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Archiv "Hypothesenbeweis um jeden Preis?" (17.01.2014)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 3

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17. Januar 2014 35

M E D I Z I N

DISKUSSION

Hypothesenbeweis um jeden Preis?

Die Frage nach Interessenkonflikten in Leitlinien ist wichtig.

Beschuldigungen einer Beeinflussbarkeit und ihre Auswirkun- gen auf eine Leitlinie sollten jedoch nur mit höchster Sorgsam- keit vorgebracht werden. Leider weist die Untersuchung von Schott et al. (1) zu Interessenkonflikten schwere Mängel auf.

Der Vorwurf, dass Efalizumab gegenüber Etanercept in der S3-Leitlinie bevorzugt besprochen wurde, lässt sich mit einem Blick auf die von Schott et al. leider an keiner Stelle erwähnten unterschiedlichen Empfehlungsstärken von Efalizumab (↑) und Etanercept (↑↑) widerlegen. Hätte eine Beeinflussung vorgele- gen, wäre das Medikament sicherlich nicht mit der schwächs- ten Empfehlungsstärke aller Biologika versehen worden.

Die britische „Health Technology Assessment“-basierte staatliche NICE-Guidance (NICE, National Institute of Health and Care Excellence) wird einer deutschen S3-Leitlinie gegen- übergestellt. Unterschiede der Methodik werden ignoriert. NI- CE-Guidances entsprechen offiziellen Richtlinien und sind deutlich direktiver als deutsche Leitlinien, die oftmals be- wusst mehr Entscheidungsfreiheit zulassen. Vorwürfe der Be- einflussbarkeit auf einen einseitigen Vergleich nicht ver- gleichbarer Arbeiten zu stützen, entspricht keiner guten wis- senschaftlichen Praxis.

Positive Erwähnungen von Efalizumab in anderen Health Technology Assessments (HTAs)/Leitlinien (Deutsches Insti- tut für Medizinische Dokumentation und Information [DIM- DI]): „schneller Wirkungseintritt“, British Association of Der- matologists´guideline („For patients with latent tuberculosis demyelinating disease Efalizumab should be considered first choice“) werden in der Diskussion nicht erwähnt (2, 3). Nega- tivaussagen zu Efalizumab in der deutschen Leitlinie (zum Beispiel Rebound-Gefahr), ohne Entsprechung in der NICE- Guidance, werden nicht aufgelistet.

Die Behauptung in der Diskussion, dass an der NICE-Guidance „keine Experten mit Interessenkonflikten mitgearbeitet hätten“, ist falsch. (J. Baker/C. E. M. Griffiths):

zahlreiche Interessenkonflikte) (4). Auch die Interessenkon- flikte der britischen Experten hätten systematisch überprüft werden müssen, nicht nur die der deutschen.

Warum haben die Autoren die Leitliniengruppe nicht vor- her kontaktiert und um Stellungnahme gebeten? Es wäre ein Leichtes gewesen, ihnen die Gründe für die vermeintlichen Unterschiede zur NICE-Guidance zu erklären. Wissenschaft wächst durch Diskurs. Dieser sollte jedoch auf sorgfältiger Recherche basieren.

Wir sind bereit und würden uns freuen, Schott et al. im persön- lichen Gespräch vom Nichtzutreffen ihrer Hypothesen zu über- zeugen. DOI: 10.3238/arztebl.2014.0035a

LITERATUR

1. Schott G, Dünnweber C, Mühlbauer B, Niebling W, Pachl H, Ludwig WD: Does the pharmaceutical industry influence guidelines? Two examples from Germany.

Dtsch Arztebl Int 2013; 110(35–36): 575–83.

2. Claes C, Kulp W, Greiner W, Graf von der Schulenburg JM, Werfel T: Therapie der mittelschweren und schweren Psoriasis. HTA-Bericht 34. http://portal.dimdi.de/

de/hta/hta_berichte/hta129_bericht_de.pdf (last accessed on 27 September 2013).

3. Smith CH, Anstey AV, Barker JN, et al.: British Association of Dermatologists guidelines for use of biological interventions in psoriasis 2005. Br J Dermatol 2005; 153: 486–97.

4. National Institute for Health and Care Excellence: Appraisals Committee Meeting:

Minutes. http://guidance.nice.org.uk/TA103 (last accessed on 27 September 2013).

Für die deutsche Psoriasisleitliniengruppe 2006:

PD Dr. med. Alexander Nast

AWMF-Leitlinienberater, Leiter der Division of Evidence Based Medicine, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin alexander.nast@charite.de

Prof. Dr. med. Berthold Rzany SC.M.

AWMF-Leitlinienberater, RZANY & HUND, Privatpraxis für Dermatologie und Ästhetische Medizin, Berlin

Interessenkonflikt

PD Dr. Nast ist Erstautor der Psoriasisleitlinie. Zum Zeitpunkt der Publikation der Leitlinie 2006 bestanden keinerlei Interessenkonflikte. Seit Publikation der Leitlinie erhielt er Vortragshonorare der Firma Pfizer, dem jetzigen Hersteller von Etanercept sowie Studien - unterstützung der Firma Wyeth (jetzt Pfizer). Ferner ist er Mitglied der AWMF-Arbeitsgruppe zum Thema Interessenkonflikte.

