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Archiv "Entstehung des Typ-1-Diabetes – Die ersten Lebensjahre sind entscheidend" (11.05.2001)

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D

er natürliche Verlauf der Entste- hung des Typ-1-Diabetes beim Menschen und der Beginn der Autoimmunität gegenüber Inselanti- genen sind bisher relativ wenig er- forscht (1). Der Großteil der Erkennt- nisse über die Pathogenese des Auto- immundiabetes stützt sich auf Ergeb- nisse, die im Tiermodell der Non-Obese- Diabetic-(NOD-)Maus, und zwar direkt in den Inseln des Pankreas erhoben wurden (30). Die NOD-Maus ent- wickelt spontan einen Autoimmundia- betes. Während alle Tiere synchron im Alter von drei bis vier Wochen erste Zeichen einer Inselentzündung aufwei- sen, entwickelt sich ein manifester Dia- betes nur bei einem Teil der Tiere, und zwar mit ganz unterschiedlichem Alter (3, 12). Zwei verschiedene Phasen der Insulitis werden bei diesem Tiermodell vermutet, eine benigne Insulitis, bei der

TH2-Zellen und ihr Sekretionsprodukt Interleukin-4 überwiegen und die b- Zellen intakt bleiben, und eine destruk- tive Insulitis, bei der TH1-Zellen domi- nieren und spezifische und unspezifi- sche inflammatorische Komponenten des Immunsystems aktiviert werden (21, 22).

Auch Untersuchungen über den Ver- lauf der humanen Erkrankung sind von immenser Bedeutung für die Frage, ob es sich bei der Entwicklung zum Diabe- tes um einen unvermeidbaren Prozess handelt oder ob auch beim Menschen ein benigner Verlauf existiert, der durch eine frühe Immuninterventionsbehand- lung positiv beeinflusst werden kann.

Bereits viele Jahre vor der klinischen

Manifestation des Typ-1-Diabetes las- sen sich Autoantikörper gegen Inselan- tigene im peripheren Venen- oder Ka- pillarblut nachweisen (4, 11). Diese In- selautoantikörper sind sehr spezifisch für den Diabetes und können mit sensi- tiven und international standardisierten Testmethoden gemessen werden. Es wird allgemein davon ausgegangen, dass Inselautoantikörper als relativ präzise Messgröße für das Vorhanden- sein von Inselautoimmunität beim Menschen verwendet werden können.

Folgende drei Inselautoantikörper wer- den unterschieden und haben sich für die Diagnostik der Autoimmunerkran- kung etabliert: Insulinautoantikörper (IAA), Glutamatdecarboxylase-Anti- körper (GADA) und Antikörper gegen die Tyrosinphosphatase IA-2 (IA2A) (4, 31, 32). Gegen Inselautoantigen ge- richtete T-Zellen sind hingegen im peri-

Entstehung des Typ-1-Diabetes – Die ersten Lebensjahre sind entscheidend

Ergebnisse der deutschen Multicenterstudie BABYDIAB Anette-Gabriele Ziegler, Michael Hummel

Zusammenfassung

Eine Reihe neuer Erkenntnisse über die Genese des Typ-1-Diabetes konnte anhand einer pro- spektiven Langzeituntersuchung (BABYDIAB) von neugeborenen Kindern von Müttern oder Vätern mit Typ-1-Diabetes gewonnen werden.

Bereits in den ersten Lebensjahren kommt es bei Kindern, die später auch an Typ-1-Diabetes erkranken, zu einer Fehlentwicklung des Im- munsystems mit der Bildung von Autoantikör- pern gegen pankreatische Inselzellen. Sind im Alter von zwei Jahren bereits zwei oder alle drei Inselautoantikörper vorhanden, so ist mit einer sicheren Diabetesentwicklung noch vor dem zehnten Lebensjahr zu rechnen. Gegen In- sulin gerichtete Antikörper treten zuerst auf.

