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L e b e n s z e i c h e n

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L e b e n s z e i c h e n

Von Murat Koyuncu 13.02.2022

O-Ton Dilek

Also ich glaube, dass ich immer die Einstellung hatte, wenn ich der Person begegne, die es dann sein soll, so in dem Konzept „einmal heiraten und dann für immer, so der eine Ehepart- ner“ - wenn der Zeitpunkt kommt, dann kommt der einfach.

O-Ton Sara:

Ich gehe ab und zu mal in ein Café. Klar, da setze ich mich auch schon mal alleine hin. Also, da hat mich noch nie jemand angesprochen. Also, ich hätte damit jetzt auch kein Problem, wenn jetzt jemand kommen würde und mich freundlich irgendwie ansprechen würde oder so.

Aber ich würde da jetzt irgendwie nicht zu jemandem gehen. Da wäre ich ein bisschen zu stolz.

O-Ton Sejfuddin:

Ich finde, es ist relativ unkompliziert, einen Ehepartner zu finden. Was kompliziert geworden ist, sind die Ansprüche der Menschen an den künftigen Ehepartner.

O-Ton Sara:

Es muss ja nur Einer passen. Und wie heißt es doch so schön: Gut Ding will weilen.

Sprecher:

Eine Zwei-Zimmer-Wohnung irgendwo in Köln. Sara, eine junge, schlanke Frau, Mitte 30, sitzt vor ihrem aufgeklappten Laptop und schaut konzentriert auf den Bildschirm.

Neben ihr eine Tasse Pfefferminztee.

O-Ton Sara:

Ich bin geborene Muslima. Ich würde sagen, ich nehme den Islam schon ernst. Der ist mir auch wichtig, und der ist auch in meinem Alltag vollkommen integriert. Also, ich richte meinen Alltag nach meiner Religion und nicht meine Religion nach meinem Alltag. Das heißt, tägliche

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Gebete, die verrichte ich, ich habe auch schon die Pilgerfahrt gemacht, also die Hadsch, die große und die kleine Pilgerfahrt habe ich gemacht.

Sprecher:

Auch die Bekleidungsvorschriften sind ihr wichtig: Sie trägt ein langärmliges dunkelblaues Kleid. Ihre Haare sind mit einem Tuch bedeckt, das sie kunstvoll zu einem Turban gebunden hat. Die junge Ärz- tin lebt ihren Glauben konsequent. Eventuelle Ausrutscher möchte sie sich nicht erlauben.

O-Ton Sara:

So wie zum Beispiel jemand, der eine Diät macht und dann Schokolade isst. In dem Moment ist es ja ein tolles Gefühl, aber danach fühlt man sich einfach nur scheiße. Das ist der Grund.

Also, ich möchte die Verbindung zu Gott nicht verlieren. Also ich empfinde es so, dass man den Segen Gottes dann verliert, wenn man diese Regeln überschreitet.

Sprecher:

Seit etwa vier Stunden sitzt Sara vor ihrem Rechner und scannt die Profile junger, muslimischer Männer auf einer islamischen Dating-Plattform. Ihr Traummann sollte Nichtraucher sein, intelligent, gebildet und am besten Akademiker – Gutes Aussehen selbstverständlich.

O-Ton Sara:

Klar spielt die Optik auch eine Rolle. Es sollte schon ein Kopf größer sein als ich. Das finde ich doch irgendwie sehr ansprechend.

Sprecher:

Doch viel wichtiger ist ihr die Frömmigkeit.

O-Ton Sara:

Da steht zum Beispiel: praktizierend oder mäßig praktizierend, betet, betet nie...

Also, wie sehr man seine Religion praktiziert. Also, da kann man schon ein paar Angaben zu machen. Wenn da steht: Betet nie, dann kann ich damit nichts anfangen. Wenn da gar nichts steht oder: „Ich weiß nicht, was ich schreiben soll?!“, dann finde ich es auch uninteressant.

