• Keine Ergebnisse gefunden

Der Israel-Palästina-Konflikt. Diplomarbeit

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Der Israel-Palästina-Konflikt. Diplomarbeit"

Copied!
120
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Der Israel-Palästina-Konflikt

Ein Blick auf die einzelnen Konflikte und Konfliktpunkte unter Bezugnahme historischer Entwicklungen Israels und Palästinas –

aktuelle und künftige Lösungsstrategien

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Philosophie

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von Susanne EHALL

am Institut für Geschichte

Begutachter: Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr.phil. Nikolaus Reisinger

Graz, 2018

(2)

II EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre hiermit ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe angefertigt habe. Es wurden keine anderen als die angegebenen Quellen benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen wurden als solche kenntlich gemacht. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

Graz, am _____________________ ______________________ (Unterschrift)

(3)

III Gender Erklärung

Zur besseren Lesbarkeit wird in dieser Diplomarbeit stellvertretend für beide Geschlechter die männliche Formulierung gewählt. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form geschlechtsunabhängig verstanden werden soll.

(4)

IV

Danksagung

Als erstes möchte ich an dieser Stelle meinem Betreuer Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr.phil.

Nikolaus Reisinger danken, der sich immer für mich Zeit nahm. Nur durch sein Engagement, seine Anregungen und Hilfestellungen konnte diese Diplomarbeit entstehen.

Besonders möchte ich meinen Eltern danken. Durch ihre finanzielle Unterstützung ermöglichten sie mir das Studium und gaben mir stets Rückhalt. In Situationen, in denen ich nicht mehr weiter wusste, waren sie immer für mich da und standen mir mit Rat und Tat zur

Seite. Ohne ihren Beistand und ihre Ermutigungen hätte ich es nie so weit geschafft.

Außerdem möchte ich auch meinen beiden Geschwistern danken, die mir immer zur Seite standen und auf die ich mich verlassen konnte.

Ein weiterer Dank gilt meinem geduldigen und liebevollen Freund Reinhard, der mein „Fels in der Brandung“ ist. Du warst in Krisenzeiten immer für mich da, hattest auf alle Probleme

und Schwierigkeiten eine Antwort und hast mich nie im Stich gelassen.

Auch möchte ich meinen Freunden und Freundinnen für ihre Unterstützung danken.

Besonders möchte ich meinen fünf Kolleginnen danken, die mir bei fachlichen Fragen immer helfen konnten und mit denen ich während meines Studiums viel Spaß hatte.

Ein großes Dankeschön auch an eine Freundin und meinen Onkel, die sich die Zeit genommen haben, diese Diplomarbeit zu lesen und mir weitere Ideen zum Verbessern der

Arbeit gaben.

Vielen Dank!

(5)

V

„Die Kinder von heute sind die Gesellschaft von morgen.“

–Dalai Lama

(6)

1

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ... 3

1.1. Thema, These, Forschungsfrage ... 3

1.2. Forschungsstand, Quellen und Literatur ... 4

1.3. Theoretischer Hintergrund ... 6

1.4. Methodische Vorgangsweise ... 6

1.5. Kapitelgliederung ... 7

2. Konflikt und Konflikttransformation ... 8

2.1. Definitionen ... 8

2.1.1. Konflikt ... 8

2.1.1.1. Arten von Konflikten ... 9

2.1.1.2. Konflikttypen ... 9

2.1.2. Gewalt ... 10

2.1.3. Krieg ... 11

2.1.4. Friede... 13

2.2. Das Konfliktdreieck ... 14

2.3. Konflikttransformation ... 16

2.3.1. Die Transcend-Methode ... 16

3.A. Die Widersprüche: Status Quo ... 18

3.1 Die Frage nach dem Territorium und den Grenzen ... 20

3.2 Wem gehört Jerusalem? ... 25

3.3 Der Siedlungsbau ... 30

3.4 Die Flüchtlingsproblematik ... 34

3.5 Wasser ist Leben ... 38

3.B. Historische Analyse der Konfliktparteien ... 41

3.6. Ursprünge und religiöse Verheißungen ... 42

3.7. Die arabische Epoche ... 48

3.8. Kreuzzüge ... 50

3.9. Osmanische Herrschaft ... 51

3.10. Der Zionismus und „der Judenstaat“ ... 52

3.11. Der Erste Weltkrieg und seine Folgen ... 54

3.11.1. Palästinensisch-arabischer Nationalismus ... 55

3.11.2. Das britische Mandat über Palästina ... 55

3.12. Der Zweite Weltkrieg und Ende des britischen Mandats ... 58

3.12.1. Spirale von Gewalt und Gegengewalt ... 59

(7)

2

3.13. UN-Teilungsplan ... 59

3.14. Kriege um das Land... 61

3.14.1. Der israelische Unabhängigkeitskrieg/Der Palästinakrieg/Der erste Nahostkrieg ... 61

3.14.1.1.Entwicklung einer neuen kollektiven Identität ... 62

3.14.2. Der Suezkrieg/Der zweite Nahostkrieg ... 63

3.14.2.1. Gründung der Fatah ... 65

3.14.3. Der Sechsttagekrieg/Der Junikrieg/Der dritte Nahostkrieg ... 65

3.14.3.1. Das Siedlungsprojekt ... 67

3.14.3.1.a. Siedlungsbau in Hebron ... 68

3.14.3.2. Gründung der PLO ... 69

3.14.4. Der Jom-Kippur-Krieg/Der Ramadan-Krieg/Der vierte Nahostkrieg ... 69

3.15. Friede in Sicht? ... 70

3.16. Rückkehr der Gewalt ... 71

3.16.1. Die Erste Intifada ... 72

3.16.2. Gründung der Hamas ... 73

3.17. Wiederaufnahme des Friedensprozesses ... 74

3.17.1. Ausbruch der Zweiten Intifada/Al-Aqsa-Intifada ... 78

3.18 Ende der Zweiten Intifada bis heute ... 79

3.18.1. Roadmap... 79

3.18.2. Der Bau einer Mauer ... 79

3.18.3. Fortsetzung der Gewalt ... 80

3.18.4. Der Arabische Frühling und seine Auswirkungen ... 84

4. Aktuelle Lösungsstrategien und Blick in die Zukunft ... 88

4.1. Aktuelle Lösungsstrategien ... 88

4.2. Die Suche nach einem Dialog als ersten Schritt ... 93

4.3. Aufklärung als zweiter Schritt ... 94

5. Fazit ... 96

6. Anhang ... 99

Abkürzungsverzeichnis ... 99

Karten ... 100

7. Quellen- und Literaturverzeichnis ... 106

Gedruckte Quellen... 106

Literatur ... 106

Online-Ressourcen ... 113

Abbildungsverzeichnis ... 115

(8)

3

1. Einleitung

Das Zitat von Dalai-Lama zu Beginn wurde gewählt, um den Stellenwert der Kinder in einer Gesellschaft hervorzuheben: Sie sind die Zukunft und haben die Möglichkeit, diese nachhaltig zu verändern. Deswegen sind wir als Teil der Gesellschaft dafür verantwortlich, die Kinder zu bilden und aufzuklären, sie zu selbstkritischer Reflexion anzuregen und ihnen beizubringen, offen gegenüber dem Anderen zu sein.

1.1. Thema, These, Forschungsfrage

Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem bis heute andauernden Israel-Palästina-Konflikt. Der größte Streitpunkt dieses Konflikts ist die Frage nach den territorialen Ansprüchen auf das historische Land Palästina seitens der jüdischen Israelis1 und der arabischen Palästinenser2, die ihre Legitimation mittels ihrer Geschichte und ihrer Religion zu begründen versuchen.

Schon ab dem 19. Jahrhundert häuften sich die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen, mit dem Ausrufen des Staates Israel 1948 nahm der Konflikt jedoch eine neue Dimension an, da seit dem auch die arabischen Staaten Ägypten, Syrien, Jordanien, Libanon, Iran und der Irak involviert, aber auch die USA, Europa und Russland in den Konflikt verwickelt sind.

In dieser Arbeit wird der Schwerpunkt auf dem Konflikt zwischen den jüdischen Israelis und den arabischen Palästinenser liegen, wobei dafür auch Ereignisse herangezogen werden, die andere Staaten betreffen, aber Auswirkungen auf die beiden Bevölkerungsgruppen haben.

Dabei hat jede Seite ihre eigene Ansicht der Geschichte: Im Israel-Palästina-Konflikt, bei dem kollektive Erinnerungen als korrektes Geschichtebild interpretiert werden, kommt es besonders stark zur selektiven Wahrnehmung und zur Verfälschung geschichtlicher Ereignisse. Diese haben wiederum weitere Auswirkungen auf Handlungen, Haltungen und zukünftige Ereignisse.

Bis heute spielen Konfliktpunkte wie Territorium und Grenzen, Jerusalem, Siedlungsbau, Flüchtlingsproblematik und Wasserverteilung eine bedeutete Rolle. Sie führen nach wie vor immer wieder zu Konflikten, Auseinandersetzungen und Aufständen, die auch in Kriege ausarten können.