Die Ausweitung der Immunantwort auf die An- tigene Glutamatdecarboxylase und Tyrosin- phosphatase IA-2 ist eine wichtige Vorausset- zung für das Fortschreiten der Erkrankung hin zur klinischen Manifestation und somit wahr- scheinlich ein Indikator für eine zunehmende bb- Zell-Zerstörung. Auch genetische Faktoren be- einflussen die Entstehung von Inselautoimmu- nität. So haben Kinder mit den HLA-Genotypen

DR3/4 oder DR4/4 etwa zehnmal häufiger posi- tive Inselautoantikörper bereits vor dem drit- ten Lebensjahr als Kinder ohne diese Genoty- pen. Die Erkenntnis über den frühen Beginn des Autoimmungeschehens ist entscheidend für die zeitliche Planung zukünftiger Präventi- onsstudien und die Erforschung von Umwelt- faktoren, die den Beginn einer fehlerhaften Im- munreaktion initiieren.

Schlüsselwörter: Typ-1-Diabetes, Frühdiagno- stik, Antikörper, Familienstudie, prospektiv

Summary

First Years of Life are Crucial for the Devel- opment of Type 1 Diabetes. Results of the German Multicentre Study BABYDIAB New information on the pathogenesis of type 1 diabetes was revealed by a prospective long- term follow-up study (BABYDIAB) of newborn offspring from parents with type 1 diabetes.

Already within the first years of life offspring who subsequently developed type 1 diabetes had evidence of disease in form of autoanti-

bodies against the insulin producing beta cells.

Moreover, the early appearance of antibodies to several beta cell autoantigens was associat- ed with a 100 per cent risk of developing type 1 diabetes during infancy. The first antibodies appeared against the insulin hormone itself.

Spreading of the autoimmunity to glutamic acid decarboxylase and tyrosine phosphatase IA-2 was an important prerequisite for the development of clinical disease and therefore presumably an indicator of sustained beta cell destruction. The early appearance of auto- immunity in these offspring genetically at risk was further influenced by the presence of dia- betes-susceptible IDDM1 alleles: offspring with DR3/4 or DR4/4 genotypes developed islet autoantibodies ten times more frequently than offspring without these genotypes. This study indicates that the early years of life should be targeted in attempt to identify environ- mental factors influencing disease and primary prevention should be initiated in the first years of life.

Key words: type 1 diabetes, prediction, anti- body, family study, prospective

Institut für Diabetesforschung (Direktor: Prof. Dr. med.

Klaus-Dieter Gerbitz), München, und 3. Medizinische Abteilung (Direktor: Prof. Dr. med. Eberhard Standl), Krankenhaus München-Schwabing, München

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pheren Blut von Patienten mit Typ-1- Diabetes mit den derzeitig verfügbaren Nachweismethoden kaum oder nur mit großer Schwierigkeit zu detektieren (2). T-Zell-Assays eignen sich derzeit nicht, um den Verlauf von Autoimmu- nität an großen Populationen zu kon- trollieren.

Mit dem Ziel, den Zeitpunkt der Entstehung von Autoimmunität im Le- ben eines Typ-1-Diabetikers zu identifi- zieren, die Entstehungsphase der ersten Autoimmunreaktionen zu charakteri- sieren und einen Zusammenhang zwi- schen dem Auftreten von Inselautoim- munität und genetischen Faktoren und Umweltfaktoren zu analysieren, haben wir im Jahre 1989 eine prospektive Stu- die von Geburt an bei Kindern von El- tern mit Typ-1-Diabetes initiiert (27, 35). Die Studie mit dem Namen BABY- DIAB konzentriert sich auf Kinder von Eltern mit Typ-1-Diabetes, da erwar- tungsgemäß etwa sechs Prozent dieser Kinder bis zum 20. Lebensjahr auch an Typ-1-Diabetes erkranken und somit ein 10- bis 20fach höheres Risiko haben als Kindern von nichtdiabetischen Fa- milien. Derzeit werden über 2 000 Kin- der von Geburt bis zu elf Jahren nach Geburt beobachtet. Unter Beteiligung von 65 gynäkologischen, pädiatrischen und internistischen Kliniken sowie nie- dergelassenen Kinderärzten werden zum Zeitpunkt der Geburt, mit neun

Monaten, 2, 5, 8 und 11 Lebensjahren Blut abgenommen. Aus diesen Blut- proben werden IAA, GADA, IA2A und ICA bestimmt und genetische Risikomarker (IDDM1: HLA DR DQ;

IDDM2: Insulingen-Polymor- phismus) analysiert (29). Zu je- dem Follow-up-Besuch wird ein umfangreicher Fragebogen ausgefüllt. Er fragt nach Ge- burtsparametern, Stillgewohn- heiten, Art und Zeitpunkt von Impfungen, viralen Infektions- krankheiten, atopischen Er- krankungen und Zöliakie.