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Sprecher:

Der künftige Ehemann sollte also absolut koranfest sein. Ausnahmslos.

O-Ton Sara:

Ich könnte mir das nicht vorstellen. Auch nicht jemand, der sozusagen ein „Kultur-Muslim“ ist.

Also, nur geboren, aber hat nichts mit der Religion am Hut. Das könnte ich nicht. Und vor al- lem denke ich auch zukunftsorientiert, wenn wir dann Kinder haben. Wie soll das denn funkti- onieren? Mutter nimmt die Religion ernst, Vater trinkt Alkohol. Dann sind die Kinder auch total verwirrt. Wenn ich zum Beispiel faste und er dann aber nicht. Ich glaube, da hängt dann der Haussegen tatsächlich schief.

Sprecher:

Eine Ehe hat die selbstbewusste Frau schon hinter sich. Zweieinhalb Jahre war sie verheiratet.

O-Ton Sara:

Es ist halt daran gescheitert, dass wir unterschiedliche Bedürfnisse und Prioritäten hatten.

Die Priorität lag eher auf seiner Familie und nicht auf unsereins. Wir beide haben es nicht ge- schafft, eine kleine Einheit, eine kleine Familie zu bilden.

Sprecher:

Sara nimmt einen Schluck aus ihrer Teetasse, klickt auf dem Bildschirm einen – für sie uninteressan- ten - Mann weg und wechselt zum nächsten.

O-Ton Sara:

Bei mir sind alle Kanäle offen. Also ich bin auf Apps, es gibt ja auch muslimische Dating- Apps, da habe ich Profile. Dann habe ich in der Zeitung eine Annonce gestartet, im Bekann- tenkreis habe ich das auch bekanntgegeben und auch geäußert, dass ich mir schon einen Partner wünsche, weil viele durch meine erste Erfahrung denken, dass ich damit abgeschlos- sen hab. Oder die sagen dann auch: „Ach, du bist so zufrieden mit dir selbst, ich hätte jetzt nicht gedacht, dass du nochmal heiraten willst“, oder so. Deswegen habe ich mir gedacht, okay, vielleicht sollte ich mal der einen oder anderen Person charmant unterbreiten, dass ich wieder offen bin.

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Zitator:

Assalam alaikum, eine arabischstämmige Muslimin möchte heiraten und bat mich, mich in meinem Bekanntenkreis umzuhören. Sie ist:

Sprecherin:

*36 Jahre alt

*von schlanker Natur

*1 Meter 62 groß und 49 Kilo schwer

*trägt Kopftuch

*wohnt im Ruhrpott

*Arbeitet als Ärztin

*reist gerne

*treibt gerne Sport

*hat schon die Hadsch und die Umra vollzogen

*ist geschieden und hat keine Kinder

Zitator:

Sie sucht einen Muslim mit folgenden Eigenschaften:

Sprecherin:

*Nichtraucher

*Religiös bewandert

*Keine Kinder

*Akademiker

*zwischen 30 und 40 Jahre alt

*Größe ab eins-70 (170cm)

*Nationalität unwichtig, Hauptsache Muslim

*Höflich, reiselustig, sportlich, wertschätzend, treu, loyal, großzügig

Zitator:

Falls ihr jemanden kennt, dann gerne weiterleiten. Danke euch!

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Sprecher:

Mal angenommen, alles hat funktioniert und das erste Date steht vor der Tür. Was ist erlaubt, was nicht? Wie läuft so ein erstes Treffen islamkonform ab? Wie nah darf man sich vor der Ehe kommen?

Darf man das überhaupt?

O-Ton Sara:

Für mich gibt es halt das Zusammenleben, Zusammenziehen nur nach der Ehe. Vorher, da finden aus meiner Sicht… Für mich gehen da nur Treffen nur in der Öffentlichkeit. Und es gibt auch keinen Austausch von Zärtlichkeiten, also während des Kennenlernens, wenn man nicht verheiratet ist, weil das im Islam nicht erlaubt ist.

