A1984 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 3819. September 2008
T E C H N I K
S
tammzellen können sich in 220 unterschiedliche Körper- zellen verwandeln. Diese Fähigkeit zur Differenzierung wollen sich Bio- logen und Mediziner zunutze ma- chen, um gezielt Herz-, Haut- oder Nervenzellen für die Therapie von Krankheiten zu gewinnen. Bislang waren die praktizierten Techniken der Stammzellkultur noch nicht effi- zient genug: Welcher Anteil einer Stammzellmischung verwandelt sich unter welchen Bedingungen in wel- che Körperzellen? Zwei Apparate- prototypen zur Stammzelldifferen- zierung ermöglichen es jetzt erst- mals, komplexe Entwicklungswege dieser Zellen systematisch zu unter- suchen. Sie sind das Ergebnis des in- ternationalen Projekts „CellPROM“(Cell Programming by Nanoscaled Devices), das die Europäische Union mit 16,7 Millionen Euro gefördert hat und das vom Fraunhofer-Institut für biomedizinische Technik (IBMT;
www.ibmt.fraunhofer.de) in St. Ing-
bert koordiniert wurde. „Die derzeit übliche Zellkultur ist zu weit weg von der natürlichen Situation“, erläu- terte Daniel Schmitt, Projektkoordi- nator von CellPROM. Denn im Kör- per kommen die Stammzellen mit gelösten Nähr- und Signalstoffen und einer Vielzahl unterschiedlicher Zellen in Berührung. Millionen von Proteinen sitzen in oder auf den Zell- membranen und regen Stammzellen dazu an, sich in spezialisierte Zellen zu verwandeln. „Wir wollen den Stammzellen im Labor eine Ober- fläche anbieten, die den Zellmem- branen möglichst ähnlich ist“, sagte Schmitt. Dazu hat das Konsortium verschiedene Verfahren entwickelt, mit denen sich unterschiedliche Bio- moleküle effizient auf zellverträgli- che Oberflächen bringen lassen.
In den beiden Automaten – Magnalab und Nazcalab – kom- men die Stammzellen in definierter Weise mit den Signalfaktoren in Kontakt: Im Magnalab wachsen
mehrere Hundert Zellen auf Kultur- substraten, die mit Biomolekülen beschichtet sind. Im Nazcalab schwebt eine Vielzahl einzelner Zel- len, von Nährlösung umspült, in par- allelen Kanälen und trifft dort auf Mikropartikel, die mit Signalfakto- ren bestückt sind. Über ein Mikro- skop und eine Kamera dokumentie- ren die Forscher in Zeitrafferaufnah- men, wie sich einzelne Zellen teilen und differenzieren. Dass sich die Multitalente von Oberflächensigna- len dazu anregen lassen, sich in spe- zialisierte Zellen zu verwandeln, konnten sie an etwa 20 unterschied- lichen Zellmodellen belegen. EB
STAMMZELLEN
Apparate zur Differenzierung
Mit dem Proto- typen Magnalab lassen sich die Entwicklungswege von Stammzellen systematisch untersuchen.
DIAGNOSE
Kamerasteuerung mit Magneten
M
it einer Minikamera in der Größe eines Bonbons, die der Patient schluckt, lassen sich Aufnahmen aus dem Körperinneren gewinnen. Sie wandert durch den Darm und funkt Bilder der Darm- zotten nach außen. Ein Empfangs- gerät, das der Patient am Gürtel trägt, speichert die Daten, sodass der Arzt sie später auswerten kann.Zur Untersuchung von Speiseröhre und Magen eignet sich die Kamera
jedoch nicht, weil sie diese Strecke zu schnell passiert, um verwertbare Bilder zu liefern: Für den Weg durch die Speiseröhre benötigt die Kame- ra nur etwa drei bis vier Sekunden – pro Sekunde macht sie zwei bis vier Bilder –, und im Magen fällt sie durch ihr Gewicht von etwa fünf Gramm recht schnell auf die untere Magenwand. Für Untersuchungen der Speiseröhre und des Magens müssen die Patienten daher nach wie vor ein Endoskop schlucken.
Forscher des Fraunhofer-Instituts für biomedizinische Technik (IBMT) in St. Ingbert haben mit der Her- stellerfirma Given Imaging, dem Israelitischen Krankenhaus in Ham- burg und dem Royal Imperial College in London ein Steuerungssystem für die Kamerapille entwickelt, mit
dem sich die Kamera in der Spei- seröhre gezielt bewegen und der Kamerablickwinkel einstellen lassen.
Der Übergang zwischen Speiseröhre und Magen sowie die Magenwände können so genau untersucht werden.
Die Forscher haben dazu eine Ma- gnetvorrichtung in der Größe einer Tafel Schokolade entwickelt, die der Arzt während der Untersuchung in der Hand halten und am Körper des Patienten auf- und abbewegen kann.
Die Kamera folgt innen präzise die- ser Bewegung. Die steuerbare „Ka- merapille“ ist ähnlich aufgebaut wie ihr Vorgängermodell: Sie besteht aus einer Kamera, einem Sender, der die Bilder an das Empfangsgerät schickt, einer Batterie und mehreren Kaltlichtdioden, die wie ein Blitz- licht bei jeder Aufnahme kurz auf- blinken. Im Eigenversuch konnten die Forscher zeigen, dass sich die Kamera für etwa zehn Minuten in der Speiseröhre halten lässt, selbst wenn der Patient aufrecht sitzt. EB Die schluckbare
Kamera (hier in ihrer Halterung) lässt sich in der Speiseröhre gezielt stoppen und bewe- gen. So können Ärzte den Übergang zwischen Speise- röhre und Magen genau untersuchen.
Foto:Fraunhofer IBMT