Erstes Auftreten von Inselautoantikörpern

Bereits in den ersten beiden Lebensjahren kommt es bei Personen, die später im Leben an Typ-1-Diabetes erkranken,

zum Auftreten von Inselautoimmu- nität. Von 13 Kindern, die bisher im Rahmen der BABYDIAB-Studie an Typ-1-Diabetes erkrankt sind, hatte die große Mehrzahl bereits im Alter von neun Monaten oder zwei Jahren positi- ve Inselautoantikörper (Tabelle 1)(36).

2,2 Prozent der untersuchten Kindern entwickelten im Alter von neun Mona- ten und 4,8 Prozent im Alter von zwei Jahren einen positiven Inselautoanti- körper (IAA, GADA, oder IA2A) und 0,6 Prozent im Alter von neun Monaten und 3,5 Prozent im Alter von zwei Jah- ren mehr als einen positiven Inselauto- antikörper (Grafik 1). Das Risiko, vor dem zehnten Lebensjahr einen klinisch manifesten Typ-1-Diabetes zu ent- wickeln, betrug 100 Prozent, wenn im Alter von zwei Jahren bereits zwei oder mehr Inselautoantikörpern vorhanden waren (Life-Table-Analyse) (Grafik 2);

waren alle drei Inselautoantikörper da- gegen im Alter von zwei Jahren negativ, war das Diabetesrisiko bis zum zehnten

´ Tabelle 11C´

Auftreten und Sequenz der Inselautoantikörper vor Diabetesmanifestation bei Kindern von Eltern mit Typ-1-Diabetes

Familien- Alter bei Auftreten erste(r) Antikörper*2vor Alter bei

mitglied mit des ersten Antikörper*1 Diabetes- Diabetes-

Typ-1-Diabetes Antikörpers manifestation manifestation

Vater 9 Monate IAA IAA, ICA*3 2,4 Jahre

Mutter 9 Monate IAA IAA, GADA, IA2A 3,3 Jahre

Mutter 9 Monate IAA IAA, GADA, IA2A 7,1 Jahre

Mutter 9 Monate IAA, GADA IAA, GADA, IA2A 1,3 Jahre beide Eltern 9 Monate IAA, GADA, IA2A IAA, GADA, IA2A 2,2 Jahre

Vater 2 Jahre IAA IAA, GADA, IA2A 3,9 Jahre

Mutter 2 Jahre IAA IAA, ICA*3 4,9 Jahre

Mutter 2 Jahre IAA, IA2A IAA, GADA, IA2A 8,5 Jahre beide Eltern 2 Jahre IAA, GADA, IA2A IAA, GADA, IA2A 2,0 Jahre Vater 2 Jahre IAA, GADA, IA2A IAA, GADA, IA2A 2,2 Jahre Mutter 2 Jahre IAA, GADA, IA2A IAA, GADA, IA2A 3,8 Jahre Vater 2 Jahre IAA, GADA, IA2A IAA, GADA, IA2A 4,1 Jahre beide Eltern bei Diabetes- – GADA, (IAA)*4 4,4 Jahre

manifestation

*1in der ersten Antikörper-positiven Blutprobe

*2in der letzten Blutprobe detektiert

*3Inselzell-Antikörper (nur angeführt, wenn sie in Abwesenheit von GADA und IA2A positiv waren)

*4Blutabnahme erfolgte nach Beginn der Insulintherapie IAA, Insulinautoantikörper

GADA, Glutamatdecarboxylase-Antikörper IA2A, Antikörper gegen Tyrosinphosphatase IA-2

Grafik 1

Prävalenz von einem (rote Säule) und mehr als einem (blaue Säule) Inselautoantikörper bei Kindern diabetischer Eltern im Alter von neun Monaten, zwei und fünf Jahren.