1 In dieser Arbeit bezieht sich der Begriff „Israeli“ auf die israelischen Staatsbürger jüdischen Glaubens beziehungsweise jüdischer Nationalität.

2 Der Begriff „Palästinenser“ steht in dieser Arbeit für die Einwohner Palästinas während der Zeit des britischen Mandats sowie die seit 1948 im Westjordanland und im Gazastreifen lebende arabisch-sprechende Bevölkerung und die im Ausland lebenden Angehörigen. Mit israelischen Palästinensern sind die im heutigen Staatsgebiet Israel lebenden Palästinenser gemeint.

(9)

4

Die einseitig aufgearbeiteten geschichtlichen Ereignisse, deren damit verbundene Verzerrung des Geschichtsbild und dessen Weitergabe an die jüngeren Generationen, die Konfliktpunkte, die immer wieder Auslöser für Konflikte sind, sowie die mangelnde Dialogbereitschaft haben zur Folge, dass der Konflikt zwischen den jüdischen Israelis und den arabischen Palästinensern bis heute andauert.

Auf Grundlage dieser These wird die Diplomarbeit verschiedenen Aspekten des Konflikts beleuchten und so bestmöglich folgende Fragen beantworten:

 Was versteht man unter Konflikt, Gewalt, Krieg und Friede?

 Welche Widersprüche lassen sich zwischen den Konfliktparteien festsetzen?

 Welche Bedeutung haben diese heute auf die beiden Bevölkerungsgruppen?

 Welche geschichtlichen Ereignisse haben sich in die kollektiven Erinnerungen eingebrannt und wirken heute noch auf den Konflikt ein?

 Welche aktuellen Lösungsstrategien gibt es?

 Welche Maßnahmen müssen getroffen werden, um eine Lösung beziehungsweise Transformation des Konflikts zu erreichen?

1.2. Forschungsstand, Quellen und Literatur

Für diese Arbeit war es wichtig, möglichst aktuelle Publikationen zu verwenden. Dabei wurde darauf geachtet, mehrheitlich Werke, die nach dem Jahr 2000 erschienen sind, zu verwenden.

Außerdem war es ein großes Anliegen, diese Arbeit so neutral und objektiv wie möglich zu verfassen.

Für das Kapitel, das sich mit den Definitionen und Beschreibungen der wichtigsten Begriffe der Friedens- und Konfliktforschung beschäftigt, wurden vor allem Werke des norwegischen Soziologen, Politologen und Mathematikers Johan Galtung3 und der deutschen Soziologen Thorsten Bonacker und Peter Imbusch4 herangezogen, da sich diese äußerst ausführlich mit diesen Begriffen befassen.

3 Galtung, Johan: Frieden mit friedlichen Mitteln. Friede und Konflikt, Entwicklung und Kultur. Münster 2007.

Im Folgenden zitiert als: Galtung: Frieden mit friedlichen Mitteln, 2007.

Galtung, Johan: Konflikte und Konfliktlösungen. Die Transcend-Methode und ihre Anwendung. Berlin 2007. Im Folgenden zitiert als: Galtung: Die Transcend-Methode und ihre Anwendung, 2007.

4 Bonacker, Thorsten/Imbusch, Peter: Zentrale Begriffe der Friedens- und Konfliktforschung: Konflikt, Gewalt.

Krieg, Frieden. In: Zoll, Ralf/ Imbusch, Peter (Hrsg.): Friedens- und Konfliktforschung. Eine Einführung. 4., Auflage. Wiesbaden 2006. Im Folgenden zitiert als: Bonacker/Imbusch: Zentrale Begriffe der Friedens- und Konfliktforschung, 2006.

(10)

5

Für die geschichtliche Aufarbeitung des Israel-Palästina-Konflikts wurden vor allem die Werke des Historikers Ralf Balke5, des Diplom-Pädagogen Jörn Böhme und des Rechtsanwalts Christian Sterzing6 sowie des Historikers Elmar Krautkrämer7 herangezogen, da diese die Entwicklungen in Palästina und später Israel beschreiben. Dabei greifen die Autoren auch die Zeit vor dem eigentlichen Konflikt auf.

Die Werke des österreichischen Theologen Karl Jaroš8 und der Islamwissenschaftlerin Gudrun Krämer9 vertieften sich mit der Thematik der jüdisch- und arabisch-religiösen Überlieferung und Tradition, die auch heute für die Begründung der Ansprüche auf das Land genutzt werden. Auch wenn die Bibel, der Koran und der Talmud keine reinen Geschichtsdokumente sind und dies klar dargestellt werden muss, nehmen sie doch eine bedeutende Rolle in der Mentalitätsgeschichte ein.

Um den Status Quo der aktuellen Konfliktpunkte beschreiben und analysieren zu können, wurden vorwiegend die Publikationen der Politikwissenschaftlerin Margret Johannsen10, des Theologen und Archäologen Dieter Vieweger11 und der Politologin Muriel Asseburg mit Unterstützung von Jan Busse12 herangezogen, die einen kritischen Blick auf diese fünf großen Streitfragen werfen. Dabei betrachten sie sowohl die jüdisch-israelische Position als auch die arabisch-palästinensische.

Da sich diese Arbeit mit der Entwicklung des Konflikts bis in die Gegenwart beschäftigt und es kaum Publikationen zur Situation im Jahr 2017 und 2018 gibt, wurde hier auf Printmedien und Zeitungen wie Kleine Zeitung, Spiegel und Die Presse zurückgegriffen. Dabei werden diese als solche gekennzeichnet und in den Sachverhalt eingebettet. Außerdem wurden Beiträge von Websites, die über die aktuelle Lage in Israel und den palästinensischen Gebieten berichten, genauestens verfolgt.

5 Balke, Ralf: Israel. 5., neubearbeitete Auflage. München 2013. Im Folgenden zitiert als: Balke: Israel, 2013.

6 Böhme, Jörn/Sterzing, Christian: Kleine Geschichte des israelisch-palästinensischen Konflikts. 5., aktualisierte und erweiterte Auflage. Schwalbach, 2012. Im Folgenden zitiert als: Böhme/Sterzing: Kleine Geschichte des israelisch-palästinensischen Konflikts, 2012.

7 Krautkrämer, Elmar: Krieg ohne Ende? Israel und die Palästinenser. Geschichte eines Konflikts. Darmstadt 2003. Im Folgenden zitiert als: Krautkrämer: Krieg ohne Ende? 2003.

8 Jaroš, Karl: Kanaan. Israel. Palästina. Ein Gang durch die Geschichte des Heiligen Landes. 4., Auflage. Mainz am Rhein 2002. Im Folgenden zitiert als: Jaroš: Kanaan. Israel. Palästina. 2002.

9 Krämer, Gudrun: Geschichte Palästinas. Von der Osmanischen Eroberung bis zur Gründung des Staates Israel.

5., durchgesehene Auflage. München 2006. Im Folgenden zitiert als: Krämer: Geschichte Palästinas, 2006.

10 Johannsen, Margret: Der Nahost-Konflikt. 3., Auflage. Wiesbaden 2011. Im Folgenden zitiert als: Johannsen:

Der Nahost-Konflikt, 2011.

11 Vieweger, Dieter: Streit um das Heilige Land. Was jeder vom israelisch-palästinensischen Konflikt wissen sollte. 6., erweiterte und aktualisierte Auflage. München 2017. Im Folgenden zitiert als: Vieweger: Streit um das Heilige Land, 2017.

12 Asseburg, Muriel/Busse, Jan: Der Nahostkonflikt. Geschichte, Positionen, Perspektiven. München 2016. Im Folgenden zitiert als: Asseburg/Busse: Der Nahostkonflikt, 2016.

(11)

6

1.3. Theoretischer Hintergrund

Diese Arbeit basiert auf dem theoretischen Hintergrund der Konfliktformation und der Konflikttransformation, denn man kann nur intellektuell über einen Konflikt berichten, wenn man die Konfliktformation beschreiben kann. Bei dieser müssen folgende Fragen beantwortet werden: Wer sind die Akteure und Parteien? Welche Zielsetzungen gibt es? Wo liegen die Widersprüche beziehungsweise Inkompatibilitäten? Bei einem Konflikt erwartet man sich zumeist einen Endzustand, also ein letztes Stadium, in dem entweder der Konflikt gelöst oder aber für hoffnungslos und ewig andauernd angesehen wird. Eine Konfliktlösung kann als neue Formation betrachtet werden, die für alle Parteien annehmbar ist und die von allen Akteuren akzeptabel ist. Dabei ist die Konflikttransformation ein niemals endender Prozess, bei dem alte Widersprüche wiederholt auftauchen, sich aber auch neue bilden können. Jeder Konflikt erzeugt positive und negative Energien. Das Ziel ist aber auch keine stabile, dauerhafte Formation; vielmehr ist der Prozess das Ziel, also das Erlangen einer Transformationskapazität, die durch das Umwandeln der Energien erreicht werden soll. Mit dieser ist die Fähigkeit gemeint, Transformationen so zu behandeln, dass sie nachhaltig und akzeptabel sind.13

1.4. Methodische Vorgangsweise

Um den Konflikt konstruktiv analysieren zu können, war es zunächst wichtig, die Fragen der Konfliktformation zu beantworten. Daraufhin wurden die Streitpunkte beziehungsweise Widersprüche zwischen den beiden Konfliktparteien genauer betrachtet und analysiert. Die Widersprüche waren und sind meistens der Auslöser für vergangene und aktuelle Konflikte.

