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Archiv "Arzneimittelsektor: Differenziertes Bemühen um die Erhaltung der kassenärztlichen Therapiefreiheit" (24.05.1979)

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Zu den gesetzlichen Regelungen des KVKG, mit denen sich der Kas- senarzt in seiner täglichen Verord- nungsweise zunehmend ausein- andersetzen muß, gehören 1. der vor kurzem von der Konzer- tierten Aktion im Gesundheitswe- sen zum zweitenmal empfohlene Arzneimittelhöchstbetrag;

2. die vom Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen erstellte und den Kassenärzten zwischen- zeitlich zugesandte Preisver- gleichsliste sowie

3. die noch in Arbeit befindliche Liste von Arzneimitteln, die ledig- lich bei geringfügigen Gesund- heitsstörungen Anwendung finden und deshalb nicht zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden dürfen.

Über alle drei Regelungen ist in letzter Zeit viel und mehr oder we- niger Zutreffendes gesagt bezie- hungsweise geschrieben worden.

Ein Wort der Klärung scheint da- her geboten. Ich möchte deshalb die Gelegenheit nutzen und hier kurz über den derzeitigen Stand der Umsetzung dieser gesetzli- chen Vorschriften und, soweit er- kennbar, ihre Auswirkungen, ins- besondere im Hinblick auf die Fra- ge der Erhaltung der Therapiefrei- heit des Kassenarztes, referieren.

Dabei werden schwerpunktmäßig die Fragen des Arzneimittel- höchstbetrages abzuhandeln sein.

Arzneimittelhöchstbetrag:

Kompromiß

nach hartem Ringen

Die Konzertierte Aktion im Ge- sundheitswesen hat in ihrer dies- jährigen März-Sitzung zum Arz- neimittelhöchstbetrag empfohlen, diesen so festzusetzen, daß sich die Aufwendungen der Träger der Krankenversicherung für Arznei- mittel im Jahre 1979 um nicht mehr als 5,7 v. H. je Mitglied ge- genüber den entsprechenden Werten des Vorjahres erhöhen.

Diese Empfehlung basierte auf ei- nem Vorschlag der Hauptbetroffe- nen, nämlich der Krankenkassen, der pharmazeutischen Industrie und der Kassenärzteschaft, der erst nach langen und harten Ver- handlungen durch einen Kompro- miß zustande kam. Zusätzlich ei- nigten sich die Vertragspartner, Krankenkassen und Kassenärzte, die in § 368 f Abs. 6 RVO erwähnte

„Geringfügigkeitsgrenze" so zu interpretieren, daß der Arzneimit- telhöchstbetrag erst bei einer mehr als zehnprozentigen Über- schreitung des Steigerungssatzes der Empfehlung von 5,7 v. H. als überschritten anzusehen ist. Ins- gesamt können also die Arzneimit- telausgaben im Jahre 1979 um rund 6,3 v. H. je Mitglied anstei- gen, bevor in die Ursachenfor- schung für eine Überschreitung des Arzneimittelhöchstbetrages eingetreten wird.

Dennoch wurde das erzielte Er- gebnis vor allem innerärztlich als

in seiner Höhe zu gering kritisiert.

Da allein 4,5 v. H. auf die erwarte- ten Preissteigerungen der Indu- strie beziehungsweise auf die ab Mitte dieses Jahres erhöhte Mehr- wertsteuer entfallen würden, ver- blieben für die Mengenkomponen- te allenfalls 1,2 v. H., eine Zu- wachsrate, die nach Auffassung der Kritiker zu gering ist. Diese Kri- tik wäre dann berechtigt, wenn solche Überlegungen den Emp- fehlungen zum Arzneimittel- höchstbetrag tatsächlich zugrun- de gelegen hätten. Dies war aber nicht der Fall.

