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ST. GALLER ORGELFREUNDE OFSG

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OFSG

BULLETIN OFSG 12 NR. 3, 1994

Freidorf, im Juli 1994

Liebe St. Galler Orgelfreunde

Wir laden Sie herzlich ein zu unserer Orgelfahrt nach Weingarten und Weissenau

Samstag 20. August 1994 0730 Uhr Treffpunkt: Hafen Romanshorn, bei der Fähre

Unsere diesjährige Orgelfahrt führt uns nach Weingarten und ins benachbarte Weissenau, etwa 20 km nördlich des Bodensees, zu bedeutenden Orgelbauten des Spätbarocks in Süddeutschland.

Sicher ein Höhepunkt, den man sich nicht entgehen lassen sollte, wird der Besuch in der Klosterkirche zu Weingarten sein. Die dortige, viel beschriebene Orgel ist ein Monument in vielfacher Art. Erbaut in dreizehn langen Jahren, ist sie eines der grössten Instrumente weitherum. Die fast 10 000 Pfeifen sind auf weit auseinanderliegenden Feldern und Türmen verteilt, was die Spielbarkeit nicht gerade erleichterte. Monumental war auch das, was sich Anfang unseres Jahrhunderts anbahnte: Die Orgel stand kurz vor dem Abbruch, um durch ein zeitgemässes Instrument ersetzt zu werden, als man ihren historischen Wert erkannte. Die Orgel blieb erhalten. Nach der kürzlich abgeschlossenen Restauration ist das Instrument wieder voll spielbar.

Zu diesem Anlass, eines der ganz grossen Orgelwerke zu sehen und zu hören, freue ich mich, Sie recht zahlreich begrüssen zu dürfen.

Mit freundlichen Grüssen Manfred Böhme

PS: Organisatorische Details zur Orgelfahrt finden Sie in der Ankündigung, die bereits verschickt wurde. Anmeldung bitte bis 13.08.94.

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Nächster Anlass OFSG

Die nächste Veranstaltung findet vermutlich im November statt.

Der Zeitpunkt wird Ihnen noch bekanntgegeben.

Hinweise auf Veranstaltungen

So 17.07.94 1730 h Frauenfeld-Oberkirch:Orgelmusik zum Sonntagabend.

Christoph Wartenweiler, Frauenfeldl

Oesterreichische Musik 15. bis 20. Jahrhundert.

So 24.07.94 1730 h Frauenfeld-Oberkirch:Orgelmusik zum Sonntagabend.

Susanne Rohn, Freiburg / Br.

Werke von Sweelinck, Bach, Krebs, Genzmer

So 31.07.94 1730 h Frauenfeld-Oberkirch:Orgelmusik zum Sonntagabend.

Eva-Christina Benesch-Korn, Kufstein / Oesterreich Musik zwischen Barock und Romantik

Fr 05.08.94 1830 h St. Laurenzen:Orgelmusik zum Feierabend. Suzanne Doll So 07.08.94 1730 h Frauenfeld-Oberkirch:Orgelmusik zum Sonntagabend.

Hideyuki Kobayashi, Tokyo / Japan Werke von Merulo, Sweelinck, Bach

Fr 12.08.94 1830 h St. Laurenzen:Orgelmusik zum Feierabend. Eberhard Lauer So 14.08.94 1730 h Frauenfeld-Oberkirch:Orgelmusik zum Sonntagabend.

Per Fridtjov Bonsaksen, Trondheim / Norwegen Werke von Buxtehude und Bach

Fr 19.08.94 1830 h St. Laurenzen:Orgelmusik zum Feierabend.

Hansjürgen Scholze

Fr 26.08.94 1830 h St. Laurenzen:Orgelmusik zum Feierabend. Jürg Brunner Fr 02.09.94 1830 h St. Laurenzen:Orgelmusik zum Feierabend. Josep Mas i Bonet Fr 09.09.94 1830 h St. Laurenzen:Orgelmusik zum Feierabend. Roland Muhr Fr 16.09.94 1830 h St. Laurenzen:Orgelmusik zum Feierabend.

Christoph Wartenweiler

Fr 16.09.94 20-23 hEvang. Heiligkreuz St. Gallen:Orgelnacht Sa 17.09.94 2000 h Evang. Heiligkreuz St. Gallen:

Konzert mit den Fistulatores Werdenbergienses So 18.09.94 1700 h Evang. Heiligkreuz St. Gallen:Mozart-Konzert

Kantanen-Orchester Tübingen. Leitung Marcel Schmid

Fr 23.09.94 1830 h St. Laurenzen:Orgelmusik zum Feierabend. Donato Cuzzato Fr 30.09.94 1830 h St. Laurenzen:Orgelmusik zum Feierabend. Rudolf Lutz

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Weingarten und Weissenau

Zwei bedeutende Barockorgeln im Raum Ravensburg

Franz Lüthi

Die süddeutsche Orgel um die Mitte des 18. Jahrhunderts beeindruckt durch ihren grossartigen Prospekt, der im Stil des ausgehenden Barock und Rokoko gehalten ist und allmählich in den Klassizismus übergeht. Die Disposition zeichnet sich aus durch einen besonderen Reichtum an vielfältig mischbaren Klangfarben. Flöten- und vor allem streichende Register werden zunehmend beliebt und werden durch das Klangideal der einflussreichen Mannheimer Schule gefördert. Die grundtönigen Register dominieren.

Zungenregister sind nur spärlich vorhanden, ausser bei den Orgeln vonK. J. Riepp, der vom französischen Stil beeinflusst ist. Das Hauptwerk und allenfalls die Positivwerke der typischen schwäbischen Barockorgel sind prinzipalbetont, die Nebenwerke mit ihren Streicherstimmen farbbetont, weshalb sie oft "Farbenwerk" - bei Gabler gelegentlich

"Solowerk" - genannt werden. Das Pedal ist besonders in den hohen Fusslagen eher schwach besetzt, denn es dient nicht zum obligaten, selbständigen Spiel, sondern hauptsächlich der Bass- und Begleitfunktion. Durch dieses neue Konzept wird ab etwa 1750 der traditionelle, von Norddeutschland herkommende Werkcharakter der Orgel zunehmend aufgegeben: Man spricht zunehmend weniger von selbständigen Einzelwerken, sondern unterschiedet nur noch Haupt- und Nebenmanuale. Die süddeutsche Orgellandschaft dieser Epoche wird vor allem durch drei Orgelbauer geprägt: Joseph Gabler (1700-1771) aus Ochsenhausen, den Auslandschwaben Karl Joseph Riepp (1710- 1775) aus Dijon undJohann Nepomuk Holzhey(1741-1809) aus Ottobeuren .