Dabei beziehen sich die Konflikte in ihrer Tiefenstruktur auf die Geschichte der beiden Konfliktparteien. Deswegen war als folgender Schritt eine historische Analyse der Geschichte der beiden Akteure wichtig. Diese Analyse wurde dabei auf den Raum des historischen Palästinas eingegrenzt.

Um eine mögliche Konflikttransformation zu beschreiben, wurden am Ende der Arbeit noch aktuelle Lösungsstrategien genannt und zukünftige Schritte, die unternommen werden müssen, um eine Transformation des Konflikts zu erreichen.

13 Vgl. Galtung: Frieden mit friedlichen Mitteln, 2007, S. 165–166.

(12)

7

1.5. Kapitelgliederung

Das nun folgende zweite Kapitel beschäftigt sich zuerst mit den wichtigsten Begriffen der Friedens- und Konfliktforschung, die zunächst definiert werden und in verschiedenen Arten und Typologien auftreten können. Nachdem ein Blick auf diese Begriffe geworfen wurde, soll das Konfliktdreieck nach Galtung erklärt werden, welches daraufhin auf den Israel-Palästina- Konflikt angewandt wird. Im letzten Teil dieses theoretischen Kapitels wird Galtungs Transcend-Methode erklärt.

Das dritte Kapitel, welches in zwei Unterkapitel geteilt wird, ist der zentrale Teil der Arbeit, bei dem der Israel-Palästina-Konflikt analysiert wird. Dabei befasst sich das erste Unterkapitel mit folgenden Streitpunkten: Territorium und Grenzen, Jerusalem, Siedlungsbau, Flüchtlingsproblematik und Wasserverteilung. Da diese Konfliktpunkte auch in der Vergangenheit bereits zu Unstimmigkeiten, Auseinandersetzungen und Konflikten geführt haben, soll im zweiten Unterkapitel nun eine historische Analyse erfolgen, bei der das Verhältnis der genannten Widersprüche zur Tiefenstruktur der beiden Parteien erläutert wird.

Die historische Analyse beginnt jedoch nicht mit dem 19. Jahrhundert, sondern setzt viel früher an: Um aktuelle Standpunkte, Argumentation, Ansprüche, Verhaltensweisen, Traditionen etc. zu verstehen, reicht es nicht, die historischen Ereignisse ab dem 19.

Jahrhundert zu betrachten. Um den Konflikt in seinen Dynamiken etwas besser begreifen zu können, muss man bis zu den religiösen Grundlagen, also dem Alten Testament und dem Koran zurückgehen. Auch wenn nicht alle religiösen Überlieferungen historisch belegbar sind, so sind sie trotzdem ein Teil des kollektiven Gedächtnisses der beiden Völker.

Im vierten und letzten Kapitel sollen zunächst aktuelle Lösungsstrategien diskutiert und außerdem Gründe genannt werden, warum diese bis heute nicht sonderlich vielversprechend sind. Als abschließenden Punkt sollen in dieser Arbeit zwei Schritte genannt werden, die zuerst erfüllt werden müssen, um eine Transformation des Konflikts zu erreichen.

(13)

8

2. Konflikt und Konflikttransformation

2.1. Definitionen

Um über einen Konflikt schreiben zu können, ist es zunächst notwendig zu erklären, was einen Konflikt überhaupt ausmacht. Deswegen soll in diesem Kapitel zuerst der Begriff Konflikt und dessen Typen beschrieben werden. Nur den Begriff Konflikt im Hinblick auf den Israel-Palästina-Konflikt zu betrachten, wäre für diese Arbeit zu oberflächlich. Aus diesem Grund sollen auch die Begriffe Krieg, Gewalt und Friede, sowie deren Bedeutung näher erläutert werden.

2.1.1. Konflikt

Der Begriff Konflikt kommt vom lateinischen Wort conflictus, was Zusammenstoß bedeutet.14 Im Wörterbuch Duden wird Konflikt als eine „durch widerstreitende Auffassungen, Interessen o. Ä. hervorgerufene schwierige Situation“15, beziehungsweise als eine Auseinandersetzung zwischen Kontrahenten mit militärischen Ressourcen definiert. Als Synonyme nennt Duden Zwiespalt, Spannung oder Widerstreit aufgrund innerer Probleme.16 Die Soziologen Peter Imbusch und Thorsten Bonacker beschreiben einen Konflikt als einen sozialen Tatbestand, der sich aus unterschiedlichen Interessen oder Unterschieden der sozialen Zustände zwischen mindestens zwei Akteuren entwickelt.17 Der Friedens- und Konfliktforscher Johan Galtung verbindet den Begriff Konflikt mit Leben, denn dieser kann ähnliche Eigenschaften besitzen wie zum Beispiel einen Lebenszyklus. Somit ist ein Konflikt nicht grundsätzlich negativ zu bewerten, da er Energie erzeugt. Die Schwierigkeit liegt darin, diese Energie positiv und konstruktiv zu nutzen.18 Galtung beschreibt den Konflikt als triadisches Konstrukt, der sich aus den drei Komponenten Annahmen/Einstellungen, Verhalten und Widerspruch/Inhalt des Konflikts zusammensetzt. Diese fasst er in dem Konfliktdreieck zusammen, welches in Kapitel 2.2. Das Konfliktdreieck noch genauer beschrieben wird. Um aber einen Konflikt richtig beurteilen zu können, muss abgeklärt werden, welche Arten von Konflikten es gibt.

14 Vgl. Dudenreaktion (Hrsg.): Duden. Die deutsche Rechtschreibung. 25., völlig neu bearbeite erweiterte Auflage. Mannheim 2010, S. 435.

15 Dudenreaktion (Hrsg.): Duden. Das Bedeutungswörterbuch. 4., neu bearbeite erweiterte Auflage. Mannheim 2010, S. 566. Im Folgenden zitiert als: Duden. Das Bedeutungswörterbuch, 2010.

16 Vgl. Ebda. S. 566

17 Vgl. Bonacker/Imbusch: Zentrale Begriffe der Friedens- und Konfliktforschung, 2006, S. 69.

18 Vgl. Galtung: Frieden mit friedlichen Mitteln, 2007, S. 133.

(14)

9 2.1.1.1. Arten von Konflikten

Imbusch und Bonacker benennen folgende vier Analyseebenen: Die erste Ebene ist das Individuum mit intrapersonalen Konflikten, bei denen psychologische Konflikte und Spannungen auftreten. Als zweites nennen die Autoren die Gesellschaft mit interpersonale Konflikten, wo Entscheidungs- und Beziehungskonflikte eingeordnet werden. Die Gesellschaft mit innergesellschaftlichen Konflikten bildet die dritte Ebene; dazu zählen zum Beispiel politische, religiöse und soziale Konflikte sowie rassische und ethnische Minoritäten- sowie Informations- und Kommunikationskonflikte und ökologische Konflikte. Als letztes wird das internationale System mit internationalen Konflikten genannt, zu denen sowohl Machtkonflikte und Kriege als auch regionale Spannungen und Auseinandersetzungen gehören.19

Galtung trifft ebenfalls eine Unterscheidung in vier Konfliktebenen. Er differenziert in Mi- kro-, Meso-, Makro- und Mega-Konflikte. Konflikte zwischen zwei Individuen beschreibt er als Mikro-Konflikt. Meso-Konflikte beschreiben Konflikte einer Personengruppe mit einer anderen Gruppe und zwischen Gesellschaften. Konflikte zwischen Staaten und Nationen fallen in die Makro-Ebene. Konflikte zwischen Regionen und Kulturen werden unter dem Begriff Mega-Konflikt zusammengefasst.20

2.1.1.2. Konflikttypen

Es genügt aber nicht, nur diese vier Analyseebenen zu betrachten. Bei einem Konflikt sollte zwischen antagonistisch und nicht-antagonistisch unterschieden werden. Wenn die Konfliktparteien sich kompromisslos und unversöhnlich gegenüberstehen und die Konflikte auf Grund von strukturellen Gründen nicht lösbar sind, spricht man von einem antagonistischen Konflikt. Dieser wäre laut Imbusch und Bonacker nur dann lösbar, wenn eine Konfliktpartei verschwindet oder sich ihre Stellung bezüglich des Konfliktgegenstandes ändert. Dagegen sind nicht-antagonistische Konflikte offen gegenüber Kompromissen und sie lassen sich auf Regelungen ein.21