(3)

Lebensjahr nahezu 0 Prozent (36). Nur eines von 2 172 Kindern (Tabelle 1), dessen Eltern beide an Typ-1-Diabetes erkrankt waren, entwickelte im Alter von 4,4 Jahren einen Typ-1-Diabetes ohne einen vorausgehenden positiven Antikörperbefund (bei Diabetesmani- festation waren GADA und IAA zu de- tektieren). Das bedeutet für die Praxis, dass ein Screening von Inselautoanti- körpern im Alter von zwei Jahren eine hohe Vorhersagekraft für die Entwick- lung eines Diabetes im frühen Kindes- alter hat. Vergleicht man die hier erho- benen Befunde mit den Vorkenntnissen über die Pathogenese des Autoimmun- diabetes im Tiermodell, so lässt sich auch für den Menschen schließen, dass eine Inselentzündung sehr früh begin- nen kann und somit potenzielle Um- weltfaktoren, die den Beginn einer Au- toimmunreaktion möglicherweise aus- lösen, sehr früh im Leben einwirken müssen.

Primäres Antigen und Antikörper-Spreading

Bei 45 Prozent der Kinder mit zwei oder mehr Inselautoantikörpern gingen IAA der Entwicklung weiterer Anti- körper voraus, bei 90 Prozent waren IAA allein oder zusammen mit anderen Antikörpern in der ersten positiven Blutprobe nachweisbar. Nur in zehn Prozent waren GADA allein in der er- sten positiven Blutprobe zu detektieren (5). Die beobachteten Antikörperse- quenzen sprechen dafür, dass Insulin ein wichtiges, wenn nicht das primäre Antigen in der Pathogenese des Typ-1- Diabetes darstellt (34). Eine Antikör- perantwort gegen Insulin ist allerdings nicht ausreichend für die Entwicklung eines Typ-1-Diabetes. Eine Ausweitung (Spreading) auf die anderen Antigene GAD und IA-2 scheint entscheidend für die Progression der Erkrankung, denn vor allem Kinder mit multiplen Inselautoantikörpern haben im Verlauf der Studie einen Typ-1-Diabetes ent- wickelt. Das am häufigsten vorkom- mende Schema des Immun-Spreading war zunächst eine Antikörperantwort gegen Insulin, dann gegen GADA und zuletzt gegen IA-2 (24). Auch intramo- lekular, das heißt innerhalb eines Anti-

gens, konnten wir ein Spreading der Im- munantwort nachweisen. So zeigt sich zum Beispiel bei einem Kind (Tabelle 2) ein Spreading der Immunantwort in- nerhalb der Tyrosinphosphatase IA-2 von der juxtamembranären (JM-)Re- gion des Moleküls zu der Protein-Tyro- sin-Phosphatase-Region und später kreuzreagierende Antikörper gegen ei- ne zweite Tyrosinphosphatase IA-2b. Ein festes Muster des Epitop-Sprea- ding innerhalb des IA-2-Moleküls gab es nicht. Antikörper gegen die JM-Re- gion spielten jedoch eine wichtige Rolle für den Verlauf der Immunantwort, denn ausschließlich Kinder mit JM- IA2A entwickelten einen manifesten Typ-1-Diabetes. Im Gegensatz dazu gab es für Antikörper gegen spezifische Epitope von GAD keine Korrelation mit der Progression eines Diabetes. Die Immunantwort innerhalb des GAD- Moleküls richtete sich fast immer zunächst gegen das mittlere GAD65- Epitop und dehnte sich auf COOH- oder NH2-terminale Epitop von GAD65 oder auf die GAD67-Isoform aus (5).

Das bedeutet, dass das mittlere GAD65- Epitop wahrscheinlich das primäre Ziel- antigen der humoralen GAD-Antwort darstellt. Insgesamt zeigt sich, dass die Autoimmunität von ihrer Entstehung

bis zur Diabetesmanifestation im Kin- desalter ein sehr dynamischer Prozess ist. Besteht bei einem Patienten nicht von vornherein eine multiple Autoim- munität gegen mehrerer Inselautoanti- gene, so scheint die Ausweitung von ei- nem Antigen auf anderen, beziehungs- weise von einem Epitop auf andere Epitope, ein notwendiger Prozess für die Krankheitsprogression. Gelänge es, durch eine Immuninterventionsbe- handlung das Spreading zu verhindern, könnte vielleicht der manifeste Diabe- tes verhindert werden.