Sprecher:

Wie in fast allen anderen Religionen hat die Ehe im Islam einen besonderen Status.

Markus Gerhold, Islamwissenschaftler und Lehrer für islamische Religion aus Düsseldorf erklärt das so:

O-Ton Markus Gerhold:

In verschiedenen Koranversen lesen wir immer davon, dass das eheliche Zusammenleben, dass das im Grunde genommen ein Zeichen Gottes ist. Zum Beispiel im Vers 21, aus dem Kapitel Rum, die „Römer“, heißt es übersetzt, da steht zum Beispiel (spricht arabisch) kurz übersetzt: „Es gehört zu den Zeichen Gottes, dass er von Euch Gattinnen und Gatten, also beides erschaffen hat“, also aus dem ersten Menschen heraus (spricht weiter arabisch), damit man zur Ruhe kommt, damit man Geborgenheit findet“ (spricht weiter arabisch). Und er hat, also Gott hat zwischen den Ehepartnern „Barmherzigkeit, Liebe und Zuneigung gesetzt“ . Und das wird in diesem Vers als ein Zeichen Gottes angesehen. Diese Ehe, das Band, das zwi- schen Mann und Frau geschlossen wird, ist etwas ganz, ganz wichtiges im Koran und auch in den Überlieferungen des Propheten.

Sprecher:

Für fromme Musliminnen und Muslime ist die Ehe das höchste Ideal in dieser Welt.

Wer verheiratet ist, spielt in einer anderer Liga. Denn Ehe bedeutet Harmonie und Glückseligkeit.

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O-Ton Markus Gerhold:

Man sollte eben versuchen, ein Leben aufzubauen und gegenseitige Verantwortung wahrzu- nehmen. Und deshalb kann in der islamischen Theologie nichts an die Stelle der Ehe treten.

Deshalb wird die Ehe so stark betont.

Sprecher:

Das macht die Suche nach der Liebe fürs Leben nicht gerade leichter. Sara weiß, wovon sie spricht.

O-Ton Sara:

Ich habe auch, als ich noch an der Uni war, Freunde verkuppelt. Und die haben sich dann gewünscht, dass ich beim ersten Treffen dabei bin, weil die voneinander erst mal nicht viel wussten. Ich kannte aber beide Seiten, aber unabhängig. Die beiden, die kannten sich nicht.

Und das habe ich dann begleitet, weil, wie ich finde, Freunde ein guter Indikator sind, weil die total unvoreingenommen sind. Man selber ist ja vielleicht total verliebt und kann das nicht so gut einschätzen, ob die Person doch etwas zu verbergen hat. Aber Freunde, finde ich, krie- gen das dann viel besser hin, weil die diesen Cocktail nicht haben.

Sprecher:

Und als ob die Partnersuche sowieso nicht schon schwierig genug wäre, kommt auch noch ein un- gläubiges Virus namens Corona dazu.

O-Ton Sara:

Veranstaltungen gibt es ja im Moment nicht, seit ungefähr zwei Jahren. ist ja alles abgesagt.

Das war ja auch immer eine gute Gelegenheit jemanden kennenzulernen. Mit Veranstaltun- gen meine ich beispielsweise Fastenbrechen, auch in der Moschee, da gibt es dann auch ei- nen gemeinsamen Raum - zum Beispiel die Moschee, die ich gern besuche. Da gab es auch immer die Möglichkeit jemanden kennenzulernen oder angesprochen zu werden über Dritte.

Oder Hochzeiten, das ist auch immer ein Pool.

Sprecher:

Singles wie Sara zu helfen, hat sich der Imam und Lehrer Marwan Al Moneyyer zur Aufgabe ge- macht. Seit etwa fünf Jahren veranstaltet der 40-Jährige sogenannte muslimische Heiratsevents.

