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Archiv "Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes: Modellrechnung mit Unbekannten" (12.03.2004)

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D

as Deutsche Krankenhausinstitut e.V. (DKI) rechnet in einer Studie vor, wie das Urteil des Euro- päischen Gerichtshofs (EuGH) vom 9. September 2003, wonach Bereit- schaftsdienste voll als Arbeitszeit gewer- tet werden müssen, umgesetzt werden kann. Demnach sind bei einer tariflichen 40-Stunden-Woche für die Klinikärzte (auch bei einer optimierten Arbeits- zeitorganisation mit längeren Tag- und kürzeren Nachtdiensten) 18 700 zusätz- liche ärztliche Vollzeitkräfte erforder- lich. Dieser Mehrbedarf ergebe sich, weil erhebliche Teile der Nacht- und Wochen- dienstarbeit bislang nicht stellenwirk- sam waren. Arbeiteten aber alle Klinik- ärzte durchschnittlich freiwillig 48 Stun- den in der Woche – wobei keine zusätzlichen Bereitschaftsdienste mehr geleistet werden müssten –, so könnte das revidierte Arbeitszeitgesetz stellen- neutral umgesetzt werden, meint das DKI. Aber auch dadurch änderte sich nichts an der höheren Nachfrage der Krankenhäuser nach ärztlicher Arbeits- kraft. Durch die 48-Stunden-Woche wer- de der Mehrbedarf an Arbeitsstunden lediglich auf weniger Vollzeitkräfte ver- teilt. Akzeptierte die Hälfte der Ärzte die 48-Stunden-Woche, müssten rund 6 700 ärztliche Vollzeitkräfte eingestellt werden, um dem neuen Arbeitsrecht gerecht zu werden.

Das DKI hat in Krankenhäusern nachgefragt, wie viele Ärzte bereit wären, ihre tarifliche Wochenarbeitszeit auf 48 Stunden auszudehnen. 52 Prozent der Befragten bejahten dies. Insbeson- dere die Assistenzärzte (und hier vor al- lem die Ärzte ohne abgeschlossene Wei- terbildung) würden von einer solchen Wahlmöglichkeit Gebrauch machen.

Bei den Oberärzten war die Zustim- mung geringer. Bei Ärzten, die bislang Bereitschaftsdienste durchführen, lag die Zustimmung bei 64 Prozent.

Das DKI folgert daraus, dass die Kosten, die durch die Anerkennung der Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit ent- stehen, mit den von der Bundesregie- rung zur Verfügung gestellten Mitteln zu bewältigen sind. Hintergrund: Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) hatte für das Jahr 2003 für innovative Arbeitszeitmo- delle 100 Millionen Euro bereitgestellt.

Diese Summe erhöht sich bis 2009 jähr- lich um jeweils 100 Millionen Euro, so- dass den Krankenhäusern ab 2009 jähr- lich 700 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stehen. Da die Übergangs- frist für bestehende Tarifverträge im Jahr 2006 abläuft, müsste diese letzte Stufe jedoch auf das Jahr 2006 vorgezogen werden, heißt es in der Untersuchung.

Unhöfliche Ministerin

Ulla Schmidt zeigte sich mit den For- schungsergebnissen zufrieden: „Mit der Studie ist der Beleg erbracht, dass die von der Bundesregierung zur Ver- fügung gestellten Mittel eine ausrei- chende finanzielle Hilfestellung für die Krankenhäuser darstellen“, sagte die Bundesgesundheitsministerin am 1. März in Berlin. Entgegen allen bisher vorgelegten Hochrechnungen sei es sehr wohl möglich, mit dem vorhande- nen Personal und den veranschlagten Geldern flexible und mit dem europäi- schen Recht vereinbare Arbeitszeiten für Ärzte und Krankenhäuser einzu- führen. Jetzt seien die Tarifvertragspar- teien gefordert, den durch das Arbeits- recht gegebenen Rahmen auszuschöp- fen und EuGH-konforme Arbeitszeiten in den Krankenhäusern einzuführen.

Auch wenn man es der Ministerin kaum verübeln kann: Eine solche Be- wertung der Forschungsergebnisse des Deutschen Krankenhausinstituts zu den

„Auswirkungen alternativer Arbeitszeit- modelle“ ist sehr euphemistisch. Das weiß auch Schmidt. Um ihre allzu un- kritische Auslegung der Studie ohne störende Zwischentöne in der veröffent- lichten Meinung wieder finden zu kön- nen, trat sie deshalb, nur begleitet von den Gutachtern Dr. Karl Blum und Udo Müller, vor die Presse – und dies, obwohl im Nebenzimmer der 3.Arbeitszeitgipfel tagte, unter anderem mit Vertretern des Marburger Bundes (MB) und der Deut- schen Krankenhausgesellschaft (DKG).

