DEUTSCHES ARZTEBLATT
Hausarzt und Kurarzt DIE GLOSSE
ruhen, die nur durch eine lange und auch auf Selbsthilfe bauende Therapie korrigiert werden kön- nen.
Eine sinnvolle, langfristige Ge- sundheitssicherung erfordert eine kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen Haus- und Kurarzt. Ne- ben diesen personellen stellt die strukturell-institutionelle Ebene eine weitere Bedingung sinnvol- ler, langfristiger Betreuung dar.
Eine Verzahnung haus- und kur- ärztlicher therapeutischer Ange- bote führt zu einer weitgreifenden Intervention im Sinne einer lang- jährigen Lebensstilveränderung.
Vor einer Kur sollte mit dem Pa- tienten Sinn, Inhalt und Ziel dieser oft sehr kostenaufwendigen Maß- nahme eingehend erörtert, das Kurprogramm detailliert erläutert und auf die Erwartung bezüglich einer dauerhaften Lebensstilver- änderung hingewiesen werden.
Nachkurtreffen
Zur Absicherung des Kurerfolges ist es notwendig, die nachgehen- den Angebote an der Lebens- und Arbeitssituation des Betroffenen zu orientieren und an dem Erfah- rungsspektrum anzusetzen, das die Kur im kognitiven, affektiven, motorischen und sozialen Bereich erzielt hat. Es gilt, die daraus re- sultierenden, akzeptierten und
handlungsleitenden Wertvorstel- lungen in den Alltag zu transferie- ren und die institutionellen Rah- menbedingungen entsprechend zu gestalten. In Einzel- und Grup- pengesprächen muß der Kurver- lauf bewertet, Folgerungen für den Alltag gezogen und die vorge- nommene Lebensstilveränderung mit dem Hausarzt abgestimmt werden. Es gilt, stabilisierend ein- zugreifen, das gewachsene Selbstvertrauen und die damit ver- bundene Lebensfreude für den Alltag auszunutzen, damit auch zu Hause ohne Prestigeverlust die er- höhte Risikobereitschaft weiter abgebaut werden kann. Soweit er- forderlich sollte in speziellen Fäl- len auch das soziale Umfeld einbe- zogen werden, um die Aufarbei-
tung von gesundheitlichen und sozialen Problemen im familiären und sozialen Kontext zu ermög- lichen und um eine Multiplikato- renwirkung zu erzielen.
Nachkurbetreuung
Neben der medizinischen Versor- gung tragen der Aufbau von Selbsthilfegruppen, die Vermitt- lung sozialtherapeutischer Hilfen, regelmäßige Gruppentreffen mit gesundheitsinformativen Inhalten und die Integration einzelner in bestehende Institutionen dazu bei, eine langfristige Gesundheitssi- cherung zu etablieren. Diese An- gebote garantieren eine konti- nuierliche Fortsetzung der kurkli- nischen Maßnahmen auf personel- ler und strukturell-institutioneller Ebene. Sie vermitteln dem Patien- ten das Gefühl einer systemati- schen und koordinierten Zusam- menarbeit zwischen Haus- und Kurarzt, auf die er sich bei seiner angestrebten Lebensstilverände- rung stützen kann.
Literatur
Blohmke, M. (Hrsg.): Handbuch der Sozialme- dizin, Band 11. Enke Verlag, Stuttgart 1977 — Brusis, 0. A. (Hrsg.): Handbuch der Koronar- gruppenbetreuung, Bd. I. perimed-Fachbuch- Verlagsgesellschaft, Erlangen 1980 — Bundes- arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation: Die Rehabilitation Behinderter, Deutscher Ärzte- Verlag, Köln 1984 — Füsgen, 1.: Die integrierte Kur, Schindele Verlag, Rheinstetten 1979 — Halhuber, C.: Rehabilitation in ambulanten Ko- ronargruppen, Teil 1-3. Springer-Verlag, Hei- delberg 1980— Halhuber, M. J.: Für und Wider
„Anschluß"-Heilmaßnahmen nach akutem Herzinfarkt, in: Deutsche Rentenversicherung, 1968, Heft 1 — Häußler, S.: Das Kurwesen aus der Sicht des Kassenarztes, in: Arbeitsmedi- zin, Sozialmedizin, Präventivmedizin, 11.1976, Heft 3 — Haux, F.: Eine Kur, und was dann? in:
Niedersächsisches Ärzteblatt, Heft 22/1983 — Hüllmann, K.-D.: Präventivmedizin, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1982 — Jochheim, K.-A. (Hrsg.): Rehabilitation, Band 1-111, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1975 — Viefhues, H.:
Lehrbuch der Sozialmedizin, Kohlhammer Verlag, Stuttgart, 1982 — Wannenwetsch, E.:
Kuren sind im Gesundheitswesen unersetzbar und gewinnbringend für die gesamte Volks- wirtschaft, in: Heilbad und Kurort, Heft 3/1977.
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Friedrich Haux Internist
Chefarzt der AOK-Kurklinik für Prävention und Rehabilitation Pfaffenbergstraße 6
3423 Bad Sachsa
Phrasen-Chloroform
Familie am Frühstückstisch. Va- ter: „Ich bitte um Herreichung des Kaffees zwecks Austrinkens des- selbigen!" Mutter: „Nach Beendi- gung des Frühstücks nehme ich die Realisierung meiner Einkaufs- absichten im Supermarkt vor!"
Tochter: „Kann ich die Ausleihung des sich in der Garage befind- lichen Kfz in Erwägung ziehen zum anschließenden Transport meiner Person in die Schule?"
Kein Mensch redet so. Aber viele schreiben noch so. Das Kauf- mannsdeutsch, von der Kranken- hausverwaltung bis zur Arztpraxis, ist allgegenwärtig. Gestelzt, schwergewichtig, mit vielen Hauptwörtern („Substantivitis").
Warum nicht so schreiben, wie man zum Nachbarn spricht? Ein- fach, ohne Schnörkel, mit Zeitwör- tern und kurzen Sätzen. „Phrasen- Chloroform" ist passö. Knapp, freundlich und bündig ist die Devi- se. Falsch verstandene Rationali- sierung kann böse Folgen haben.
So heißt es etwa in einem Vereins- Rundschreiben: „Die Bewirtschaf- tung liegt in den Händen unseres Mitglieds Huber, des 2. Bezwingers der Matterhorn-Nordwand und sei- ner Ehefrau Elfriede ..." UM
FRAGEN SIE DR. BIERSNYDER!
Neurose
oder Kleptomanie?
Sehr geehrter Herr Doktor,
mein Sohn hat kürzlich ein Moped geklaut. Er kommt aus gutem Hau- se und wahrscheinlich hat er eine Neurose oder gar eine Kleptoma- nie. Was meinen Sie dazu?
Dr. Biersnyder antwortet: Ich glau- be, Ihr Sohn wollte das Motorrad besitzen, um damit herumzufah- ren und ohne es zu bezahlen. Die- sen Vorgang nennt man eigentlich Diebstahl, und der hat mit Neurose nichts zu tun. Möglicherweise ist Ihr Sohn anderer Meinung, aber darauf sollten Sie nichts geben.
1848 (42) Heft 25/26 vom 20. Juni 1986 83. Jahrgang Ausgabe A