Joseph Gabler ist ein Meister der grossartigen Orgelprospekte. Er wurde 1700 in Ochsenhausen geboren, erlernte das Zimmermannshandwerk bei seinem Vater, Johannes Gabler, und arbeitete später in der Klosterschreinerei in Ochsenhausen. Auf der Wanderschaft trat er mit 18 Jahren in Mainz in die Dienste der Zimmermeister Vater und Sohn Anton und Johann Eberhard Ziegenhorn. Hier lernte der junge Handwerker auch einige Orgelbauer kennen, unter anderem Johann Philipp Stumm und den Schwager Ziegenhorns,Johann Peter Geissel. Gabler hat vermutlich häufig auch als Orgelbau-Geselle bei Geissel ausgeholfen. Schon 6 Jahre nach dem Tod von Vater Ziegenhorn verstarb 1726

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auch sein Sohn Johann Eberhard. Gabler übernahm in der Folge die verwaiste Schreinerwerkstatt und heiratete 1729 die junge Witwe des Johann Eberhard Ziegenhorn.

Zu dieser Zeit hatte Gabler anscheinend bereits eine ordentliche Erfahrung im Orgelbau, da er sich als Orgelbauer des Mainzer Domkapitels bewarb. Er erhielt allerdings die Stelle nicht. Vielleicht war dies ein Grund, um nach Ochsenhausen zurückzukehren. Dort baute er 1729-1731 die grosse Orgel in der Klosterkirche um, sein eigentliches Erstlingswerk.

Dazwischen, 1730, reparierte er die Chororgel in Weingarten. 1733-34 nochmals vorübergehend in Mainz tätig, siedelte er 1737 nach Weingarten über, wo seine Bewerbung für den Bau der grossen Orgel angenommen worden war. Bis 1750 arbeitete er hier an der berühmten Orgel und an der Chororgel.

Weitere Werke Gablers: 1751 Umbau in Ochsenhausen; Zwiefalten, Chororgel (1753-1755);

Steinbach, Wallfahrtskirche (1756-1759); Memmingen, grosse Orgel in St. Martin, zwei Positive für die dortige Lateinschule und das Musikkollegium; Ravensburg, Orgelbauten in der Karmeliterkirche und Dreifaltigkeitskirche (1763-1766). Nur drei seiner Orgeln sind erhalten:

Ochsenhausen, Weingarten und Maria Steinbach.

1769 begann Gabler eine neue Orgel und ein Chorpositiv in der Stadtkirche in Bregenz, wo er während der Arbeit 1771 an einem Schlaganfall starb. Seine Gehilfen Friedrich und Jakob Scharffvollendeten das Werk.

Gabler hatte eine Tochter, Anna (geb. 1732) und 4 Söhne. Franz (geb. 1729) starb als Kleinkind. Der jüngste Sohn (geb. 1736) trat als P. Michael im Kloster Ottobeuren ein und starb ebenfalls früh. Johann (geb. 1730) und Franz Xaver (geb. 1732) sind gemäss J.A.

Silbermanns Tagebuch nach Strassburg gezogen. Der eine studierte Jus, der andere hätte bei Silbermann in Strassburg Orgelbau lernen sollen, ist aber dort nicht eingetroffen.

Ueber die Person Gablers ist nicht viel bekannt. Je nach Standpunkt - Kirchenmann oder Orgelbauer - wurde in der Literatur recht einseitig für oder gegen Gabler Partei ergriffen[4]

[10]. Es scheint jedenfalls, dass Gabler wenig speditiv arbeitete und kein guter Geschäftsmann war. Aus dem "Handbüchlein" des nicht unbedingt wohlgesinnten Pater Anselm Wüntsch erfahren wir immerhin, ".. ds Er ein recht brafer undt guetter Mann ist, nimbt nichts in Uebel, ist wie ein Schaf, undt weist zue leben ...".

Karl Joseph Riepp (1710-1775) wurde in Ottobeuren geboren, lebte aber vor allem in Dijon (Frankreich). Er erbaute berühmte Orgeln in Ottobeuren und im Kloster Salem. Dort ist auf der Westempore immer noch ein originales Gehäuse von Riepp zu bewundern, während die Liebfrauenorgel 1809 in die Stadtkirche Winterthur übernommen wurde: Ihr Prospekt und einige Pfeifen sind erhalten.

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Johann (Nepomuk) Holzhey1(1741-1809)vertritt als dritter und jüngster der drei wichtigen Orgelbauer eine Synthese von Gabler und Riepp. Geboren als Sohn des "Haubtmann"

Joseph Holzhey in Rappen bei Ottobeuren, ging er wahrscheinlich frühestens 1754 bei seinem Onkel, dem Orgelbauer Alexander Holzhey (1722-1772) in Tussenhausen in die Lehre. Vielleicht hat er später auch bei Stifts-Orgelbauer Joseph Zettler in Ottobeuren gearbeitet, dessen Tochter Cäcilia er - sechs Jahre nach Zettlers Tod - im Jahre 1766 heiratete. Von seinem Schwiegervater übernahm er Haus und Werkstatt und blieb zeitlebens in Ottobeuren. Starke Einflüsse erhielt Holzhey vonKarl Joseph Riepp, mit dem zusammen er wahrscheinlich 1757-1766 die Orgeln in Ottobeuren und anschliessend bis 1774 in Salem baute. Er reparierte später auch dessen Orgeln in Salem. Nach dem Tod seiner Frau Cäcilia 1770 Heirat mit einer Kaufmannstochter. Von den elf Kindern starben sechs früh. 1788 verlor er auch die zweite Frau, 1802 heiratete er ein drittes Mal.

Das Werk Holzheys umfasst über 40 Instrumente, nebst diversen Umbauten und Reparaturen in Ottobeuren, Salem, Neresheim und Bregenz. In einem Nachruf heisst es, man könne annehmen, "dass er bereits in allen schwäbischen Orgelwerken alles, oder etwas gearbeitet hat". Nachgewiesen von ihm [8] sind gegen 550 neu gebaute Register - von Gabler lediglich etwas mehr als 200.Die erste Orgel hat er nach den Quellen bereits vor 1769 gebaut. In der Schweiz schuf er 1770 eine Orgel in Seewis im Prättigau (8/I+P), deren Prospekt sich seit 1921 in der Pfarrkirche Igis GR befindet. Seine wichtigsten Neubauten: Klosterkirche Ursberg 1778. Memmingen 1778. Obermarchtal (Chororgel 1779, Hauptorgel 1784). Wiblingen und Augsburg St. Salvator 1781. Weissenau 1785. Rot an der Rot (Chor- und Hauptorgel) 1785/86. Weissenau (Chororgel) 1786. Neresheim 1797.

