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CHINA. Carl Hanser Verlag, München QZ Jahrgang 51 (2006) 12

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In manchen Branchen leuchten die chinesischen Exporte bereits taghell, in der Automobilindustrie erklimmt die fernöstliche Sonne gerade den Horizont.

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C

hina ist dabei, Deutschland als Ex- porteur zu überholen – nicht nur in der Textil- oder Spielzeugin- dustrie, sondern auch bei technologisch anspruchsvollen Konsumgütern (Bild 1).

In diesen Bereichen bilden chinesische Unternehmen das letzte Glied einer Wert- schöpfungskette, die irgendwo in den westlichen Industrieländern (einschließ-

lich der industriell entwickelten asiati- schen Länder wie Japan oder Korea) be- ginnt. Mit dem Siegel „Made in China“

versehen landen in China komplettierte Handys, Computer, Faxgeräte oder Fern- seher, deren technologischer Kern zumeist aus dem Westen stammt, bei Kunden in aller Welt. Diese kaufen sie ohne Zögern, weil sich die Produkte in der Qualität von

hiesigen Erzeugnissen nicht unterschei- den und zu wettbewerbsfähigen Preisen erworben werden können.

Diese Entwicklung setzt sich in einem deutlichen Ausmaß weiter fort. An ihr ist abzulesen, mit welchem Einsatz und Elan sowie in welchen Schritten die chinesische Industrie den Anschluss an westliche Na- tionen sucht und findet. Das in diesen Sektoren in China praktizierte Qualitäts- management funktioniert offensichtlich, andernfalls könnten die Exporte nicht er- folgreich sein.

Pkw „Invented and made in China“ noch nicht in Sicht

Bei komplexeren Produkten, wie etwa ei- nem Automobil, sieht es noch anders aus (Bild 2). Zwar kündigten chinesische Autobauer immer wieder Exportoffensi- ven nach den USA oder Richtung EU an, doch die Realisierung des ehrgeizigen Pro- jekts hinkt seiner Ankündigung deutlich hinterher. Ein Pkw „Invented and made in China“, der im weltweiten Wettbewerb bestehen könnte, ist nicht in Sicht. Dies hat Gründe. Ein Auto besteht aus vielen verschiedenen Technologien, Werkstof- fen, Komponenten und Teilen, die die Chinesen im notwendigen Detaillie- rungsgrad und in der erforderlichen Ent- wicklungstiefe noch nicht beherrschen.

Auch weist ihr Qualitätsmanagement noch derart große Lücken auf, dass ein Ex- port von chinesischen Pkws etwa in

QUA L I T Ä T S M A N AG E M E N T I N C H I N A – E R FA H RU N G E N U N D R AT S C H L Ä G E

Sonnenaufgang im Osten

Martin Posth, Klaus Wulf, Hans-Joachim Paul und Ulrich Sturzebecher, Wolfsburg

Die Chinesen beginnen, Deutschland den Titel als Export- weltmeister streitig zu machen. Über die nötige Technik und das Können dazu verfügt inzwischen selbst die fernöstliche Automobilindustrie. Der fehlende Schlüssel heißt heute noch Qualität. Dem westlichen zielorientierten Qualitätsmanage- ment steht eine gänzlich andere Mentalität entgegen. In Chi- na engagierte deutsche Unternehmen müssen sich darauf einstellen.

0 2005

Deutschland USA Japan China 2004

2003 2002

2 4 6 8 10 12

Anteil am Weltexport

Bild 1. China auf dem Weg zum Exportweltmeister: Anteile der führenden Exportnationen am Weltexport in den vergangenen Jahren (Quelle: WTO)

© QZ– Qualität und Zuverlässigkeit

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die EU kurzfristig ausgeschlossen ist.

Als Ende der fünfziger Jahre der erste Honda auf dem deutschen Markt auf- tauchte, winkten die Kunden lächelnd ab:

Wer wollte schon eine klapprige „Reis- schüssel“ fahren, wo man einen soliden Käfer, einen schicken Opel oder gar einen renommierten Mercedes kaufen konnte?

Die Qualität des ersten japanischen Autos in Europa mutete geradezu lachhaft an.