Die Errechnung des Arzneimittel- höchstbetrages für 1979 erfolgte unter Berücksichtigung der im Ge- setz genannten Kriterien, wozu insbesondere die Entwicklungen der Grundlohnsumme, der Arznei- mittelpreise und der Verordnungs- menge gehören. Gerade wegen der Überschreitung des Arzneimit- telhöchstbetrages im 2. Halbjahr 1978 war es wichtig, den Arznei- mittelhöchstbetrag für 1979 in ei- ner zutreffenden Größenordnung anzusiedeln. Dies wurde insoweit erleichtert, als einerseits das gan- ze Jahr 1978 nunmehr eine zutref- fende Ausgangsbasis für die Stei- gerung der Arzneimittelausgaben für das Jahr 1979 bietet und ande- rerseits trotz der tiefen Ausgangs- lage im 2. Halbjahr 1977 die Aus- gabensteigerung für verordnete Arzneimittel im ganzen Jahr 1978 bei 6,5 v. H. je Mitglied geblieben ist.

Bei der Preiskomponente wurde entsprechend des vom Bundesmi- nisterium für Arbeit und Sozialord- nung vorgelegten Orientierungs- datenpapiers für die Empfehlun- gen der Konzertierten Aktion die Veränderungsrate der Erzeuger- preise für human-pharmazeuti- sche Spezialitäten des Jahres 1978 in Höhe von 2,6 v. H. zugrunde gelegt. Zusätzlich war die Erhö- hung der Mehrwertsteuer ab 1. Juli 1979 um einen Prozentpunkt zu berücksichtigen. Damit verbleibt für die Mengenkomponente ein Zuwachs von über 3 v. H., be- vor der Arzneimittelhöchstbetrag

Arzneimittelsektor: Differenziertes Bemühen um die Erhaltung der kassenärztlichen Therapiefreiheit

Dr. Eckart Fiedler,

Hauptgeschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

Referat, gehalten auf der Sitzung der Vertreterversammlung der KBV am 14. Mai 1979 in Nürnberg

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Die Information:

Bericht und Meinung

Vertreterversammlung der KBV: Fiedler

nicht nur geringfügig überschrit- ten wird. Über die Größenordnung der sogenannten Innovationskom- ponente — darunter ist der aus- gabenerhöhende Effekt zu verste- hen, der aus dem Wechsel in der ärztlichen Verordnung von relativ billigen alten zu relativ teuren neu- en Präparaten zustande kommt — konnte keine Einigung erzielt wer- den. Die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen wird sich in ih- rer Herbstsitzung mit dieser Frage beschäftigen.

Zusammenfassend kann also fest- gestellt werden:

Der angestrebten Zuwachsrate im Arzneimittelsektor von knapp 6,3 v. H. im Jahre 1979 wurden 3,1 v.

H. für die jahresdurchschnittliche Preisentwicklung zugrunde ge- legt. Sollte sich herausstellen, und dafür gibt es erste Anhaltspunkte, daß die Preisentwicklung bei den Arzneimitteln über diesen Pro- zentsatz hinausläuft und wurde deshalb der Arzneimittelhöchstbe- trag überschritten, so kann die Ärzteschaft dafür nicht verant- wortlich gemacht werden, auch nicht im Sinne des Ende letzten Jahres zwischen den Krankenkas- sen und den Kassenärzten verein- barten Grundsätze-Papiers zum Arzneimittel höchstbetrag.

Frühwarnsystem nachhaltig praktizieren

Ich darf in diesem Zusammenhang noch einmal die wesentlichen In- halte dieser Vereinbarung aufzei- gen: Im Dezember 1978 haben die Spitzenverbände der Krankenkas- sen und die Kassenärztliche Bun- desvereinigung in schwierigen Gesprächen erst die Grundlage für die Anwendung des Instruments

„Arzneimittelhöchstbetrag" ge- schaffen, wozu auch dessen recht- liche Einschätzung gehörte, und in einem Grundsätze-Papier zum Arzneimittelhöchstbetrag verein- bart,

0 daß die Überschreitung des Arzneimittelhöchstbetrages durch ein sogenanntes Frühwarnsystem,

welches sich an die Kassenärzte richtet, möglichst verhindert wer- den soll;

C) daß auch nach erwiesener Überschreitung des Arzneimittel- höchstbetrages vor dem Arznei- mittelprüfantrag die gezielte Infor- mation bzw. Beratung des Kassen- arztes als sachgerecht erachtet wird;

CD daß zusätzliche und gezielte Arzneimittelprüfungen erst dann ins Auge gefaßt werden, wenn In- formation beziehungsweise Bera- tung nach nochmaliger Überprü- fung sich als erfolglos erwiesen haben, sowie

C) daß ein Regreß nicht wegen Überschreitung des Arzneimittel- höchstbetrages, sondern nach wie vor nur bei einer im Einzelfall nachgewiesenen Unwirtschaft- lichkeit ausgesprochen werden kann.

