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Diplomarbeit. Kinderrechte sind Menschenrechte! Eine rechtshistorische Darstellung vom Zeitalter der Aufklärung bis in die Gegenwart.

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Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Rechtswissenschaften an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz

Kinderrechte sind Menschenrechte!

Eine rechtshistorische Darstellung vom Zeitalter der Aufklärung bis in die Gegenwart.

eingereicht bei

ao.Univ.-Prof. Mag. Dr. Anita Prettenthaler-Ziegerhofer

Institut für Österreichische Rechtsgeschichte und Europäische Rechtsentwicklung

von Nina Jessenko

Graz, Juni 2009

(2)

Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den benutzen Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommen Stellen als solche gekennzeichnet habe.

………..

Graz, Juni 2009

(3)

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Personen herzlich bedanken, die mich bei der Erstellung dieser Arbeit begleitet und unterstützt haben.

Ich danke Frau Prof. Prettenthaler-Ziegerhofer für die umsichtige Betreuung dieser Arbeit und die hilfreiche Unterstützung.

Weiters möchte ich mich bei meinen Freunden, meiner Familie und ganz besonders bei meiner Mutter bedanken, die mich alle bei dieser Arbeit und im ganzen Studium in jeglicher Hinsicht sehr unterstützt haben.

Eure Kinder sind nicht eure Kinder.

Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selbst.

Sie kommen durch euch, doch nicht aus euch, Und sind sie auch bei euch, gehören sie euch doch nicht..

(Khalil Gibran, Von den Kindern)

(4)

INHALTSVERZEICHNIS

Abkürzungsverzeichnis ...7

1. Einleitung...8

2. Anfänge einer kindspezifischen Rechtsentwicklung ...10

2.1. Anerkennung der Kinder als eigenständige Wesen... 10

2.2. Anfänge eines rechtlichen Status der Kinder ... 12

2.3. Kinder und Menschenrechte... 13

3. Menschenrechtsschutz...13

3.1. Anfänge und Entwicklung der Menschenrechte ... 13

3.1.1. Menschenrechte im Zeitalter der Aufklärung ... 15

3.1.2. Menschenrechtsgenerationen ... 16

3.1.3. Globalisierung der Menschenrechte... 18

3.2. Hochdokumente des Menschenrechtsschutzes und deren kinderrechtliche Aspekte....18

3.2.1. Vereinte Nationen und Allgemeine Erklärung der Menschenrechte... 19

3.2.1.1. Vereinte Nationen (VN) ... 19

3.2.1.2. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR), 1948... 20

3.2.2. Die Internationalen Pakte, 1966 ... 21

3.2.2.1. Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) .... 22

3.2.2.2. Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPWSKR) ... 23

3.3. Menschenrechtsschutz in Europa ... 25

3.3.1. Menschenrechtsinstrumente im Rahmen des Europarates ... 26

3.3.1.1. Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), 1950... 26

3.3.1.2. Europäische Sozialcharta (ESC), 1961 ... 30

3.3.1.3. Europäisches Übereinkommen über die Ausübung von Kinderrechten .. 31

(5)

3.3.2. Menschenrechtsinstrumente im Rahmen der EU ... 32

3.3.2.1. EU- Grundrechtecharta (GRC), 2000... 32

3.3.2.2. Verschiedene Rechtsinstrumente und Institutionen der EU... 33

3.3.3. Überblick und Aussicht ... 34

4. Auf dem Weg zur Kinderrechtekonvention und weitere Entwicklungen im 20. Jahrhundert ...35

4.1. Jahrhundertwende: Zwei Frauen ebnen den Weg für die Kinderrechte... 35

4.2. Die Genfer Erklärung, 1924 ... 36

4.3. Die Erklärung der Rechte des Kindes, 1959 ... 38

4.3.1. Entstehung und Inhalt... 38

4.3.2. Das Kind im Sinne der Erklärung ... 41

4.3.3. Beziehung der Erklärung der Rechte des Kindes zur AEMR ... 41

4.4. Kinderbefreiungsbewegung und IJK 1979... 42

4.4.1. Kinder sind Menschen... 42

4.4.2. Internationales Jahr des Kindes (IJK), 1979 ... 43

4.5. Weltkindergipfel... 44

4.6. Kinderarbeit und IAO- Übereinkommen Nr. 182 ... 44

5. Die Kinderrechtekonvention (KRK), 1989 ...45

5.1. Entstehung... 45

5.2. Die Konvention ... 46

5.3. Aufbau und Inhalt... 47

5.3.1. Das Kind im Sinne der KRK ... 49

5.3.2. Der Ausschuss für die Rechte des Kindes... 50

5.4. Entwicklung und momentaner Stand ... 50

5.5. Die Fakultativprotokolle ... 52

5.5.1. Protokoll I betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten... 53

5.5.2. Protokoll II betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie... 53

(6)

6. Österreichischer Grundrechtschutz für Kinder und

Auswirkungen der KRK in Österreich...54

6.1. Minderjährige als Grundrechtsträger ... 55

6.1.1. Grundrechtsfähigkeit ... 55

6.1.2. Grundrechtsmündigkeit ... 57

6.2. Spannungsfeld: Elternrechte- Kinderrechte ... 58

6.3. Geltung der KRK in Österreich... 58

6.4. Neuere Entwicklungen ... 60

6.4.1. Kinderrecht im Verfassungsrang und der Österreich Konvent ... 60

6.4.2. Nationaler Aktionsplan ... 61

7. Zusammenfassung ...62

Literatur- und Quellenverzeichnis...64

Anhang I ...68

Anhang II ...70

Anhang III...73

Anhang IV...75

(7)

Abkürzungsverzeichnis

Abs. Absatz

AEMR Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Anm. Anmerkung

Art. Artikel

bzw. beziehungsweise

CEDAW Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EMRK Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten

ESC Europäische Sozialcharta EuGH Europäischer Gerichtshof

EUV Vertrag über die Europäische Union

ff die folgenden

GRC EU- Grundrechtecharta

IAO Internationale Arbeitsorganisation idF in der Fassung

IJK Internationales Jahr des Kindes

IPBPR Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

IPWSKR Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Kap. Kapitel

KiJa Kinder- und Jugendanwaltschaft KRK Kinderrechtekonvention

lit. litera

NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht

UNICEF United Nations International Children’s Emergency Found VfGH Verfassungsgerichtshof

VN Vereinte Nationen

(8)

1. Einleitung

In den Kindern unserer Zeit wird das wertvollste Gut der Gesellschaft gesehen. Sie sind Garant für die Zukunft der Menschheit.1 Doch nicht immer hatten sie diesen besonderen Stellenwert. Denn während Frauen, ethnische Minderheiten oder andere schützenswerte Gruppen hart für ihre Menschenrechte gekämpft haben bzw. noch immer kämpfen, konnten Kinder sich nicht selbst dafür einsetzen. Es bedurfte erst einer jahrhundertlangen Entwicklung bis ihnen der wahre Wert des Menschseins auch rechtlich gewährt wurde. Mit diesem Entstehungsprozess setzt sich meine Arbeit auseinander. Es wird die Rechtsentwicklung von der Wahrnehmung der Kinder als Rechtspersönlichkeit, über das Zugeständnis allgemeiner Menschenrechte, bis hin zu einer eigenen Konvention der Kinderrechte dargestellt.

Die Arbeit erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn die Thematik der Kinderrechte, im Sinne von Menschenrechten, tangiert viele verschiedene Rechtsgebiete, insbesondere Privat- und Arbeitsrecht, wobei diesbezügliche Überschneidungen nicht ausgeschlossen werden können. Eine exakte Grenzziehung ist weder möglich noch sinnvoll, da viele grundlegende Rechte in einer Wechselwirkung zueinander stehen. Beispielsweise konnten sich die Rechte auf Freizeit, Erziehung und freie Entfaltung der Persönlichkeit erst durch die schrittweise Einschränkung der Kinderarbeit etablieren. Die Arbeit soll den historischen Werdegang der Kinderrechte im Wesentlichen erfassen, wobei nicht auf alle Aspekte eingegangen wurde, da es den Umfang dieser Arbeit sprengen würde. Andere Themenbereiche, wie etwa die Kinderbefreiungsbewegung, wurden teils nur ansatzweise behandelt, sie sollen aber zu einem besseren Gesamtverständnis der Entwicklungsgeschichte beitragen.