- Die Hauptorgel der Klosterkirche Rot (36/III+P) gilt als die besterhaltenste, die Orgel in Neresheim (48/III+P) als die grösste Orgel Holzheys. Gut erhalten sind Weissenau, Obermarchtal und Ursberg.

Holzhey soll nach dem Urteil eines Zeitgenossen "ein ungeheures Vermögen hinterlassen haben" [P. Basil Miller]; nach andern Quellen musste er sich gegen Ende seines Lebens stark einschränken. 1792 wurde er im Zusammenhang mit dem Orgelbau in Neresheim als der "in Schwaben berühmteste Orgelmacher" bezeichnet. Bereits mit der Säkularisation 1803 hatte der Orgelbau allgemein einen Abstieg erlitten, und auch der ehemals berühmte Name Holzhey verlor an Bedeutung. 1809 starb der berühmte Orgelbauer an

"Wassersucht", die er sich als Komplikation, bezw. als Behandlungsfolge einer Daumenverletzung beim Orgelbau in Dürmentingen zugezogen hatte. Sein Sohn Franz Joseph (1774-1823) übernahm die Werkstatt. Die Tätigkeit des Betriebes verlagerte sich zunehmend auf die Schreinerei. Der Enkel Kaspar Holzhey (1801-1867) führte die Werkstatt ausschliesslich als Schreinerei weiter; sie erlosch in den 1830er Jahren. Mit dem letzten Nachkommen, dem Schreiner Karl Holzheu (gest. 1986), ist die Familie ausgestorben.

1Andere Schreibweisen: Holzheu, Holzhai, Holzhay. H. selbst unterschreibt mit "Holzhey".

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Holzheys Tradition wurde zunächst in bescheidenem Rahmen von seinem Schüler Franz Joseph Wirth weitergeführt. Auch Gebhard Kiene(geb. 1748), der Vater von Franz Anton Kiene (1777-1847), dürfte zu seinen Schülern gehört haben. Durch die Umbrüche der Säkularisation konnte sich aber keine eigentliche Holzhey-Schule entwickeln.

Die Gabler-Orgel in der Benediktinerabtei Weingarten

1. Geschichte des Klosters

Das Benediktinerkloster Weingarten entstand zunächst als Frauenkloster um das Jahr 940 in Altdorf, wie die Siedlung bis 1865 hiess. Nach dem Brand im Jahre 1053 wurde es auf den nahen Martinsberg verlegt und war zugleich Grabstätte der Welfen. Im Jahre 1094 schenkte Judith von Flandern dem Kloster die 1048 in Mantua wiederaufgefundene "Heilig-Blut-Reliquie" - jenen Anteil, der gemäss Legende zu einem Drittel dem deutschenKaiser Heinrich III.zugefallen war.

Diese spielte über Jahrhunderte eine wichtige Rolle und machte das Kloster durch Kultur und Wallfahrten berühmt. Ein erster romanischer Bau entstand ca. 1124. Von besonderer Bedeutung im späten Mittelalter war die "Weingartner Liederhandschrift", eine Sammlung mittelhochdeutscher Minnedichtung. Nach dem Abbruch der alten Bauten im Jahre 1715 errichtete der Baumeister Franz Beer unter AbtSebastian Hyller eine neue, imposante Klosteranlage mit einer Basilika, der grössten Barockkirche auf deutschem Boden ("schwäbischer Petersdom"). 1724 fand die Einweihung statt. Die Pläne stammen von Kaspar Moosbrugger, dem späteren Erbauer von Einsiedeln, von Jakob Herkommer und dem württembergischen Hofarchitekten Donato Giuseppe Frisoni. Die Säkularisation hob im Jahre 1803 das Kloster auf. 1922 wurde der Klosterbetrieb wieder aufgenommen.

2. Geschichte der Orgel

a) Frühere Orgeln und Chororgeln

Es ist anzunehmen, dass dieses reichste schwäbische Benediktinerkloster wie die andern Klöster - St. Gallen und Reichenau seit dem 10. Jahrhundert - schon früh eine Orgel besass.

Erste Ausgaben für eine Orgel sind im 13. Jahrhundert erwähnt. Im Jahre 1527 dürfte ein Positiv auf einer Empore gestanden haben. 1554 liess sich Abt Gerwig Blarer ein Positiv anfertigen. Bekannt sind Disposition und Prospekt einer neuen grossen Orgel 1554-59 von Martin Rück aus Worms (20 Register auf zwei Manualen und Pedal). Da der Orgelbauer noch vor Fertigstellung des Instrumentes starb, wurde es durch einen andern vollendet.

1613 baute ein "Meister Andreas" eine weitere Orgel, deren damaliger Standort nicht bekannt ist. Zu dieser Zeit werden 3 Instrumente in der Basilika erwähnt: Ein Regal, sowie

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eine kleine und eine grosse Orgel. 1627 wurde nochmals ein Positiv angeschafft. Während des 30-jährigen Krieges zählt der 6. Juni 1632 zu den schwarzen Tagen des Klosters:

Damals wurden die Mönche von schwedischen Soldaten schwer misshandelt und die Orgeln derart zerstört, dass sie unbrauchbar wurden. 1722 erhielt Joseph Bossard aus Zug und sein Sohn Victor Ferdinand den Auftrag für eine Chororgel mit 14 Registern (I+P).

Bossard hatte damals gerade die Orgel im Kloster St. Urban vollendet. Das neue Instrument wurde bereits bei der Einweihung der Basilika 1724 gespielt.

b) Die grosse Gabler-Orgel 1737-1750

Schon seit dem Abbruch des alten Klosters im Jahre 1715 plante man eine grosse Orgel an der Westempore. Dabei tauchen die Namen berühmter zeitgenössischer Orgelbauer auf.

Aus dem Jahre 1720 stammt ein Dispositionsvorschlag von Andreas Silbermann (1678- 1734) aus Strassburg für eine Orgel im französischen Stil. An weiteren Orgelbauern wurden angefragt oder haben sich beworben: Johann Andreas Fux (1670-1738) aus Donauwörth;

Johann Caspar Homann aus Helmsheim; Johann Georg Rohrer aus Strassburg; Georg Friedrich Schmahl(1700-1773) (Orgeln Ulm, Sitzberg);Gottfried Silbermann(1683-1753) aus Freiberg/Sachsen; Johann Christoph Löw aus Augsburg (Orgel in Rheinau 1715).