Weiteres werden Konflikte in legitim und nicht-legitim geteilt. Dabei definierten die Autoren einen legitimen Konflikt als eine durch rechtliche, humanitäre und universelle Normen eines Sozialsystems erlaubt oder erwünschte Auseinandersetzung. Die Austragungsformen müssten dabei von einer Mehrheit akzeptierten Verlaufsmustern nachgehen. Konflikte, die Grenzen der gesellschaftlichen Übereinstimmungen überschreiten, nennt man nicht-legitim. Die

19 Vgl. Bonacker/Imbusch: Zentrale Begriffe der Friedens- und Konfliktforschung, 2006, S. 69–70.

20 Vgl. Galtung: Die Transcend-Methode und ihre Anwendung, 2007, S. 19–196.

21 Vgl. Bonacker/Imbusch: Zentrale Begriffe der Friedens- und Konfliktforschung, 2006, S. 72.

(15)

10

Bestimmung der Legitimität kann sich dabei sowohl auf den Konflikt selbst als auch auf dessen Austragungsformen beziehen.22

Ein Konflikt kann auch als objektiv oder subjektiv charakterisiert werden. Laut Imbusch und Bonacker spricht man von einem objektiven Konflikt, wenn es um die Verteilung von knappen Gütern und Werten in einer Gesellschaft geht. Ergeben sich Einstellungen – wie Aggressivität, Hass oder Feindschaft – aus vorausgegangen Meinungen, so handelt es sich um einen subjektiven Konflikt.23

Als letzte Unterteilung von Konflikten wird in dieser Arbeit noch der Unterschied zwischen konstruktiven und destruktiven Konflikt erklärt. Als destruktiv beschreibt man einen Konflikt, wenn die beiden sich gegenüberstehenden Parteien mit dem Ausgang eines Konfliktes oder einer Auseinandersetzung unzufrieden sind und für sie damit ein negatives Ergebnis eingetreten ist. Der destruktive Konflikt ist besonders eskalationsgefährdet; ursprüngliche Gründe können sich verselbstständigen und weitere Widersprüche können geschaffen werden.

Von einem Konflikt mit konstruktiven Folgen spricht man, wenn alle Parteien mit dem Ergebnis zufrieden sind oder sogar etwas dazu gewonnen haben.24

Imbusch und Bonacker weisen des Öfteren daraufhin, dass es bei Konfliktdefinitionen oft der Fehler des negativen Bewertens gemacht wird. So darf man den Konflikt nicht mit seinen Ursachen oder Austragungsformen verwechseln.25 Die Austragungsformen basieren zumeist auf Gewalt.

2.1.2. Gewalt

Gewalt, vom mittelhochdeutschen gewalt26, wird beschrieben als die Macht beziehungsweise die Befugnis über jemanden zu bestimmen oder zu herrschen. Es kann aber auch als unrechtmäßiges Vorgehen, durch das jemanden zu etwas gezwungen wird, definiert werden.

Dies kann mit physischer oder psychischer Kraft erreicht werden.27 Ebenso kann Gewalt auch als „elementare Kraft von zwingender Wirkung“28 erklärt werden.

Der Gewaltbegriff bringt, wie schon der Konfliktbegriff, Vieldeutigkeit und Vielschichtigkeit mit sich. So kann zwischen Typen und Formen, Dimensionen und Sinnstrukturen, Dynamiken

22 Vgl. Bonacker/Imbusch: Zentrale Begriffe der Friedens- und Konfliktforschung, 2006, S. 72.

23 Vgl. Ebda. S. 73.

24 Vgl. Ebda. S. 73.

25 Vgl. Ebda. S. 68.

26 Vgl. Dudenreaktion (Hrsg.): Duden. Das Herkunftswörterbuch. 4., völlig neu bearbeite erweiterte Auflage.

Mannheim 2007, S. 274. Im Folgenden zitiert als: Duden. Das Herkunftswörterbuch, 2007.

27 Duden. Das Bedeutungswörterbuch, 2010, S. 440.

28 Ebda. S. 440.

(16)

11

und Kontexten unterschieden werden.29 In dieser Arbeit werden jedoch lediglich die verschiedenen Typen von Gewalt untersucht. Galtung differenziert bei Gewalt zwischen direkter oder persönlicher Gewalt, also einem Akteur, der die Nachwirkungen und Auswirkungen der Gewalt beabsichtigt, struktureller oder indirekter Gewalt, bei der keine einzelne Person als Akteur fungiert, sondern ein System, aus dem die Gewalt resultiert, und der kulturellen Gewalt, die eine symbolische Bedeutung hat und mit der die direkte und die strukturelle Gewalt legitimiert werden sollen.30 Durch sie sollen andere Formen der Gewalt als rechtmäßig oder zumindest als zulässig aufgefasst werden.31

Imbusch und Bonacker ergänzen zusätzlich noch die psychische und die institutionelle Gewalt. Demnach ist die direkte Gewalt immer manifest und intendiert und zielt auf die Verletzung, Tötung oder Schädigung des anderen ab, während die psychische Gewalt durch Worte, Symbole oder den Entzug von lebensnotwendigen Ressourcen auf eine Einschüchterung der Menschen abzielt. Psychische Gewalt ist äußerlich nicht sichtbar; ihre Auswirkungen können erst zeitlich versetzt auftreten und sich in einem schweren Traumata manifestieren. Die institutionelle Gewalt, der eine ordnungsstiftende Funktion zugeschrieben wird, strebt ein dauerhaftes Abhängigkeits- und Unterwerfungsverhältnis an. Diese Art von Gewalt wird zumeist von staatlichen Sicherheitsbehörden wie Polizei oder Militär ausgeübt.32

2.1.3. Krieg

Das Wort Krieg stammt vom mittelhochdeutschen Wort kriec33 ab, wobei er als ein „längerer mit Waffengewalt ausgetragener Konflikt“34 beziehungsweise als „Auseinandersetzung zwischen Völkern mit militärischen Mitteln“35 im Wörterbuch Duden erklärt wird.36 Der Begriff ist sehr umfangreich, insbesondere wenn man die verschiedenen Typen betrachtet.

Auch die Meinungen bezüglich der Begriffsbestimmung gehen auseinander. Eine der berühmtesten Definitionen des 19. Jahrhundert stammt vom deutschen Militärhistoriker Carl von Clausewitz, der Krieg als Fortsetzung der Politik mit militärischen Mitteln beschreibt.37 Nach Immanuel Kant ist Krieg ein fortschrittsnotwendiges Übel, wobei er den Ursprung des Krieges im unstillbaren Verlangen des Menschen nach Macht und Wohlstand sieht. Kant definiert außerdem den Begriff des gerechten Krieges, der zur Verteidigung der

29 Vgl. Bonacker/Imbusch: Zentrale Begriffe der Friedens- und Konfliktforschung, 2006, S. 83.

30 Vgl. Galtung: Frieden mit friedlichen Mitteln, 2007, S. 17–18.

31 Vgl. Bonacker/Imbusch: Zentrale Begriffe der Friedens- und Konfliktforschung, 2006, S. 89.

32 Vgl. Ebda. S. 86–87.

33 Vgl. Duden. Das Herkunftswörterbuch, 2007, S. 453.

34 Duden. Das Bedeutungswörterbuch, 2010, S. 579.

35 Ebda. S. 579.

36 Vgl. Duden. Das Bedeutungswörterbuch, 2010, S. 579.

37 Vgl. Bonacker/Imbusch: Zentrale Begriffe der Friedens- und Konfliktforschung, 2006, S. 108.

(17)

12

Eigenstaatlichkeit geführt wird und bei dem keine gewaltlosen Mittel Erfolg versprechend erscheinen.38 Sein jüngerer Zeitgenosse Georg Wilhelm Friedrich Hegel widerspricht jedoch dieser Begriffserklärung und stellt fest, dass Krieg nicht über Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit entscheidet, sondern darüber, welcher Rechtsanspruch der stärkere ist. Somit kann auch nicht zwischen gerechtem und ungerechtem Krieg unterschieden werden. Krieg ist gemäß seiner Definition die kämpferische Selbstbehauptung eines Staates und daher nicht nach Kriterien der Moral zu bewerten.39

Eine weitere Kriegsdefinition liefert die Hamburger Arbeitsgemeinschaft Kriegs- ursachenforschung (AKUF), die Krieg als einen gewaltsamen Massenkonflikt beschreibt.