Japan – fernöstlicher Vorreiter

Mit der Zeit ist den Herstellern das La- chen im Hals stecken geblieben. Die Ja- paner zogen sich zwar zunächst zurück, lernten aber fleißig und entwickelten ih- re Automobilindustrie. Und mehr als das:

Erst holten sie die Stückzahlen amerika- nischer und europäischer Autobauer ein, dann kam mit der Masse auch die Klasse:

Ein Produktionssystem (Just-in-time) verbunden mit einem Qualitätssystem (Kaizen) mit ganz eigenen Merkmalen, die in Japan entwickelt worden waren, trat seinen Siegeszug um die ganze Welt an. In der Automobilindustrie lassen sich Euro- päer und Amerikaner bis heute von den Japanern vormachen, wie man Qualität fabriziert.

Auch die Koreaner ließen nicht lange auf sich warten und sind heute ernsthaf- te Konkurrenten auf dem Weltmarkt, ins-

besondere in den Segmenten kleiner Fahr- zeuge. Und nun tauchen die ersten chine- sischen Automobile auf unseren Messen auf. Wieder ertönt leicht höhnisches Ge- lächter: „Die halten ja noch nicht einmal den einfachsten Crashtests stand“, kom- mentiert man den „Landwind“ und die Produkte, die die Hersteller Geely, Chery und Brilliance auf den großen Messeplät- zen der Welt stolz präsentieren (Bild 3).

Dabei sollten wir aus den Erfahrungen mit den Japanern und Koreanern zumin- dest gelernt haben, möglicherweise auf- schließende Wettbewerber ernst zu neh- men und aufmerksam zu beobachten.

Denn genau wie die Japaner in den siebziger und die Koreaner in den achtzi- ger Jahren haben die Chinesen inzwischen in der Masse aufgeschlossen. In nur zwei Jahrzehnten hat sich China zu einem der größten Automobilhersteller und Absatz- märkte der Welt entwickelt (Bild 4). Im vergangenen Jahr (2005) wurden in Chi- na 5,7 Mio. Kraftfahrzeuge produziert, da- von 3,9 Mio. Pkws. Abgesetzt wurden im gleichen Jahr insgesamt 5,9 Mio. Kraft- fahrzeuge, 100 000 mehr als der japani- sche Markt im gleichen Zeitraum auf- nahm.Allerdings ist die Verkehrsdichte im Reich der Mitte nach wie vor sehr be- scheiden. Während in Deutschland auf 1000 Einwohner 590 Kfz kommen, sind es in China ganze 21 Vehikel – immerhin

doppelt so viele wie in Indien mit seinen 11 Kfz.

Dennoch: Die Masse ist zweifellos er- reicht.Aber wie sieht es mit der Klasse aus?

Warum reicht die Qualität chinesischer Autos an die europäischen Modelle noch nicht heran? Wann werden die Chinesen so weit sein, dass sie in der Europäischen Union ein Auto auf den Markt bringen können, das hiesigen sicherheits- und umwelttechnischen Erfordernissen ent- spricht (Homologierung) und sich in Eu-

Literatur Auf welche (vor allem interkul- turellen) Proble- me deutsche Unternehmer bis heute in China treffen und wie sich die spezifi- schen Heraus- forderungen er-

folgreich bewältigen lassen, hat Martin Posth im Rückgriff auf die Anfangsphase von Shanghai Volkswagen in diesem Buch zusammen getragen. Der Leser erhält hautnahe Einblicke in die abenteuerliche Gründung der ersten chinesisch-deut- schen Automobilfabrik. Gleichzeitig birgt dieses Schlüsselprojekt der modernen In- dustriegeschichte Chinas jede Menge praktische Ratschläge für eine gelungene Zusammenarbeit mit dem chinesischen Partner. In zwölf teils sachlich, teils auto- biografisch sortierten Kapiteln schildert der Autor seine Erfahrungen aus der Pio- nierzeit der modernen chinesischen Auto- mobilindustrie und bilanziert sie auf dem Hintergrund der gegenwärtigen Heraus- forderungen. Dabei ist ihm ein authenti- sches und fesselndes Werk über eine wichtige Phase der deutschen Exportwirt- schaft gelungen. Posth liefert faszinieren- de Insider-Einblicke in eines der span- nendsten Auslandsengagements der deutschen Industrie, das mit dem Thema Qualitätsmanagement wie mit einem ro- ten Faden verwoben ist.