Kein Geschäftsmodell, sondern ein Ehrenamt. Ohne Corona würden die Veranstaltungen jetzt in

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München oder in anderen deutschen Großstädten stattfinden. Manche Singles würden sogar aus Österreich und der Schweiz anreisen. Teilnehmerzahl: zwischen 30 und 100 Leute pro Event.

O-Ton Marwan Al Moneyyer:

Die müssen sich vorher anmelden. Wir sammeln bei der Anmeldung schon die Grunddaten jeder Person ein. Also, woher sie kommt, welchen Hintergrund haben die Eltern, was hat er studiert oder welche Ausbildung hat er, was ist seine Arbeit und was sind seine wichtigsten Wünsche an den Partner. Das erfassen wir schon vorher und erstellen für jeden ein DinA4- Blatt, ein Profil könnte man sagen.

Sprecher:

Marwan Al Moneyyer selbst ist schon lange verheiratet. Als praktizierender Muslim und Imam kennt er die Schwierigkeiten und Barrieren, die es bei der Partnersuche unter Gläubigen geben kann.

O-Ton Marwan Al Moneyyer:

Dann geht es schon los mit der Kennenlern-Runde. Dann setzen wir uns alle in einen großen Kreis und jeder soll sich ganz kurz vorstellen, woher er kommt, meistens mit Hilfe zum Bei- spiel einer Postkarte oder eines Gegenstands, den wir dann vorher ausgeben, da gibt’s ja verschiedene Methoden, die man auch von Seminaren kennt, die wir da auch nutzen.

Wenn wir diese große Kennenlern-Runde dann haben, dann gibt es eine Pause. Entweder ist dann meistens eh das Gebet oder es gibt eine Essenspause. Das ist auch wichtig: Wenn man seinen Partner nicht findet, soll man wenigstens lecker gegessen haben.

Dann lassen wir die alle in Ruhe. Im Hintergrund gibt es Tee, Kaffee, Desserts, dann sollen die sich untereinander kennenlernen und ansprechen. Oder wenn jemand vielleicht, bevor er jemanden ansprechen will, kann er auch vorher zu uns kommen und fragen: „Ich interessiere mich für XY, aber ich weiß nicht, wie alt er ist, weil vielleicht ist er ja viel zu jung für mich?“.

Oder: „Woher kommt er?“ Oder: „Ich möchte ausschließlich einen Türken“ etc. Dann sagen wir, „Ja, der ist so und so alt, arbeitet das und das, kommt aus der und der Stadt“..

Wir haben dann noch Tutoren, die diese Infos rausgeben können, die den Leuten auch ein- fach helfen, dass sie sich kennenlernen, dass sie miteinander sitzen, dass man, wenn man sieht, da ist jemand alleine, den dann an die Hand nimmt und sich an einen Tisch mit setzt.

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Sprecher:

Das Gegenteil von Speed-Dating. Null Speed, keine Hektik, kein Druck – viel Ruhe. Der Imam kennt seine Community. Seine Botschaft: „Macht euch keine falschen Hoffnungen“.

O-Ton Marwan Al Moneyyer:

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man das alles sehr entspannt angehen sollte. Es ist nicht so, dass man, wenn man aus diesem Event rausgeht, einen Heiratspartner hat. Es ist im Schnitt eher so, dass pro Event eine Hochzeit am Ende passiert. Deshalb sagen wir den Teil- nehmern am Anfang immer auch: Seid entspannt und rückt das Projekt „einen Partner ken- nenlernen“ in den Hintergrund.

Sprecher

Ortswechsel – wir sind im Ruhrgebiet. Hier lebt Dilek zusammen mit ihrem Mann und ihrem sechs Monate alten Sohn. Auch sie ist fromme Muslimin: Sie betet beispielsweise fünf Mal am Tag und fastet im Monat Ramadan.

O-Ton Dilek:

Es ist jetzt nicht so, dass meine Religion 24 Stunden meines Lebens in Anspruch nimmt und dass das halt extreme Züge oder so hat. Das würde ich nicht sagen. Aber ich versuche das auf jeden Fall in mein Leben zu integrieren. So gut es geht.