Fulminanter und chronisch- progressiver Antikörperverlauf

Zwei unterschiedliche Verlaufsformen des Typ-1-Diabetes konnten unterschie- den werden: ein „fulminanter Typ“, bei dem explosionsartig eine massive Ent- zündungsreaktion und Antikörperbil- dung innerhalb von Monaten nachweis- bar war. Dieser Typ führte meist in sehr kurzer Zeit und vor dem dritten Lebens- jahr zur klinischen Manifestation des Typ-1-Diabetes. Die andere Verlaufs- form war schleichend, milder, chroni- scher mit aufflammenden und abklin- genden Entzündungszeichen und In- selautoantikörper-Titern. Erst bis zu zehn Jahre später wurde hier die Krankheit Diabetes manifest. Als repräsentative Beispiele sind in Grafik 3 zwei entsprechende Antikörperver- läufe dargestellt. Eine Ursache für die verschiedenen beobach- teten Verlaufsformen ist nicht bekannt (33). Die wichtige Fra- ge, ob es transiente Formen von Autoimmunität gibt, die wieder komplett verschwinden, wird in diesem Zusammenhang immer wieder gestellt. Was „Autoim- munität“ als Ganzes betrifft, würden wir aus den Ergebnis- sen der BABYDIAB-Studie diese Frage mit „nein“, bezie- hungsweise mit „extrem selten“

beantworten. Bisher haben wir nur zwei Kinder beobachtet, die GADA- beziehungsweise IAA-positiv waren und diese Antikörper wieder verloren ha- ben. Sehr häufig sehen wir al- Grafik 2

Risiko für die Entwicklung eines Typ-1-Diabetes in Abhängigkeit vom Antikörperstatus im Alter von zwei Jah- ren. Kinder mit mehr als einem positiven Inselautoantikör- per (rote Linie) entwickeln in 100 Prozent der Fälle vor dem zehnten Lebensjahr einen Typ-1-Diabetes (verändert nach 36).

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lerdings speziell bei der „chronischen“

Verlaufsform im Kindesalter, dass ein- zelne Antikörperspezifitäten wieder verschwinden. Das heißt, dass zum Bei- spiel IAA im Alter von zwei Jahren ei- nen Maximalwert (Peak) erreichen und danach im Titer wieder auf den Normal- wert abfallen, während gleichzeitig GADA oder IA2A entstehen und im Ti- ter steigen (Grafik 3b). Das könnte be- deuten, dass eine Regulation der Immun- antwort gegen ein Autoantigen erfolgt,

dass aber die Autoimmunreaktion als Ganzes durch das Ausweichen auf ande- re Antigene erhalten bleibt.

Antikörpersubklassen

Sind Antikörpersubklassen ein Spiegel von TH1- oder TH2-vermittelter T-Zell- Autoimmunität? Untersuchungen an Tieren mit Autoimmundiabetes haben gezeigt, dass die b-Zell-Destruktion

durch eine TH1-vermittelte Autoim- munreaktion verursacht wird (21). Es wird diskutiert, dass diese „destruktive Immunreaktion“ relativ spät im Laufe der Erkrankung auftritt und sich aus ei- ner latenten Periode einer nichtaggres- siven TH2-dominierten Autoimmunität entwickelt (22). Es gibt jedoch auch an- dere Meinungen, die vermuten, dass der natürliche Verlauf der b-Zell-Ent- zündung durch eine spontane TH1-ver- mittelte Immunreaktivität gegen ein primäres b-Zell-Antigen verursacht wird und ein Spreading auf andere In- selantigene den Verlauf der Erkran- kung determinieren. In beiden Model- len wurde gezeigt, dass eine Immunmo- dulation, die eine TH2-dominierte Im- munreaktivität induziert oder bei- behält, die b-Zell-Destruktion verhin- dert. TH1- und TH2-Immunreaktivität in der Maus ist mit der Generation von IgG2a- beziehungsweise IgG1-Anti- körpersubklassen assoziiert, und die Messung der antikörperspezifischen Subklassen wurde benutzt, um Phasen einer TH1- beziehungsweise TH2-domi- nierten Immunantwort zu identifizie- ren. Beim Menschen sind die Antikör- perantworten der TH1- und TH2-ver- mittelten Immunreaktivität nicht so ge- nau definiert. Eine Reihe von Daten sprechen jedoch dafür, dass TH2-Immu- nität mit der Generation von IgG4- und Grafik 3

Beispiele für einen fulminanten (a) und einen chronisch-progressiven (b) Verlauf der Entwicklung von Inselautoantikörpern vor der Manifestation des Typ-1-Diabetes (verändert nach 6). Insulinautoantikörper sind grün, Glutamatdecarboxylase-Antikörper rot und Antikörper gegen die Tyrosinphospha- tase IA-2 blau dargestellt.