Nach einer allgemeinen Einleitung wird in Kapitel 2, anhand eines geschichtlichen Umrisses, zunächst erklärt, warum Kinder als eigenständige Wesen lange Zeit unbeachtet blieben und welche Faktoren zur Veränderung dieser Einstellung beitrugen. Obwohl sich die Arbeit mit der rechtshistorischen Darstellung ab dem Zeitalter der Aufklärung befasst, muss beachtet werden, dass Kinder in jener Zeit noch nicht als vollwertige Menschen wahrgenommen wurden. Durch die Erörterung über die Stellung des Kindes in gesellschaftlicher und rechtlicher Hinsicht im Laufe der Zeit, sollen mögliche Ursachen dafür verdeutlicht werden.

1 Wilk, „Kindsein“ in Österreich am Ende des 20. Jahrhunderts- Eine soziologische Überlegung, in Lehner (Hrsg), Kinder und Jugendrecht², 357.

(9)

Im folgenden Kapitel 3 wird der allgemeine Menschenrechtsschutz behandelt. Ausgehend von einem Einblick in die rechtshistorische Entwicklung der Menschenrechte werden anschließend die internationalen Menschenrechtsdokumente des 20. Jahrhunderts aus kinderrechtlicher Perspektive beleuchtet. Von der internationalen Ebene wird auf die regionale Ebene, im Besonderen auf den Menschenrechtsschutz in Europa, eingegangen.

Dabei werden neben der EMRK und der ESC auch spezielle europäische kinderrechtliche Programme behandelt.

Nach der Abhandlung des allgemeinen Menschenrechtsschutzes wird auf die Entwicklung der Kinderrechte im Verlauf des 20. Jahrhunderts eingegangen. In Kapitel 4 werden diesbezüglich die ersten Kinderrechtsdokumente und verschiedene Einflüsse, welche den allgemeinen Entstehungsverlauf begünstigten, erörtert. So wie Ellen Key es forderte, wurde es ein

„Jahrhundert des Kindes“, denn dank dem Einsatz von verschiedenen Organisationen und Persönlichkeiten konnten sich die Kinderrechte wirksam etablieren. Als große Errungenschaft der Entwicklungen gilt die Kinderrechtekonvention aus 1989, welche in Kapitel 5 eingehend beschrieben wird. Sie stellt das wichtigste internationale Menschenrechtsdokument für Kinder dar.

Anschließend wird in Kapitel 6 die Geltung und Umsetzung der Kinderrechtekonvention in Österreich erläutert. Des Weiteren wird auf einzelne Aspekte bezüglich Kinder als österreichische Grundrechtsträger eingegangen.

Wie die Arbeit zeigen soll, war es ein langer Entstehungsprozess bis Kinder als eigene Menschenrechtsträger anerkannt wurden und ihnen schließlich auch eigene Menschenrechte zukamen. Dies warf jedoch die Frage auf: Wenn Kinder Menschenrechtsträger sind, warum bedarf es dann noch spezieller Deklarationen und Konventionen? Dieses Ringen um die Kinderrechte lässt sich mit den Worten des ehemaligen deutschen Bundesjustizministers Klaus Kinkel sehr schön beantworten: „Kinder sind kleine Menschen, die große Rechte brauchen!“2 Denn obgleich den Kindern die generellen Menschenrechtsgarantien zustehen, ist dieser Schutz nicht ausreichend. Aufgrund der Tatsache, dass sie sich nur schwer selbst für ihre Rechte einsetzen können und sie besonders schutzbedürftig sind, brauchen sie eigene Rechte, die auf ihre besonderen Bedürfnisse zugeschnitten sind!

2 Rauch- Kallat/ Pichler (Hrsg), Entwicklungen in den Rechten der Kinder im Hinblick auf das UN- Übereinkommen über die Rechte des Kindes 168.

(10)

2. Anfänge einer kindspezifischen Rechtsentwicklung

Der Titel der Arbeit „Kinderrechte sind Menschenrechte!“ erscheint auf den ersten Blick eine selbstverständliche Aussage zu sein. Doch nicht immer wurden Kinder als Menschen im Sinne von eigenständigen Wesen wahrgenommen. Kinderrechte kamen erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf. Der folgende rechtshistorische Einblick gibt Aufschluss über die lange rechtliche insbesondere menschenrechtliche Unbeachtetheit von Kindern.3

2.1. Anerkennung der Kinder als eigenständige Wesen

Im Mittelalter kannte man keine Trennung der Lebensbereiche zwischen Kindern und Erwachsenen. Es fügte sich nicht in das mittelalterliche Bild einer homogenen Welt.4 Kinder stellten in jener Epoche weder in der Gesellschaft noch im rechtlichen Sinn eine eigene soziale Gruppe dar. Eine Ursache dafür war unter anderem die hohe Kindersterblichkeitsrate.

Bis etwa zum siebten Lebensjahr hatte man als Ziel vor Augen, dass Kinder überleben, danach traten diese in die Erwachsenenwelt ein.5 Das bedeutete, dass sobald ein Kind fähig zur Mithilfe war es zur Arbeit herangezogen wurde. Ebenso wie die übrigen Mitglieder des Familienverbandes musste es seinen Beitrag zur Beschaffung des Lebensunterhalts leisten. Ab diesem Zeitpunkt nahm das Kind auch gleichberechtigt am Lebensbereich der Erwachsenen teil.6

Trotzdem konnte sich noch im Mittelalter, durch den Einfluss des Christentums, allmählich die Anerkennung einer Schutzbedürftigkeit der Kinder einstellen. Eine eigene Individualität wurde dem Kind jedoch erst im Laufe der Neuzeit zugestanden.7

Im Zeitalter der Aufklärung entwickelte sich die Ansicht, dass Kinder die „Gestalter der Zukunft“ wären. Das Vernunftdenken trug dazu bei, die Kinder als soziale Gruppe wahrzunehmen.8 Verschiedene Impulse in der Wende zwischen Mittelalter und Neuzeit

3 vgl. Benedek/ Nikolova- Kress, Menschenrechte verstehen: Handbuch zur Menschenrechtsbildung (2004) 217ff.

4 Ebner, Die Geschichte der Kindheit, Zeitschrift der Österreichischen Liga für Menschenrechte 4/2005 (10) 10.

5 Verhellen, Das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes: Entstehungsgeschichte, Inhalte und Ausblicke, in Filler/ Kern/ Kölbl/ Trnka/ Wintersberger, Kinder, Kinderrechte und Kinderpolitik: Enquête Wien, Österreich 2.-4. Mai 1994 (1994) 58.

6 Johansen, Betrogene Kinder: Eine Sozalgeschichte der Kindheit (1978) 119.

7 Floßmann, Österreichische Privatrechtsgeschichte6 (2008) 108.

8 Verhellen in Filler/ Kern/ Kölbl/ Trnka/ Wintersberger, Kinder 58.

(11)

begünstigten die Bildung der neuen Anerkennung des Kindes. Neben der physischen Gesundheit, der man zunehmende Bedeutung beimaß, traten zwei wichtige psychologische Aspekte hinzu:

Einerseits fand man Belustigung im Gehätschel mit Kindern und andererseits stellte sich die Erkenntnis ein, dass Kinder zu verständigen Wesen erzogen werden mussten.9 Insbesondere die Entwicklungen im Bereich Erziehung und Bildung verhalfen zu einem veränderten Verständnis vom Kind. Mit dem Liberalismus, einer Strömung der Aufklärung, wurde die Erziehung als Fundament gesehen, die das Volk aus der Unmündigkeit führen konnte. Es entstand die Möglichkeit, aus bestehenden Verhältnissen durch den Einsatz der Vernunft auszubrechen. Für die Pädagogik und das Kinderrecht brachten insbesondere die Arbeiten von Jean-Jaques Rousseau und seinen Nachfolgern eine positive Veränderung im Erziehungsverständnis aber auch in der Sichtweise des Kindes allgemein.10

Von besonderer Wichtigkeit war das Wirken von Jean-Jaques Rousseau, der 1762 den Erziehungsroman „Emile oder über die Erziehung“ verfasste. Er vertrat darin zwar noch die klassische Charakterisierung des Kindes als einfältigen Tor, da es des Verstandes noch nicht mächtig war, jedoch forderte er auf, dass die Erziehung genau dieser Gegebenheit entgegen wirken sollte. Nach seinen Vorstellungen sollte die Erziehung wohldurchdacht und anleitend sein, damit sich das Kind ihr, aufgrund seiner angeborenen Neugier, freiwillig unterwerfen konnte. Rousseau wandte sich strikt gegen die Züchtigung und die Launen des Erziehers.11 Er verstand das Kind als Menschen ab dem Zeitpunkt der Geburt, nicht erst mit Beginn der Erziehung. Er war Anhänger der sogenannten natürlichen Erziehung, die auf die Individualität abgestimmt war. Seine Einstellung, dass jeder Mensch von Natur aus gut sei, entsprach dem humanistischen Grundgedanken. Die Ausbildung des Schülers sollte sich an dessen Bedürfnissen und nicht an festgelegten Kategorien orientieren. Dem Vorbild von Rousseau folgten in dieser Linie die Erziehungstheoretiker Johann Heinrich Pestalozzi, Friedrich Fröbel und Ellen Key. Diese erweiterten die Anerkennung der Individualität, woraus schließlich ein Recht auf individuelle Förderung erwuchs.12

