• Keine Ergebnisse gefunden

Zehn Jahre BVVP-Bayern mit Symposium „Ethik und Psychotherapie“

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Zehn Jahre BVVP-Bayern mit Symposium „Ethik und Psychotherapie“"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

298 Bayerisches Ärzteblatt 6/2006

BLÄK informiert

Anlässlich seines zehnjährigen Jubiläums lud der Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten e. V. (BVVP) im Mai zum Symposium „Ethik und Psychotherapie – Ein (un)möglicher Dialog zwi- schen Patienten, Therapeuten und Institutio- nen?“. Im Mittelpunkt standen Vorträge von The- rapeuten und Juristen über ethische Grenzüber- schreitungen in der Therapie.

Nach einem Rückblick auf die vergangenen zehn Jahre, referierte Benedikt Waldherr über Institutionen der Ethik-Überwachung in der Psychotherapie. Diese seien die Bayerische Landespsychotherapeutenkammer (PTK- Bayern) und die Bayerische Landesärztekam- mer (BLÄK) sowie die Kassenärztliche Verei- nigung Bayerns (KVB). Die Grundlage der Überwachung bilde das bayerische Heilberu- fe-Kammergesetz (HKaG). Problematisch sei jedoch, dass die wenigsten Patienten grenz- verletzende Psychotherapien melden würden und es selten zur Anklage käme. So sei eine höhere Dunkelziffer zu vermuten, als Schät- zungen aus wissenschaftlichen Untersuchun- gen mit fünf bis zehn Prozent ethisch grenz- überschreitender Therapien angegeben.

Dr. Andrea Schleu stellte sich die Frage, ob die Betrachtung des Menschenbildes bei Fra- gen der Ethik in der psychotherapeutischen Beziehung helfen könne. Sie referierte über grundlegende biologische und neurobiologi- sche Funktionsweisen, welche der Mensch in der Evolution entwickelt habe. Diese Struk- turen wiesen Gemeinsamkeiten auf, denn sie seien plastisch, dynamisch, inhärent interak- tiv, gebunden an Zeitabläufe und Zeitfenster und reflexiv. Beide seien wiederum von Be- grenzungen geprägt, um diese dynamischen und vitalen Prozesse zu gewährleisten. „Hier- aus kann die inhärente Notwendigkeit von Grenzsetzungen im Rahmen einer Ethik der menschlichen Kommunikation und damit auch in der Psychotherapie abgeleitet wer- den“, schloss Andrea Schleu.

Sexuelle Grenzüberschreitungen Im Gegensatz zu Andrea Schleus medizini- scher Abhandlung, versuchte Dr. Veronika Hillebrand an einem fiktiven, aber repräsen- tativen Beispiel die Problematik eines retrau- matisierten Patienten zu erläutern. Es handle sich meist um Frauen, bei denen es in ihrer Psychotherapie-Behandlung zu ethischen Problemen gekommen sei. „Oft führt dies zu

einer somatischen Erkrankung, da die ur- sprüngliche Verfassung durch den Therapeu- ten verschlimmert wurde“, warnte Veronika Hillebrand. Selbst wenn es zu einer Beschwer- de komme, falle es den Patienten schwer, zu beweisen, dass tatsächlich sexuelle Übergriffe stattgefunden hätten, denn bei einem vertrau- ten Zweierverhältnis wie dem des Therapeu- ten und Patienten gäbe es keine Zeugen.

Dass Patienten um ihre Glaubwürdigkeit kämpfen müssten, betonte Monika Holzbe- cher. Sie wies auf den Trend hin, dass beim bekannt werden sexueller Grenzverletzungen selten an der Kompetenz der Therapeuten ge- zweifelt werde. Vor allem wenn keine offen- sichtliche Gewalt angewendet wurde, scheine es wahrscheinlicher, dass eine „liebeskranke“

Patientin einen arglosen Therapeuten verfüh- re, als dass Therapeuten ihre Patienten syste- matisch manipulierten und das Machtgefälle ausnutzten um ihre sexuellen Bedürfnisse zu erfüllen. „Ich will anregen, sich der eigenen Bewertungsmuster bewusst zu werden, mit de- nen solche schwerwiegenden Behandlungs- fehler verharmlost werden. Durch den vorran- gigen „Täterschutz“ bleiben selbst

Wiederholungstäter oftmals unangefochten, ohne dass sie die Verantwortung für ihr gra- vierendes Fehlverhalten übernehmen müs- sen“, empörte sich Monika Holzbecher.