´ Tabelle 2C´

Beispiel für intramolekulares Spreading gegen IA-2-Epitope bei einem Kind mit Diabetesmanifestation im Alter von 7,1 Jahren

Alter IA-2 IA-2- kreuzreagierende IA-2bb--

(Jahre) juxtamembranär spezifische Protein-Tyrosin- spezifisch

Protein-Tyrosin-Phosphatase Phosphatase

0,8 – – – –

1,9 ++ – – –

2,4 ++ – – –

2,9 ++ – – –

3,5 ++ – – –

4,0 + – – –

5,0 + ++ – –

6,1 + +++ ++ ++

7,1 + +++ ++ ++

Der Grad der Reaktivität (Antikörpertiter) gegen die verschiedenen Epitope wird von negativ (–) bis stark positiv (+++) dargestellt. (verändert nach 24)

(5)

IgE-Antikörpern assoziiert ist, denn Immunantworten können durch das Zytokin Il-4 stimuliert werden und sind charakteristisch für die TH2-dominierte Immunantwort der Atopie. Das Vor- kommen von Antikörpersubklassen in- nerhalb der TH1-dominierten Immun- antwort scheint hingegen sehr viel hete- rogener zu sein und kann entweder nur aus IgG1-Antikörpern oder auch aus Antikörpern aller Subklassen bestehen.

Wir haben bei den Kindern der BABY- DIAB-Studie die Antikörpersubklas- sen der Inselautoantikörper bestimmt und konnten feststellen, dass die Sub- klassen der Antikörper gegen Insulin sich von den Subklassen der Antikör- per gegen GAD und IA-2 unterschie- den (6). Während die GADA und IA2A im Wesentlich von einer IgG1- Antikörperantwort dominiert waren und andere Subklassen – wenn über- haupt – nur in sehr niedrigen Konzen- trationen auftraten, bestand die Sub- klassenantwort der IAA aus IgG1 und häufig auch nennenswerten Titern von IgG4-Antikörpern. Bei einigen Kin- dern dominierte sogar die IgG4-IAA- Antwort gegenüber IgG1-IAA, jedoch entwickelten auch diese Kinder im Ver- lauf Diabetes, das heißt, eine TH2-asso- ziierte IgG4-IAA-Antwort war nicht

mit einer Protektion vor Diabetes asso- ziiert. Insgesamt unterstreichen die hier erhobenen Befunde, dass es sich bei der Entwicklung der Immunantwort, die oft von einer Antwort gegen Insulin zu einer Antwort gegen GAD und IA-2 fortschreitet, um einen dynamischen Prozess handelt, der auch mit einer Ver- änderungen der Subklassenantwort einhergeht. Ob es sich hierbei wirklich um eine Veränderung von einer TH2- zu einer TH1-dominierten Immunantwort handelt und die Subklassen somit die T- Zell-Reaktivitäten widerspiegeln, müs- sen zukünftige Untersuchungen der T- Zell-Proliferation und Zytokinproduk- tion zeigen.

Stillgewohnheiten und Impfungen

Die Erkenntnisse der BABYDIAB- Studie lassen vermuten, dass vor allem Umweltfaktoren, die in den ersten bei- den Lebensjahren einwirken, für den Defekt des Immunsystems und die Ent- stehung von Diabetes verantwortlich sind. Bei einer ersten Auswertung der Variablen „Impfungen, Stillhäufigkeit, Stilldauer“ zeigte sich bisher kein Zu- sammenhang zur Entstehung von Au-