9 Ariès, Geschichte der Kindheit16 (2007) 217.

10 Ramm, Jugendrecht: Ein Lehrbuch (1990) 26.

11 Johansen, Betrogene Kinder 125ff.

12 Ebner, Liga 4/2005, 10.

(12)

2.2. Anfänge eines rechtlichen Status der Kinder

Die Rechte der Kinder sind aus einer historischen Betrachtung gesehen noch sehr jung. Da man die Kindheit über lange Zeit lediglich als Vorstufe zum Erwachsensein betrachtete, waren sie der Willkür der Gesellschaft ausgeliefert, also all jenen, denen eine Erziehung oblag. Bis ins 19. Jahrhundert hinein konnten Kinder in vielen Ländern Europas ungestraft verkauft, geschlagen und sogar getötet werden.13 Ebenso wie sie als soziale Gruppe lange Zeit unbeachtet blieben, fanden sie auch in rechtlicher Hinsicht kaum Erwähnung. Für lange Zeit waren Kinder entweder den Erwachsenen rechtlich gleichgestellt, beispielsweise im Strafrecht;14 oder sie fanden rechtliche Erwähnung als deren Eigentum, weshalb die Erwachsenen nach ihrem Willen ungestraft mit ihnen verfahren konnten. Die Herausbildung eines sozialen Status führte allmählich zur Anerkennung eines eigenen rechtlichen Status.15

Obwohl sich die Menschenrechte im Zuge der Aufklärung entwickelten, wurden Kinder in jener Zeit nicht als Menschenrechtsträger wahrgenommen. Jedoch finden sich einige wichtige Entwicklungsschritte im 18. und 19. Jahrhundert, die maßgebend zum Verständnis des Kindes als Rechtspersönlichkeit beitrugen. Vor allem die folgenden drei Punkte spielten eine wichtige Rolle bei der Entwicklung einer eigenen rechtlichen Stellung:

Etablierung der Schulpflicht

Einschränkung der väterlichen Vormundschaft

Einführung von arbeitsrechtlichen Schutzgesetzten für Kinder 16

Näher ist noch kurz auf die Bedeutung der frühen arbeitsrechtlichen Kinderschutzgesetze hinzuweisen, da diese weitreichender waren als typische arbeitsrechtliche Bestimmungen. Sie hatten einen multifunktionalen Charakter; mit ihnen wurden unter anderem schulpolitische, religiöse und sanitätspolizeiliche Ziele verfolgt.17 Kinderarbeit war und blieb in vielen Ländern bis in die Gegenwart eine weit verbreitete Problematik. Neben dem wesentlichen Punkt der Ausbeutung wurden auch weitere fundamentale Rechte des Kindes verletzt, wie etwa das Recht auf Gesundheit, Erziehung und Freizeit. Aufgrund der weitreichenden Folgen dieser

13 Nowak, Das Menschenrecht des Kindes, Der Österreichische Amtsvormund 3/1990, (59) 59.

14 Ebner, Liga 4/2005, 11.

15 Weisberg, Evolution of the concept of the rights of the child in the Western World, International Commission of Jurists Review No 21/ 1978, (43) 45.

16 vgl. Weisberg, International Commission of Jurists Review 21/ 1978, 45ff.

17 Mayer- Maly, Vom Kinderschutz zum Arbeitsrecht, in FS für Gustaf Klemens Schmelzeisen (1980) 233.

(13)

wirtschaftlichen Ausbeutung fanden dementsprechende Einschränkungen von Beginn an Eingang in die internationalen Kinderrechtsdokumente.18

Diese oben genannten rechtlichen Entwicklungen verringerten zwar das Machtmonopol der Eltern, jedoch hatten die Kinder jetzt den Objektstatus gegenüber dem Staat inne. Durch nationale Gesetzgebung wurden sie in einen sogenannten „Noch- Nicht“ Status gezwängt, in dem sie auf das spätere Leben vorbereitet werden sollten, dadurch aber zugleich von der Erwachsenenwelt ferngehalten wurden. Diese Haltung wurde auch auf internationaler Ebene übernommen, besonders in der Genfer Erklärung von 1924 (siehe Kap. 4.2.) wird der passive Status des Kindes deutlich. Erst ab den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde allmählich von diesem Verständnis des Kindes abgekommen.19

2.3. Kinder und Menschenrechte

Mit der allgemeinen Menschenrechtsbildung und den Jahrhunderte langen Veränderungen im sozialen und psychologischen Sektor entwickelte sich das Konzept der Kinderrechte. Die anfänglichen Schutzmechanismen wurden aufgrund neuer Erkenntnisse der Erziehung und der Kinderbefreiungsbewegung durch neue Schwerpunkte der Autonomie und Selbstbestimmung des Kindes ergänzt. Die weitreichenden Entwicklungen führten schließlich zur großen Errungenschaft des 20. Jahrhunderts der Kinderrechtekonvention aus 1989.20

3. Menschenrechtsschutz

3.1. Anfänge und Entwicklung der Menschenrechte

Seit Anbeginn der Menschheit bestand die Vorstellung von einer Menschenwürde und somit auch einer Anerkennung des hohen Stellenwertes des menschlichen Lebens. In allen

18Van Bueren, The International Law on the Rights of the Child (1995) 262.

19 Verhellen in Filler/ Kern/ Kölbl/ Trnka/ Wintersberger, Kinder 58.

20 Benedek/ Nikolova- Kress, Menschenrechte verstehen 218.

(14)

Religionen findet sich die sogenannte „goldene Regel“:21 So heißt es beispielsweise im Judentum: Was du nicht wünschest, dass dir dein Nächster tue, das tue du ihm nicht.22

Die Menschenrechte selbst kamen jedoch erst mit dem philosophischen Denken der Neuzeit auf.23 Im Christentum ergab sich aus der Vorstellung, dass alle Menschen nach dem Ebenbild Gottes erschaffen sind, zwingend auch die Grundsätze der Gleichheit und der Würde aller Menschen. Dieses christliche Naturrecht bestand unabhängig und vorrangig vor dem Staat.

Zwei wesentliche Komponenten waren ausschlaggebend für die einsetzende Menschenrechtsbildung:

Einerseits die philosophische Erkenntnis, dass der Mensch von Natur aus angeborene Rechte besitzt und andererseits die ab dem späten 17. Jahrhundert schrittweise Erfassung der entsprechenden Rechte in Staat und Gesellschaft.24

Im Zeitalter der Aufklärung trat durch die Anerkennung von subjektiven Rechtsansprüchen, die ihre Wurzel in der Würde des Menschen fanden, ein Emanzipationsprozess in Gang. Der Mensch wandelte sich vom mittelalterlichen Objektstatus, der ein bloßer Träger von Pflichten war, zu einem Rechtssubjekt.25 Das aufklärerische Gedankengut, das insbesondere im Bürgertum und niederen Adel seinen Niederschlag fand, zielte auf die Befreiung aus der Allmacht von Monarch und Kirche ab. Man wandte sich gegen geistige und politische Bevormundung und forderte ein neues gesellschaftliches Konzept, dass auf der Gleichheit des Menschen basieren sollte.26

Durch die Aufklärung und dem Vernunftrecht wurde der Mensch als Subjekt in die Rechtsordnung aufgenommen. Dadurch vollzog sich auch ein Wandel im Staatsverständnis, das seine Grundlage nicht länger auf göttlicher Rechtfertigung, sondern in dem Erfordernis eines Schutzes der Menschenrechte fand. Dieses Bestreben, zu deren Verfechtern unter anderem John Locke und Jean-Jaques Rousseau zählten, läutete mit der amerikanischen und französischen Revolution die ersten Menschenrechtsdokumente ein.27

21 Benedek/ Nikolova- Kress, Menschenrechte 19.

22 Nowak, Einführung in das internationale Menschenrechtssystem (2002) 21(Textbox 3).

23 Benedek/ Nikolova- Kress, Menschenrechte 19.

24 Kohl, Der Schutz der Grundrechte des Menschen in Österreich (1970) 4ff.

25 Nowak, Menschenrechtssystem 14.

26 Lehner, Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte mit Grundzügen der Wirtschafts- und Sozialgeschichte³ (2002) 137.