Martin Posth: 1000 Tage in Shanghai.

Carl Hanser Verlag, München/Wien 2006 264 Seiten, 19,90 Euro

ISBN: 3-446-40621-2

Leseproben und Inhaltsverzeichnis unter

www.qm-infocenter.de/b168

Bild 2. China auf der Überholspur: Anteile am Weltexport nach ausgewählten Wirtschafts- sektoren (Quelle: WTO)

0 Autoindustrie

EU USA Japan China

Anteil am Weltexport Prod. Industrie

Textilindustrie Büro- und Telekommunikation

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ropa erfolgreich auf dem Markt behaup- ten kann? Viele deutsche Manager, die China im Laufe ihres Berufslebens mit ei- genen Augen kennengelernt, die dort ge- arbeitet und vor Ort gute Erfahrungen mit ihren chinesischen Kollegen und Mitar- beitern gesammelt haben, sind von der Geschwindigkeit, mit der diese dazuler- nen, begeistert. Sie versichern gern und aufrichtig überzeugt, dass es bereits in zwei, drei Jahren so weit sein könnte.

Auf Masse folgt Klasse

Denn theoretisch verfügen die Chinesen über alles, was man für ein wirksames Qualitätsmanagement braucht. Ein etwas nüchternerer Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse lässt vermuten, dass wir doch noch ein wenig mehr Zeit haben, bis ein in China entwickeltes und produziertes Fahrzeug (Chinese Brand Car) als selbst- ständige chinesische Marke auf dem eu- ropäischen Markt Erfolge feiern kann (Ta- belle 1). Das größte Hindernis, mit dem die chinesischen Automobilproduzenten und ihre Zulieferer heute noch kämpfen,

ist das Defizit an eigener technologischer Kompetenz. Das Vermögen, Karosse, Tei- le und Komponenten aus eigener Kraft auf Augenhöhe mit westlichen Wettbewer- bern zu entwickeln, steckt noch in den Kinderschuhen.

Gewiss, die Preisvorteile chinesischer Produkte liegen bei steigenden Stückzah- len auf der Hand, doch sie werden so lan- ge nicht wettbewerbswirksam, wie die Qualität chinesischer Pkws hiesigen Si- cherheits- und Emissionswertanforde-

rungen nicht entspricht. Außerdem wird der Eintritt in den westeuropäischen Markt nur gelingen, wenn auf funktio- nierende Verkaufs- und Werkstattnetze zurückgegriffen werden kann und eine Ersatzteilversorgung sichergestellt ist.

Sogar in China – einem Markt, in dem viele potenzielle Kunden über erheblich weniger finanzielle Mittel verfügen als bei uns, wo der Preis eine existentielle Rolle spielt – ist heute die Tendenz erkennbar, dass für die Kaufentscheidung Bild 3. Eines der ersten chinesischen Exportautos: das Mittelklassemodell Zhonghua von Brilliance

Bild 4. Hungriger Inlandsmarkt:

Entwicklung der Gesamtzahl in China produzier- ter Kfz

2020* 20

2010* 9,5

2006* 7,0

2005 5,7

2004 5,07

2003 4,44

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

*Prognose Anzahl in Mio.

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Gründe wie Servicenetz, zuverlässige Technik, Sicherheit usw. immer wichtiger werden. Ein Geschäft verspricht man sich nicht mehr allein aus dem Verkauf, son- dern überwiegend aus dem After-Sales- Sektor. Nicht das Produkt, sondern die Dienstleistung, die es verkörpert und von der es umgeben ist, bringt das Geschäft.

