Grundlagen der Therapie mit Fibrinolytika
Unter therapeutischer Fibrino- lyse versteht man die Auflösung ei- nes fibrinhaltigen Thrombus durch die Protease Plasmin. Diese entsteht durch partielle Degradation aus Plasminogen. Bei den Plasminogen- Aktivatoren unterscheidet man In- trinsic- und Extrinsic-Aktivatoren.
Diese entsprechen Blut- und Ge- websaktivatoren. Dazu kommen exogene Aktivatoren, zu denen die pharmazeutisch hergestellten Uro- und Streptokinase gehören. Die wichtigsten Plasmininhibitoren sind das Alpha-2-Antiplasmin und das Alpha-2-Makroglobulin.
Eine maximale Bildung von Plasmin wird bei einem molaren
Streptokinase-Plasminogen-Verhält- nis von 1:10 erreicht. Zur Überwin- dung der immunologischen Resi- stenz reichen in über 90 Prozent der Fälle 250 000 I. E. Streptokinase aus.
Bei Anstieg des AK-Titers nach etwa fünf bis sechs Tagen Dauerin- fusion kann auf Urokinase umge- setzt werden. Urokinase ist ein ho- mologer Plasminogen-Aktivator. Er bewirkt die Aktivierung zu Plasmin direkt.
Mit einer neuen Technik bilden humane embryonale Nierenzellkul- turen nach 35 Tagen niedrigmoleku- lare Urokinase. Die Dosierung hat sich heute in vielen Zentren an die Dosierung bei der Streptokinase an- geglichen.
tPA (tissue plasminogen activa- tor) wurde bislang nur bei klinischen Studien eingesetzt.
Vor Beginn der Therapie sollte ein „kleiner Gerinnungsstatus"
durchgeführt werden. Gesicherte In- dikationen sind venöse und arteriel- le Thrombosen und die Lungenem- bolie. Nicht gesichert ist die Indika- tion des Herzinfarktes. Umstritten ist die Indikation bei arteriellen .und venösen Zerebralgefäß- und Netz- hautverschlüssen sowie beim Budd- Chiari-Syndrom.
Fibrinolytische Therapie tiefer Venenthrombosen
Das vitale Akutrisiko der Lun- genembolie sowie eines postthrom- botischen Syndroms und der Ausbil- dung eines Ulcus cruris sollen durch konsequente Antikoagulantienbe- handlung und Thrombektomie ver- mindert werden. Da Fibrinolyse und Thrombektomie allein nicht das Ri- siko einer tödlichen Lungenembolie im Vergleich zu alleiniger konse- quenter Antikoagulation senken, sondern sogar eine zusätzliche vitale Gefährdung bedeuten können, sind sie nur indiziert, um Patienten vor schweren postthrombotischen Schä- den zu bewahren. Hauptentschei- dungskriterien sind Lokalisation und Ausdehnung der Thrombose, Alter
und Gesundheitszustand sowie die Anamnesedauer. Die Spätergebnis- se scheinen bei der Fibrinolyse bes- ser zu sein, als bei der Thrombekto- mie. Derzeit gültige Behandlungs- schemata für Streptokinase in her- kömmlicher oder ultrahoher Dosis umfassen Dosierungen von 250 000 bis 1 500 000 E. in verschiedenen Zeiträumen.
Für die Urokinase werden von den meisten Autoren Tagesdosen von ein bis zwei Millionen E. ange- geben, dabei ist das Risiko einer Blutungskomplikation geringer. Auf jeden Fall sollte bis zum objektivier- baren Erfolg behandelt werden. Er- folglosigkeit kann nicht vor 14 Ta- gen Behandlungsdauer konstatiert werden. Ausnahmen von dieser Re- gel gelten vielleicht für Streptokina- se in ultrahoher Dosierung.
Fibrinolytische
Behandlung des akuten Myokardinfarktes
Die unterschiedlichen Charak- teristika von Strepto- und Urokinase gelten auch hier unverändert. Mögli- cherweise ist durch den kombinier- ten Einsatz von Gewebsplasmino- genaktivator und Pro-Urokinase noch eine erhebliche Steigerung der
Effizienz bei Reduzierung des Blu- tungsrisikos möglich. Die Kombina- tion mit dem Einsatz von Koronardi- latationskathetern bei intrakorona- rer Infusion von Streptokinase führt in 80 bis 90 Prozent der Fälle zur Be- seitigung der Koronarokklusion. Bei der hochdosierten Streptokinase- Kurzinfusion war besonders ein- drucksvoll die Reduktion der Sterb- lichkeit von 15,4 auf 8,2 bei den Pa- tienten, die innerhalb einer Stunde nach Symptombeginn behandelt wurden. Entgegen den Erwartungen profitierten Re-Infarkt-Patienten nicht von der Streptokinase-Be- handlung. Auch das Problem der Reverschlüsse ist bisher nicht befrie- digend gelöst. Nur durch die Bypass- operation gelingt die sichere Verhü- tung einer erneuten Myokardisch- ämie. Beim praktischen Vorgehen infundiert man intravenös 1,5 Mil- lionen E. Streptokinase/Stunde oder gibt eine Bolusinjektion von 1,5 Mil- lionen E. Urokinase mit anschlie- ßender Infusion von 1,5 Millionen E. über 60 Minuten. Persistiert die Symptomatik über 30 Minuten, dann wird sofort koronarangiogra- phiert.
Die Koronarangiographie wird ohne vorherige Fibrinolyse durchge- führt, wenn EKG oder Symptome Zweifel an der Diagnose aufkom- men lassen. Je nach Untersuchungs- ergebnis folgen weitere Maßnahmen (Streptokinase intrakoronar, PTCA, ggf. Operation). Das weitere Vorge- hen richtet sich nach dem klinischen Verlauf. cas
Hiller, E.: Grundlagen der Therapie mit Fibrinolytika; Fortschr. Med. 104 (1986), 30, 21-24.
Prof. Dr. med. E. Hiller, Medizinische Klinik im Klinikum Großhadern der Uni- versität München, Marchioninistraße 15, 8000 München 70.
Theiss, W.: Fibrinolytische Therapie tiefer Venenthrombosen. Fortschr. Med. 104 (1986) 30, 25-30.
Priv.-Doz. Dr. med. Wolfram Theiss, 1.
Med. Klinik der TU, Klinikum rechts der Isar, Ismaniger Straße 22, 8000 München 80.
Neuhaus, KL: Fibrinolytische Behandlung des akuten Myokardinfarktes. Fortschr.
Med. 104 (1986) 30, 30-34.
Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Neuhaus, Zentrum Innere Medizin der Universität, Robert-Koch-Straße 40, 3400 Göttingen.
Stand der Fibrinolyse
A-36 (42) Dt. Ärztebl. 84, Heft 1/2, 2. Januar 1987