Sprecher:

Die gelernte Grafikerin ist Ende 30 und seit gut zwei Jahren verheiratet. Ihren Mann hat sie über die Empfehlung eines gemeinsamen Freundes kennengelernt. Dilek schmunzelt und erinnert sich noch gut an den Einstand des Freundes:

O-Ton Dilek:

ich weiß noch, so charmant wie er ist, hat er zu mir gesagt: „Was?! Du bist schon 35?! „ Es ging halt darum, dass ich nicht verheiratet bin. Und ich glaube, das hat ihn so schockiert, er hat sich gedacht: „Ne komm... das Mädchen muss unter die Haube mit 35“.

Er kannte meinen Mann schon einige Jahre, wir haben uns auf einer Bosnien-Reise kennen- gelernt und kannten uns daher. Und irgendwie hat er ein Händchen dafür. Er hat sich ge- dacht, der Junge passt zu der Frau und es hat geklappt.

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Sprecher:

Ihren Partner über Online-Plattformen zu finden, kam für sie nie in Frage:

O-Ton Dilek:

Ich traue den Leuten auch nicht. Das kennt man ja auch so aus Instagram oder aus anderen Social-Media-Kanälen, das ist alles mehr Schein als Sein. Ich will da niemanden in irgendwel- che Kategorien stecken, indem ich weiß, wie fromm der nach irgendeiner Skala ist. Also, das ist für mich einfach zu statisch und oberflächlich. Also, für mich wäre das nichts gewesen.

Sprecher:

Eigentlich sei es auch nie ihre Absicht gewesen, ihren Partner über ihren Freundeskreis zu finden. Im Nachhinein sieht sie es aber anders:

O-Ton Dilek:

Eigentlich ist das die beste Ausgangssituation, weil ich ja den Freund, der uns verkuppelt hat, den kenne ich persönlich. Ich kenne seine Wertvorstellung, und er wird mir kein Arschloch andrehen. Es ist ja quasi schon wie ein Gütesiegel, kann man ja mal machen, ausprobieren.

Da hat er gesagt: „Verknüpfe ich euch, dass ich euch die Kontaktdaten zuschicke und dann könnt ihr euch ja mal unterhalten“. Und das war ein super-nettes Gespräch. Es ging direkt zwei Stunden und dann habe ich mir gedacht: Wow, echt netter Typ. Das war unverbindlich und entspannt. Das hat mir gefallen und dann haben wir das ein paar Mal wiederholt mit dem Anrufen, bis man sich dann mal persönlich getroffen hat.

Sprecher:

Liebe auf den ersten Talk?!

Während der Kennenlernphase waren ihnen die islamischen Regeln zwar wichtig, aber...

O-Ton Dilek:

Wir haben uns aber auch alleine getroffen und wir haben uns die Zeit genommen, auch diese Zweisamkeit, einfach einander kennenzulernen. Ohne dass da eine dritte Person dabei ist.

Es gibt auch Themen, die man anspricht, über die man sich unterhält, die jetzt nicht unbedingt meine beste Freundin oder so mitkriegen muss. Irgendwelche intimen, persönlichen Sachen, die ich dann wirklich nur mit meinem zukünftigen Ehemann besprechen will. Da finde ich es

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immer so ein bisschen befremdlich oder schwierig, wenn da jetzt noch eine dritte Person da- bei ist.

Sprecher:

Händchenhalten war für Dilek und ihren damaligen Freund kein Problem:

O-Ton Dilek:

Das ergibt sich ja auch. Ich will nicht sagen, dass das legitim ist aus islamischer Sicht. Wenn ich ehrlich bin, ich habe es nicht durchgezogen, ich habe es nicht ausgehalten... Ich finde Händchen halten, das ergibt sich auch irgendwie. Wenn man halt so über sehr persönliche Dinge spricht, man kommt sich einfach näher. Dann berühren sich die Hände...

