selbst setzte
TV-Diskussion
Stuhlgang
noch einen obendrauf: „Das Ge- sundheitswesen ist ein Sumpf."
Das Niveau der Rede- schlacht war damit abgesteckt, wohl ganz im Sinne des Veran- stalters. Nur: Die Rechnung ging nicht völlig auf, denn die Kontrahenten des polemisieren- den Wirtschaftswissenschaftlers hielten den Professor mit boh- renden Fragen permanent auf dem Schleifstein. Konkrete Ant- worten blieb Krämer schuldig — sowohl auf die Fragen von Dr.
Klaus-Dieter Kossow, dem Vor- sitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen, als auch auf die von Dr. Frank-Ul- rich Montgomery (Marburger Bund) und Hartmannbund-Ge- schäftsführer Klaus Nöldner.
Daß die Menschen immer länger leben (trotz des angeblich korrupten Gesundheitswesens), daß die hohe Leistungsfähigkeit der ambulanten und stationären Versorgung weltweit anerkannt ist — dies alles (und noch eini- ges mehr) mußte Professor Krä- mer zwar zugeben, doch er blieb bei seiner gebetsmühlenartig vorgetragenen Formel: „Viel zu teuer, viel zu ineffizient." Lösun- gen oder zumindest Lösungsvor- schläge kamen dem Professor nicht über die Lippen. Wenn es ihm freilich um eine konstrukti- ve Kritik und eine lösungsorien- tierte Diskussion gegangen wä- re, hätte er sich ohnehin ein an- deres Forum aussuchen müssen.
So aber blieben am Ende nur ein schaler Nachgeschmack und die bittere Erkenntnis, daß wieder einmal wegen einer „schnellen Schlagzeile" ein ganzer Berufs- stand und das ganze Gesund- heitssystem obendrein mit Dreck beworfen worden ist. JM
Dt. Arztebl. 89, Heft 23, 5. Juni 1992 (1) A1-2081