Chinesische Ansprüche steigen

Die chinesischen Automobilunterneh- men und ihre lokalen Zulieferer verfügen eigentlich über die besten Voraussetzun- gen für ein wirksames Qualitätsmanage- ment: Entsprechende Fabrikationsanla- gen mit den dazugehörigen Messeinrich- tungen sind auf dem neuestem Stand. Die Qualifikation der Mitarbeiter ist nach ent- sprechender Ausbildung und unterstüt- zendem Training mindestens so gut wie hierzulande. Die Bereitschaft und das Ver- mögen, hinzuzulernen, sind beeindru- ckend (Bild 5). Theoretisch kennen die jungen Ingenieure, die von Chinas Hoch- schulen und Fachhochschulen kommen, sich bestens aus. Die Möglichkeiten für gute Qualität sind also von der Qualifika- tionsbasis und von der Technik her gege- ben. Damit sie realisiert werden können, braucht es zwei weitere Faktoren: Ma- nagement- und Prozessfähigkeit.

In diesen beiden Bereichen scheinen die Hürden gewaltig, die die chinesische Automobilindustrie auf dem Weg in den Weltmarkt noch zu nehmen hat. Dass Qualität sich letzten Endes an der Zufrie- denheit des Kunden misst, die immer wie-

der neu abzufragen ist, findet in der chi- nesischen Automobilindustrie, die es im Inland überwiegend mit einem Markt von Erstkäufern zu tun hat, bis heute nur ein bescheidenes Echo. Dass Qualität über- dies Chefsache ist und das wichtigste An- liegen jedes einzelnen Mitarbeiters sein muss, wird theoretisch zwar eingesehen, praktisch aber kaum befriedigend umge- setzt.

Die chinesischen Automobil- und Zu- lieferunternehmen lernen fleißig dazu, wenn man ihnen die Gelegenheit dazu gibt. Aber sie scheinen bislang nicht in der Lage zu sein, selbstständig innovative und kreative Prozesse zu organisieren – so, wie es die Japaner ab den sechziger und die Koreaner ab den achtziger Jahren getan haben. Salopp gesagt: Die Chinesen sind sehr gute Kaufleute, aber (noch) keine in- novativen Techniker.

Obrigkeitshörige Chinesen

Ob die Chinesen es von Konfuzius oder unter Mao gelernt haben, sei einmal da- hingestellt; wer in China gearbeitet hat – ganz gleich in welcher Branche –, wird fol- gende Erfahrung bestätigen: Die chinesi- schen Mitarbeiter und auch die Füh- rungskräfte unterhalb der Vorstandsebe- ne kennen nur eine entscheidende Richt- linie für ihr Handeln: Das ist der Maßstab, den der oberste Chef vorgibt.

Chinesische Kunden Deutsche Kunden

Platz Marke Zufriedenheit (%) Platz Marke Zufriedenheit (%)

1. Audi 82,7 1. Toyota 85,1

2. Buick 81,5 2. Honda 83,8

3. FAW Volkswagen 81,4 3. Mazda 83,4

4./5. Shangh. Volkswagen/

Tianjin FAW 81,3 4./5. Volvo/

Subaru 82,3

6. Nissan 81,2 6. Mitsubishi 82,1

7. Kia 81,0

7./8. BMW/

Audi 81,4

8. FAW Toyota 80,9

9. BMW 80,8 9. Daihatsu 80,6

10. Hyundai/

SGM Chevrolet 80,7 10. Skoda 80,3

Tabelle 1. Kundenzufriedenheit im Vergleich der Märkte: Bestnoten in China für Audi, in Deutschland für Toyota (Quelle: J.D. Powers)

ACHTUNG: CHINA!

Wer in China produziert, mit Chinesen ko- operiert, braucht in erster Linie ein gutes Gespür für die kulturellen Besonderhei- ten. So kommen Qualitätsmanager ihren Zielen in China schneller näher:

Stellen Sie sich darauf ein, dass min- destens die Hälfte Ihrer Arbeit in Chi- na vor allem kommunikativen Cha- rakter hat: Ihre chinesischen Partner wollen überzeugt sein, immer wieder.

Machen Sie sich darauf gefasst, dass das Qualitätsmanagement bestenfalls in Grundzügen organisiert ist.

Nehmen Sie diese Tatsache als be- sondere Herausforderung auf dem Ter- rain der Volksrepublik China an.

Installieren Sie für jeden Mitarbeiter verständliche Regelkreise zur Quali- tätssicherung.