27 Nowak, Menschenrechtssystem 21ff.

(15)

Um die philosophischen Erkenntnisse in staatlich geschützte Menschenrechte zu verwandeln wurden weder im Altertum noch im Mittelalter entsprechende Rechtsakte gesetzt. Im Zuge der Aufklärung entwickelten sich, geleitet durch die Naturrechtsschule, umfassende Rechtssysteme, welche die Prinzipien der Freiheit, Gleichheit und Würde des Menschen verinnerlichten und in staatlich gesatztes Recht umsetzten, wodurch diese Rechtswirklichkeit erlangten.28

3.1.1. Menschenrechte im Zeitalter der Aufklärung

Mit der Aufklärung wurde der Mensch erstmals als freies, autonomes Subjekt anerkannt, dem aufgrund seiner Existenz bestimmte Rechte zukommen. Da diese aber ohne Rechtsgarantie wirkungslos wären, entwickelte sich aus der Naturrechtslehre eine neue Legitimitätstheorie des Staates. Anstelle eines Gottesbezuges wurde dieser zur „Sicherung der natürlichen Rechte des Menschen“ berufen.29 Neben dem Naturrechtsdenken waren die Ideen des Liberalismus, also die Freiheit des Menschen zur Selbstverwirklichung, und der Demokratie, woraus die politische Freiheit entspringt, die Säulen der Aufklärung. Zusammen entsprachen die bürgerlichen und politischen Rechte dem klassischen Menschenrechtskonzept der Aufklärung.

Das manifestierte sich in diversen Verfassungen jener Epoche.30

Die „Virginia Bill of Rights” aus 1776 stellte den ersten Menschenrechtskatalog aus jener Zeit dar, welcher bürgerliche und politische Rechte in sich verinnerlichte. Am 4. Juli 1776 wurde die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet, die ebenfalls entsprechende Menschenrechte enthielt. Wirklicher Impuls für die Weiterentwicklung in Europa und das bedeutendste Menschenrechtsdokument jener Zeit war allerdings erst die französische Menschenrechtsdeklaration aus 1789, die „ Déclaration des droits de l’homme et du citoyen“.

Die Erklärung der Rechte des Menschen und Bürgers wurde dann in die erste französische Verfassung von 1791 aufgenommen.31

Mit der Aufklärung konnte auch eine Veränderung in der Rechtsauffassung der Familie erzielt werden. Beeinflusst durch die Forderung, dass der Staat das Gesetzgebungsmonopol über Ehe und Familie haben solle, kam es zum Aufbruch alter Autoritätsstrukturen. Dadurch

28 Kohl, Schutz der Grundrechte 8.

29 Nowak, Entwicklung und Systematik der Menschenrechte, in Kneucker/ Nowak/ Tretter/ Diem- Wille (Hrsg), Menschenrechte- Grundrechte: Materialien und Texte zur politischen Bildung (1992) 6.

30 Nowak, Menschenrechtssystem 21ff.

31 Nowak in Kneucker/ Nowak/ Tretter/ Diem- Wille (Hrsg), Menschenrechte- Grundrechte, 6.

(16)

entwickelte sich die Vorstellung, dass das Kind auch innerhalb des Familienverbandes Menschenrechte hätte und ihm ein Recht auf eigene Persönlichkeitsentfaltung zugestanden werden sollte.32 Jedoch enthielten weder die ersten amerikanischen noch französischen Menschenrechtsdeklarationen eine spezielle Bezugnahme auf Kinder. Zu dieser Zeit waren spezielle Kinderrechte noch nicht zu finden.33

Unabhängig von eigenen Rechten für Kinder handelte es sich bei den verschiedenen Menschenrechtserklärungen jener Zeit ohnehin um Männerrechte. Während sich Olympe de Gouges etwa für die Anerkennung der Frauenrechte einsetzte, gab es niemanden, der für Kinderrechte kämpfte.34

3.1.2. Menschenrechtsgenerationen

Die Entstehung der Menschenrechte beginnt im 18. Jahrhundert. Mit dem bedeutenden Impuls der französischen Menschenrechtsdeklaration aus 1789, bedurfte die allgemeine Menschenrechtsbildung einer jahrhundertlangen Entwicklung.35 Meist fand die Entwicklung in Schüben statt, welche oftmals in Revolutionen ihren Ausgangspunkt hatte. Der Menschenrechtsexperte Karel Vasak entwickelte dafür den Begriff

„Menschenrechtsgenerationen“. Dabei handelt es sich aber um keine chronologische Abfolge, sondern um ein Geflecht der verschiedenen Menschenrechtskonzepte, das unter wechselseitiger Beeinflussung steht. Die drei Generationen bestehen aus:

- Bürgerlichen und politischen Rechten

- Wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten - Kollektiven Rechten36

Die erste Generation trat im 18. Jahrhundert mit den politischen Umbrüchen in Amerika und Frankreich hervor. Durch die Abwehrrechte wurde der Staat aus dem Privatleben seiner Bürger zurückgedrängt. In der russischen Verfassung von 1918 wurden erstmals die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der zweiten Generation, in einem rechtsverbindlichen Vertragswerk festgehalten. Im Gegensatz zur ersten Generation kam in diesem Fall dem Staat eine Handlungsverpflichtung für die garantierten Rechte zu.37

32 Floßmann, Privatrechtsgeschichte6, 69.

33 Freeman, The moral status of children: Essays on the Rights of the Child (1997) 48.

34 Ramm, Jugendrecht 28.

35 vgl. Verhellen in Filler/ Kern/ Kölbl/ Trnka/ Wintersberger, Kinder 61.

36 Nowak, Menschenrechtssystem 35.

37 Verhellen in Filler/ Kern/ Kölbl/ Trnka/ Wintersberger, Kinder 61.

(17)

Bis zum offiziellen Ende des Kalten Krieges im Jahr 1990 war eine Weiterentwicklung aufgrund der ideologischen Streitigkeiten zwischen der ersten und zweiten Generation der Menschenrechte stark eingeschränkt. Während dieser verhärteten Front, zwischen klassischem westlichem und sozialistischem östlichem Menschenrechtskonzept, ergab sich ein Weiterentwicklungsimpuls aus Afrika. Mit Unterstützung des Völkerbundes und später der Vereinten Nationen erkämpften sich viele Kolonialvölker die Freiheit. Mit der Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker wurden eine Reihe weiterer kollektiver Rechte proklamiert. So etablierte sich die dritte Generation der Menschenrechte.38

Es wurden immer wieder Streitigkeiten darüber entfacht, ob einzelnen Rechten Priorität einzuräumen sei. Auf der ersten Weltkonferenz über Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1968 in Teheran wurde ihre Unteilbarkeit anerkannt. Mit der verabschiedeten Erklärung auf der zweiten Konferenz in Wien 1993 bekannte man sich zur Universalität der Menschenrechtrechte, denen als Kernstück die jedem Menschen innewohnende Würde zugrunde liegt. Sie gelten als Geburtsrechte, das heißt sie stehen überall in Geltung, sind unveräußerlich und können der Person nicht einmal mit ihrer Zustimmung entzogen werden.39

Unter Menschenrechten im rechtlichen Sinn werden heute alle bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und kollektiven Rechte verstanden, welche in internationalen und regionalen Menschenrechtsinstrumenten verankert sind. 40

Die Menschenrechte bilden ein grobes Netzwerk aus Mindeststandards und Verfahrensregeln, das keinen Anspruch auf ein vollständiges und geschlossenes Wertesystem erhebt. Den universell gültigen Kern bilden das Leben und die Würde des Menschen und die darauf beruhenden unveräußerlichen Rechte. Daraus ergeben sich insbesondere Freiheitsrechte, Gleichheitsrechte und politische Rechte.41 Der Schutz der Menschenrechte ist heutzutage eine der wichtigsten Aufgaben und stellt die bedeutsamste Legitimationsgrundlage für Staaten und übernationale Organisationen dar.42

38 vgl. Nowak, Menschenrechtssystem 24.