Die Zusammenhänge dieses wich- tigen Grundsätze-Papiers habe ich in Heft 13/1979 des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES (Seiten 845 ff.) eingehend dargestellt.

• Die Bedeutung aller Teile die- ser Grundsätze möchte ich von dieser Stelle aus nochmals aus- drücklich unterstreichen. Die An- erkennung und vor allem die Prak- tizierung der von uns gewünsch- ten Vorgehensweise durch die Krankenkassen, wonach bei Ver- dacht auf Unwirtschaftlichkeit pri- mär die Information des Kassen- arztes zu erfolgen hat und erst nach Erfolglosigkeit der Informa- tion der Prüfantrag zur Diskussion stehen kann, bedingt unsererseits die nachhaltige Praktizierung des

Frühwarnsystems bei begründe- tem Verdacht einer möglichen Überschreitung des Arzneimittel- höchstbetrages.

Ich betone dies so eindringlich, weil wir unter Umständen schnel- ler vor die Bewährungsprobe ge- stellt werden, als wir es uns bei der Festlegung des Arzneimittel- höchstbetrages für das Jahr 1979 vorgestellt hatten.

Ausgabenentwicklung für Arzneimittel

im I. Quartal besorgniserregend

• Erste Hinweise über die Um- satzentwicklung bei der pharma- zeutischen Industrie und der damit korrespondierenden Ausgaben- entwicklung bei den Krankenkas- sen in den ersten drei Monaten des Jahres 1979 geben Anlaß zu großer Sorge. Die bislang feststell- baren Zuwachsraten liegen deut- lich über der Steigerungsmarke des Arzneimittelhöchstbetrages.

Rückfragen sowohl bei den Sach- verständigen des Arzneimittel- marktes wie aber auch bei Kassen- ärzten bestätigen die Befürchtung, daß eine in den letzten Monaten feststellbare intensivierte Wer- bung der pharmazeutischen Indu- strie nicht ohne Folgen zu bleiben scheint. Nicht nur die Anzeigen, speziell auch über neu eingeführte Präparate, sondern auch die Besu- che der Ärzte durch Pharmarefe- renten sollen zugenommen haben.

Die im Rahmen der Ärztebesuche praktizierte Methode der Vertei- lung von Werbegeschenken wäre mancher kritischen Anmerkung wert. Mir steht es aber nicht zu, Noten für diese Werbepraktiken an die pharmazeutische Industrie zu verteilen.

Der Kassenarzt muß sich aber mehr denn je dessen bewußt sein, daß nur er für Gefälligkeitsver- schreibungen, aus welcher Veran- lassung auch immer, den Kopf ge- gebenenfalls hinzuhalten hat.

Pharmaindustrie muß

entscheidenden Beitrag leisten

• Um die Kassenärzteschaft erst gar nicht in einen durch die Kran- kenkassen ausgeübten schärferen Druck geraten zu lassen, dem sie sich selbstverständlich im Interes- se der von ihr versorgten Patien- ten widersetzen muß und wird, ap- pelliere ich an die pharmazeuti- sche Industrie, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um zur Einhal- tung des Arzneimittelhöchstbetra-

1424 Heft 21 vom 24. Mai 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Dicht an dicht saßen die Delegierten, Besucher und Ehrengäste bei der Vertreterversammlung der KBV in der Nürnberger Meistersingerhalle; Bild rechts in der ersten Reihe zu erkennen (v.l.n.r.): der Ehrenpräsident des 82. Deutschen Ärztetages, Dr. Ernst Bauer (Nürnberg); der Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages, Dr. Karsten Vilmar, und deren Hauptgeschäftsführer, Prof. J. F. Volrad Deneke, der Leitende Ministerialrat im Bundesministerium für Arbeit und Sozialord- nung, Dr. Heinz Matzke

ges im Jahre 1979 entscheidend beizutragen, so wie es auch von ihrem Bundesverband in den hin- ter uns liegenden Verhandlungen für unbedingt erforderlich angese- hen worden war. Dazu gehören die Umstellung der Werbung auf eine ausschließlich objektive und um- fassende Information, sowohl über die positiven als auch die negati- ven Eigenschaften des angebote- nen Arzneimittels bei strenger ärztlicher lndikationsstellung, wie auch die angemessene Preisge- staltung.