Dieser weist typischerweise folgende drei Merkmale auf:

„(a) an den Kämpfen sind zwei oder mehr bewaffnete Streitkräfte beteiligt, bei denen es sich mindestens auf einer Seite um reguläre Streitkräfte (Militär, paramilitärische Verbände, Polizeieinheiten) der Regierung handelt;

(b) auf beiden Seiten muß [sic!] ein Mindestmaß an zentralgelenkter Organisation der Kriegführenden und des Kampfes gegeben sein, selbst wenn dies nicht mehr bedeutet als organisierte bewaffnete Verteidigung oder planmäßige Überfälle (Guerillaoperationen, Partisanenkrieg usw.);

(c) die bewaffneten Operationen ereignen sich mit einer gewissen Kontinuierlichkeit und nicht nur als gelegentliche, spontane Zusammenstöße, d. h. beide Seiten operieren nach einer planmäßigen Strategie, gleichgültig ob die Kämpfe auf dem Gebiet einer oder mehrerer Gesellschaften stattfinden und wie lange sie dauern.“ 40

Was unterscheidet nun aber Krieg von einem gewaltsamen Konflikt? Die AKUF beantwortet diese Frage damit, dass bewaffnete Konflikte gewaltsame Auseinandersetzungen sind, bei denen jedoch die Kriterien der Kriegsdefinition nicht im vollen Maße erfüllt sind. Zumeist ist die Kontinuierlichkeit der Kampfhandlung nicht gegeben.41

38 Vgl. Frank, Johann: Kants Friedenstheorie im Lichte aktueller sicherheitspolitischer Herausforderungen. S. 35.

In: FH-Diplomstudiengang „Militärische Führung“ an der Theresian (Hrsg.): Armis et Litteris 16. Wiener Neustadt 2006, S. 35–58.

39 Vgl. Frank, Johann: Grundlagen zur Kriegstheorie. S. 135. In: FH-Diplomstudiengang "Militärische Führung"

an der Theresian (Hrsg.): Armis et Litteris 18. Wiener Neustadt 2008, S.105–153.

40 AKUF: Kriegsdefinition und Kriegstypologie. Online unter:

https://www.wiso.uni-hamburg.de/fachbereich-sowi/professuren/jakobeit/forschung/akuf/kriegsdefinition.html [18. 05. 2018].

41 Vgl. AKUF: Kriegsdefinition und Kriegstypologie. Online unter:

https://www.wiso.uni-hamburg.de/fachbereich-sowi/professuren/jakobeit/forschung/akuf/kriegsdefinition.html [18. 05. 2018].

(18)

13 2.1.4. Friede

Friede, aus dem mittelhochdeutschen vride abstammend, bedeutete ursprünglich Schonung oder Freundschaft.42 Eine vorherrschende Meinung ist, dass das Gegenteil von Krieg Friede ist. So wird Friede im Wörterbuch Duden als „Zustand von Ruhe und Sicherheit“43 beziehungsweise als „Zeit, in der kein Krieg herrscht“44 definiert. Galtung meint, dass Friede nur möglich ist, wenn es eine Reduzierung oder gar eine Vermeidung von Gewalt gibt.45 Frieden kann aber ohne Konflikt nicht leben, denn das Kriterium für Friede hängt vom Umgang mit dem Konflikt ab. So schreibt er: „Frieden haben wir dann, wenn eine kreative Konflikttransformation ohne den Einsatz von Gewalt stattfindet.“46 Kreative Menschen können Konflikte transformieren, indem sie bestehende Unvereinbarkeiten überwinden und somit im Konflikt ohne Verwendung von Gewalt mitwirken.47

42 Vgl. Duden. Das Herkunftswörterbuch, 2007, S. 237.

43 Duden. Das Bedeutungswörterbuch, 2010, S. 396.

44 Ebda. S. 396.

45 Vgl. Galtung: Frieden mit friedlichen Mitteln, 2007, S. 17.

46 Ebda. S. 458.

47 Vgl. Ebda. S. 458.

(19)

14

2.2. Das Konfliktdreieck

Für Galtung besteht ein Konflikt aus drei Komponenten, die zusammen das sogenannte Konfliktdreieck bilden. Die erste Komponente ist das Verhalten V, welches sich durch gewaltsame physische oder verbale Handlungen äußern kann. Dieses Verhalten wird durch versteckte Annahmen und Einstellungen A hervorgerufen. Als letzte Komponente nennt Galtung den Widerspruch W, der den Inhalt des Konflikts bildet und durch gegensätzliche Interessen, Bedürfnisse oder Ziele der Konfliktparteien entsteht. Ein Konflikt liegt also genau dann vor, wenn alle drei Komponenten erfüllt sind, das heißt: Konflikt = A+W+V.

Während sich das Verhalten auf der manifesten Ebene, also der sichtbaren Ebene, befindet, so liegen A und W auf der latenten beziehungsweise unterbewussten Ebene.48

Abbildung 1: Das Konfliktdreieck49

48 Vgl. Galtung: Frieden mit friedlichen Mitteln, 2007, S. 134–136.

49 Abbildung nachgezeichnet aus: Galtung: Frieden mit friedlichen Mitteln, 2007, S. 136.

(20)

15

Um das Dreieck besser verstehen zu können, soll nun das zuvor erklärte triadische Konstrukt, das sich aus dem Verhalten, den Widersprüchen und den Annahmen und Einstellungen zusammensetzt, beispielhaft auf den Israel-Palästina-Konflikt angewandt werden.

Das Verhalten V lässt sich recht eindeutig bestimmen, da es sich in Kriegen, gewaltsamen Auseinandersetzungen sowie Attentaten äußert. Die Frage nach dem Territorium und den Grenzen, die Jerusalemfrage, der Siedlungsbau, die Flüchtlingsproblematik und der Wasserkonflikt bilden die Widersprüche beziehungsweise die Inkompatibilitäten zwischen den Konfliktparteien, auf die in dieser Arbeit noch genauer eingegangen wird. (siehe Kapitel 3.A. Die Widersprüche: Status Quo) Zwar können die Konfliktpunkte klar benannt werden, ihre Bedeutungen und die inkompatiblen Zielsetzungen der Konfliktakteure befinden sich jedoch auf der latenten Ebene.

Beide Akteure streben einen für sie zufriedenstellenden Zielzustand an. Die Fragen, die sich hier stellen, sind folgende: Warum können sich die beiden Parteien nicht einigen? Warum scheint es unmöglich, diesen Konflikt zu lösen? Dies hängt mit den Einstellungen der beiden Konfliktparteien zueinander und den jeweiligen persönlichen Annahmen. Denn A befindet sich, wie auch die Widersprüche W, auf der latenten Ebene. Die Gefühle, Einstellungen und Annahmen der beiden Akteure sind durch eine gemeinsame Geschichte geprägt und sind mittlerweile vor allem auf der unterbewussten Ebene zu finden. Negative Gefühle haben sich eingebrannt und vertieft, wodurch Vorurteile und Feindbilder entstanden sind.

Besonders die selektive Wahrnehmung geschichtlicher Ereignisse beeinflusst den Konflikt bewusst und unbewusst.

(21)

16

2.3. Konflikttransformation

Für Galtung kann man nur dann intellektuell über einen Konflikt berichten, wenn man die Konfliktformation beschreiben kann. Bei dieser müssen folgende Fragen beantwortet werden:

Wer sind die Akteure/Parteien? Welche Zielsetzungen gibt es? Wo liegen die Widersprüche beziehungsweise Inkompatibilitäten?50

Wenn von einem Konflikt gesprochen wird, erwartet man sich zumeist einen Endzustand, also ein letztes Stadium, in dem entweder der Konflikt gelöst oder aber für hoffnungslos und ewig andauernd angesehen wird. Eine Konfliktlösung kann nach Galtung als neue Formation betrachtet werden, die für alle Parteien annehmbar ist und die von allen Akteuren akzeptabel ist. Es wäre naiv zu glauben, dass ein Konflikt gelöst ist, wenn die Spitzen der Konfliktparteien ihre Unterschrift auf ein Dokument setzen und damit ausdrücken, dass sie sich einig sind. Zum einen könnten die Regierenden der Parteien vorgeblich unterscheiben und es dabei nicht ehrlich meinen, zum anderen wird der Rest der Konfliktparteien nicht miteinbezogen. Und selbst wenn dieser Rest dem zustimmen würde, bräuchte man noch Stützen, um nicht wieder in alte Muster und negatives Verhalten zurückzufallen.51

Die Konflikttransformation ist, so Galtung, ein niemals endender Prozess, bei dem alte Widersprüche wiederholt auftauchen, sich aber auch neue bilden können. Das Ziel ist aber auch keine stabile, dauerhafte Formation; vielmehr ist der Prozess das Ziel, also das Erlangen einer Transformationskapazität. Mit dieser ist die Fähigkeit gemeint, Transformationen so zu behandeln, dass sie nachhaltig und akzeptabel sind.52

2.3.1. Die Transcend-Methode

Begleiterscheinungen von Konflikten sind meistens Frustrationen, die dadurch entstehen, dass das angestrebte Ziel nicht erlangt werden kann, da ein Hindernis beziehungsweise eine Versperrung als unüberwindbar angesehen wird.53 Galtung nennt drei Formeln, die für eine allgemeine Konflikttransformation gültig sind und dazu beitragen sollen, derartige Hindernisse zu überwinden: Als erste Möglichkeit wird der Rückzug genannt, bei dem das Ziel aufgegeben wird, da es den Aufwand nicht wert ist. Dabei wird es in das tiefere Unterbewusstsein weggesperrt, aus dem es im Laufe der Zeit wieder ausbrechen kann; es kann aber auch erfolgreich eliminiert werden. Des Weiteren nennt Galtung den Kompromiss, bei dem das Streben nach dem Ziel herabgesetzt und so angepasst wird, dass es erreichbar