Sichern Sie sich in Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern als Quali- tätsmanager die Unterstützung des chinesischen Chefs.

Beziehen Sie alle Beteiligten in die Ver- antwortung für die zu erreichende Qua- lität ein, indem sich die Vergütung für alle Mitarbeiter an der produzierten Qualität misst.

Bestehen Sie auf einer nicht nur sta- tistisch relevanten, sondern auch vi- talen Rückkopplung von Entwicklung und Produktion an den Markt und die Sicht Ihrer Kunden.

Vergessen Sie Ihr unternehmerisches Engagement in China, wenn Sie keinen chinesischen Partner finden, der Ihr Qualitätsverständnis teilt und in der Lage ist, es umzusetzen.

Keine Qualität ohne interkulturelle Kompetenz

Bitte beachten Sie unseren Artikel „Verhandeln auf Chinesisch“ auf Seite 74!

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Dass das mittlere Management – wie im Westen oft praktiziert – ein Unterneh- men führt, indem es einen schwachen Chef gut abschirmt und konsequent ziel- orientiert zur Not auch an ihm vorbei arbeitet, ist in China undenkbar. In Deutschland kann der Chef die Qualität vernachlässigen, solange das mittlere Ma- nagement das Ziel im Auge behält. In Chi- na ist alles verloren, wenn der Managing Director nicht konsequent auf Qualität pocht. Zusätzlich zu den technischen An- lagen und der gut ausgebildeten Mann- schaft braucht es also Führungsqualität.

Man wird lange – und oft vergeblich – nach chinesischen Mitarbeitern suchen, die es gewohnt sind, Entscheidungen ei- genständig zu treffen oder persönlich Ver- antwortung für etwas zu übernehmen, wenn es die Sache erfordert und weil es zielführend ist.

Heerscharen von ausländischen Ex- perten sind seit Jahrzehnten in chinesi- schen Unternehmen unterwegs, um wie- der und wieder die einfachsten Manage- mentregeln unter den chinesischen Kol- legen zu verbreiten. Da wird aus einer einfachen Frage wie „Wer erledigt was bis wann?“ eine ganze Firmenphilosophie ge- strickt, weil es dem Management völlig neu ist, dass man ein Unternehmen nach Zielen führt. Wer als Unternehmer ein China-Engagement erwägt oder betreibt, sollte daher aus Qualitätsgründen die bes-

ten Führungskräfte aussuchen, die er fin- den kann.

Viele ausländische Investoren in Chi- na bevorzugen die heute mögliche Rechts- form der WFOEs (Wholly Foreign Owned Enterprises), bei denen Management- und Kapitalhoheit hundertprozentig in der Hand der deutschen Mutterfirma ver- bleiben – wohl im Vertrauen darauf, dass man in China in einem bestimmten Maß ohne die Chinesen besser zurechtkom- men könne als mit ihnen. Doch die Er- fahrungen, die besonders in großen Ge- meinschaftsunternehmen in China ge- sammelt wurden, legen einen anderen Schluss nahe. Je enger man mit den Chi- nesen zusammenarbeitet – wie etwa in ei- nem Fifty-Fifty-Joint-Venture –, umso leichter kann man ihre Spielregeln entzif- fern lernen, und umso nachhaltiger ist es möglich, sie für die westlich geprägten Modelle zu gewinnen.

Meister des Kopierens, nicht des Verbesserns

Es ist nicht der einfachste Weg, aber lang- fristig der effektivste. Viele Beispiele, etwa bei Gemeinschaftsunternehmen von BASF, Siemens oder Volkswagen, belegen das.Vielleicht hilft es, sich klar zu machen, dass Chinesen nicht nur aus einem ande- ren Land kommen, sondern aus einer ei- genen Galaxie – von der die überwiegen-

de Mehrheit hierzulande keinen blassen Schimmer hat.