Juristischer Aspekt

Privatdozent Dr. Thomas Gutmann ergänzte die Beiträge der Therapeuten mit seinem juristischen Wissen. Der Tatbestand des

§ 174 c Abs. 2 Strafgesetzbuch sei nur erfüllt, wenn während der sexuellen Grenzüber- schreitung offiziell eine therapeutische Be- handlung nachzuweisen sei. „Im Jahre 1995 wurden 600 Fälle von sexueller Grenzüber- schreitung geschätzt, mit einem Dunkelfeld von bis zu 800 Fällen erklärte Thomas Gut- mann. Zivilrechtlich könnte eine Klage wegen eines Verstoßes gegen das Berufsrecht erfolgreich sein. Es sei die Aufgabe der Kam- mern BLÄK und PTK-Bayern, den Patien- ten über die „Artikulationsschwelle“ zu hel- fen, um ihnen einen Zugang zu den zivil- und berufsrechtlichen Verfahren zu ermög- lichen.

Die Vortragsreihe wurde mit einem Erfah- rungsbericht von Dr. Giulietta Tibone abge- schlossen. Sie schilderte verschiedene Sach- verhalte, die von Patienten beklagt würden, wobei Abstinenz- und Schweigepflichtverlet- zungen die häufigsten gewesen wären. Ihr wichtigstes Anliegen wäre gewesen, dass ih- nen Glaube geschenkt werde. „Oft hätte es den Patienten schon geholfen, wenn sich der betreffende Therapeut entschuldigt hätte. Sie wünschen einen Kontakt zum ehemaligen Therapeuten und dass dieser Einsicht und Mitleid zeigt“, verdeutlichte Giulietta Tibo- ne. „Überraschend war für uns die Feststel- lung, wie schwer es unseren Kollegen fällt, sich auf solche Kontakte einzulassen bzw. ei- gene Fehler anzuerkennen“, bedauerte die Psychologin.

Lisa Treusch (BLÄK)

Zehn Jahre BVVP-Bayern mit Symposium

„Ethik und Psychotherapie“

Die Referenten, Podiums- teilnehmer und Moderato- ren: Dr. Guilietta Tibone, Dr. Andrea Schleu, Privatdozent Dr.

Thomas Gutmann, Monika Holzbecher, Ursula Mayr, Richter a. D.

Hans-Joachim Heinze, Dr. Veronika Hillebrand, Lisa Gerz-Fischer, Benedikt Waldherr und Dr. Dr. Hans-Jürgen Kramer (v. li.).

298.qxp 24.05.2006 17:46 Uhr Seite 298

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

„Deshalb kann man sagen, dass der Patient nicht die gleichen Voraussetzungen hatte, sich für oder gegen eine Beziehung mit dem Therapeuten zu entscheiden.. Das ist eine

April 1972 wurde im Interesse einer bes- seren Versorgung der Versicherten mit Leistungen der tiefenpsycholo- gisch fundierten und analytischen Psychotherapie denjenigen ärztli-

Welche weiteren Massnahmen sieht der Gemeinderat im Kampf gegen sexuelle Übergriffe und sexualisierte Gewalt vor. Wie erwähnt wird der Gemeinderat im Herbst

Frank Oehmichen wurde im Jahre 2009 deshalb durch Fortbildungsangebote und durch eine Vernetzung von stationärer Ethikberatung mit niedergelassenen Ärzten der Grundstein

Für die gynäkologische Untersuchung müssen Sie sich unten ganz ausziehen, Kniestrümpfe oder Rock können Sie jedoch anbehalten.. Die Untersuchung wird auf einem gynäkologischen Stuhl

Der Produktname Viagra soll eine Wortkombination aus Vigor (latei- nisch für Kraft) und Niagara (die Wasserfälle) oder vom indischen Wort für Tiger abgeleitet sein.. Viagra ist,

Eine Anbindung an die Ärzte- und Psychotherapeuten- kammern wurde aber von den anwesen- den Richtern und Rechtsanwälten des BVVP-Symposiums als kritisch einge- stuft, weil die

Während herkömmlich eingesetzte Pro- dukte „gegen“ Stress entweder symptoma- tisch Beruhigung oder nur mehr Energie versprechen, unterstützt das robuste Dickblattgewächs