Warum keine dieser Koryphäen zum Zug kam, ist nicht bekannt. Vielleicht konnte man sich in Weingarten nicht mit dem französischen Stil anfreunden; vielleicht empfand man auch das Äussere der vorgeschlagenen Orgeln als für den monumentalen Raum zu bescheiden. Der frühere Münsterorganist und BenediktinerpaterGregor Klaus [6] meint, es habe vielleicht auch in der Absicht des Klosters gelegen, junge einheimische Kräfte zu fördern.

Jedenfalls kam inmitten dieser Prominentenliste 1729 erstmals auch der schwäbische Orgelbauer Joseph Gabler ins Gespräch: Er erhielt nämlich den Auftrag, die Bossard- Chororgel in Weingarten zu reparieren. Gabler arbeitete damals in seiner Heimat Ochsenhausen am Umbau der grossen Orgel, konnte aber kaum andere Referenzen beibringen. Immerhin muss er als Handwerker bereits positiv aufgefallen sein. Obwohl die Chororgel in Weingarten mit ihren 7 Jahren ein noch recht junges Instrument war, hatte die Feuchtigkeit in der damals frisch erbauten Kirche starke Schäden angerichtet. Gabler fügte bei diesem Umbau 1730/31 den Spieltisch in das Chorgestühl ein. Vermutlich hat er hier von den Bossards noch einiges gelernt. Man hat den Eindruck, dass dieser kleine Auftrag gewissermassen als Testarbeit an Gabler vergeben wurde, da die Orgelbauer Bossard noch immer einen guten Ruf besassen. Wohl als weitere Referenz konnte man schliesslich 1733 die Vollendung der Orgel in Ochsenhausen zur Kenntnis nehmen. Jedenfalls erhielt er damals auch den Auftrag für den Bau der grossen Weingartner Orgel.

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1737 wurde der Vertrag unterzeichnet. Demnach sollte die Orgel 6666 Pfeifen und 60 Register besitzen bei einem Klaviaturumfang von C-c3 (49 Tasten) und einem Pedal von C- g° (20 Tasten) mit voll ausgebauter tiefer Oktave. Nach 3 Jahren müsste das Instrument wenigstens teilweise spielbar und alle Arbeiten nach 6 Jahren abgeschlossen sein. In der Offerte von 1736 wird als Preis eine Summe von knapp 18'000 Gulden genannt; die Gesamtkosten kamen dann schliesslich auf 32'000 Goldgulden zu stehen. Die Summe selbst, wie auch das Drum und Dran dieses Betrages sind kaum mit heutigen Preisvorstellungen zu vergleichen, so dass nicht mehr auszumachen ist, ob Gabler knapp oder grosszügig belohnt wurde. Zu Beginn der Bauarbeiten bezog Gabler mit der Familie und 12 Gesellen eine Wohnung im Torhaus des Klosters.

Zu dieser Zeit, nämlich 1733, war auch von einem P. Anselm Wüntschein "Handbüchlein"

erschienen, das gut Meinende Gedanckhen für Weingarten festhält. Nach Ansicht von Wüntsch müsste sich Gabler in Weingarten schon etwas mehr Mühe geben als in Ochsenhausen, wenn er es überhaupt könne; Gabler tauge bestenfalls als Gehäusemacher.

Gablers vorgeschlagene Disposition enthalte zu viel, zu schwache und zu ähnliche Register.2 Wüntsch fordert zwei anstelle von drei oder gar vier Manualen, die ohnehin schwer zu spielen seien. Obwohl der Pater mit seiner Meinung unterlag, ist doch denkbar, dass er Drahtzieher war von nachhaltigen und recht unerfreulichen Streitereien zwischen Kloster und Gabler[5].

Interkurrent führte ein Brand im Kloster zu einer Ueberbelastung der Schreinerei, wodurch sich der Bau des Orgelgehäuses verzögerte. Anstelle der ursprünglich vorgesehenen aufwendigen Intarsien beschloss man darum auch, das Gehäuse durch entsprechende Bemalung zu marmorisieren. Ein mittlerweile neuer Abt beanspruchte die Schreinerei zusätzlich für seine Neueinrichtungen - Umstände, die kaum zum speditiven Voranschreiten des Orgelbaus beitrugen. 1739 werden nochmals Verträge abgeschlossen über das Glockenspiel und über einen vollständigen Neubau der Chororgel: Sie sollte seitlich plaziert werden, damit die Sicht auf den Hauptaltar frei würde.3Diese Orgel mit 22 klingenden Registern auf zwei Manualen und 2222 Pfeifen hätte nach zwei Jahren vollendet sein sollen - eine Arbeit, die wohl auch bezweckte, den Stillstand an der Hauptorgel wegen Engpässen in der Schreinerei zu überbrücken. Natürlich konnte auch die Entstehung der Chororgel keine Fortschritte machen, wenn die Schreinerei nicht beansprucht werden durfte. So war Gabler gezwungen, viele Schreiner- und Schlosserarbeiten selber auszuführen. Terminliche Engpässe führten 1741 zu einem weiteren Vertrag mit Aenderung der Konditionen. Gleichzeitig hat man noch eine dreiregistrige Prozessionsorgel bestellt und Erneuerungsarbeiten an den beiden Orgelwerken im Priorat Hofen in Auftrag gegeben, alles abzuschliessen bis 1744. So zog sich die Arbeit über 13 Jahre hinweg. Wohl scheint es, dass Gabler nicht sehr zügig arbeitete; seine Schwierigkeiten mit der nicht einfachen Bauherrschaft sind aber trotzdem einfühlbar. Dazu kam, dass sich

2"Was nutzen so vil flauten? Flaginet, Spitzflauten, Flauta dus, Flautaversiere (...),Rohrflauten, Waltflauten, Stubenflauten, Kammerflauten etc. etc. Warum nit auch Kuchlflauten, Kellerflauten undt Holtzschopfflauten?" [vgl. Bulletin OFSG 1994 Nr. 1 S. 9].

3Damit die Sicht auf den Altar durch das in der Mitte des Chors plazierte Instrument nicht gehindert werde, hatte bereitsBossard1722 die grössten Pfeifen liegend angeordnet.

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in dieser Zeit des Uebergangs vom Barock zur Wiener Klassik unter dem Einfluss der Mannheimer Schule auch die Klangvorstellungen im Orgelbau grundlegend änderten. So musste Gabler zum Beispiel 1743, entgegen dem ursprünglichen Vertrag, die bisherigen Register wie auch die Chororgel kurzerhand höher stimmen. 1745 wurde die Disposition der grossen Orgel nochmals leicht geändert.