39 Benedek/ Nikolova- Kress, Menschenrechte 21.

40 Nowak, Menschenrechtssystem 13.

41 Nowak, Menschenrechtssystem 13.

42 Nowak in Kneucker/ Nowak/ Tretter/ Diem- Wille (Hrsg), Menschenrechte- Grundrechte 5.

(18)

3.1.3. Globalisierung der Menschenrechte

Die verschiedenen Grundrechtskataloge der Staaten entwickelten sich im Laufe der Jahrhunderte je nach Einfluss teilweise recht unterschiedlich. Heute verfügen beinahe alle Staaten über dieses wichtige Rechtsinstrument. Bis zum Zweiten Weltkrieg blieb die Normativität der Menschenrechte auf nationale Verfassungen beschränkt, erst dann fanden sie ihren Weg in das Völkerrecht.43

Bis ins 20. Jahrhundert fand sich die Menschenrechtsidee somit nur auf nationaler Ebene wieder. Der erste Schritt zu einer Internationalisierung ist mit der Gründung des Völkerbundes 1920 verbunden, der Schutz der Menschenrechte erfolgte jedoch nur im Rahmen eines sogenannten „reaktiven“ (defensiven) Ansatzes: das Hauptziel bestand in der Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg konnte durch die Gründung der Vereinten Nationen die Umsetzung der Menschenrechte auf internationaler Ebene realisiert werden. Durch die Verlautbarung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen 1948 vollzog sich auch die Wende zu einem

„proaktiven“ (offensiven) Ansatz: die Menschenrechte erhielten eine internationale Rechtsgrundlage und sollten zu besseren Lebensbedingungen beitragen.44

3.2. Hochdokumente des Menschenrechtsschutzes und deren kinderrechtliche Aspekte

Besitzen Kinder Menschenrechte? Wie die Vergangenheit zeigt, ist diese Frage nicht so abwegig wie sie auf den ersten Blick scheint. Denn obwohl schon in Zeiten der Aufklärung die ersten Grundrechte gewährt wurden, hatten Frauen und Sklaven lange Zeit keinen diesbezüglichen Rechtsanspruch, von Kindern ganz zu schweigen. Menschenrechte, wie sie in den folgenden angeführten Dokumenten des 20. Jahrhunderts geregelt sind, stehen grundsätzlich alle Menschen, so auch Kindern, zu. Da bis auf wenige Ausnahmen, keine Anhaltspunkte bestehen, dass es eine Unterscheidung bei der Anwendung der Menschenrechte zwischen Erwachsenen und Kindern gibt, haben ebenso Kinder Anspruch auf die Gewährleistungen der allgemeinen menschenrechtlichen Standards.45

43 Nowak, Menschenrechtssystem 27.

44 Verhellen in Filler/ Kern/ Kölbl/ Trnka/ Wintersberger, Kinder 60ff.

45 vgl. Nowak, ÖA 3/1990, 60.

(19)

3.2.1. Vereinte Nationen und Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

3.2.1.1.Vereinte Nationen (VN)

Im Jahr 1945 erfolgte die Gründung der Vereinten Nationen als Nachfolgeorganisationen des Völkerbundes. Aufgrund der leidvollen Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg verfolgte man neben dem Hauptziel der Bewahrung des Weltfriedens auch die Förderung der Menschenrechte (Art. 1 der Charta der Vereinten Nationen). Dem Wirtschafts- und Sozialrat wurde dabei die primäre Verantwortung in Menschenrechtsfragen zugewiesen.46

Durch Art. 55 lit. b, c der Charta werden die Vereinten Nationen zur Achtung der Menschenrechte verpflichtet und zur Lösung wirtschaftlicher und sozialer Probleme beauftragt, darunter fällt neben Angelegenheiten des Gesundheits- und Erziehungswesen auch der Schutz der Kinder.47

Den Vereinten Nationen obliegt das Monopol des universellen Menschenrechtsschutzes, da von ihnen die meisten Menschenrechtsstandards ausgearbeitet und auch ein entsprechendes Überwachungs- und Verfahrenssystem geschaffen wurden. Aber auch nicht- staatliche Menschenrechtsorganisationen, wie beispielsweise Human Rights Watch, haben Einfluss auf das internationale Geschehen.48

Bereits ein Jahr nach Gründung der VN, wird die „United Nations International Children’s Emergency Found“ (UNICEF) durch die Generalversammlung gegründet. Sie ist eine einzigartige Organisation innerhalb der VN, die Kinder in jeder Lebenslage unterstützt. Somit eröffnet sich ein breites Arbeitsfeld, das sich mit vielen anderen Bereichen überschneidet.

Denn wo es Missstände wie Armut, Hunger, Analphabetismus und dergleichen gibt, sind vor allem Kinder, wegen ihrer Hilflosigkeit noch mehr als Erwachsene, auf Unterstützung angewiesen.49 Obwohl UNICEF ursprünglich für die Kinderhilfe im Nachkriegseuropa gegründet worden war, wurde es 1953 zu einem ständigen Glied innerhalb der VN berufen.

Danach wurde die Hilfe verstärkt auch auf andere Kontinente, insbesondere Afrika,

46 Nowak, Menschenrechtssystem 87.

47 Dammin, Die “Erklärung der Rechte des Kindes” der Vereinten Nationen vom 20. November 1959 und die Berücksichtigung der darin niedergelegten Grundsätze in der deutschen Gesetzgebung (1963) 12; Art 1, 55 Charta der VN, BGBl 1956/120.

48 Nowak, Menschenrechtssystem 82.

49 Black, The Children and the Nations: The Story of Unicef (1986) 15ff.

(20)

ausgeweitet. Die Organisation erhielt 1965 für ihre Tätigkeit und ihren uneingeschränkten Einsatz den Friedensnobelpreis.50

UNICEF ist gegenwärtig durch nationale Komitees oder andere Partner-Organisationen in mehr als 160 Staaten in Form humanitärer Programme für Kinder tätig. Durch die Kinderrechtekonvention (KRK) fand die Organisation eine grundlegende Aufwertung, da UNICEF durch Art. 45 der KRK, in Zusammenarbeit mit dem Ausschuss für die Rechte des Kindes, zur Mithilfe an der Durchsetzung der Konvention betraut wird. So wird einerseits mit UNICEF ein starker Partner in die Umsetzung miteinbezogen und andererseits wird ein neuer rechtlicher Rahmen für deren Tätigkeiten geschaffen, welcher auch ein neues menschenrechtliches Mandat für UNICEF begründet.51

3.2.1.2. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR), 1948

Am 10. Dezember 1948 wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte angenommen. Die Ausarbeitung durch die Menschenrechtskommission beanspruchte nur zwei Jahre, was unter anderem an der noch relativ kleinen Staatengemeinschaft lag, wodurch auch das ideologische Konfliktpotenzial noch gering war. Sie vereint Menschenrechte aller drei Generationen in sich und achtet so den Grundsatz der Unteilbarkeit der Menschenrechte, der erst Jahrzehnte später formell verankert wurde. Obwohl die AEMR keine völkerrechtliche Verbindlichkeit besitzt, bildet sie doch das grundlegendste internationale Menschenrechtsdokument, die es teilweise als anerkanntes Völkergewohnheitsrecht darstellt und als Vorbild für weitere, später entstandenen Verfassungen und Menschenrechtsdokumente gilt.52

Die in der AEMR garantierten Rechte gelten für alle Menschen und somit auch für Kinder.

Zwei Artikel besitzen zudem eine ausdrückliche Bezugnahme auf Kinder:53

Art. 25 (2): Mutter und Kind haben Anspruch auf besondere Fürsorge und Unterstützung.

Alle Kinder, eheliche wie außereheliche, genießen den gleichen sozialen Schutz.54

50 UNICEF Österreich, Die Geschichte von UNICEF, http://www.unicef.at/geschichte.html (9.5.2009).

51 Nowak, Menschenrechtssystem 153; Art. 45 KRK, BGBl 1993/7.

52 Nowak, Menschenrechtssystem 89ff.

53 Van Bueren, International Law 17ff.

54 Deutscher Übersetzungsdienst, Vereinte Nationen, New York: Resolution 217 A (III),

http://www.unric.org/index.php?option=com_content&task=view&id=105&Itemid=146 (21.5.2009). [Anm.:

Englische Fassung der AEMR in Ermacora/ Nowak/ Tretter, International Human Rights: Documents and Introductory Notes (Wien 1993)]

(21)

Artikel 26 beinhaltet das Recht auf Bildung, wobei sowohl der Zugang als auch die Ziele geregelt sind:55

(1) Jeder hat das Recht auf Bildung. Die Bildung ist unentgeltlich, zum mindesten der Grundschulunterricht und die grundlegende Bildung. Der Grundschulunterricht ist obligatorisch. Fach- und Berufsschulunterricht müssen allgemein verfügbar gemacht werden, und der Hochschulunterricht muß allen gleichermaßen entsprechend ihren Fähigkeiten offenstehen.

(2) Die Bildung muß auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und auf die Stärkung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten gerichtet sein. Sie muß zu Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen Nationen und allen rassischen oder religiösen Gruppen beitragen und der Tätigkeit der Vereinten Nationen für die Wahrung des Friedens förderlich sein.