Sprecher:

Nach etwa acht Monaten haben sich Dilek und ihr Mann das Ja-Wort gegeben. Herz trifft Halbmond.

Eine Erfolgsgeschichte dank eines Freundes. Auch Sejfuddin Distarevic vom Kreis der Düsseldorfer Muslime wird oft um Unterstützung gebeten. Die Organisation ist der Dachverband von rund 40 mus- limischen Gemeinden, Mitgliederzahl circa 25.000.

O-Ton Sejfuddin Dizdarevic:

Dadurch, dass ich unheimlich viele Leute kennenlerne durch verschiedene Kontexte, sowohl Muslime als auch Nicht-Muslime, und dass ich einen sehr großen Bekanntenkreis habe, kommen die Leute dann auch mit solchen Fragen auf mich zu. Besonders wenn sie dann auch heiraten möchten. Sie fragen mich, ob ich jemanden kenne, der jemanden kennt. Und wenn ich jemanden vermitteln kann oder von jemandem weiß, dann gebe ich die Kontakte auch weiter mit Empfehlungen.

Sprecher:

Dabei nimmt der große, starkgebaute Mann mit Vollbart und Brille kein Blatt vor den Mund. Nichts wird schön geredet.

O-Ton Sejfuddin Dizdarevic:

Ich beschreibe dann auch so ein bisschen die Persönlichkeit, also wie ich sie so einschätze.

Und das ist ein Mehrwert für denjenigen, dem ich es erzähle. Genau dieser Service, dass ich

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dem auch sage, ich nenne es mal „Schattenseiten“, wobei das negativ klingt, aber so den um- fassenden Blick auf die Person, die man in so einer Phase idealisiert, was dann auch wertvol- le Information zu diesem Zeitpunkt ist. Ich bin dann sehr ehrlich, weil ich weiß, dass die Sa- che auch sehr ernst ist, und dass man dann auch eine Verpflichtung demjenigen gegenüber hat, wenn man bestimmte Sachen verschweigt, die man hätte besser sagen sollen, weil es dann später heißen kann: „Hättest du es mir mal gesagt... Du hast es gewusst und hast nichts gesagt“.

Sprecher:

Bisher war der Düsseldorfer auch erfolgreich. Er hat eine Handvoll Menschen zusammengebracht.

Darauf ist der 45-Jährige stolz.

O-Ton Sejfuddin Dizdarevic:

Natürlich freut es mich dann und das sollte auch so sein, dass man dann halt in diesem Le- ben generell auch, egal in welcher Phase des Lebens, den anderen helfen soll. Und ich be- trachte das dann als einen Dienst an den Mitmenschen. Zufällig sind es die Muslime, aber wenn es auch Nicht-Muslime wären, würde es mich freuen, wenn ich denen in einer bestimm- ten Lebenslage, also jetzt Ehepartnersuche, aber auch in anderen Lebenslagen, helfen kann.

Und das mache ich auch gern.

Sprecher:

Im Islam dürfen Männer bis zu vier Frauen gleichzeitig haben. Der Koran erlaubt die Polygamie – allerdings nur als Versorgungsinstanz. Männer, die sich für mehr als eine Frau entscheiden, werden zu präziser Gleichbehandlung verpflichtet: finanziell, körperlich und auch emotional, erklärt Sejfuddin Distarevic:

O-Ton Sejfuddin Distarevic:

Die Gleichbehandlung der Ehefrauen im Islam ist eher so zu verstehen als ein Schutzmecha- nismus für diese Frauen, damit sie auch einen gewissen Standard innerhalb dieser Ehe ge- nießen können. Weil, wenn man dann zwei Ehefrauen hat oder mehr - bis zu vier, - und man dann nur einer einen halbwegs normalen Standard bieten kann und die anderen dann am Katzentisch essen und wohnen lässt, dann ist es keine Gleichberechtigung.