In einer Fifty-Fifty-Partnerschaft kön- nen beide, Deutsche wie Chinesen, ihre Stärken zur Geltung bringen, wenn auf beiden Seiten Partner agieren, die die not- wendigen interkulturellen Kompetenzen mitbringen. Im Übrigen ist die Mo-

Autoren

Die vier ehemaligen VW-Manager verbin- det die gemeinsame China-Erfahrung von mehr als zwei Jahrzehnten. In den achtzi- ger Jahren bauten sie im Auftrag von Volkswagen gemeinsam mit ihren chinesi- schen Kollegen die ersten chinesisch- deutschen Gemeinschaftsunternehmen in der Automobilbranche auf.

Dr. Martin Posth,geb. 1944, war Mit- glied des Vorstandes bei Audi und VW. In den achtziger Jahren baute er an der Spit- ze eines Pionierteams „Shanghai Volks- wagen“ auf. In den Neunzigern leitete er in Hongkong das Asiengeschäft des Kon- zerns. Seit 1997 berät er europäische Fir- men bei ihren Asien-Engagements.

Klaus Wulf,geb. 1942, gehörte zu dem VW-Verhandlungsteam, das Anfang der achtziger Jahre die ersten Verträge mit den Chinesen über eine gemeinsame Automobilfabrik abschloss. Von 1991 bis 1995 leitete er (stellvertretend) als deut- scher Gründungschef das zweite VW-Joint- Ventures in China: FAW-Volkswagen in Changchun. Zuletzt war er Finanzvorstand von Skoda; seit 2002 privatisiert er.

Dipl.-Ing. Hans-Joachim Paul,geb.

1940, baute als Technischer Gründungs- direktor von Shanghai Volkswagen von 1985 bis 1989 an der Seite von Martin Posth die erste moderne Pkw-Produktion in der Volksrepublik China auf. Bis 2004 leitete er das VW-Kraftwerk in Wolfsburg.

Dipl.-Ing. Ulrich Sturzebecher,geb.

1941, wirkte als Qualitätsmanager an vie- len Projekten des Konzerns in Asien mit.

Zuletzt leitete er bis 2004 das Qualitäts- management im VW-Werk Wolfsburg. Seit- her führt er gelegentlich Beratungsprojek- te in der Automobilindustrie Chinas durch.

Kontakt Martin Posth m.posth@t-online.de

QZ102386 Bild 5. Kann mit jedem westlichen Autobauer mithalten: die technisch anspruchsvolle Aus-

stattung bei Shanghai Volkswagen

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tivation der chinesischen Mitarbeiter wo- möglich dadurch entscheidend zu beflü- geln, dass sie für ein chinesisches Projekt arbeiten und nicht nur für eine deutsche Firma. Wie soll ein deutscher Traum in China Wirklichkeit werden, wenn ihn kein Chinese träumt?

Die Qualifikation der chinesischen Mitarbeiter, der Ingenieure, ist vom the- oretischen Wissen her mindestens so gut wie in Deutschland, wenn nicht besser.

Was fehlt, ist die praktische Erfahrung.

Die Technik ist auf höchstem Niveau, Pro- zesstechnik und Messmaschinen sind auf dem neusten Stand. Mit anderen Worten:

Die chinesischen Automobilbauer haben alle Werkzeuge im Kopf und in den Fa-

brikationshallen, wissen aber nicht, wie sie sie anwenden sollen. Es fehlt die Pro- zessqualität, die systematische Veran- kerung und Verknüpfung von kontinu- ierlichen Verbesserungsprozessen etwa durch das Prinzip „Customer to Custo- mer“, das nur selten praktiziert wird. Re- gelkreise für Qualität wird man oft verge- blich suchen. Das Abschauen geht bei den Chinesen zwar grundsätzlich blitzschnell – aber bei Managementmethoden ist das Nachmachen nicht ganz so einfach, noch nicht einmal für die Meister des Kopie- rens, als die die Chinesen gemeinhin gel- ten. Die Fähigkeit, persönlich verantwor- tete Entscheidungen zu treffen, lässt sich nicht abschauen oder anlesen.

Jüngste Berichte aus dem Inneren chi- nesischer Automobilfirmen und ihrer lo- kalen Zulieferer spiegeln folgenden Ein- druck: Die Bausteine, die einem kontinu- ierlichen Verbesserungsprozess (KVP) dienen sollten, werden zweckentfremdet.