Prof. Rzany ist Koautor der Psoriasisleitlinie. Zum Zeitpunkt der Publikation der Leitlinie 2006 waren Beratertätigkeiten für die Firmen Serono und Wyeth (jetzt Pfizer) erfolgt.

Aktuell bestehen keine Interessenkonflikte.

Keine belastbare Argumentationsgrundlage

Nahezu alle Argumente von Schott et al. (1) zur Begründung ih- rer Kritik an der Efalizumabbewertung sind unrichtig. Die heran- gezogene NICE-Guidance TA103 (2) ist keine Leitlinie, sondern ein „technical appraisal“ (3) der Kosteneffektivität von Efalizu- mab und Etanercept, und damit mit einer ärztlichen Leitlinie nicht vergleichbar. Entgegen ihrer Feststellung (Tabelle 2 des Beitrags) Zitat: „Efalizumab wird in bestimmten Situationen ex- plizit auch zur Induktionstherapie empfohlen. Diese Empfehlung ist nicht zulassungskonform“, verschweigen die Autoren, dass die S3-Leitlinie

die strenge Einhaltung der Indikation für Biologika fordert (S. 34),

Efalizumab mit einer einfachen Unterstützung (↑) ebenfalls schlechter bewertet als Etanercept (↑↑)

den Einsatz von Efalizumab gleichermaßen einschränkt („Die Therapie sollte nicht fortgeführt werden, wenn es in- nerhalb der ersten zwölf Wochen nicht zu einer mindestens 50%igen Befundbesserung gekommen ist“) wie die TA 103 (S. 5, 1.4): “Further treatment with efalizumab is not recom- mended in patients unless their psoriasis has responded adequately at 12 weeks…”.

zu dem Beitrag

Besteht ein Einfluss pharmazeutischer Unternehmen auf Leitlinien?

Zwei Beispiele aus Deutschland

von Dr. med. Gisela Schott, Claudia Dünnweber, MPH,

Prof. Dr. med. Bernd Mühlbauer, Prof. Dr. med. Wilhelm Niebling, Dipl.-Biol. Henry Pachl, Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig in Heft 35–36/2013

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M E D I Z I N

Die Feststellungen in Tabelle 2 des Beitrags, in der NICE- Leitlinie gebe es „keine Aussage zum Einfluss von Efalizu- mab auf die Lebensqualität [...] und zur Wirksamkeit von Efa- lizumab bei vorbehandelten Patienten“ sind falsch. Die TA103 dokumentiert (S.13, 4.1.2.2): „DLQI outcomes were reported in four trials, all of which reported a statistically sig- nificant greater reduction in patients taking efalizumab“ und vermerkt bezüglich Efalizumab und Etanercept (S.18): “…

these drugs … were as effective for people who had not res- ponded to other available treatments as for those who were treatment naïve” (2).

Die Zuweisung der Evidenzgrade erfolgte methodisch un- ter AWMF-Aufsicht streng nach AWMF-Vorgaben (4). Die grau unterlegte Empfehlung zu Efalizumab stellt eine konsen- suspflichtige Aussage aller Autoren dar. Schott et al. sollten zu einer Richtigstellung aufgefordert werden.

DOI: 10.3238/arztebl.2014.0035b LITERATUR

1. Schott G, Dünnweber C, Mühlbauer B, Niebling W, Pachl H, Ludwig WD:

Does the pharmaceutical industry influence guidelines? Two examples from Germany. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(35–36): 575–83

2. National Institute for Health and Care Excellence: TA 103 Etanercept and efalizumab for the treatment of adults with psoriasis. NICE Technology appraisal guidance 103—Issued: July 2006. http://guidance.nice.org.uk/TA103 (last accessed on 23. 9. 2013).

3. National Institute for Health and Care Excellence: About NICE. What we do.

Evidence-based guidance and advice. www.nice.org.uk/aboutnice/whatwedo/

what_we_do.jsp (last accessed on 23. 9. 2013).

4. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), Ärztliche Zentralstelle Qualitätssicherung (ÄZQ): Das Leitlinien-Manual von AWMF und ÄZQ. Entwicklung und Implementierung von Leitlinien in der Medizin. Z Arztl Fortbild Qualitatssich 2001;95(Suppl I):4–84. www.awmf.org/leit linien/awmf-regelwerk/awmf-publikationen-zu-leitlinien/leitlinien-manual.html (last accessed on 23. 9. 2013).