Bislang liegen uns noch keine si- cheren Informationen über den Preisanstieg für Arzneimittel in den Zeiträumen 1. Quartal 1979 zum 1. Quartal 1978 vor. Sollte im Rahmen der in Kürze stattfinden- den Analysen über die Ausgaben- zuwächse im 1. Quartal 1979 fest- gestellt werden, daß der durch- schnittliche Preisanstieg für Arz- neimittel über der von der Konzer- tierten Aktion angenommenen Marge liegt, so wird dies die phar- mazeutische Industrie zu rechtfer- tigen haben. Sollte allein oder zu- sätzlich die Verordnungsweise der Kassenärzteschaft Ursache für ei- ne mögliche Überschreitung des Arzneimittelhöchstbetrages sein, so werden wir die Kassenärzte- schaft aus der Verpflichtung, sie vor zukünftigen Schäden zu be- wahren, eingehend darüber infor- mieren.

.Droht eine Flut

von Arzneiregressen?

Dies erscheint um so notwendiger, als wir dieser Tage gehört haben, daß im Hause des Bundesverban- des der Ortskrankenkassen kon- krete Pläne für den Aufbau einer bundeseinheitlichen und kassen- artenüberg reifenden Arzneiko- stenstatistik mit dem Ziel entwik- kelt worden sind, die Kontrolle der Arzneimittelversorgung über eine

"vollständige arzt- und kassenbe-

zogene Erfassung und Auswer- tung" von Daten zu intensivieren. Bei diesem Vorhaben geht es den Kassen sowohl um Globalanalysen besonders im Zusammenhang mit Fragen der Konzertierten Aktion als auch vor allem um "eine inten- sivierte Einzelprüfung" bezie- hungsweise "eine Intensivierung des Reg reßwesens".

Wohin die Reise gehen soll, wird in der Argumentation, die der BdO hier zur Begründung vorbringt, eindeutig und unmißverständlich klar. Unverhohlen ist die Rede da- von, "daß nur ein Bruchteil der von einem Arzt zu Lasten der RVO- Kassen verursachten Arzneikosten in die Prüfung einbezogen wer-

den" könne, ferner· davon, daß

"das gegenwärtig vernach lässi-

genswert geringe Regreßvolumen auf der Grundlage der Arzneiko- stenstatistiken die Fragen nach al- ternativen Lösungen unumgäng-

lieh" mache. Eine Sprache, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrigläßt, vor allem, wenn man dann im letzten, bezeichnender- weise als "Ausblick" überschrie- benen Kapitel erfährt, daß dies erst der Anfang ist:

..,. ln der Mittel- und Langfristper- spektive ist nämlich der Einstieg in die totale statistische Durchleuch- tung der ärztlichen Praxisgewohn- heiten geplant. Die Brisanz des Vorhabens ist, so glaube ich, un- mittelbar einsichtig.

Es fällt schwer, hier lediglich ein bloß theoretisches Gedankenspiel ohne massiven Praxisbezug zu se- hen. Für mich zeigt sich hierin viel- mehr eine sehr konkrete und of- fensichtlich bewußt und gezielt eingeschlagene Marschrichtung, die den in den Grundsätzen zum Arzneimittelhöchstbetrag getrof- fenen Vereinbarungen geradezu diametral entgegenläuft. Der Bun- desverband der Ortskrankenkas- sen und alle, die ihm folgen, müs- sen sich den Vorwurf gefallen las- sen, daß sie damit in klarem Wi- derspruch zu dem im "Grundsät- zepapier" verankerten Prinzip "In- formation vor Prüfung" stehen und dieses Prinzip geradezu in sein Gegenteil verkehren.