(3) Die Eltern haben ein vorrangiges Recht, die Art der Bildung zu wählen, die ihren Kindern zuteil werden soll.56

3.2.2. Die Internationalen Pakte, 1966

Nach der AEMR machte man sich alsbald an die Erarbeitung einer völkerrechtsverbindlichen Menschenrechtskonvention. 1951 fiel die Entscheidung, gegen den Grundsatz der Unteilbarkeit der Menschenrechte, die Rechte in zwei unterschiedlichen Verträgen zu regeln.

Es benötigte fast zwei Jahrzehnte für die Ausarbeitung, wofür unter anderem die Meinungsdivergenzen zur Zeit des Kalten Krieges verantwortlich waren. 1966 konnten schließlich die beiden Menschenrechtspakte, der „Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte“ (IPBPR) und der „Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ (IPWSKR), verabschiedet werden. Diese traten schließlich 1976 in Kraft.57

55 Van Bueren, International Law 17ff.

56 Deutscher Übersetzungsdienst, Vereinte Nationen, New York: Resolution 217 A (III),

http://www.unric.org/index.php?option=com_content&task=view&id=105&Itemid=146 (21.5.2009).

57 Nowak, Menschenrechtssystem 92ff. [Anm.: 1978 traten die Pakte in Österreich in Kraft, BGBl 1978/590 und BGBl 1978/591]

(22)

3.2.2.1. Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) Gemäß Art. 2 Abs. 1 des IPBPR hat jede Person die sich in einem Vertragsstaat befindet und in dessen Herrschaftsgewalt steht Anspruch auf die Gewährleistungen des Paktes.58 Der politische Pakt ist in seinen Grundsätzen inhaltlich der EMRK (siehe Kap. 3.3.1.1.) sehr ähnlich, dennoch ist der IPBPR umfangreicher. So enthält dieser neben einem Selbstbestimmungsrecht der Völker (Art. 1), einem Verbot von Kriegspropaganda (Art. 20) auch einen eigenen Artikel über Mindestrechte für Kinder (Art. 24).59

Es bestanden viele Unstimmigkeiten, ob ein eigener Artikel über die Rechte von Kindern überhaupt in den politischen Pakt integriert werden sollte. Die Kritiker meinten, dass der generelle Bezug in Art. 2 Abs. 1, der allen Personen ohne Diskriminierung die Rechte des IPBPR gewährt, bereits Kinder mit einschließe und ein eigener Artikel die uneingeschränkte Anwendung der übrigen Bestimmungen in Frage stellen würde. Der Entwurf zu Art. 24 wurde von Polen vorgelegt. Man war sich bewusst, dass die im Pakt garantierten Rechte und Freiheiten nicht vollständig von Kindern ausgelebt werden können und verankerte deswegen spezielle Schutzmaßnahmen.60

Artikel 24:

(1) Jedes Kind hat ohne Diskriminierung hinsichtlich der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der nationalen oder sozialen Herkunft, des Vermögens oder der Geburt das Recht auf diejenigen Schutzmaßnahmen durch seine Familie, die Gesellschaft und den Staat, die seine Rechtsstellung als Minderjähriger erfordert.

(2) Jedes Kind muß unverzüglich nach seiner Geburt in ein Register eingetragen werden und einen Namen erhalten.

(3) Jedes Kind hat das Recht, eine Staatsangehörigkeit zu erwerben.61

Da eine völlige rechtliche Gleichstellung zu nichtehelichen Kindern von vielen Ländern abgelehnt wurde, bezieht sich das Diskriminierungsverbot aus Abs. 1 lediglich auf Schutzverpflichtungen gegenüber dem Kind und nicht auf alle Rechte.62

58 Nowak, UNO- Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll: CCPR- Kommentar (1989) 42; Art. 2 (1) Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, die in diesem Pakt anerkannten Rechte zu achten und sie allen in seinem Gebiet befindlichen und seiner Jurisdiktion unterstehenden Personen ohne Unterschied, wie insbesondere der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status zu gewährleisten. [BGBl 1978/591]

59 Nowak, Menschenrechtssystem 93.

60 Van Bueren, International Law 21.

61 BGBl 1978/591.

(23)

Neben Art. 24 finden sich etliche kindbezogene Bestimmungen in unterschiedlichen Artikeln, wie beispielsweise Schutz im Fall der Eheauflösung (Art. 23 Abs. 4) und diverse Sonderregelungen für Jugendliche im Bereich strafrechtlicher Grundsätze.63 Es handelt sich dabei um verfahrensrechtliche Bestimmungen:

- Art. 6 Abs. 5 verbietet die Verhängung der Todesstrafe über Personen unter 18 Jahren.

- Art. 10 Abs. 2 lit. b und Abs. 3 legen die Trennung von jugendlichen und erwachsenen Beschuldigten und Straffälligen fest.

- Art. 14 Abs. 4 verlangt eine solche Verfahrensführung gegen Jugendliche, die ihrem Alter angemessen ist. Aus diesem Artikel ergibt sich allerdings nicht die Verpflichtung zur Errichtung von Jugendgerichten.64

Ein Manko stellt das internationale Überwachungssystem des Paktes dar, das eher schwach ausgestaltet ist. Die Kontrolle der staatlichen Einhaltung der Vertragsverpflichtung obliegt dem Menschenrechtsausschuss, dessen Entscheidungen besitzen jedoch keine völkerrechtliche Verbindlichkeit.65

3.2.2.2. Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPWSKR)

Der Sozialpakt enthält die sogenannte zweite Generation der Menschenrechte, zu denen neben wirtschaftlichen und kulturellen Rechten auch die Gewährleistung sozialer Rechte zählt. Auch der Sozialpakt findet allgemeine Anwendung auf Kinder. Das bedeutet allerdings nicht, dass dieser auch einen entsprechenden Inhalt besitzt, der auf den Schutz der kindlichen Würde abgestimmt ist. Speziell bezieht sich der IPWSKR nur in wenigen Artikeln ausdrücklich auf Kinder. Der wesentlichen Artikel, der die grundlegende Schutzverpflichtung für Kinder vorschreibt, ist in Art. 10 Abs. 3 normiert:66

Die Vertragsstaaten erkennen an

(3) dass Sondermaßnahmen zum Schutz und Beistand für alle Kinder und Jugendlichen ohne Diskriminierung aufgrund der Abstammung oder aus sonstigen Gründen getroffen werden

62 Nowak, CCPR- Kommentar 456ff.

63 Nowak, CCPR- Kommentar 458; BGBl 1978/ 591.

64 Nowak, CCPR- Kommentar 227ff; Art. 6 (5), Art. 10 (2) lit. b, (3), Art. 14 (4), BGBl 1978/591.

65 Nowak, Menschenrechtssystem 94ff.

66 Van Bueren, International Law 19.

(24)

sollen. Kinder und Jugendliche sollen vor wirtschaftlicher und sozialer Ausbeutung geschützt werden. Ihre Beschäftigung mit Arbeiten, die ihrer Moral oder Gesundheit schaden, ihr Leben gefährden oder voraussichtlich ihre normale Entwicklung behindern, soll gesetzlich strafbar sein. Die Staaten sollen ferner Altersgrenzen festsetzen, unterhalb derer die entgeltliche Beschäftigung von Kindern gesetzlich verboten und strafbar ist.67

Daneben beinhaltet Artikel 12 das Recht auf körperliche und geistige Gesundheit und verpflichtet die Vertragsstaaten in Abs. 2 wie folgt: Die von den Vertragsstaaten zu unternehmenden Schritte zur vollen Verwirklichung dieses Rechtes umfassen die erforderlichen Maßnahmen-

a) zur Senkung der Zahl der Totgeburten und der Kindersterblichkeit sowie zur gesunden Entwicklung des Kindes;68

Zudem umfasst Artikel 13 eine ausführliche Regelung in Bezug auf das Recht auf Bildung.69

Zur Überwachen des IPWSKR ist der Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte berufen, dem 18 ExpertInnen angehören. Dieser prüft die Staatenberichte und trug in der Vergangenheit vor allem durch seine Anmerkungen zu einer wegweisenden Interpretation der Rechte des Paktes bei.70

Im Prinzip stehen sich die Pakte gleichberechtigt gegenüber, jedoch ist die Verpflichtung des Sozialpaktes deutlich weniger streng abgefasst. Nach Art. 2 Abs. 1 IPWSKR sind die Vertragsstaaten dazu angehalten, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen um nach und nach die Umsetzung der im Pakt gewährleisteten Rechte zu erreichen.71 Dabei sollen die Staaten ihre vorhandenen Ressourcen ausschöpfen, während beim politischen Pakt, unabhängig von den eigenen Ressourcen, eine unverzügliche Umsetzung vorgeschrieben ist. Dieser Unterschied bei der Umsetzungsverpflichtung liegt in der Annahme, dass mehr Geldmittel für die Durchführung von Maßnahmen des IPWSKR aufgewendet werden müssen.72