Aehnlich wie Gottfried Silbermann für die Hofkirchenorgel in Dresden den Charakter der einzelnen Manuale beschrieb, tat es auch Gabler für Weingarten: Das Pedalwerk soll starkhe und durchdringende Stimmen haben, das Hauptmanual scharpfe penetrante, das Oberwerckh gravitetische und douce, das Brustwerkh delicate und liebliche, das Echo- Werkh douce und annehmliche Stimmen. Ob Gabler allerdings diese Klangqualitäten konsequent einhalten konnte, sei dem Urteil des Hörers überlassen.

Schon zu ihrer Entstehungszeit erregte die Orgel in der Klosterkirche Weingarten grosses Aufsehen und wurde 1751 auch in einem Kupferstich in die Enzyklopädie von Dom Bédos [1] übernommen. Bédos hatte diese Orgel 1751 besucht, konnte sie aber wegen Abwesenheit von Gabler nicht spielen. Eine ähnlich kühne Konstruktion, ebenfalls eine Orgel um 6 Westfenster, wurde erst wieder 1797 vonHolzheyin der Abteikirche Neresheim verwirklicht.

c) Zwischenzeit

Offenbar wurde der Klang der Orgel, besonders auch im Vergleich zum imposanten Äusseren, immer als etwas schwach empfunden. Bereits 1772 hatte man beanstandet, dass dem Instrument trotz oft mehrfach besetzter Register eine gewisse Stärke fehle, namentlich im Bereich der Mixturen und Zimbeln. Nach dem Bau übernahm der Klosterbruder Balthasar - seit 1745 ein Schüler Gablers mit weltlichem NamenAndreas Rädle- die Pflege der Orgel. Ihm folgte später einBruder Matthäus Hefele(gest. 1794).

Nach der Aufhebung des Klosters (1803) führte Gottfried Maucher aus Konstanz, ein ehemaliger Gabler-Schüler, im Jahre 1813 eine Reparatur durch. 1826 setzte Orgelbauer Braun aus Spaichingen das schlecht erhaltene Orgelwerk instand. Eine weitere Aenderung folgte 1860-62 durch Carl Weigle aus Stuttgart. Dem Zeitgeschmack entsprechend wurde die Trompete 8' erneuert und das Register Hautbois 8' (III) im Sinne einer Clarinette umgebaut. Das Froschmaulgebläse ersetzte er durch 10 Kastenbälge neuer Konstruktion.

Der gleiche Orgelbauer rüstete 1887 Hauptwerk, Oberwerk und Pedal mit Barkermaschinen aus. Wegen der Umbauten am Spieltisch gingen damit wertvolle originale

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Trakturteile verloren. 1912 baute Friedrich Weigle aus Echterdingen ein neues Magazingebläse mit Elektroventilator. Damit erhielten auch die bestehenden Barkermaschinen einen besseren Winddruck. Das Pedal wurde auf d' erweitert. Im Sinne einer Klangverstärkung fügte man ein "Seraphon-Werk" zu mit sechs Seraphon- und einem Hochdruckregister (150 mm WS). Dieses elektropneumatisch angesteuerte Fern- Schwellwerk, plaziert auf einer Seitenempore in der ersten Nische des Kirchenschiffes, konnte bis 1944 gespielt werden. Ein dauerndes Sorgenkind war wohl das Kronpositiv mit der schwierigen Windversorgung und der komplizierten Traktur. 1929 wurde es mit einer elektropneumatischen Traktur und einem neuen Windkasten versehen. 1953/55 ersetzten die Orgelbauer Reiser (Biberach) und Späth (Mengen-Ennetach) das "Seraphon-Werk"

durch 7 Register in der damaligen "barocken" Vorstellung. Gleichzeitig wurde die Orgel durch G.F. Steinmeyer (Oettingen) instandgestellt, die Windversorgung verbessert und das Pedal bis f ' ausgebaut. Trotz vieler Veränderungen im Lauf der Zeit hat es sich immer grösstenteils um Zubauten und Zufügungen gehandelt, wodurch die eigentliche Substanz der Orgel nur wenig gelitten hat. So ist uns das Werk in einem ursprünglichen Zustand erhalten geblieben.

Die von Gabler 1739-1742 erbaute Chororgel wurde bereits im 19. Jahrhundert mehrfach umgestaltet und 1922 nach Neueröffnung des Klosters gänzlich erneuert. Heute enthält sie ein Werk der Firma Reiser aus dem Jahre 1937 (46 Register, III/P). Nur noch die beiden Prospektfronten über dem Chorgestühl und einige Pfeifen stammen von Gabler.

d) Die Restauration 1981-1983

Während die farbliche Fassung der Orgel bereits 1954 mustergültig in den originalen Zustand versetzt wurde, erfolgte die Restauration des Instrumentes in den Jahren 1981-83 nach neuesten Erkenntnissen der Denkmalpflege. Diese Arbeiten wurden durch die Schweizer Orgelbaufirma Kuhn (Männedorf) durchgeführt, worüber auch eine fundierte, gut lesbare Dokumentation vorliegt [5]. Die Restauration umfasste neben statischen Sanierungs- und allgemeinen Instandstellungsmassnahmen hauptsächlich folgende Arbeiten:

1. Abbruch der Ergänzungen aus dem 19. und 20. Jahrhundert: Beseitigung der Zubauten von 1954. Ersatz der Barkermaschinen durch eine direkte Mechanik. Rein mechanische Trakturen auch für das Kronpositiv mit Windzufuhr durch die originalen Konduktenblöcke.

Die Traktur ist ja weitgehend erhalten geblieben mit Ausnahme jener innerhalb des Spieltisches und jener vom I. und II. Manual, die seinerzeit dem Barkerhebel geopfert wurde. Original waren vermutlich 4 Koppeln vorhanden: IV-III, III-II und II-I als Klötzchenkoppel, sowie IV-I als Wippenkoppel, letztere gleichzeitig als Zug "Brustpedal an". Gabler verwendete keine Pedalkoppel. Neu wurde eine Pedalkoppel zu I, II und IV gebaut, sowie zusätzlich ein separater Zug "Brustpedal an". Die Pedalklaviatur ist neu.

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2. Die originale Gabler-Stimmungkonnte ermittelt werden. Die Orgel wurde neu intoniert und ungleichschwebend gestimmt, wobei die Gabler-Stimmung leicht modifiziert wurde zugunsten eines Bach-Spiels. Vom Stil her ist eine süddeutsche Barockorgel nicht vorgesehen zum Spiel solcher Literatur. Im Sinne der heutigen Auffassung, dass auf einer grossen Orgel Werke J.S. Bachs realisierbar sein sollten, erlaubte man sich diesen leichten Kompromiss (siehe unten).