toimmunität durch diese beiden Um- weltfaktoren (Grafik 4) (18, 19). Dies steht im Gegensatz zu publizierten Fall- kontrollstudien, die einen Zusammen- hang sowohl für die Länge und Häufig- keit des Stillens als auch für bestimmte Impfungen (Masern, Mumps, Röteln, BCG) beschrieben haben (8, 10, 13, 14, 16, 20, 26). Allerdings haben diese ge- nannten Studien ihre Analysen retro- spektiv durchgeführt und dabei nicht den Zusammenhang mit dem Beginn des Immunprozesses sondern dem End- punkt „Diabetesmanifestation“ unter- sucht. Sie haben des Weiteren die Ana- lysen bei Patienten ohne familiären Diabetes gemacht im Gegensatz zu un- serer Studie, die Kindern von Patienten mit Typ-1-Diabetes untersucht hat. Bei- des könnte die Unterschiede in den Er- gebnissen erklären. Zwei neue pro- spektive Studien aus den USA (15, 25) und Australien (9) bestätigen unsere Befunde und finden keinen Zusam- menhang zwischen Stillgewohnheiten, Impfstatus und dem Auftreten von Au- toimmunität in den ersten Lebensjah- ren. Das würde die These unterstützen, dass eine Reihe von Umweltfaktoren eher Modulatoren des Entzündungs- verlaufs als Trigger des Autoimmun- prozesses sind. Ziel unserer Projekte wird sein, die ersten Lebensjahre der zukünftigen Diabetiker auch für andere diskutierte Faktoren wie enterovirale Infektionen und Ernährungsbestand- teile wie Gluten oder verschiedene Vi- tamine zu analysieren, um entschei- dende Diabetes auslösende Faktoren zu identifizieren (1, 7).

Bedeutung des HLA-Typs

Kinder mit dem HLA-Genotyp DR3/4(DQB1*57non-Asp) oder DR4/

4(DQB1*57non-Asp) haben bereits in- nerhalb der ersten zwei Lebensjahre ein siebenfach erhöhtes Risiko, mit diabetesassoziierte Antikörper zu ent- wickeln (29). Das kumulative Risiko, Inselautoantikörper zu entwickeln, be- trägt für diese Kinder im Alter von zwei Jahren 20 Prozent. Im Vergleich dazu entwickeln nur 2,7 Prozent der Kinder ohne diese Genotypen Anti- körper (Grafik 5). Das bedeutet, dass eine genetische Risikotypisierung die- Grafik 4

Innerhalb der BABYDIAB-Studie lässt sich für Stillgewohnheiten und Impfungen kein signifikanter Einfluss auf die Entstehung von persistierenden Inselautoantikörpern nachweisen. Dargestellt ist das relative Risiko (GG) mit dem jeweiligen 95-Prozent-Konfidenzintervall (verändert nach 18). BCG, Ba- cillus Calmette-Guérin; HIB, Haemophilus-influenzae-Bakterium; FSME, Frühsommermeningoenze- phalitis.

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ses Kollektivs von großem Nutzen sein kann, um das Risi- ko für Inselautoimmunität näher einzugrenzen. Um die praktische Umsetzung eines solchen Ansatzes zu testen, werden wir in einer BABY- DIAB-Nachfolgestudie Kin- der auf das Vorhandensein der HLA-Marker DR3, DR4 und DQB1*0302 im Nabelschnur- blut testen und auf diese Weise ein Hochrisikokollektiv für neue Verlaufsuntersuchungen identifizieren. Nur Kinder mit den Hochrisikogenotypen DR3/4(DQB1*57non-Asp) oder DR4/4(DQB1*57non- Asp) sollen in Zukunft von Geburt bis zum dritten Le- bensjahr engmaschig in Ab- stand von drei Monaten auf zelluläre, humorale und unspe- zifische Entzündungsparame- ter sowie (entero-)virale In- fektionen untersucht werden,

um ein noch genaueres Bild der Entste- hungsphase von Typ-1-Diabetes zu ge- winnen. Darüber hinaus ist vorgese- hen, bei diesen Hochrisikokindern eine Pilotstudie zur Primärprävention von Autoimmunität durchzuführen. Durch die Modifikation von Ernährungsbe- standteilen wie Gluten, Vitamin D und Fischöl soll zunächst die Praktikabilität und Akzeptanz einer primären Präven- tion getestet und der Einfluss auf die Entstehung von Inselautoimmunität in den ersten drei Lebensjahren geprüft werden.