67 BGBl 1978/590.

68 BGBl 1978/590.

69 Van Bueren, International Law 19; Art. 13, BGBl 1978/590.

70 Nowak, Menschenrechtssystem 97.

71 Nowak, Menschenrechtssystem 95.

72 Van Bueren, International Law 20.

(25)

Das Kind im Sinne der Pakte

Keiner der beiden Pakte beinhaltet eine Definition des Begriffes Kind, obwohl sowohl der IPBPR als auch der IPWSKR in verschiedenen Artikel Bezug auf Kinder und Jugendliche nimmt. In einer Allgemeinen Bemerkung zu Art. 24 IPBPR befand der Menschenrechtsausschuss, dass der Pakt zwar allen Minderjährigen verschiedene Rechte zuspricht, jedoch keine Angaben macht um welchen Alterszeitraum es sich bis zur Volljährigkeit handelt. Dieser ist jeweils von den Mitgliedsstaaten selbst festzulegen, wobei diese Altersgrenzen nicht unverhältnismäßig niedrig angelegt werden dürfen.73

Folgt man einer systematischen Interpretation des Paktes, so besitzen gleiche Begriffe denselben Bedeutungsgehalt. Als Anhaltspunkt für Volljährigkeit kann die in Art. 6 Abs. 5 IPBPR gezogene Altersgrenze von 18 Jahren dienen. Aus dieser Altersgrenze eines Jugendlichen, welche meist im Kontext strafrechtlicher Bestimmungen verwendet wird, lässt sich schließen, dass mit Kind (wie es nach Art. 24 IPBPR gemeint ist) alle strafrechtlich unmündigen Personen gemeint sind. Da die Strafrechtsmündigkeit in den meisten Staaten mit 14 Jahren eintritt, sind als Kinder all jene zu qualifizieren, die unter diese Altergrenze fallen.

Diese Unterscheidung wirkt einleuchtend auch im Hinblick auf Art. 10 Abs. 3 IPWSKR, der in seinem Schutzbereich ausdrücklich Kinder und Jugendliche mit einbezieht.74

3.3. Menschenrechtsschutz in Europa

Durch die AEMR wurden moralischen Standards auf internationaler Ebene festgesetzt. Deren Prinzipien konnten durch den Entwicklungsprozess der Regionalisierung in rechtsverbindliche Werke auf regionaler Ebene Eingang finden, wie etwa durch die Amerikanischen Menschenrechtskonvention (1969; in Kraft 1978) und die Afrikanischen Charta der Rechte des Menschen und der Völker (1981; in Kraft 1986). Daneben findet sich in Europa ein umfassendes Menschenrechtsystem, auf das im Folgenden näher eingegangen wird.75

In den letzten Jahren nahm die Schutzbedürftigkeit der Kinder zu, Gründe dafür liegen vor allem in der sozialen Entwicklung. Besonders die abnehmende Stabilität von traditionellen

73 Detrick, A Commentary on the United Nation Convention on the Rights of the Child (1999) 52ff.

74 Nowak, CCPR- Kommentar 458ff; Art. 6 (5) Die Todesstrafe darf für strafbare Handlungen, die von Jugendlichen unter 18 Jahren begangen worden sind, nicht verhängt und an schwangeren Frauen nicht vollstreckt werden. [BGBl 1978/591].

75 Verhellen, Children’s Rights in Europe, The International Journal of Children’s Rights 1993 (357) 360ff.

(26)

Familienkonstellationen und zunehmende Kindesentführungen durch Elternteile unterschiedlicher Nationalität, trugen zu einem höheren Rechtsschutzbedürfnis bei. Obwohl den Kindern grundsätzlich die Garantien der allgemeinen europäischen Menschenrechtsdokumente zustehen, finden sich darin nur vereinzelt Bestimmungen die auf deren speziellen Bedürfnissen abgestimmt sind.76

Das Menschenrechtssystem in Europa ist ein mehrschichtiges Netzwerk, welches einen hohen Rechtsstandard mit effizienter Durchsetzung bietet. Es folgt ein grober Überblick über die zwei wichtigsten europäischen Systeme und ihre Menschenrechtsinstrumente, die auch im Hinblick auf den Schutz und die Rechte der Kinder von wesentlicher Bedeutung sind:77

Europarat Europäische Union - EMRK & EGMR

- ESC

- GRC - EuGH

3.3.1. Menschenrechtsinstrumente im Rahmen des Europarates 3.3.1.1. Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), 1950

1950 wurde in Rom die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom Europarat verabschiedet, welche drei Jahre später in Kraft trat. Die EMRK beinhaltet die bürgerlichen und politischen Rechte, während die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte in der Europäischen Sozialcharta (siehe Kap. 3.3.1.2.) geregelt sind. Bereits 1959 wurde der Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eingerichtet, der auch die verfahrensrechtliche Durchsetzung eines materiell- rechtlichen Anspruchs auf internationaler Ebene ermöglicht.78

Da die EMRK den Geltungsrang in nationalen Rechtsordnungen nicht selbst festlegt, reicht ihre Anwendung von der Verfassungsebene bis hin zu einem einfachen Gesetz. In Österreich wurde sie 1964 rückwirkend in den Verfassungsrang erhoben, somit können alle darin garantierten Rechte vor dem Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden.79 Obwohl die Europäische Union selbst nicht der EMRK beigetreten ist, verpflichtet sie sich jedoch gemäß

76 vgl. Marauhn, Schutz des Kindes und Jugendlicher in Heselhaus/ C. Nowak, Handbuch der Europäische Grundrechte (2006) 1115.

77 vgl. Benedek/ Nikolova- Kress, Menschenrechte 30.

78 Nowak, Menschenrechtssystem 176ff.

79 Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention: Ein Studienbuch³ (2008) 15ff.

(27)

Art. 6 Abs. 2 EUV die Grundrechte der EMRK zu achten und zwar als allgemeine Rechtsgrundsätze, welche die Gemeinschaftsgrundrechte herleiten. Somit stellt die EMRK zwar kein unmittelbares Unionsrecht dar, dennoch hat sie Bedeutung als europarechtlicher Mindeststandard.80

Die EMRK schafft den menschenrechtlichen Standard des klassischen Menschenrechtskonzeptes in Europa, allerdings enthalten nur zwei Bestimmungen (Art. 5 Abs. 1 lit. d, 6 Abs. 1) eine direkte Bezugnahme auf Kinder. Zudem finden sich einige indirekte Anwendungsbereiche wie etwa in Art. 8.81 Daneben war und ist der EGMR eine wichtige Institution, der zu einem verbesserten Kinderschutz beitrug. Nach und nach fanden auch Erwägungen bezüglich der Rechte des Kindes Eingang in seine Rechtsprechung. So wurde in Zusammenhang mit Art. 3 EMRK auch ein Verbot körperlicher Züchtigung von Kindern abgeleitet.82 Im Folgenden werden einige Artikel angeführt, die entweder im Wortlaut oder in der Rechtsprechung ausdrücklich auf Kinder Bezug nehmen:

Art 1: Die Hohen Vertragschließenden Teile sichern allen ihrer Jurisdiktion unterstehenden Personen die in Abschnitt I dieser Konvention niedergelegten Rechte und Freiheiten zu.83 Artikel 1 wirft gleich die grundlegendste Frage auf, ob Kinder überhaupt Träger allgemeiner Menschenrechte im Sinne der EMRK sein können? Sowohl Kommission als auch der EGMR neigen dazu, den Status der Kinder als Menschenrechtsträger anzuerkennen. Das steht auch im Einklang mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 14. Es wird darin zwar nicht ausdrücklich „Alter“ als Kriterium genannt, aber Kinder können aufgrund des „sonstigen Status“ geschützt sein.84 Die EMRK gewährt ihre Rechte gemäß Art. 1 allen Personen, die der Jurisdiktion eines Vertragsstaates unterworfen sind. Da keine Einschränkungen bezüglich Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder dergleichen getroffen werden, ergibt sich die Grundrechtsberechtigung allein aus einer bestehenden Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaates.

So stehen auch Minderjährigen alle Rechte der EMRK zu! Einzige Ausnahme bildet hierbei Art. 12, der das heiratsfähige Alter für die Grundrechtsträgerschaft voraussetzt. 85

80 Grabenwarter, EMRK³, 26ff; Art. 6 (2) EUV, BGBl III 1999/85.

81 Verhellen, The International Journal of Children’s Rights 1993, 367; Art. 5 (1) d, 6 (1), 8 EMRK, BGBl 1958/210.

82 Sax, Kinderrechte, in Heißl, Handbuch Menschenrechte: Allgemeine Grundlagen- Grundrechte in Österreich- Entwicklungen- Rechtsschutz (2009) 546ff.