Das war unhöflich. Da die Verwertungs- rechte der Studie aber beim BMGS lie- gen, weil es sie maßgeblich bezahlt hat, waren der DKG als Auftraggeberin die Hände gebunden.

Der Krankenhausträgerlobby ist die Studie viel zu optimistisch. Die Ergeb- nisse seien an Bedingungen geknüpft, die weder die Krankenhausträger noch die Politik beeinflussen könnten, heißt es bei der DKG. Nur wenn sich zunächst die Tarifpartner und dann die einzelnen Klinikarbeitgeber mit möglichst vielen Mitarbeitern auf eine dauerhafte Ver- längerung der Arbeitszeit einigten, sei eine bezahlbare Umsetzung des Ar- beitszeitgesetzes möglich. Problema- tisch sei auch, dass in der Untersuchung die 245 Sonderkrankenhäuser und die rund 450 Allgemeinkrankenhäuser mit weniger als 100 Betten nicht berücksich- tigt worden seien. Diese Gruppe mache aber 31 Prozent der 2 240 Kranken- häuser aus. „Dabei sind dies genau jene Kliniken, die aufgrund des kleinen Mitarbeiterstamms und ungünstiger Kostenstrukturen nur unter überdurch- schnittlich hohen finanziellen Anstren- gungen zu einer Neuordnung der Arbeitsabläufe in der Lage sind“, be- tonte DKG-Präsident Wolfgang Pföhler.

Insofern sei die Auswahl der Kranken- häuser im Rahmen der DKI-Studie als eine „Bestenliste“ anzusehen.

P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1112. März 2004 AA679

Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes

Modellrechnung mit Unbekannten

Der Wegfall der ärztlichen Bereitschaftsdienste ist machbar und bezahlbar. Dies ist

zumindest das Ergebnis eines Forschungsprojekts des Deutschen Krankenhausinstituts.

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P O L I T I K

A

A680 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1112. März 2004

E

s sei bedauerlich, dass in der öffent- lichen Diskussion des GKV-Mo- dernisierungsgesetzes meist Praxis- gebühr und Zuzahlungen in den Mittel- punkt gerückt würden, sagte Prof. Dr.

Reinhard Busse kürzlich. Viel wichtiger sei, dass durch das Gesetz die kollektive Vertretung der Interessen von Patien- ten und der Selbsthilfe chronisch Kran- ker und Behinderter endlich festge- schrieben wurde. Der Leiter des Fach- bereichs „Management im Gesund- heitswesen“ der Technischen Univer- sität Berlin lud Mitte Februar zu einem Symposium ein, bei dem es um deren Chancen und Grenzen im Gemein- samen Bundesausschuss (Gemba) ging.

Thomas Isenberg, Fachbereitsleiter Gesundheit & Ernährung des Verbrau- cherzentrale Bundesverbandes, bedau- erte, dass die Patientenvertreter im Gemba keine Entscheidungsrechte be- säßen. Judith Storf,Vertreterin der Pati- entInnenstellen, ist jedoch überzeugt, dass die Arbeit von Selbsthilfegruppen durch die Beteiligung dort besser wahr-

genommen wird.Allerdings sind die Pa- tientenvertreter weder personell noch finanziell ausreichend für die Ausschuss- arbeit ausgestattet. Um in 24 Unter- ausschüssen und fünf „Beschlusskör- pern“ präsent zu sein, sind mehr als 100 Betroffene und Experten notwendig.

Dazu kommt, dass die Mitwirkung le- diglich mit einer Fahrtkostenerstattung honoriert wird. Geld für ein Büro oder gar einen eigenen Mitarbeiterstab er- halten die Patientenvertreter nicht.

Klaus Balke, Vertreter der Selbsthilfe- gruppen, beklagt denn auch, dass man schlechtere Vorbereitungsmöglichkei- ten und damit schlechtere Karten habe als die Vertreter der Ärzte oder Kran- kenkassen: „Wir begegnen uns noch lange nicht auf gleicher Augenhöhe.“

Nicht verheizen lassen

Ob und wie sich diese ungleiche Aus- gangsposition ausgleichen lässt, wird sich zeigen. Im Verlauf des Symposiums wurde aber zumindest deutlich, dass den Patientenvertretern im Gemba Un- abhängigkeit wichtig ist. Am weitesten geht dabei der Behindertenrat: Seine Vertreter müssen ihre Einkünfte offen legen und dürfen keine Mitarbeiter der Selbstverwaltung oder der pharmazeu- tischen Industrie sein. Grund dafür ist die Furcht, von anderen Interessen- gruppen unterwandert zu werden.