Zöliakie und Typ-1-Diabetes

Circa fünf Prozent der Typ-1-Diabeti- ker leiden begleitend an einer Zölia- kie/Sprue. Ursächlich hierfür sind ver- mutlich sich überschneidende HLA- Risiko-Allele, aber auch gemeinsame Immunmechanismen werden disku- tiert. Wir konnten bei der Testung von Zöliakie-assoziierten Antikörpern ein erhöhtes Zöliakierisiko bei den Kin- dern von Eltern mit Typ-1-Diabetes feststellen (17). Die Prävalenz der Transglutaminase-IgG-Antikörper im Alter von acht Jahren betrug 6,5 Pro- zent und die der Endomysium-IgA-

Antikörper 4,5 Prozent. Das Risiko, Endomysium-Antikörper zu ent- wickeln, war bei Kindern mit dem Ge- notyp DR3/3 am höchsten und lag hier bei 20 Prozent. Somit sollten nicht nur Typ-1-Diabetiker, sondern auch deren erstgradige Verwandten auf Zöliakie getestet werden. Wesentliche Über- schneidungen zwischen dem Auftreten von Insel- und Zöliakie-assoziierten Autoantikörpern gab es nicht.

Folgerungen

Die in der BABYDIAB-Studie erho- benen Daten lassen einige Parallelen zu den Pathomechanismen des Typ-1- Diabetes-Tiermodells der NOD-Maus erkennen. Die chronische Verlaufs- form des Prä-Typ-1-Diabetes ist mögli- cherweise der „benignen“ Insulitis der NOD-Maus vergleichbar. Dies wird unterstrichen durch das initiale Auf- treten von IAA, das sich oft durch An- wesenheit der TH2-assoziierten IgG4- Subklasse auszeichnet (34). Spreading zu weiteren Antigenen leitet hypothe- tisch den Übergang in eine destruktive Insulitis ein. Allerdings gibt es auch fulminante Verlaufsformen, bei denen alle Antikörper gleichzeitig auftreten

und trotz Vorhandensein von IgG4- IAA der Diabetes innerhalb kurzer Zeit manifest wird. Diese Variante kann vielleicht als primär TH1-domi- nierte, b-Zell-destruktive Immunität ohne vorherige benigne Insulitis ge- wertet werden. In der BABYDIAB- Studie wurden allerdings nur Kinder aus Familien mit Diabetesbelastung untersucht, sodass Untersuchungen in der Allgemeinbevölkerung die erho- benen Befunde für diese Population, in der zumindest 90 Prozent der Typ-1- Diabetes-Erkrankungen auftreten, noch bestätigen müssen. Vorläufige Ergebnisse aus Finnland bei familiär unbelasteten Kindern mit HLA-Hoch- risikoallelen sind jedoch hinsichtlich Art und Verlauf der prädiabetischen Phase mit den hier vorgestellten Daten vergleichbar (28).

Förderung

Die Studie wurde von 1992 bis 2000 durch das Bundes- ministerium für Bildung und Forschung (BMBF 01KD89030 und 01KD9601) und seit Mitte 2000 durch die Juvenile Diabetes Foundation (JDF, USA) gefördert.

Zusätzliche Unterstützung erhielt BABYDIAB durch För- derungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG Zi.310/12-1), der Deutschen Diabetesgesellschaft (DDG), der Stiftung „Das Zuckerkranke Kind“ sowie der European Association for the Study of Diabetes (EASD;

Travel Fellowships). Allen an der Rekrutierung beteilig- ten Zentren und niedergelassenen Ärzten sei für die ex- zellente Zusammenarbeit gedankt.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2001; 98: A 1260–1265 [Heft 19]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Anette-Gabriele Ziegler Institut für Diabetesforschung und 3. Medizinische Abteilung, Krankenhaus München-Schwabing Kölner Platz 1

80804 München

E-Mail: anziegler@lrz.uni-muenchen.de Grafik 5

Kinder mit dem Genotyp DR3/4(DQB1*57non-Asp) oder DR4/4 (DQB1 *57non-Asp) (rote Linie) haben ein siebenfach höheres Risiko – nämlich 20 Prozent –, im Alter von zwei Jahren persistierende Inselautoantikörper zu entwickeln als Kinder ohne diese Genotypen (blau) (verändert nach 29).

Referenzen

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