83 BGBl 1958/ 210.

84 Verhellen, The International Journal of Children’s Rights 1993, 368.

85 Grabenwarter, EMRK³, 101ff.

(28)

Art. 5: (1) Jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden: d) wenn es sich um die rechtmäßige Haft eines Minderjährigen handelt, die zum Zwecke überwachter Erziehung angeordnet ist, oder um die rechtmäßige Haft eines solchen, die zum Zwecke seiner Vorführung vor die zuständige Behörde verhängt ist;86

Die Inhaftnahme von Minderjährigen ist nur in zwei genannten Fällen, zum Zwecke der Erziehung oder der Vorführung vor einer zuständigen Behörde, gestattet. Es handelt sich somit um eine vorübergehende Haft. Eine in diesem Fall erforderliche jugendrelevante Betreuung wurde nicht verankert.87

Art. 6: (1) ...Das Urteil muß öffentlich verkündet werden, jedoch kann die Presse und die Öffentlichkeit während der gesamten Verhandlung oder eines Teiles derselben im Interesse der Sittlichkeit, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einem demokratischen Staat ausgeschlossen werden, oder wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozeßparteien es verlangen,...88

Dieser Artikel regelt das Recht auf ein faires Verfahren, diesbezüglich findet sich auch eine explizit genannte Besonderheit für Jugendliche. Soweit nämlich deren Interessen es verlangen, sind Presse und Öffentlichkeit von der Verhandlung auszuschließen.89

Art. 8: (1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.90

Die enthaltenen Garantien des Artikels 8 bilden eine geschützte Privatsphäre des Einzelnen, die auch Minderjährigen zusteht. Grundsätzlich ist in dem Schutz des Familienlebens ein Abwehrrecht zu sehen, wobei sich auch Gewährleistungspflichten des Staates ergeben können.91 Für den Schutz nach Art. 8 ist das Bestehen einer Familie, im Sinne der Auslegung der EMRK eine Voraussetzung. Grundsätzlich fällt darunter die klassische Kernfamilie eines Ehepaars. Das Kind wird durch die Geburt aufgrund des biologischen Bandes in diese Einheit aufgenommen. Mit dem Urteil Marckx aus dem Jahr 1979 wurde erstmals festgestellt, dass Art. 8 nicht zwischen ehelicher und nichtehelicher Familie differenziert, sondern dass eine Geburt automatisch eine rechtliche anerkannte Verwandtschaft begründet. Der Gerichtshof

86 BGBl 1958/210.

87 Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK): unter besonderer Berücksichtigung der schweizerischen Rechtslage² (1999) 213 ff.

88 BGBl 1958/ 210.

89 vgl. Villinger, Handbuch EMRK², 284.

90 BGBl 1958/210.

91 Grabenwarter, EMRK³, 190ff.

(29)

verwies in seiner Rechtfertigung auch auf Art. 14, wonach eine Diskriminierung aufgrund der Geburt untersagt ist. Mit dieser Rechtsprechung grenzte sich die EMRK noch einmal eindeutig von nationalen Abstammungsbestimmungen ab.92

Art 34: Der Gerichtshof kann von jeder natürlichen Person, nichtstaatlichen Organisation oder Personengruppe, die behauptet, durch einen der Hohen Vertragschließenden Teile in einem der in dieser Konvention oder den Protokollen dazu anerkannten Rechte verletzt zu sein, mit einer Beschwerde befaßt werden. Die Hohen Vertragschließenden Teile verpflichten sich, die wirksame Ausübung dieses Rechts nicht zu behindern.93

Gemäß diesem Artikel hat jede natürliche Person die Möglichkeit eine Individualbeschwerde einzulegen, so auch Minderjährige. Für eine Beschwerdeführung ist eine entsprechende Vertretung keine Voraussetzung, in der Praxis werden Minderjährige jedoch meist vertreten.94 Da Art. 34 weder ein bestimmtes Alter noch eine bestehende Prozessfähigkeit als ein Kriterium für eine Beschwerdebefugnis anführt, sind auch Minderjährige parteifähig.

Teilweise forderte die Literatur eine Einsichtsfähigkeit um eine Beschwerde erheben zu können, doch weder die Konvention noch Verfahrensordnungen nehmen darauf Bezug. Da hauptsächlich die gesetzlichen Vertreter der Kinder tätig werden, bleibt die Prozessfähigkeit praktisch meist nicht relevant. Wenn fallweise tatsächlich Minderjährige als Beschwerdeführer auftraten, stellte die Prozessfähigkeit kein Hindernis dar.95

Exkurs: Vergleich zu anderen regionalen Menschenrechtskonventionen

Im Vergleich mit anderen regionalen Menschenrechtskonventionen nimmt die EMRK keinen expliziten Bezug auf Kinder als soziale Gruppe, sondern sie werden hauptsächlich unter dem Kontext der Familie geschützt, beziehungsweise fallen sie wie alle Individuen unter den generellen Schutzbereich der EMRK. Dagegen beinhalten etwa die Afrikanische Charta für die Rechte des Menschen und der Völker und die Amerikanische Menschenrechtskonvention spezielle Regelungen für den Rechtsschutz von Kindern.96

92 Wittinger, Familien und Frauen im regionalen Menschenrechtsschutz: Ein Vergleich der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Amerikanischen Menschenrechtskonvention, der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und dem Recht der Völker1 (1999) 34.

93 BGBl 1958/210.

94 Villiger, Handbuch EMRK², 71ff.

95 Wittinger, Familien im regionalen Menschenrechtsschutz1 140ff.

96 Wittinger, Familien im regionalen Menschenrechtsschutz1, 117.

(30)

Insbesondere Art. 18 Abs. 3 der Afrikanischen Charta schafft einen sehr großen Schutzumfang für Kinder durch die Bezugnahme auf entsprechende internationale Vertragswerke über Kinderrechte. Ein diesbezüglicher Nachteil besteht in einer Auslegungsschwierigkeit, ob dadurch internationale Übereinkommen unmittelbar zur Anwendung kommen. Die Rechtsprechung wird zeigen, wie der Schutzbereich aufgrund des Verweises tatsächlich aussieht.97 Angeregt durch die KRK, wurde daneben im Jahr 1990 auch eine eigene Afrikanische Charta über die Rechte und das Wohlergehen des Kindes von der Afrikanischen Union verabschiedet, die 1999 in Kraft trat. Da der Ratifikationsprozess nur schleppend vorankommt, wird sich erst in Zukunft zeigen wie effektiv der Rechtschutz gewährleistet ist.98

3.3.1.2. Europäische Sozialcharta (ESC), 1961

1961 wurde die Europäische Sozialcharta vom Europarat ins Leben gerufen. Sie beinhaltet die zweite Generation von Menschenrechten, nämlich die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Sie wird meist „kleine Schwester“ der EMRK genannt, da das Rechtsschutzsystem unterschiedlich ist und viele Staatsverfassungen die Rechte der ESC nicht als innerstaatliche Grundrechte anerkannt haben. So entstand eine Ungleichbehandlung der beiden Menschenrechtsdokumente.99 Österreich trat der ESC 1969 gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG bei.100

Die ESC beinhaltet, neben den allgemeinen Regelungen, zwei Bestimmungen die auch speziell auf den Schutz von Kindern abgestellt sind, das sind die Artikel 7 und 17 (siehe Anhang I). Erstere enthält unter anderem ein Verbot für Kinderarbeit, Regelungen bezüglich der Arbeitsbedingungen von Jugendlichen und eine Schutzverpflichtung vor körperlichen und sittlichen Gefahren.101 Art. 17 schreibt das Recht der Kinder auf sozialen und wirtschaftlichen Schutz vor. In Abgrenzung zu Art. 7, der insbesondere auf die Arbeitswelt gerichtet ist, bezieht sich hier die Schutzverpflichtung beispielsweise auf privatrechtliche Aspekte wie Adoption oder auf Kinder in staatlicher Betreuung.102

97 Wittinger, Familien im regionalen Menschenrechtsschutz1, 133.

98 Benedek/ Nikolova- Kress, Menschenrechte 37.

99 Nowak, Menschenrechtssystem 189.

100 BGBl 1969/460.

101 Europarat (Hrsg), Die Europäische Sozialcharta: Ein Leitfaden (2002) 140.

102 Europarat (Hrsg), ESC 185.

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