3. Ein weiteres Zugeständnis an das Bach-Spiel betrifft die gemässigte Erweiterung des Pedalumfangs bis d' (original C-g°). Die Erweiterung des Grosspedals war möglich unter Ausnützung von Leerkanzellen; im Kleinpedal half man sich mit Verführung von Pfeifen.

4.Nicht rückgängig gemacht wurde die Gablersche Repetition von drei 4'-Registern in den 8'-Bereich beim Ton c': Octav douce (II), Octav (III), Flaut travers 2fach (IV).

5.Das weitgehend erhaltenePfeifenwerkwurde in der üblichen Artrestauriert. Die später ergänzten Pfeifen (Pedalerweiterungen) sind durch Rekonstruktion besser an den Gablerschen Stil angepasst worden.

6. Die ursprünglich 6 originalen Froschmaulbälge wurden rekonstruiert, allerdings (zeitgemäss) mit Motorbetrieb. Die Windladen sind vollständig erhalten und konnten repariert werden.

7. Anschluss des Kronpositivs: Das Kronpositiv erhält original seinen Wind durch grosse Konduktenblöcke, die von den Kanzellen der Oberwerkslade hinauf zu den entsprechenden Kanzellen der Kronpositivwindlade führen. Da dieses schwierige Konzept jedoch von Anfang an nicht funktionierte, musste Gabler Wind - das heisst Register - sparen. So reduzierte er nicht nur die ursprünglich vorgesehene Registerzahl von 6 auf 4, sondern besetzte auch das Register Octav douce 4' nur einfach statt doppelt; anstelle der 10-fachen Mixtur musste er mit einem nur zweifachen Register Cimbali 2' Vorlieb nehmen. Bei der Restauration verzichtete man zugunsten der originalen Situation auf die naheliegende Idee, den Querschnitt in den Kondukten zu erweitern, um damit die Windzufuhr zu verbessern.

Nach Dichtmachen aller Teile genügt nun der zur Verfügung stehende Wind knapp für das gleichzeitige Spiel der 4 vorhandenen Originalregister - eine hörbare, aber authentische Unvollkommenheit dieser berühmten Orgel!

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3. Beschreibung der Gabler-Orgel

Die Westfenster - sonst eher ungeliebte "Freunde" der Orgelbauer - boten sich in Weingarten gleich in 6-facher Anzahl. Es war daher eine anspruchsvolle Aufgabe, die Orgel hier harmonisch einzupassen. Das geniale Konzept Gablers baut die Orgel um die 6 Fenster herum und besteht aus zwei grossen Haupttürmen, die durch ein brückenartiges Mittelfeld verbunden sind. An beiden Aussenseiten befinden sich nochmals Flachtürme, die ebenfalls durch Brücken mit dem Hauptwerk verbunden sind. Neben diesem "Hauptkomplex"

verleihen drei abgetrennte Werke dem Instrument zusätzlich einen plastischen Eindruck:

Oben als Bekrönung das Kronpositiv und an der Brüstung die zwei Brüstungspositive (links IV. Manual; rechts Kleinpedal oder "Brustpedal")4. Der Prospekt auf der Westempore weist eine Höhe von 14 Metern auf; die grösste Pfeife misst 9.62 m bei einem Umfang von 120 cm und fasst 1200 Liter. Die kleinste Elfenbeinpfeife ist 4½ cm lang und wiegt 60 g.

Der Prospekt enthält nur wenig Blindpfeifen. Die zwei grössten Pfeifen, das C und Cis des 32'-Registers, sind als Innenpfeifen aus Holz gebaut; ab D stehen sie als Zinnpfeifen im Prospekt. Die grossen Prospektpfeifen des zweifachen Kontrabasses 32'+16' tragen die Namen von Heiligen aus dem Benediktinerorden, die den Anfangsbuchstaben der Töne entsprechen; nur 7 sind ohne Namen.

Prospektaufbau

Prospektpfeifen: Register:

2 grosse Haupttürme Contrabass 32' ab D Grosspedal Praestant 16' (I) Hauptwerk (I)

darüber:

- Oberwerk (II)

Unterbau der Haupttürme Hohlflaut 4' 2f Echowerk (III) (vom Schiff aus unsichtbar)

2 Seitenfelder ganz aussen 16'-Pfeifen des Contrabass 32' -

3 "Brücken" Mixturbass 8' 5-8f (Pedal) do. / "La force" im Mitteltürmchen der mittleren Brücke

Kronpositiv Octav douce 4' Kronpositiv

(aufgehängt am Dach) (siehe Disposition)

Brüstungspositiv links Principal doux 8' Brustpositiv (IV)

Brüstungspositiv rechts Superoktavbass 8' "Brustpedal" = Kleinpedal

4 Kleinpedal = weniger kräftige Pedalregister; Brustpedal = Register im Brüstungspositiv.

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Das Gehäuse wurde in der Klosterschreinerei hergestellt. Die Fassung und Vergoldung besorgte der Klostermaler, Bruder Franz Heine. Die Bildhauerarbeiten stammen wahrscheinlich zum grossen Teil von H. Joachim Früeholzaus Weingarten, vielleicht zum Teil auch von Gabler selbst. Es ist möglich, dass einige der jetzt vorhandenen Engel von Joseph Anton Feuchtmayeraus Salem geschaffen wurden.

Abbildung : Spieltisch der Gabler-Orgel in Weingarten

Ein besonderes Schmuckstück ist der Spieltisch, der wie das Gehäuse ebenfalls in der Klosterschreinerei verfertigt wurde. Ein freistehender Spieltisch war - erstmals in

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Gebräuche. Auch diese Einrichtung führte zu enormen Schwierigkeiten mit der umständlichen und weitverzweigten Traktur, was J.A. Silbermann, wohl nicht ganz zu Unrecht, dem Orgelbauer Gabler als unnötige Komplizierung vorwarf. Die 77 Registerzüge und die Untertasten sind aus Elfenbein. Ueber dem Spieltisch, unter der mittleren "Brücke", hängen bogenförmig an einem holzgeschnitzten Weinstock drei grosse Weintrauben mit dem Pedal-Glockenspiel. Die Traubenform soll auf Weingarten hinweisen.

Die Gabler-Orgel enthält 63 Register und 7 Nebenregister auf 4 Manualen und Pedal. Die Details, besonders auch die Angaben über die Nebenregister, sind aus der Disposition ersichtlich.