Für die deutsche Psoriasisleitliniengruppe 2006:

Prof. Dr. med. univ. Jörg C. Prinz

Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie, München Joerg.Prinz@med.uni-muenchen.de

Dr. med. Volker Streit Buchholz

Interessenkonflikt

Prof. Prinz wurde honoriert für Beratertätigkeiten (Advisory Board) Novartis, Wyeth, Pfi- zer, Serono, Abbott, Janssen-Cilag und Actelion. Er bekam Vortragshonorare von den Fir- men Biogen-Idec, Novartis, Wyeth, Pfizer, Merk-Serono, Essex pharma, MSD, Galdema, Centocor, Abbott und Janssen-Cilag/Janssen-Ortho. Studienunterstützung (Drittmittel) wurde ihm zuteil von den Firmen Wyeth, Merk-Serono, Essex pharma, Centocor, Abbott und Janssen-Cilag/Janssen-Ortho. Zudem erhielt er Sachmittelunterstützung von den Firmen Biogen-Idec und Wyeth.

Dr. Streit wurde honoriert für Beratertätigkeiten (Advisory Board) von den Firmen Sero- no, Wyeth und Abbott. Er erhielt Vortragshonorare von den Firmen Wyeth und Abbott.

Studienunterstützung (Drittmittel) wurde ihm zuteil von den Firmen Wyeth und Abbott.

Informationsvorsprung oder Interessenkonflikt?

Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft begrüßt die re- daktionelle Initiative des Ärzteblattes, die Thematik von Inte- ressenkonflikten im Zusammenhang mit der Erstellung von Leitlinien aufzugreifen und dem Leser zu erhellen. Schade nur, dass dem vielversprechenden Editorial zur Problematik eine im Ergebnis mangelhaft erarbeitete und tendenziös abge- fasste Publikation zur vermeintlichen Einflussnahme von Pharmaunternehmen auf die Therapieempfehlungen der Leit- linienautoren folgt, und durch eine Verquickung mit Fäl-

schungsvorwürfen in einem themenfremden Kontext beim Le- ser den subjektiven Eindruck einer manipulierbaren Ärzte- schaft noch beflügelt.

Als in der Leitlinienerstellung mitverantwortliche wissen- schaftliche Fachgesellschaft sehen wir hierdurch nicht nur eine seinerzeit vorbildliche Arbeit ins falsche Licht gerückt, son- dern auch die Reputation renommierter Autoren zu Unrecht in Frage gestellt. Die federführend von Kollegin Schott von der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft und mit Unterstützung der Förderinitiative Versorgungsforschung der Bundesärztekammer verfasste Arbeit mag als journalistischer Beitrag tauglich sein, als wissenschaftliche Originalarbeit in einem Organ wie dem Deutschen Ärzteblatt kann sie aber nicht unwidersprochen hingenommen werden. Abgesehen von den durch die betroffenen Leitlinienautoren diesbezüglich erwider- ten Kommentierungen bleibt zu hinterfragen, was eine Leitli- nie taugt, die ausschließlich durch „belesene“ Autoren ohne jegliche Erfahrung in klinischer Forschung oder kritischer Be- ratertätigkeit erarbeitet wurde. Gerade durch Letztere ist man in der Bewertung der aktuellen Studienlandschaft infolge eines praktischen Umganges am besten mit den Prüfsubstanzen ver- traut, genauso wie mit deren potenziellem Risikoprofil im Rahmen eines kontinuierlichen Informationssystems aller Ne- benwirkungen. So steht in der aktuellen Debatte nicht nur die Forderung nach totaler Unbefangenheit, sondern auch der Ver- zicht auf eine wertvolle Expertise zum Einsatz innovativer Be- handlungen auf dem Prüfstand.

DOI: 10.3238/arztebl.2014.0036a LITERATUR

1. Schott G, Dünnweber C, Mühlbauer B, Niebling W, Pachl H, Ludwig WD:

Does the pharmaceutical industry influence guidelines? Two examples from Germany. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(35–36): 575–83.

Prof. Dr. med. Roland Kaufmann

Präsident der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft Zentrum der Dermatologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/Main

kaufmann@em.uni-frankfurt.de

Interessenkonflikt

Prof. Kaufmann erhielt Studienunterstützung (Drittmittel) von den Firmen LEO, Roche, Novartis, AB Science, Abott, Almirall, Amgene, Basilea, BMS, Cellgene, GSK, Regenerone, Jansen-Cilag, Lefi, Meda, Merz, Sciderm und Pfizer.

Manipulierte Evidenz?

Die Autoren setzen sich kritisch mit der wichtigen Frage nach Interessenskonflikten im Rahmen von Leitlinien auseinander (1). Als politisch Mitverantwortliche sind wir jedoch tief ent- täuscht und betroffen, dass der Beitrag die Kontrollmechanis- men der Koautoren und des Deutschen Ärzteblattes passieren konnte, denn es wird diesem schwierigen und verantwor- tungsvollen Thema leider überhaupt nicht gerecht. Gerade die S3-Leitlinie zur Psoriasis wurde zum damaligen Zeitpunkt als exzellentes Beispiel für eine qualitativ hochwertige Arbeit von allen Seiten gelobt und war auch Grundlage für die inter- nationale Leitlinie.

Durch eine tendenziöse Auswahl von Zitaten, Weglassen von relevanten Informationen und unzulässige Schlüsse wird beim uninformierten Leser erst der Eindruck einer „zu positi- ven Charakterisierung von Efalizumab“ kreiert, der dann den Autoren der Leitlinie als zu Industrienah angelastet wird.

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