Die ersten „Einsätze“ haben die Pa- tientenvertreter im Gemba mittlerweile bewältigt: Sowohl auf die Frage, wer von 2004 an als Chroniker eingestuft wird, als auch auf die nach einer neuen Fahrtkostenregelung wurden Antwor- ten gefunden. Isenberg glaubt aber, dass es noch schwierig werden wird, wenn im Ausschuss in Zukunft Entscheidungen mitgetragen werden müssen, die die Pa- tienten deutlich belasten. Dies könne dazu führen, die eigene Glaubwürdig- keit zu verlieren. Auch Storf ist noch skeptisch. Inweit ihr Handeln und Ver- handeln am Ende den Patienten diene, müsse sich erst noch erweisen. Ihr Ver- band ist deshalb darauf eingestellt, ge- gebenenfalls das Handtuch zu werfen:

„Wenn wir nach einem Jahr feststellen, wir werden verheizt und von sinnvoller Arbeit abgehalten, dann steigen wir aus.“ Dr. med. Daniel Rühmkorf

Der MB wertete das Gutachten als Bestätigung der eigenen Position. Die DKI-Zahlen deckten sich mit eigenen Berechnungen. Zudem werde „klar herausgestellt, dass die Attraktivität des Arztberufes im Krankenhaus umge- hend durch politische Maßnahmen zur Reduzierung der überlangen Arbeits- zeiten verbessert werden muss“, sagte der MB-Vorsitzende Dr. Frank Ulrich Montgomery. Richtig sei auch der Hinweis der Gutachter, die in der Ge- sundheitsreform für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen vorgesehenen Mittel bis zu 700 Millionen Euro im Jahr 2009 auf das Jahr 2006 vorzuziehen. Die Tarifvertragsparteien müssten nun schnell einen Tarifvertrag erarbeiten, der den Vorgaben gerecht werde. Dazu zähle auch eine Flexibilisierung der wöchentlichen Arbeitszeit zwischen 38,5 und maximal 48 Stunden.

Eine solche Einigung der Tarifver- tragsparteien ist aber nicht in Sicht. Vor allem die kommunalen Arbeitgeber spielen weiter auf Zeit und verhindern einen schnellen Tarifabschluss. Somit bleiben die vergütungs- und tarifrechtli- chen Folgen des neuen Arbeitszeit- rechts ungewiss. Bei verlängerten Ser- vicezeiten und mehr Vollarbeit als bislang dürften die Kosten der Krankenhäuser für Wochenend- und Nachtzuschläge aber tendenziell steigen. Offen ist auch, ob die Arbeitnehmerseite (ver.di, MB) in den Tarifverhandlungen zumindest teilweise Kompensationen für wegfal- lende Bereitschaftsdienstvergütungen durchsetzen kann – sei es mit Blick auf die Grundvergütungen, sei es über die vergütungsrechtliche Bewertung der Bereitschaftsdienste. Entsprechende Tarifvereinbarungen würden ihrerseits kostensteigernd wirken.

Eine andere Entwicklung könnte hingegen eher die Kosten senken, steht allerdings unter erheblichen organisa- torischen und haftungsrechtlichen Vor- behalten: So gibt es bereits Kranken- häuser beziehungsweise Fachabteilun- gen, die fachübergreifende Nacht- und Wochenenddienste eingeführt haben, wie das Klinikum Ingolstadt (siehe DÄ Heft 7/2004). Dort, wo bislang zwei Ärzte Dienst leisteten, arbeitet dann nur noch ein Arzt. Dadurch sinkt der personelle und somit auch der finanziel- le Mehrbedarf. Jens Flintrop

Patientenvertreter

Erste Einsätze bewältigt

Beteiligte sehen Chancen im Bundesausschuss, kritisieren aber schlechtere Position.

Verordnete Rechte

Ende 2003 haben Bundestag und Bundesrat die Patientenbeteiligungsverordnung verabschiedet.

Darin wird festgelegt, wie die im GKV-Moderni- sierungsgesetz festgeschriebenen Antrags- und Mitbestimmungsrechte von Patientenverbänden umgesetzt werden sollen. Als maßgebliche Orga- nisationen für die Wahrnehmung von Interessen der Patienten- und Selbsthilfegruppen werden ge- nannt: der Deutsche Behindertenrat, die Bundes- arbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen, die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegrup- pen und der Verbraucherzentrale Bundesverband.

Konkret haben sie zu den jeweils anstehenden Themen im Gemeinsamen Bundesausschuss sachkundige Personen zu benennen, von denen mindestens die Hälfte selbst Betroffene sein

sollen. DR

Textkasten

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