Als Kuriosum gilt der Registerzug "La Force": ein 49-fach besetzter C-Dur-Akkord auf der tiefsten Pedaltaste C. Er besteht aus Prinzipalpfeifen folgender Zusammensetzung:

1x 2' 6x 1/2'

2x 12/3' 6x 2/5'

2x 1' 4x 4/7'

2x 4/5' 10x 1/3'

4x 2/3' 12x 2/7'

Ueber den Sinn dieses Zuges ist viel spekuliert worden: Relikt des Blockwerk-Systems?

Hornwerk? Symbolische Bedeutung?

Klang und Mensuration

Die Klangqualitäten der Gabler-Orgel in Weingarten liegen weniger im machtvollen Tutti, sondern eher im weichen, farbigen Bereich. Prinzipale und Flötenstimmen sind weich intoniert, die Streicherstimmen zahlenmässig stark vertreten. Man findet nur wenig Zungenstimmen. Einzelaliquoten fehlen. Die vielen mehrchörigen Mixturen geben dem Plenum einen charakteristischen Glanz.

Dieser weiche, eher verhaltene, farbige Orgelklang entspricht heute wieder unsern Idealvorstellungen. Allerdings wurde in der Vergangenheit aus den technischen Problemen, die Gabler mit dieser Orgel hatte, vielleicht allzu rasch eine Tugend gemacht. Die Zubauten im Lauf der Zwischenzeit und verschiedene Zeugnisse weisen darauf hin, dass man den Klang immer wieder zu verstärken suchte, weil er zu schwach imponierte. Dies hat nach Jakob [5] verschiedene Gründe:

Gabler war offensichtlich kein Meister der Mensuration. Auch Klaus [6] empfand die Mensuren als "einförmig". Für den grossen Raum in Weingarten wurden sie merklich zu eng konzipiert: So tönen die (mittelweiten) Prinzipale bereits wie (enge) Streicher, und die Streicher klingen oft nur noch knapp im Grundton. Gabler musste

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Disposition der grossen Orgel in der Klosterkirche Weingarten Joseph Gabler (1737-1750)

I. Hauptwerk C-c3 II. Oberwerk C-c3

Praestant 16' Borduen 2-3fach 16'

Principal 8' Principal Tutti 8'

Piffaro 5-7fach 8' Coppel 8'

Rohrflaut 8' Salicionale 8'

Octav 1-2fach 4' Violoncell 1-3fach 8'

Superoctav 2fach 2' Hohlflaut 8'

Hohlflaut 2' Unda maris 8'

Mixtur 9-10fach 2' Mixtur 9-12fach 4'

Cimbalum 12fach 1' Octav douce 4' ]

Sesquialter 8-9fach 2' Viola 2fach 4' ] Register

Trombetten 8' Nasat 2' ] im Kronpositiv

Cimbali 2fach 2' ]

III. Echowerk C-c3 IV. Brustpositiv C-c3

Borduen 16' Principal doux 8'

Principal 8' Flaut douce 8'

Flauten 8' Violoncell 8'

Quintatön 8' Quintatön 8'

Viola douce 8' Rohrflaut 4'

Octav 4' Querflaut 4'

Hohlflaut 1-2fach 4' Flaut travers 2fach 4'

Piffaro 2fach 4' Piffaro 5-6fach 4'

Superoctav 2' Flageolet 2'

Mixtur 5-6fach 2' Cornet 8-11fach 2'

Cornet 5-6fach 1' Vox humana 8'

Hautbois 8' Hautbois 4'

Tremulant

Grosspedal C-d' (orig. g°) Brustpedal C-d' (orig. g°) Contrabass 2fach 32'+16' Quintatönbass 16'

Subbass 32' Superoktavbass 8'

Octavbass 16' Violoncellbass 8'

Violonbass 2fach 16' Flaut douce-Bass 8' Mixturbass 5-8fach 8' Hohlflautbass 4'

Bombard 16' Cornettbass 10-11fach 4'

Posaunenbass 16' Sesquialter 6-7fach 22/3'

Trombettbass 8'

Fagottbass 8'

Originale Koppeln: IV/II, III/II, II/I, IV/I (früher zugleich = "Brustpedal an")

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Nebenregister

Carillon: Glockenspiel, f° - c3, auf IV spielbar, 32 Glocken (im Spieltisch)

Carillon: Glockenspiel, C - g°, auf dem Pedal spielbar , 20 Glocken (über dem Spieltisch hängend) La force: Mixtur 49fach 2' auf Ton C des Pedals

Tympano: Pauke, Schwebung mit vier gedeckten 16'-Holzpfeifen auf G Cymbalo: Drei kleine Glockenschellen mit Windantrieb, ähnlich Zimbelstern Cuculus: Zwei Kuckucksrufe mit Windradantrieb für die Pfeifen d'-h und a-fis

Rossignol:Nachtigallenruf: drei hohe Pfeifen eines 1'-Registers, in ein Wasserbecken mündend ---

daher mangels guter Mensuren auf verschiedene Intonationshilfen ausweichen: Kernstiche, Vorderbärte, Kastenbärte. Der "sanfte Klang" war also vielleicht nicht immer virtuose Absicht, sondern dürfte auch gewisse handwerkliche Schwächen verraten haben. So musste Gabler zur Klangverstärkung bestimmte Register doppelt und mehrfach besetzen, was aber wegen zu hohem Windverbrauch auch nur beschränkt möglich war. Der hohe Windverbrauch ist also, neben der engen Mensuren, eine weitere Erklärung für die

"Klangsanftheit" der Weingartner Orgel. Obendrein kann infolge einer ausgesprochen kompakten Bauweise der Prospektpfeifen und der wenig durchlässigen Schleierbretter der Klang nicht ungehemmt durch die Prospektpfeifen austreten. Schliesslich haben sich die Fusslöcher der Pfeifen im Lauf der Jahre durch ihr Eigengewicht selbst verengt, indem sie in die bei Gabler sehr steilen Stockbohrungen einsanken. Dadurch verloren sie an Klangstärke. Diese Verengungen konnten bei der Restauration behoben werden.