50 Vgl. Galtung: Frieden mit friedlichen Mitteln, 2007, S. 165.

51 Vgl. Ebda. S. 166.

52 Vgl. Ebda. S. 166.

53 Vgl. Ebda. S. 175.

(22)

17

wird. Bei der Transzendenz, der letzten vom Autor genannten Methode, kommt es zu einer Überwindung der Barriere, wodurch das möglicherweise etwas modifizierte Ziel erreicht werden kann. Dies kann auch deswegen möglich sein, weil das Hindernis nicht so massiv war, wie zuerst angenommen, weil eine Partei im Besitz von unbekannten Ressourcen war oder aber ein dritter Akteur war fähig, das Ziel neu zu definieren. Typischerweise strebt der kreative Mensch die Transzendenz an, der Angepasste den Kompromiss und der Einsame und Gedemütigte den Rückzug.54

Um diesen theoretischen Teil lebensnah zu veranschaulichen, wendet Galtung diese drei Formeln am Israel-Palästina-Konflikt an. Das Ziel der beiden Akteure Israel und Palästina ist die Herrschaft über das umkämpfte Gebiet östlich des Mittelmeers. Die Israelis sehen ihren Anspruch in ihrer Religion, da sie – ihrer Heiligen Schrift nach – das auserwählte Volk im Gelobten Land sind. Die Palästinenser stellen Anspruch auf das betroffene Gebiet, da sie schon vor den Israelis dort siedelten. Sie berufen sich also auf ihre Geschichte. Bei einem Rückzug müsste sich eine oder beide Parteien von ihren Besitzansprüchen lossagen und das Land einem Dritten überlassen. Ein Kompromiss wäre eine Zwei-Staaten-Lösung, diese muss aber nicht zwingend im Verhältnis 50:50, sondern kann auch in jedem anderen Verhältnis ausfallen, wobei das Verhältnis 100:0 keinen Kompromiss darstellen würde. Die Formel der Transzendenz würde angewendet werden, wenn zunächst eine Konföderation, dann eine Föderation und schlussendlich ein Einheitsstaat unter einer Gemeinschaftsregierung gebildet werden würde.55

54 Vgl. Galtung: Frieden mit friedlichen Mitteln, 2007, S. 176.

55 Vgl. Ebda. S. 180.

(23)

18

3.A. Die Widersprüche: Status Quo

Bevor nun die Widersprüche zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen und ihr Status Quo erklärt werden, sollen noch einmal die zuvor erklärten Begrifflichkeiten aus dem Kapitel 2.

Konflikt und Konflikttransformation herangezogen und auf den Israel-Palästina-Konflikt angewandt werden. Auf Grund seiner Vielschichtigkeit und seines Umfangs ist es nicht möglich, den Konflikt mit seinen komplexen Strukturen nur mittels einer Konfliktart oder eines Konflikttyps zu beschreiben.

Der Konflikt spielt sich auf allen vier von Imbusch und Bonacker genannten Ebenen, also auf der interpersonalen, intrapersonalen, innergesellschaftlichen und internationalen Ebene, ab, auch wenn die innergesellschaftliche Ebenen den Konflikt wohl am meisten prägt. Auch Galtungs Mikro-, Meso-, Makro- und Mega-Ebenen können im Israel-Palästina-Konflikt definiert werden. Auf der Mikro-Ebene kann man den Konflikt zwischen zwei Individuen zum Beispiel auf Grund ihrer Religion, Sprache oder Traditionen festsetzen. Die Meso-Ebene würde hier nicht mehr nur ein Individuum umfassen: Hier kommt es zum Übergang vom Persönlichen zu sozialen Konstruktionen wie Bevölkerungszugehörigkeit, gesellschaftliche Stellung und politische Kräfte. Darunter können Konflikte zwischen Gruppierungen – in diesem Fall beispielsweise die Hamas und das israelische Militär – verstanden werden. Die Makro-Ebene umfasst die Konflikte zwischen Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten. Der Nahost-Konflikt, der nicht mehr nur den Konflikt zwischen Israel und der palästinensischen Autonomiegebiete ist, sondern auch den Konflikt zwischen Israel und den arabischen Staaten Syrien, Ägypten, Jordanien, Libanon, Irak und dem Iran beschreibt, sowie der Einfluss und die Einmischung von außenstehenden Mächten wie den USA, Europa und Russland, sind auf der Mega-Ebene zu verankern. Hier handelt es sich nicht mehr nur alleine um die Beziehung zwischen zwei Staaten oder Nationen, sondern auch um ihr Verhältnis zu Drittstaaten.

Auch bei den Konflikttypen kann man keine klare Abgrenzung der Begrifflichkeiten treffen.

So kann der Konflikt nicht nur als antagonistisch beschrieben werden, da es auch Phasen der Friedenssuche gab, in der man zu Kompromissen bereit war. Während der Kriege und der Ersten und Zweiten Intifada ist der Konflikt jedoch als antagonistisch zu beschreiben. Auch aktuell ist er als antagonistisch einzuschätzen, da sich unter anderem die momentane Regierung Israels und die der palästinensischen Autonomiegebiete unversöhnlich und kompromisslos gegenüberstehen. Auch eine Einteilung des Israel-Palästina-Konflikts in einen legitimen und einen nicht-legitimen Konflikt erweist sich als nicht eindeutig. Der

(24)

19

Wasserkonflikt wäre beispielsweise legitim, da es sich hier um eine lebenswichtige Ressource handelt und die Austragungsformen auf Grund der Existenzbedrohung gerechtfertigt sind. Der Konflikt um Jerusalem wäre als nicht-legitim einzustufen, da dieses keine über- lebenswichtige Bedeutung für die beiden Parteien hat.

Der Konflikt kann des Weiteren sowohl als objektiv als auch als subjektiv charakterisiert werden: In ihm geht es einerseits um die Verteilung knapper Güter wie Wasser, andererseits haben sich in der Vergangenheit Feindbilder auf beiden Seiten manifestiert und der Hass und die Aggressivität gegenüber der anderen Partei sind gestiegen, wodurch nicht ausschließlich die Einnahme von knappen Gütern im Vordergrund steht.

Die letzte Unterteilung ist jedoch recht eindeutig zu treffen: Der Israel-Palästina-Konflikt ist als destruktiv zu kategorisieren. Bereits mit den Einwanderungswellen der Juden nach Palästina und der Balfour-Deklaration, aber spätestens mit dem Teilungsplan 1947 und der Ausrufung des Staates Israel 1948 hat sich der Konflikt verselbstständigt und es wurden weitere Widersprüche geschaffen.

Seit hundert Jahren kommt es im Israel-Palästina-Konflikt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Dabei wird hier sowohl direkte Gewalt – sei es ein Siedler, der einen Palästinenser verletzt, oder ein palästinensischer Selbstmordattentäter, der eine Gruppe von Menschen mit sich in den Tod reißt – als auch strukturelle Gewalt, die von den politischen Systemen der beiden Parteien ausgeht, angewandt. Legitimiert werden direkte und strukturelle Gewalt durch die kulturelle Gewalt, mit der man die angewandte Gewalt unter anderem als Verteidigung begründet oder durch religiöse Gründe legitimiert. Der eingeschränkte Zugang der Palästinenser zur Wasserversorgung durch die israelische Verteilungspolitik, aber auch die Vernichtungsparolen gegen Israel durch palästinensische Führer sind nur zwei Beispiele von vielen für die psychische Gewalt im Konflikt.

Im Israel-Palästina-Konflikt wird oft die Religion politisch instrumentalisiert, wobei auch auf Traditionen zurückgegriffen wird, um Ideologien oder Weltanschauungen anderer zu untergraben oder herabzusetzen.56 Sowohl in jüdisch-israelischen, als auch in muslimisch- palästinensisch Gesellschaften nimmt die Religion eine zentrale Stellung in der Identität ein,57 wodurch sie einen enormen Wert im Israel-Palästina-Konflikt erhält. Zwar werden religiöse Traditionen und ihre selektiven Interpretationen nicht immer für politische Zwecke genutzt, um die gewünschten Ziele zu erreichen, allerdings bieten sie für beide Parteien viele

56 Vgl. Ansorge, Dirk: Politik und Religionen im Nahostkonflikt – eine thematische Einführung. In: Ansorge, Dirk (Hrsg.): Der Nahostkonflikt. Politische, religiöse und theologische Dimensionen (=Beiträge zur

Friedensethik 43). Stuttgart 2010, S. 7.

57 Vgl. Bunzl, John: Israel im Nahen Osten. Eine Einführung. Wien 2008, S. 191.

(25)

20

Motivationsgründe, was besonders bei den jüdischen Ansprüchen auf das Land des historischen Palästinas erkennbar ist, denn als Legitimation für die Landnahme wird die Auslegung des jüdischen Tanach genutzt.