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Und die Praxis der Muslime sieht auch so aus, dass die allerwenigsten Muslime überhaupt eine Mehr-Ehe eingehen, sondern die allermeisten monogam leben.

Das heißt, es ist zwar erlaubt, aber wird von einer verschwindend kleinen Minderheit in An- spruch genommen, weil sich die Leute das auch nicht leisten können. Abgesehen davon: Vier Ehefrauen bedeutet auch vier Schwiegermütter, was viel schlimmer ist unter Umständen…

Sprecher:

Zwar heißt es im Koran und auch in den mündlichen Überlieferungen des Propheten Mohammed, dass die Mehr-Ehe grundsätzlich möglich ist, empfohlen wird sie allerdings nicht. Für Single Sara wäre das nichts:

O-Ton Sara:

Ich bin auf keinen Fall der Typ, der polygam leben könnte. Ich bin absoluter Monogamie-Fan.

Ich kenne mich und weiß, dass ich das nicht machen könnte. Außerdem muss auch die Frau, die erste Frau und auch die danach müssen einer weiteren Ehe auch zustimmen. Und ich kann da ganz klar sagen: Nein! Für mich wäre das auf jeden Fall nichts, ich könnte nicht in einer Mehr-Ehe leben. Das könnte ich nicht. Natürlich wäre ich da eifersüchtig. Klar! Ich könn- te meinen Partner nicht mit einer anderen Frau teilen.

Sprecher:

Und umgekehrt?

O-Ton Sara:

Eine Frau mit vier Männern? Erst mal religiös betrachtet, ist das nicht erlaubt. Das nächste, mal abseits der Religion, wäre das aber auch nichts. Ich könnte weder mit mehreren Män- nern, noch könnte ich meinen Mann mit anderen Frauen teilen. Ich bin da auf keinen Fall ge- eignet dafür, sagen wir so…

2. Sprecher:

An dieser Stelle hätten wir gerne auch die Sicht der Männer gehört. Und wie sie generell als fromme Muslime zum Thema Partnersuche stehen. Bis Redaktionsschluss gab es aber nicht eine einzige Rückmeldung der vielen angefragten Single-Männer. Sara hat da eine Vermutung:

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O-Ton Sara:

Meine Idee ist, dass Männer auf jeden Fall da etwas verschlossener sind, dass sie nicht so offen sein können. Das ist ja auch etwas sehr Privates und man macht sich ja, wenn man et- was Privates von sich preisgibt, wie zum Beispiel Partnersuche - da macht man sich ja auch angreifbar. Und ich glaube, dass Männer in unserer Community nicht so gern dazu stehen, dass sie zum Beispiel auf Partnersuche sind oder dass sie am Online-Dating teilnehmen. Ich glaube, das ist denen peinlich. Was ich als Frau natürlich nicht verstehen kann... Aber ich denke oder vermute, dass das die Gründe sind und außerdem können Männer auch schlech- ter über Gefühle reden.

Sprecher:

In unserer westlichen Gesellschaft würde man als Außenstehender vielleicht meinen, dass sich fromme Musliminnen und Muslime durch das strenge Regelwerk das Leben selbst schwer machen.

Die Grafikerin Dilek lässt das nicht gelten:

O-Ton Dilek:

„Wie kann man sich selbst so drangsalieren?! Das Leben hat doch so zu bieten...“ - Ja klar, ich habe auch jede Menge nicht-muslimische Freunde, die denken sich jedes Mal so: „Warum machst du es dir so schwer? Lass es doch einfach!“ Klar, die können das nicht so nachvoll- ziehen, dass es erfüllend sein kann.