Außerdem verstoßen sie damit ein- deutig gegen die im Rahmen der Honorarvereinbarung abgegebe-

(4)

Die Information:

Bericht und Meinung

Vertreterversammlung der KBV: Fiedler

nen Absichtserklärungen, wonach die Vertragspartner das partner- schaftliche Zusammenwirken von Krankenkassen und Kassenärztli- chen Vereinigungen auf dem Sek- tor des Informationsaustausches vereinbart haben. Unter Ziffer 3 dieser Absichtserklärung war ein Austausch insbesondere von Arz- neimittelstatistiken ausdrücklich mit dem Ziel der schnellstmögli- chen Information der an der kas- senärztlichen Versorgung teilneh- menden Ärzte über die Ausgaben- entwicklung für verordnete Arz- neimittel vorgesehen. In dem vom Bundesverband der Ortskranken- kassen entwickelten Konzept kann ich hiervon nichts wiederentdek- ken. Vielmehr muß ich hier ernst- hafte Zweifel an dem Partner- schaftlichkeitsverständnis an- melden.

Vertrauensvolles Patient/Arzt- Verhältnis in Gefahr

Zum Konzept selbst möchte ich nur folgendes bemerken:

0

Die weitgehende EDV-Erfas- sung des einzelnen Arztes bedeu- tet in der Konsequenz — abgese- hen von gravierenden Fragen des Datenschutzes, die hier sicherlich tangiert werden — eine erhebliche Beschneidung des ärztlichen Frei- heitsraumes. Die Gefahr einer iso- lierten Patientenerfassung ist nicht auszuschließen. Der hinrei- chende Schutz von Gesundheits- daten des Versicherten ist damit ernsthaft in Frage gestellt. Zudem führen Superinformationssysteme wie das der geplanten Arzneiko- stenstatistik in der Folge zu erhöh- ten Arbeits- und Kostenaufwän- den, neuen bürokratischen und technokratischen Apparaturen so- wie zu Intransparenz und zur Be- schneidung von Freiheitsräumen und letztlich zum Verlust von De- mokratiepotential in anderen Sek- toren.

0

Angesichts des enormen tech- nischen Aufwandes, der mit die- sem Vorhaben verbunden wäre, stellt sich ferner die grundsätzli-

che Frage der Praktikabilität. Hier erscheinen Zweifel durchaus an- gebracht, zumal angesichts des nicht erkennbaren objektiven, das heißt, allen Beteiligten zugute kommenden Nutzens.

CD

Das Vorhaben ist als ein weite- rer Versuch zu bewerten, wider besseres Wissen zu einer Perfek- tionierung der Globalsteuerungs- idee im Gesundheitswesen zu kommen. Der Arzt soll erklärter- maßen einer umfassenden Kon- trolle unterworfen werden. Hier wird nicht nur der Versuch unter- nommen, das Prinzip der ärztli- chen Unabhängigkeit und qua fachlicher Autorität begründeten Entscheidungsfreiheit zu erschüt- tern, sondern dies bedeutet zu- gleich auch einen massiven An- griff gegen jene vom Vertrauen ge- tragene Zuwendung vom Patien- ten zum Arzt und vom Arzt zum Patienten, die den Arzt dazu befä- higt, vor seinem Gewissen und in Übereinstimmung mit seiner Be- rufsethik die ihm übertragene Treuhänder- und Anwaltschaft für den gesunden und kranken Men- schen nach den Geboten der Menschlichkeit zu erfüllen.

Versicherte

zu kostenbewußtem Verhalten motivieren!

• Diese Gefahren verlangen nicht nur die volle Wachsamkeit der kassenärztlichen Selbstverwal- tungsgremien, sondern müssen uns zum Schutz der Kassenärzte- schaft wie auch der Patienten mehr denn je veranlassen, an die RVO-Krankenkassen zu appellie- ren, statt solchen schon im Ansatz verfehlten und in den Auswirkun- gen höchst bedenklichen Global- steuerungsideen nachzuhängen, sich auf ihre Informationspflicht gegenüber der Versichertenge- meinschaft zu besinnen. Sie sind sicherlich besser beraten, wenn sie dieser bestehenden Verpflich- tung nachkommen würden, ihre Versicherten zu kostenbewußtem Verhalten zu motivieren, um auch auf diese Weise einer ungezügel-

ten Inanspruchnahme von Arznei- mitteln entgegenzuwirken. Dies wäre im Gegensatz zu dem ge- planten Konzept einer Arzneiko- stenstatistik ein echter Beitrag zur Kostendämpfung.