3.1 Die Frage nach dem Territorium und den Grenzen

Länder sind künstliche Gebilde, deren Grenzen von Menschen gemacht und nicht durch natürlichen Gegebenheiten entstanden sind, da die natürlichen Grenzen nur menschliche Vorstellungen sind, die den geographischen Gegebenheiten angepasst werden. Grenzen werden genutzt, um zwei Staaten voneinander abzugrenzen beziehungsweise voneinander zu trennen;58 im Fall von Israel und Palästina ist die Grenzziehung offen, was heute noch die Frage nach dem Territorium und den Grenzen aufwirft.

Obwohl das Land Israel zusammen mit den palästinensischen Gebieten flächenmäßig klein ist, verfügt es über eine abwechslungsreiche Topographie. Das Land liegt im Übergangsgebiet zwischen winterfeuchtem Mittelmeer und ganzjährig trockenem Wüstenklima. Mit größer werdender Entfernung vom Mittelmeer gegen Osten oder Süden werden die Regenfälle seltener, wodurch die Lebensbedingungen je nach Lage stark variieren.59

Grob kann das Territorium Israel dreigeteilt werden: Im Norden erheben sich die Golanhöhen und die Berg- und Hügellandschaft in Galiläa, in der der See Genezareth liegt; in der Mitte erstreckt sich der schmale Küstenstreifen und im Süden befindet sich die Wüstenlandschaft des Negev, die bis zur Hafenstadt Eilat reicht.60

Die syrischen Golanhöhen sind ein strategisch wichtiges Gebiet, das im Süden an den See Genezareth grenzt, dem größten Süßwasserreservoir der Gegend. Die Golanhöhen wurden im Sechstagekrieg 1967 von israelischen Truppen erobert und 1981 zum Staatsgebiet Israels erklärt. 61

Das Berg- und Hügelland in Galiläa, das nördlich und östlich des Sees Genezareth liegt, ist besonders bedeutend, da dieses Gebiet rund zwei Drittel des israelischen Wasserbedarfs deckt und die Verteilung der knappen Ressource im Nahen Osten eine wichtige Rolle spielt.62 (siehe Kapitel 3.5. Wasser ist Leben)

58 Vgl. Wasserstein, Bernard: Israel und Palästina. Warum kämpfen sie und wie können sie aufhören?

2., aktualisierte Auflage, München 2009, S. 89. Im Folgenden zitiert als: Wasserstein: Israel und Palästina, 2009.

59 Vgl. Vieweger: Streit um das Heilige Land, 2017, S. 40.

60 Vgl. Herz, Dietmar: Palästina. Gaza und Westbank. Geschichte Politik Kultur. 5., völlig überarbeitete und aktualisierte Auflage, München 2003, S. 13–17. Im Folgenden zitiert als: Herz: Palästina, 2003.

61 Vgl. Vieweger: Streit um das Heilige Land, 2017, S. 40.

62 Vgl. Asseburg/Busse: Der Nahostkonflikt, 2016, S. 78.

(26)

21

Der Norden Israels ist aber auch bekannt für die fruchtbaren Berghänge, die sowohl für den Ackerbau als auch für die Viehzucht gut geeignet sind, aber auch Weinanbau und Olivenhaine florieren in dieser Gegend.63

Auch die Küstenebene ist sehr fruchtbar: Die hier angebauten Zitrusfrüchte machen einen großen Teil des israelischen Exports aus.64 Die Küstenebene, aber besonders Haifa im Norden und Tel Aviv in der Mitte des Küstenstreifens, bildet das wirtschaftliche Zentrum Israels. Tel Aviv repräsentiert die säkulare und moderne Seite Israels und die Großstadt ist besonders durch dessen liberale Atmosphäre bekannt. Auch wenn sich der Rest des Landes im Ausnahmezustand befindet, wird ein friedliches Zusammenleben verschiedenster Bevölkerungsgruppen in Tel Aviv ermöglicht.65

Israels größte Region bildet die Wüste Negev im Süden: Sie macht etwa 60% des Staatsgebiets aus. Auch wenn der nördliche Teil des Negev noch recht fruchtbar ist und im Zentralnegev Bodenschätze wie Phosphate zu finden sind, lebt trotz zahlreich gegründeter Städte nur ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung in diesem Gebiet, da der Boden teilweise aus erosionsgefährdetem Löss besteht. Im Süden der Wüste Negev, wo diese an das Rote Meer grenzt, befindet sich die Stadt Eilat. Eilat ist als Badeort, aber vor allem als kommerzieller Hafen besonders wichtig für Israel. Die Hafenstadt war in der Geschichte häufig Auslöser für einen Konflikt zwischen Israel und dem arabischen Nachbarstaat Ägypten, der die Hafenstadt mit Jordanien einrahmt. Seit dem Friedensschluss mit Ägypten 1979 bemüht man sich jedoch um Kooperation, da diese Region nach wie vor touristisch beliebt ist.66

Während Israel vorwiegend fruchtbares Land zu seinem Staatsgebiet zählen kann, gehören der Gazastreifen und die Westbank, die „sich über die von Dünen dominierten südlichen Ausläufer des Küstenstreifens und große Teile des kargen westjordanischen Berglandes“67 erstrecken, zu den palästinensischen Gebieten. Der Gazastreifen, der im südlichen Bereich der fruchtbaren Küstenebene liegt, wird von Sandwüste dominiert.68 Die Stadt Gaza, die zu den ältesten Städten des Nahen Ostens gehört, ist der Mittelpunkt des Gazastreifens, weswegen sich dort auch wichtige Institutionen der palästinensischen Autonomiebehörde befinden.

Neben dem Anbau von Zitrusfrüchten spielen auch der Fischfang und Fischereierzeugnisse eine große Rolle, außerdem die Produktion von Teppichen und Möbeln, die dann in der Stadt

63 Vgl. Vieweger: Streit um das Heilige Land, 2017, S. 40.

64 Vgl. Ebda. S. 40.

65 Vgl. Herz: Palästina, 2003, S. 13.

66 Vgl. Ebda. S. 17–18.

67 Vieweger: Streit um das Heilige Land, 2017, S. 41.

68 Vgl. Ebda. S. 40.

(27)

22

Gaza vermarktet werden. Die Industrie und der Handel hätten enorm von dem geplanten Bau eines palästinensischen Hafens bei Gaza profitiert, jedoch wurde dieser von der israelischen Regierung nicht gestattet.69

Das Westjordanland liegt südlich des Sees Genezareth westlich des Jordan, nimmt einen großen Teil der mittleren und südlichen Bergregion ein und reicht bis zum Toten Meer. In der Westbank ist die Stadt Nablus das wirtschaftliche Zentrum der Palästinenser und besonders bekannt für die Produktion von Seife aus Olivenöl. Ramallah gilt als weltoffenste Stadt in den palästinensischen Gebieten und ist besonders für das rege Nachtleben und die Kunstszene mit Galerien und Museen bekannt, die jedoch nach der Al-Aqsa-Intifada und der Besetzung der Stadt durch das israelische Militär stark gelitten haben.70 In der Stadt Hebron herrscht seit Jahren eine angespannte Stimmung. Die Stadt, die im südlichen Teil des Westjordanlandes liegt, erlangte ihre Bedeutung durch die religiösen Überlieferungen, denen zufolge Abraham dort ein Erdgrab für seine Familie erworben hat. Diese Grabstätte Abrahams und den nachfolgenden Patriarchen ist in allen drei monotheistischen Religionen heilig. Auch heute kommt es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den etwa hundert verbliebenen israelischen Siedlern und den dort mehrheitlich lebenden Palästinensern.71

Der Gazastreifen und das Westjordanland stehen seit dem Oslo-II-Friedensabkommen von 1995 unter palästinensischer Selbstverwaltung, jedoch wurde das Gebiet in drei Zonen aufgeteilt, wodurch es kein territorial einheitliches Verwaltungsgebiet ist.72 (siehe Kapitel 3.17. Wiederaufnahme des Friedensprozesses)

Nicht nur die landwirtschaftlichen beziehungsweise topografischen Differenzen des israelischen und des palästinensischen Territoriums führen zur unterschiedlichen wirtschaftlichen Lage der beiden Konfliktparteien: Besonders die gesellschaftlichen und politischen Strukturen nehmen einen enormen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung.73 Durch das enorme Bevölkerungswachstum in den palästinensischen Gebieten kommt es zur Erschöpfung der für die Landwirtschaft verfügbaren Flächen, da der Neubau von Wohnungen das mögliche Ackerland immer weiter reduziert.74 Im Gebiet des Gazastreifens, der 365 km² ausmacht, lebten im Jahr 2007 1 416 543 Palästinenser, was einer Bevölkerungsdichte von 3880 Menschen pro km² entspricht; im Westjordanland, das 5655 km² groß ist, lebten 2 350 583, was in etwa 416 Menschen pro km² ausmacht. Das Gebiet Israel – ohne