Sprecher:

Die junge Mutter hat vor ihrer Ehe immer wieder Vorwürfe oder Anspielungen in Bezug auf ihre Frömmigkeit erlebt. Sie selbst habe aber nie das Gefühl gehabt, dass sie etwas verpassen würde, sagt sie:

O-Ton Dilek:

Als religiöse Person, die überzeugt ist von dieser religiösen Lebensweise, die an Jenseits glaubt, die sich denkt, dass das hier nur ein gewisses Kapitel ist. Also jemand, der sowieso diese Lebensvorstellung hat, das ist ja nicht so, dass einem dann etwas im Leben fehlt. Dass man sich denkt: Och Mensch, ich wollte aber so gerne ganz viele verschiedene Partner... etc.

Also, diesen Wunsch hat man dann gar nicht. Das ist nicht so, dass man dann denkt, das

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Lebensweg für sich gewählt hat, dann erfüllt das dann auch.

Sprecher:

Zu jeder Form von Frömmigkeit gehören religiöse Vorgaben. Das sieht auch Wolfgang Reinbold so und spricht von einer globalen Tendenz. Er ist evangelischer Theologe und Vorsitzender des Hauses der Religionen in Hannover.

O-Ton Wolfgang Reinbold:

Heute ist das Feld so bunt, dass wir viele kleine Religionsgemeinschaften haben, die sich na- türlich alle diese Frage stellen: Wie finde ich bei einer so kleinen Gemeinschaft einen Part- ner? Das Finden eines Ehepartners ist ungemein schwierig geworden, weil die Gesellschaft so stark fraktioniert ist. Es gibt immer kleinere Gruppen und innerhalb dieser Gruppen dann oft auch noch Fraktionen oder Konfessionen oder bestimmte Strömungen, die sich auch un- tereinander nicht grün sind, so dass die Zahl der möglichen Partner immer kleiner wird. Und das macht die Sache natürlich extrem kompliziert. Das gilt für Muslime, das gilt für alle ande- ren aber auch. Wenn sie heute als Buddhist oder als Hindu, der religiös ist und bestimmte Ri- tuale pflegt und dem bestimmte Dinge wichtig sind, mit 20 – 25 eine Frau suchen, haben sie ganz ähnliche Probleme. Die Zahl, derjenigen, die dann für sie infrage kommt, ist ziemlich klein.

2. Sprecher :

Frömmigkeit als moralische und religiöse Leitlinie dürfte bei älteren Deutschen durchaus Erinnerun- gen wecken.

O-Ton Wolfgang Reinbold:

Die Eltern oder die Großelterngeneration, die kannte all diese Dinge selbstverständlich noch aus eigener Anschauung. Denn natürlich, klar, war es damals so, dass man nicht mit einer Partnerin vor der Ehe zusammenziehen konnte, geschweige denn über Sex... dass das ir- gendwie eine Möglichkeit war. Das war völlig aus der Welt und wenn es doch passierte, war es ein großer Skandal mit den entsprechenden Folgen. Uneheliche Kinder und die gesell- schaftliche Ächtung war riesig. Das hat sich in vier – fünf Jahrzehnten mit dem symbolischen Datum 1968, hat sich das stark geändert. Das heißt, diese Phänomene sind Phänomene, die

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im Christentum auch viele Jahrhunderte lang ganz normal waren und erst in den letzten 50 – 60 Jahren aus der Übung gekommen sind.

Sprecher:

Sagt der Theologe. Außerdem findet Wolfgang Reinbold, dass heutzutage bei der Partnersuche auch der Lebensstil eine sehr wichtige Rolle spielt – nicht nur die Frage nach der Religion.

O-Ton Wolfgang Reinbold:

Es gilt auch für die säkularen Gruppen. Schauen Sie mal, was es gibt unter den Veganern...

Wenn Sie als veganische junge Frau heute einen Partner suchen, das ist ja auch kompliziert, mit einem Fleischesser zusammenzuziehen... Das ist, das kann man versuchen, wird aber oft schief gehen. Also, gibt es auch hier Gruppen, Dating-Apps, Partys, wo man hingehen kann als Vegan-Single, weil es auch da schwierig geworden ist.

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