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Der Arabische Frühling und seine Auswirkungen

2. Konflikt und Konflikttransformation

3.18 Ende der Zweiten Intifada bis heute

3.18.4. Der Arabische Frühling und seine Auswirkungen

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übernehmen und sie in den Gazastreifen zu transportieren, dies wurde jedoch von der Flottenmannschaft abgelehnt. Daraufhin kreisten israelische Schiffe den Hilfskonvoi ein und enterten ihn.413 Neun Aktivisten wurden getötet und mehrere israelische Soldaten verletzt. Da diese Aktion in öffentlichen Gewässern stattfand, erregte sie internationales Aufsehen und wurde scharf kritisiert. Darunter litt auch das israelische Verhältnis zur türkischen Regierung, da diese neun verstorbenen Aktivisten aus der Türkei stammten. Weil sich die israelische Regierung für diesen Vorfall auch nicht entschuldigen wollte, löste die türkische Regierung sämtliche Militärabkommen auf.414

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Vorbereitung der Wahlen, den Wiederaufbau des Gazastreifens sowie die Aufhebung der Blockade und um eine Überwindung der Spaltung kümmern sollte.418

Am 29. November 2012 wurde der Staat Palästina in der UNO mit einer Mehrheit von 138 von 193 Stimmen zu einem beobachtenden Nicht-Mitglied aufgewertet – es gab neun Gegenstimmen und 41 Enthaltungen. Dass dieser „Akt einer politisch-diplomatischen Anerkennung von Palästina als Staat jedoch vor allem ein symbolischer [war], der gerade nicht mit der faktischen Unabhängigkeit korrespondierte, war dabei allen beteiligten AkteurInnen vollkommen klar.“419 Der Status des Beobachterstaates brachte mehr Mitspracherecht bei den Vereinten Nationen mit sich, außerdem konnten die Palästinenser nun auch Resolutionen einbringen. Seit 2015 hat Palästina nun auch Zugang zum Internationalen Strafgericht. Somit ist es möglich, israelische Militäroperation sowie den Siedlungsbau im Westjordanland vor Gericht zu bringen. Während Mahmud Abbas von der Geburtsstunde des Staates Palästina spricht, blieb die israelische Regierung unter Benjamin Netanjahu gelassen: Für ihn war die palästinensische Aufnahme in die UN bedeutungslos, da es durch die UN-Abstimmung trotzdem keinen Palästinenserstaat gab, weil kein UN-Mitglied dadurch einen Staat Palästina diplomatisch anerkennen musste. 2013 führte Abbas die Bezeichnung Staat Palästina anstatt Palästinensische Autonomiebehörde ein, die von da an in den palästinensischen Gebieten verwendet wurde.420 Für die Palästinenser war dies der zweite internationale Erfolg, nachdem Palästina 2011 als Vollmitglied in die UNESCO aufgenommen wurde.421

Auch ab dem Jahr 2012 kamen die Israelis und die Palästinenser nicht zur Ruhe. Im November kam es zu einem erneuten Einmarsch israelischer Truppen in den Gazastreifen.

2014 kam es zur Operation Starker Fels, die von israelischer Seite auf Grund der Entführung und Tötung dreier Jugendlicher und dem anhaltenden Raketenbeschuss durchgeführt wurde.422 Im Herbst 2015 kam es zu einer neuen Welle von palästinensischen Anschlägen auf Israel, weswegen Abbas am 30. September 2015 das Osloer Friedensabkommen, das von beiden Seiten nicht mehr geachtet wurde, auflöste. Auf Grund der neuerlichen Gewaltspirale traf sich das Nahost-Quartett am 1. Juli 2016, um über die aktuelle Lage im Nahen Osten zu

418 Vgl. Asseburg: Der Arabische Frühling und die Zuspitzung des israelisch-arabischen Konflikts, 2012, S. 166

419 Krieger, Helmut: Umkämpfte Staatlichkeit. Palästina zwischen Besatzung, Entwicklung und politischem Islam. Wien 2014, S. 19–20.

420 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung: Vereinte Nationen machen Palästina zum Beobachterstaat. Online unter: http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/150698/un-machen-palaestina-zum-beobachterstaat-30-11-2012 [12. 03. 2018].

421 Vgl. Hessel/De Keyser: Palästina, 2014, S. 138.

422 Vgl. Pabst: Der Nahostkonflikt, 2018, S. 189-190.

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diskutieren. Dabei wurde an die Israelis und Palästinenser appelliert, von weiteren Siedlungsprojekten und Terroranschlägen abzusehen, um so weiteren Ausschreitungen vorzubeugen. Dies wurde weder von den Israelis noch den Palästinensern beachtet.423

Der israelisch-palästinensische Konflikt wurde im Dezember 2017 erneut Teil der Medienwelt. Dafür sorgte der amerikanische Präsident Donald Trump, als er sagte:

„Therefore, I have determined that it is time to officially recognize Jerusalem as the capital of Israel“424 Die Kleine Zeitung berichtete davon, dass der Aufruf Trumps, Jerusalem als die Hauptstadt Israels anzuerkennen sowie die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, unter den Palästinensern Unruhen und Demonstrationen auslöste.425 Hamas-Anhänger sollen, der Presse zufolge, unterdessen zu einer Intifada zur Befreiung Jerusalems aufgerufen haben, mit der Begründung, Trumps Entscheidung komme einer Kriegserklärung gleich.426