• Darüber hinaus richte ich die eindringliche Aufforderung an die Krankenkassen, zu einer partner- schaftlichen und vertrauensvollen Zusammenarbeit auf der Basis ge- genseitiger Anerkennung der Zu- ständigkeiten der Partner im Ge- sundheitswesen zu kommen und dort, wo dies sinnvoll ist, den In- formationsaustausch zu ver- stärken.

Wirtschaftlichkeit durch

Information an den Kassenarzt

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal nachdrücklich an die Absicht der gemeinsamen Er- stellung von Arzneimittelstatisti- ken zum Zwecke der Information des Kassenarztes erinnern und die Kassen aufrufen, gemeinsam mit uns Kassenärzten an der Erstel- lung solcher Statistiken zu arbei- ten. Die Leitlinie dieses gemeinsa- men Bemühens sollte der schon erwähnte Grundsatz „Wirtschaft- lichkeit durch Information" sein.

Daß dies nicht nur sinnvoll, son- dern auch im beiderseitigen Inter- esse durchaus möglich ist, zeigt beispielsweise die kürzlich ge- schlossene Vereinbarung der Kas- senärztlichen Vereinigung Bay- erns mit den Landesverbänden der Krankenkassen über die Er- stellung von Arzneikostenstatisti- ken. Nach dieser Vereinbarung er- stellt die Kassenärztliche Vereini- gung Bayerns quartalsweise die Statistiken, welche vier Monate nach Quartalsende dem Kassen- arzt und dem jeweiligen Landes- verband der Krankenkassen über- mittelt werden. Der Kassenarzt er- hält mit dieser Statistik erste, für seine Verordnungsweise wichtige Vergleichsdaten, die ihn in die La- ge versetzen, zum Beispiel bei Er- gehen einer Frühwarnung bezüg- lich einer bedenklichen Arznei-

1426 Heft 21 vom 24. Mai 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Im Saal des Rotkreuzhauses in Nürnberg erörterte am Vortag der Sitzung der Vertreterversammlung der Länderausschuß der KBV, dem die 18 Vorsitzenden der Länder-KVen und zwei Vertreter der außerordentlichen Mitglieder angehören, die Tagesord-

nung und ihren Inhalt (Bilder links und rechts) Alle Fotos: Walter Neusdh

mittelausgabenentwicklung ange- messen zu reagieren.

Darüber hinaus muß aber auch die Information des Kassenarztes über seine individuelle Verordnungs- struktur durch die Kassenärztliche Vereinigung angestrebt werden.

Kriterien rationaler Therapie anwenden!

Bei gleichzeitiger Intensivierung der ärztlichen Fortbildung im Arz- neimittelsektor muß es längerfri- stig unser Ziel sein, die ärztliche Verordnungsweise durch die all- gemeine Anwendung der Kriterien einer rationalen Arzneitherapie unangreifbar zu machän. Wenn Greiser in seiner Niedersachsen- Studie 1976 feststellt, daß im Rah- men der Behandlung der Herzin- suffizienz immer noch 55 Prozent Kombinationspräparate verordnet werden, so sollte dies zu denken geben. Zu hoffen bleibt, daß die Erkenntnisse der Transparenz- kommission, niedergelegt in der Transparenzliste, gerade bezüg- lich der sehr eingeschränkten In- dikation von Verordnungen von Kombinationspräparaten bei der Diagnose Herzinsuffizienz schon Berücksichtigung finden.

Das Ausmaß der ärztlichen Ver- ordnungstätigkeit . wird selbst von Ärzteseite vielfach unterschätzt.

Die Tatsache, daß im Jahre 1978 sich die Aufwendungen der Kran- kenkassen für verordnete Arznei-

mittel auf 10,67 Milliarden D-Mark beliefen und diejenigen für ambu- lante kassenärztliche Versorgung nur gut ein Fünftel darüberlagen, wirft die Frage nach der angemes- senen Relation auf. Immerhin stellt ein Allgemeinarzt im Durchschnitt über 20 000 Rezepte pro Jahr aus, wobei der Verordnungswert ins- gesamt nahezu 40 Prozent über dem eigenen Honorarumsatz liegt, wie Schüttrumpf vor kurzem im Schleswig-Holsteinischen Ärzte- blatt publizierte.