69 Vgl. Herz: Palästina, 2003, S. 14.

70 Vgl. Ebda. S. 14.

71 Vgl. Ebda. S. 17.

72 Vgl. Ebda. S. 14.

73 Vgl. Vieweger: Streit um das Heilige Land, 2017, S. 41.

74 Vgl. Ebda. S. 44.

(28)

23

Ostjerusalem und den Golanhöhen – umfasst 20 991 km² Fläche und hat 8 547 000 Einwohner, wobei davon etwa 80% Juden und 20% israelische Palästinenser sind. Das ergibt eine Bevölkerungsdichte von 407 Menschen pro km².75 Während die israelische Regierung das Problem der hohen Bevölkerungsdichte mit dem Siedlungsbau im Westjordanland löst, wird die Besiedelungsfläche für die dort lebende palästinensische Bevölkerung immer geringer.76

Zudem begann Israel mit dem Bau einer Sperranlage zum Westjordanland im Jahr 2002 (siehe Kapitel 3.18.2. Der Bau einer Mauer), die jedoch nicht immer auf der Grünen Linie77 verläuft, sondern teilweise in das Westjordanland hineinreicht. Viele Palästinenser sehen den Bau der Mauer als Grenzziehung seitens Israels, nur dass Israel mit dem Abschluss des Baus der Sperranlage circa ein Zehntel des Westjordanlands als Territorium dazu gewinnen würde.78 Vor allem beeinträchtigt die Mauer das Leben der Palästinenser, da sie, um zu ihren Feldern oder zu ihren Arbeitsstellen zu kommen, durch das israelische Militär kontrollierte Checkpoints passieren müssen, wo ihnen die Einreise teilweise verweigert wird.79

Das Territorium steht für beide Völker für Heimat. Während die Juden mit der Staatsgründung Israels 1948 in ihre Heimat zurückkehren konnten, verloren die Palästinenser ihre.80

Die Ansprüche auf das Land von israelischer Seite beruhen vor allem auf religiösen Auslegungen. Sie berufen sich auf Stellen im Tanach, nach denen ihnen JHWH das Gelobte Land schenkt, wobei dieses auch Ostjerusalem, die Westbank und den Gazastreifen umfasst.81 Religiöse Juden sehen es daher als ihre Pflicht, das Land mit einer der heutigen Zeit angepassten Eroberungspolitik zurückzugewinnen.82 Hier muss jedoch erwähnt sein, dass der religiöse Fundamentalismus auch teilweise in Israel selbst kritisiert wird und dass die israelische Gesellschaft alles andere als homogen ist. Es gibt zahlreiche israelische Juden, die über die Lage in der Westbank und im Gazastreifen entsetzt sind und über die dortigen

75 Bevölkerungszahlen aus: Der neue Fischer Weltalmanach. Zahlen Daten Fakten. Frankfurt am Main 2017, S. 223.

76 Vgl. Vieweger: Streit um das Heilige Land, 2017, S. 45.

77 Als Grüne Linie wird die Waffenstillstandsgrenze von 1949 zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten bezeichnet, da die Waffenstillstandslinie mit grüner Farbe in die Karte eingezeichnet wurde. Oft wird die Grüne Linie auch als Grenzen von 1967 bezeichnet; dabei sind die Grenzen vom Vorabend des 1967er-Krieges, bevor israelische Truppen die die Golanhöhen und die Sinai-Halbinsel eroberten, gemeint. Siehe dazu:

Asseburg/Busse: Der Nahostkonflikt, 2016, S. 22

78 Vgl. Johannsen: Der Nahost-Konflikt, 2011, S. 60.

79 Vgl. Vieweger: Streit um das Heilige Land, 2017, S. 45.

80 Vgl. Damir-Geilsdorf, Sabine: Die nakba erinnern. Palästinensische Narrative des ersten arabisch-israelischen Krieges. Wiesbaden 2008, S. 183.

81 Vgl. Topp, Michael: Eretz Israel – Was wird aus Palästina? Religiöser Fundamentalismus im Nahostkonflikt.

Berlin 2012, S. 36. Im Folgenden zitiert als: Topp: Eretz Israel, 2012.

82 Vgl. Topp: Eretz Israel, 2012, S. 33.

(29)

24

Zustände berichten, um so Aufmerksamkeit für die Gebiete zu erlangen. Jedoch haben sie auf Grund der gegenwärtigen Regierungspolitik kaum bis gar keinen Einfluss.83

Für die Palästinenser sind ihre religiösen Ansprüche vielmehr eine Reaktion auf die jüdisch- religiöse Propaganda. Grundsätzlich wird jedoch das palästinensische Siedlungsrecht historisch begründet, da die Palästinenser ihre Wurzel in der autochthonen Bevölkerung des Gebiets haben, die zwar christlich, islamisch und auch jüdisch beeinflusst und geprägt wurde, sich jedoch später vor allem mit den Arabern unter deren Herrschaft vermischte.84

Auch der Gazastreifen ist von Israel durch einen Grenzzaun abgetrennt, der aber auf der Grünen Linie verläuft und deswegen international auf weniger Kritik stößt. Um jedoch Beschädigungen und anderen Bedrohungen vorzubeugen, entschied die israelische Regierung eine Pufferzone vor dem Zaun auf palästinensischem Gebiet zu errichten. Diese Pufferzone darf von den Palästinensern nicht betreten werden. Außerdem stehen die Küstengewässer und der Luftraum des Gazastreifens unter israelischer Kontrolle.85

Zu enormen Einschränkungen kam es durch die Al-Aqsa-Intifada, mit deren Ende die israelische Regierung die Abkoppelung vom Gazastreifen verschärfte. Waren- und Personenverkehr zwischen dem Westjordanland und dem Gazastreifen wurden massiv eingeschränkt. Für die Bevölkerung bedeutete dies eine drastische Verschlechterung.86 Nach dem Flotilla-Zwischenfall (siehe Kapitel 3.18.4. Der Arabische Frühling und seine Auswirkungen) lockerte die israelische Regierung auf internationalen Druck hin die Blockade ein wenig. Trotzdem blieb der Gazastreifen isoliert und hatte so keine Möglichkeit, sich wirtschaftlich zu entwickeln. Mit der Blockade im Gazastreifen wurde auch der Fischfang eingeschränkt, denn nun durften palästinensische Fischer nur noch ein paar Kilometer von der Küste entfernt fischen, wodurch sie jedoch die Stellen, an denen sich die meisten Fische befinden, nicht mehr erreichen. Mit der Abriegelung im Gazastreifen kollabiert die dortige Wirtschaft. Laut B’Tselem – The Israeli Information Center for Human Rights in the Occupied Territories – erreichte die Arbeitslosenquote im Jahr 2017 44% im Gazastreifen.87 Armut, persönliche Perspektivenlosigkeit, aber auch das mangelhafte Bildungssystem sorgen für Unmut im Gazastreifen und in der Westbank, besonders unter den palästinensischen Jugendlichen. Durch die militärische Präsenz Israels in den palästinensischen Gebieten sowie mehreren Übergriffen und dem weiteren Ausbau von Siedlungen und der damit verbundenen

83 Vgl. Topp: Eretz Israel, 2012, S. 38–39.

84 Vgl. Herz: Palästina, 2003, S. 19.

85 Vgl. Johannsen: Der Nahost-Konflikt, 2011, S. 61.

86 Vgl. Herz: Palästina, 2003, S. 121.

87 Vgl. B’Tselem: The Gaza Strip. Online unter: https://www.btselem.org/gaza_strip [30. 03. 2018].

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Israel bietet unmittelbar nach Krieg Land für Frieden an, wird von arabischen Staaten abgelehnt. • Damit wird Israel zum Besatzer: Weltweit als Wandel vom David zum

In arabischer Umgebung unterwegs__ 454 Informationen für die Praxis - unterwegs in der

Und zwei Tage nach unserer Ankunft in Haifa, hatte ich Geburtstag, was mich dann schon ein bisschen Zuhause und meine Freund*innen vermissen ließ.. Jedoch wurde ich von den Mädels

Ich möchte deshalb auf den folgenden Zeilen, kurz bevor dies Buch in den Druck geht, die letzten Gedanken Vladimirs zusammenfassen, was dieses wichtige Faktum für den

Die Rechnung des israelischen Militärs ging jedoch nicht auf und hatte sogar den gegenteiligen Effekt: Statt einen Keil zwischen die Bevölkerung und Nasser zu treiben, vereinte

Die Zeit des Nationalsozialismus und der Holocaust hat die meisten deutschen Politiker der Nachkriegszeit dazu bewogen, in einem guten Verhältnis Deutschlands zu Israel eine

6.3.3 Israel und Palästina – von der Hoffnung auf Frieden Teil 6.3: Unsere Wurzeln im Judentum.. Israel zu

Der Araber hat wie alle Söhne Sems einen scharfen, gewitzten Verstand (…) Sollte es eines Tages dazu kommen, dass sich das Leben unseres Volkes [der Juden] im Land Israel bis zu