Durch Völker- und Menschenrechtsverletzungen, der Zersiedelung des Westjordanlandes sowie „die zunehmende Rechtsentwicklung in Israel und den palästinensischen Gebieten, das Scheitern des Arabischen Frühlings in den Nachbarstaaten, der schnelle Machtzuwachs des IS-Terrorismus und nicht zuletzt die Zunahme wirtschaftlicher und sozialer Krisenerscheinungen in Palästina schürten neue Ängste und Hassgefühle.“427 In den israelischen Schulen wird den heranwachsenden Generationen zunehmend Angst und Feindschaft gegenüber allen Arabern beigebracht und geschichtliche Ereignisse werden verdreht oder gar weggelassen. Zudem wird die Westbank als Bestandteil des jüdischen Staates betrachtet, obwohl mehr als 2,5 Millionen Palästinenser dort leben. Die Grüne Linie, die international auch nach dem Sechstagekrieg als Grenze anerkannt wird, wird im israelischen Nationalbewusstsein verdrängt und verblasst zunehmend, da verschiedene Regierungen eine Umgestaltung der Geographiebücher veranlassten, in denen die Grüne Linie nicht mehr eingezeichnet wurde. Auch das Westjordanland wird in den Schulbüchern verzerrt als leeres Territorium in Israel dargestellt, die Siedler werden in diesem Zusammenhang als Wohltäter beschrieben, die das Land wieder kultivieren und europäisch angehauchte Siedlungen erbauen und nicht wie die Palästinenser in heruntergekommenen einstöckigen Häusern leben. Dabei wird die palästinensische Eigenstaatlichkeit auf Karten nicht

423 Vgl. Timm: 100 Dokumente aus 100 Jahren, 2017, S. 636.

424 WhiteHouse: Statement by President Trump on Jerusalem. Online unter:

https://www.whitehouse.gov/briefings-statements/statement-president-trump-jerusalem/ [12. 03. 2018].

425 Vgl. Kleine Zeitung Steiermark: Jerusalem? Das geht gar nicht. Bericht vom 10. 12. 2017.

426 Vgl. Die Presse: Jerusalem als Israels Hauptstadt. Hamas ruft zu Intifada auf. Bericht vom 07. 12. 2017.

Online unter: https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5334479/Jerusalem-als-Israels-Hauptstadt_Hamas-ruft-zu-Intifada-auf [12. 03. 2018].

427 Timm: 100 Dokumente aus 100 Jahren, 2017, S. 636.

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verzeichnet.428 Vor allem die israelische Friedensaktivistin Nurit Peled-Elhanan berichtet äußerst ausführlich über die israelischen Schulbücher und ihre falschen Darstellungen der Palästinenser.429 Aber auch in palästinensischen Schulbüchern befindet sich kein Staat Israel und es wird gegen die Israelis gehetzt. Verschiedene Ereignisse die zu Gunsten der Israelis ausgefallen waren, werden in den Schulbüchern negiert und weggelassen.430

Durch das verzerrte und einseitige Geschichtsbild und die Weitergabe von diesem an die jüngeren Generationen wird die Aufarbeitung und Bewältigung der negativen Gefühle beider Parteien erschwert.

Die vorangegangenen Seiten sollen einen Einblick in die Geschichte der beiden Völker von der Besiedelung Kanaans bis ins Jahr 2018 gegeben haben. Die historischen Ereignisse zeigen, dass es Zeiten des friedlichen Zusammenlebens und der positiven gegenseitigen Beeinflussung gab. Erst im 20. Jahrhundert kam es vermehrt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Dieses Kapitel hat aufgezeigt, dass jegliches Handeln eine Reaktion hervorruft, sei es ein positives Ereignis wie die gegenseitige Anerkennung 1993, durch die die Unterzeichnung des Osloer Friedensabkommens erreicht wurde, oder aber ein gewalttätiger Übergriff, der einen Racheakt zur Folge hatte. Da dieser hoch komplexe Konflikt von negativen emotionalen Energien wie aggressiven und von Angst geprägten Gefühlen beider Seiten gelenkt wird und so Friedensprozesse von Gewaltakten überschattet werden, ist ein Ausbrechen aus der Konfliktspirale kaum möglich. Entscheidend ist jedoch, wie mit geschichtlichen Ereignissen umgegangen wird, wie sie aufgearbeitet und wiedergegeben werden. Besonders im israelisch-palästinensischen Konflikt kommt es zu einer selektiven Wahrnehmung des historischen Geschehens und einer von der Wirklichkeit abweichenden Geschichtskonstruktion, wie man deutlich an der Erinnerung an den ersten Nahostkrieg erkennen kann. Kollektive Gefühle beeinflussen das Weitergeben der historischen Ereignisse an die Folgegenerationen, da diese durch die einseitig aufgearbeitete Geschichte indirekt beeinflusst und manipuliert werden. Sowohl in den Medien als auch in der Schule werden die Ereignisse verdreht oder nur aus einem Blickwinkel betrachtet. Auch wenn diese befangene Übermittelung und die damit verbundene Beeinflussung nicht immer intendiert ist, so ist es trotzdem unabdinglich, historische Tatsachen korrekt und objektiv an Nachfolgegenerationen weiterzugeben, da das Verleumden, Verharmlosen oder Verleugnen von grausamen Ereignissen zu einem nicht objektiven, befangenen und somit falschen Geschichtsbild führt.

428 Vgl. Wyss: Wir haben nur dieses Land, 2013, S. 242–243.

429 Vgl. Peled-Elhanan, Nurit: Palestine in Israeli Schoolbooks. Ideology and Propaganda in Education. New York 2012, S. 48-100.

430 Vgl. Wyss: Wir haben nur dieses Land, 2013, S. 243.

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