So werden beispielsweise regelmäßige Au- dits durchgeführt, also die Fahrzeuge sys- tematisch aus Kundensicht bewertet.

Doch die Ergebnisse dieser Audits bleiben weitgehend folgenlos; sie werden nicht zur Verbesserung genutzt, sondern dienen hauptsächlich der Aufmunterung des Chefs. Damit der mit den Ergebnissen auch zufrieden ist, werden sie notfalls ein wenig „frisiert“. Dann freut sich der Chef und legt das Ergebnis in voller Zufrie- denheit ab. Das ist persönlich angenehm, aber mit dem eigentlichen Sinn und Zweck der Audits hat es nichts mehr zu tun. Die Statistik bleibt Statistik und wird nicht genutzt, um Fehler abzuarbeiten.

Wir arbeiten in Deutschland, in der ganzen Welt ganz selbstverständlich auf der Grundlage von klar festgelegten Zie- len. Management ohne Zielvorgaben kön- nen wir uns nicht vorstellen. Mit diesem Verhalten tun sich die Chinesen schwer, weil es für sie persönlich einer existen- tiellen Katastrophe gleichkommt, ein ge- setztes Ziel nicht zu erreichen. Deshalb scheuen sie sich, Ziele zu setzen, aber wenn sie einmal aufgestellt sind, werden sie auch erreicht – wie auch immer. Des- halb kommt es in China mehr als anders- wo auf der Welt auf den Chef an: Nimmt er die Statistik der Audits dankbar zur Kenntnis, oder nimmt er sie zum Anlass, um kritisch nachzufragen?

Auf der Suche nach dem chinesischen Weg

Ein Blick hinter die Kulissen chinesischer Automobilhersteller zeigt, dass viele Qua- litätschefs oder Werksleiter von der Statis- tik leben, statt kontinuierlich Verbesse- rungsprozesse zu initiieren. Werden die Chinesen, wenn sie auf dem Weltmarkt mit eigenen Pkw-Modellen konkurrenz- fähig sein wollen, insbesondere in Rück- sicht auf die Qualität mit Methoden agie- ren, die den westlichen in nichts nachste- hen? Oder wird es einen eigenen chinesi- schen Weg geben? Gegenwärtig nutzen chinesische Unternehmen eine Mixtur aus europäischen, amerikanischen und ja- panischen Systemen. Eigene Methoden, wie sie die Japaner entwickelten, sind nicht in Sicht.

QM IN FERNOST

In den Branchen und Bereichen, in denen Qualität weitgehend maschinenabhängig produziert wird, sind die Chinesen schon im Weltmarkt dabei. Dort aber, wo es auf Prozessmanagement ankommt, wo es da- rum geht, hierarchiefrei zu kommunizie- ren, persönliche Verantwortung zu über- nehmen, da funktioniert es noch nicht be- friedigend. Ein Hindernis ist die nach wie vor weitgehend praktizierte hierarchische Ordnung, in der der Chef unwiderruflich die Leitlinie vorgibt.

Stellt man das erstaunliche Auffas- sungsvermögen, die Lernbegierde, den Ehr- geiz und das kaufmännische Talent der Chi- nesen in Rechnung, könnte man vermuten:

Sobald der erste mächtige Manager ver- standen hat, dass man sich über Qualität

den entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschaffen kann, geht die Installation von kontinuierlichen Verbesserungsprozessen blitzschnell. Bedenkt man jedoch, dass auch der mächtigste Manager kein einzi- ges Auto allein produzieren und verkaufen kann, sondern Entwickler, Hersteller, Zu- lieferer und Vertreiber für sich und seine Methode gewinnen muss, darf man sich getrost auf eine längere Frist gefasst ma- chen. Zumal den Chinesen die Technolo- gien für die Entwicklung eines eigenen Pkw- Modells heute wie vor zwei Jahrzehnten noch weitgehend fehlen.

Wir dürfen gespannt bleiben – und soll- ten uns für die chinesische Herausforde- rung wappnen. Denn sie wird kommen, und darauf sollten wir gut vorbereitet sein.

Die Chinesen kommen

Foto: www.photocase.com/kreiselei

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