Wenn ich diese Beispiele nenne, die leicht ergänzt werden könnten, so will ich damit nicht Neidgefühle oder gar Konkurrenzdenken ge- genüber der pharmazeutischen In- dustrie wecken.

Preisvergleichsliste beachten!

• Ich halte es aber für meine Pflicht, angesichts der geschilder- ten Ausgabenentwicklung im 1.

Quartal 1979 zur kritischen Besin- nung gerade bei der Verordnungs- tätigkeit aufzufordern und dabei auch um die Beachtung der vom Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen entsprechend dem Gesetzesauftrag erarbeiteten Preisvergleichsliste zu bitten.

Die erste Auflage der Preisver- gleichsliste mit zunächst 27 Wirk- stoffgruppen und insgesamt 830 Fertigarzneimitteln ist Ihnen vor wenigen Wochen zugestellt wor- den. Das einzige Ordnungskrite-

rium dieser Liste ist der Preis, wes- halb auch nur Monopräparate und Kombinationspräparate identi- scher Zusammensetzung aufge- nommen worden sind. Die Preis- vergleichsliste ist Bestandteil der Arzneimittelrichtlinien und damit verbindliche Informationsquelle für den Kassenarzt, da nach § 28 Abs. 1 des Bundesmantelvertrages der an der kassenärztlichen Ver- sorgung teilnehmende Arzt die Richtlinien zu beachten hat. Den- noch resultiert daraus nicht die Verpflichtung des Kassenarztes, jeweils nur das billigste Medika- ment einer Wirkstoffgruppe zu verordnen, da in der Preisver- gleichsliste keinerlei Aussagen über die pharmazeutische Qualität und biologische Verfügbarkeit ge- troffen werden. Nach der Feststel- lung des Bundesausschusses, dem bekanntermaßen Ärzte und Krankenkassen paritätisch ange- hören, hat der therapeutische Nut- zen unter Berücksichtigung der pharmazeutischen Qualität, der Unbedenklichkeit und gegebenen- falls der Bioverfügbarkeit Vorrang vor dem Preis.

Die daraus für den Kassenarzt re- sultierende Informationspflicht ist auf heftige Kritik gestoßen. Dabei wird aber übersehen, daß der Kas- senarzt nach den Arzneimittel- Richtlinien bislang schon gehalten war, sich über diese Kriterien zu informieren. Die Preisvergleichsli- ste stellt lediglich ein zusätzliches Hilfsmittel für die gleichfalls in den Arzneimittel-Richtlinien enthalte-

(6)

Die Information:

Bericht und Meinung

Vertreterversammlung der KBV: Fiedler

ne Forderung an den Kassenarzt dar, bei der Verordnung stets zu prüfen, ob der angestrebte Erfolg sich durch preisgünstigere Arznei- mittel erreichen läßt.

Es muß aber die Aufgabe der Zu- kunft sein, die Preisvergleichsliste, gegebenenfalls unter Berücksich- tigung der Transparenzliste, um Hinweise, die dem Arzt Entschei- dungshilfen über die pharmazeuti- sche Qualität geben können, an- zureichern.

Wegen des fast gleichzeitigen Er- scheinens des ersten Abschnittes der Transparenzliste mit der er- sten Auflage der Preisvergleichsli- ste, der Veröffentlichung der über- arbeiteten Arzneimittel-Richtlinien und dem Bekanntwerden erster Entwürfe einer sogenannten Ne- gativliste ist vielfach von einem Li- sten-Wirrwarr und einer daraus re- sultierenden Verunsicherung der Kassenärzteschaft gesprochen worden.

An dieser Stelle muß deutlich ge- macht werden, daß für den Kas- senarzt allein die Arzneimittel- richtlinien und die in ihr enthalte- ne Preisvergleichsliste verbindlich sind. Die Transparenzliste, die auf Beschluß des Bundeskabinetts durch eine Sachverständigenkom- mission beim Bundesgesundheits- amt erstellt wird und deren erstes Teilstück zum Indikationsgebiet

„Herzmuskelinsuffizienz" vorliegt, stellt eine ergänzende Informa- tionsquelle im Sinne der ärztlichen

Fortbildung dar, welcher wissen- schaftliche Veröffentlichungen und Herstellerangaben zugrunde gelegt sind.

Über die Neufassung der Arznei- mittel-Richtlinien an dieser Stelle zu berichten, erlaubt der mir vor- gegebene Zeitrahmen nicht. Ich möchte daher lediglich ankündi- gen, daß in Kürze im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT eingehende Erläu- terungen zu der Neufassung der Arzneimittel-Richtlinien veröffent-

licht werden.

Erlauben Sie mir aber bitte, noch kurz auf den dritten Problemsek-

tor der gesetzlichen Neuregelun- gen im Arzneimittelbereich einzu- gehen und über den Stand der Ar- beiten zur sogenannten Arzneimit- tel-Negativliste zu berichten. Nach der Gesetzesvorschrift, dem § 368 p. Abs. 8 RVO, sollen Arzneimittel zusammengestellt werden, die ih- rer allgemeinen Anwendung nach bei geringfügigen Gesundheits- störungen verordnet werden. Vor- aussetzung für eine rechtlich ein- wandfreie Zusammenstellung von solchen Medikamenten ist die ein- deutige Klärung des Begriffes „ge- ringfügige Gesundheitsstörung".

Sachverständige, die in großer Zahl zu dieser Frage gehört wor- den sind, konnten bislang keine zutreffende Definition geben.

Hilfskonstruktionen, so zum Bei- spiel die Anwendung des Krite- riums „Laienwerbung" bei der Aufstellung einer solchen Liste, wurden in einer vor kurzem durch- geführten Anhörung von Sachver- ständigen gleichfalls als nicht tragfähig bezeichnet. Derzeit sind also weder das Kriterium, nach dem diese Liste zusammengestellt werden soll, noch ihr Umfang er- kennbar.

Die Beratungen in den zuständi- gen Gremien des Bundesaus- schusses werden aber fortgesetzt, um alle noch möglichen Wege zur Erstellung einer solchen Liste ein- gehend zu prüfen.

Unsere primäre Verantwortung wird es dabei sein, falls es über- haupt zu der Erstellung einer sol- chen Liste kommt, jegliche An- satzpunkte, die Anlaß zu einem späteren Streit im Sprechzimmer des Arztes bieten könnten, im Kei- me zu ersticken.

Rechtes Augenmaß

und guten Willen beweisen

• Zum Abschluß meiner Ausfüh- rungen, in denen ich teilweise nur in groben Strichen die sehr kom- plexen Zusammenhänge der neu- en gesetzlichen Regelungen und deren Auswirkungen skizzieren konnte, möchte ich an alle Betei-

ligten appellieren, bei der Lösung der Schwierigkeiten und teilweise tiefgreifenden Probleme stets rechtes Augenmaß und guten Wil- len zu beweisen.

• Die Kassenärzteschaft wird sich nicht in die Zange der gegenläufi- gen Vorstellungen von Kranken- kassen einerseits und pharmazeu- tischer Industrie andererseits neh- men lassen. Druck erzeugt allemal Gegendruck.

Unabhängig von der Frage, wer al- les in einem solchen Fall zu leiden haben wird, kann schon heute festgehalten werden, daß ein Leid- tragender mit Sicherheit der Pa- tient ist.

Dies aber können wir von der uns übertragenen Schutz-, Treuhän- der- und Anwaltsfunktion wie auch von unserem ärztlichen Auf- trag und den Geboten unserer Be- rufsethik her nicht dulden.

• Die Devise kann nach unserer Auffassung daher nur lauten:

Verantwortungsvolle Zusammen- arbeit aller Beteiligten zum Zwecke

C) der ausgewogenen Information der Versicherten über die pharma- zeutischen Möglichkeiten des Arz- tes und damit der Drosselung von Wunschverschreibungen;

0 der Konzentration der Pharma- werbung auf die sachlich notwen- digen Informationen des Arztes über Arzneimittel sowie

®

der Beschränkung auf diejeni- gen Daten, die in erster Linie der Kassenarzt zur Prüfung seiner in- dividuellen Verordnungstätigkeit benötigt.

Nur so werden sich die beiden Zie- le der qualitativ hochwertigen Ver- sorgung von Patienten mit Medi- kamenten einerseits und eines vertretbaren Ausgabenanstiegs für Arzneimittel in der sozialen Kran- kenversicherung andererseits in Einklang bringen lassen.

1428 Heft 21 vom 24. Mai 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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