Stimmung und Temperierung

Bei der Restauration fiel auf, dass an verschiedenen Registern überraschend konstant die Pfeifen dis, f, b verändert waren. Durch Rückformung in ihren ursprünglichen Zustand konnte eine sinnvolle ungleichstufige Temperierung herausgefunden werden, die als originale Gabler-Temperatur angesehen wird. Es ist eine gemässigt mitteltönige Stimmung, vergleichbar mit der Gottfried-Silbermann-Stimmung. Sie enthält 8 zwar nicht reine, aber gute Grossterzen und eine Wolfsquinte bei gis-dis (=as-es). Reiner als bei der gleichstufigen Stimmung sind folgende Grossterzen (in absteigender "Qualität"):

g-h, c-e, f-a, b-d, a-cis, es-g, d-fis, e-gis. Da bei dieser originalen Gabler-Stimmung die Terzen des-f, h-dis, ges-b und as-c ausgesprochen schlecht ausfallen und so die Orgel für ein Bach-Spiel ungeeignet machen, wurde sie etwas ausgeglättet. Die jetzige, gemässigte Temperierung enthält nur noch 7 Terzen, die etwas reiner sind als die gleichschwebende Terz, dafür ist die Wolfsquinte praktisch aufgehoben; die Terzenh-disundges-bsind noch minim unreiner als bei der gleichschwebenden Stimmung. Die Orgel wurde auf eine absolute Tonhöhe a' = 419 Hz bei 15° gestimmt, das heisst knapp ½ Ton unter der heutigen Normalstimmung von 440 Hz.

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Zusammenfassend über den Klang: (Jakob [5] S. 79): "Die Gabler-Orgel ist sicherlich keine Kraft-Orgel. Mächtigkeit und Brillanz fehlen etwas im Vergleich zur Orgelgrösse.

Der Klang ist etwas verhalten, verschleiert, dafür poesievoll und pastellhaft farben. Die enorme Vielchörigkeit der gemischten Stimmen ergibt den Effekt eines Streichorchesters:

minimale Abweichungen der Einzelstimmen ergeben (noch) keine Falschheit, aber eine grössere Bandbreite des Richtigen. Es wurde sehr darauf geachtet, der Orgel den kammermusikalisch-intimen Charakter zu belassen und keine falsche sinfonische Grösse einfliessen zu lassen. Da nun aber alles wieder winddicht ist und jede Pfeife im Grundton anspricht, klingt die Orgel doch etwas kräftiger als zuvor."

Der Orgelbauer Gabler: Grösse und Grenzen

Joseph Gablers kühne und schöpferische Prospektgestaltung kommt in der Weingartner Orgel wohl einzigartig zum Ausdruck. Auch in der Bearbeitung der Pfeifen, der Windladen und Windkanäle zeigt sich sein fundiertes handwerkliches Können, das ihn noch über Holzhey stellt - wenngleich ihm die Windversorgung abgelegener Orgelteile, wie beim Kronpositiv in Weingarten, gelegentlich verunglückte. Die Realisierung der oft komplizierten Trakturführungen verraten ein ausgesprochenes mechanisches Geschick, das mit keinem Orgelbauer seiner Zeit zu vergleichen ist.

Gablers Disposition zeigt ein Gemisch von modernen und altertümlichen Elementen: Eher fortschrittlich ist die Bevorzugung der 8'-Lage, die Betonung der Streicher, das Fehlen hochfüssiger Register und die Abstufung der Manuale nach dynamischen Kriterien. Als archaisierend empfindet man dagegen die Vielchörigkeit der Register und deren Repetition, die Konstruktion halber (dh. nicht voll durchgehender) Register, sowie die eher mitteltönig beeinflusste Temperierung.

Wie schon erwähnt, hatte Gabler bei der Wahl richtiger Mensuren Schwierigkeiten.

Entsprechend mühsam gestaltete sich wohl die Intonation, was man an den vorhandenen Kernstichen und Bärten sieht: Ein Grund vielleicht, dass sich seine Intonationsarbeiten gemäss Urteil von Zeitgenossen derart in die Länge zogen. Auch mit dem Bau von Zungenregistern scheint Gabler seine Schwierigkeiten gehabt zu haben; es gelang ihm offensichtlich nicht, die ursprünglich in 32'-Länge vorgesehene Bombarde zu realisieren, so dass er diese in 16'-Länge ausführte.

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Besonders in den Weingartner Orgelakten finden sich immer wieder symbolische Zahlen, die offensichtlich auf Gabler selbst zurückgehen und zum Teil Gegenstand überrissener Deutungen wurden. Die Verträge nennen eine Gesamtzahl von 6666 Pfeifen für die grosse Orgel, 2222 für die Chororgel, d.h. total 8888. Die grosse Orgel hat 76, die kleine 24 Registerzüge = total 100. Justin Heinrich Knecht erwähnt in seiner Orgelschule von 1796, dass die Weingartner Orgel 6666 Pfeifen besitze - soviel, wie Christus nach der Legende Peitschenhiebe empfangen habe. Diese Deutung dürfte Knecht möglicherweise selbst erfunden haben. Jedenfalls entsprechen die symbolischen Zahlen nicht exakt den tatsächlichen Verhältnissen. Mit ernüchterndem Humor stellt Jakob fest, dass kaum kosmische oder andere Geheimnisse im Spiele sind, "sondern lediglich die harmlose Freude des einfachen Gemütes an interessanten Zahlenkombinationen, vielleicht vergleichbar mit der bisweilen sichtlich stolzen Freude heutiger Mitmenschen an ihrer besonders bemerkenswerten Autonummer".

Mag sein, dass "kosmische" Interpretationen dieser vielleicht eher naiv gemeinten Zahlen um Gabler einen Mythos mit allerhand Legenden entstehen liessen. Nach einer Legende soll dem Meister das Register Vox humana deshalb so gut gelungen sein, weil er dem Teufel dafür seine Seele verschrieben habe. Nach einer andern Legende, die vermutlich der Wirklichkeit entspricht, hat Gabler einen "Geheimhebel" eingebaut, ein kompliziert sich auswirkendes Sperrventil, mit dem er später die zahl-säumige Bauherrschaft unter Druck gesetzt haben soll. Dieses Sperrventil wurde 1912 von Orgelbauer Gotthold Weigle an schwer zugänglicher Stelle aufgefunden und entfernt. Jakob [S. 92], mit sichtlichem Orgelbauer-Schalk, bemerkt dazu: "Ich darf verraten, dass wir anlässlich der Restaurierung wieder eine derartige Einrichtung samt Geheimhebel eingebaut haben. Der Ort ist und bleibt natürlich geheim. Die Gabler-Tradition wurde in diesem Punkte also liebevoll weitergepflegt."

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Die Holzhey-Orgel in der ehemaligen Abteikirche Weissenau

1. Geschichte des Klosters

Weissenau wurde im Jahre 1145 vom Prämonstratenserkloster Rot an der Rot aus gegründet. Im Gegensatz zu Reichenau oder Mehrerau auch "Minderau" genannt, trägt das Kloster seinen Namen aufgrund der weissen Ordenstracht der Prämonstratenser-Mönche.

Damit wurde es auch von den (schwarzen) Benediktinern in Weingarten unterschieden, mit denen es aber schon früh ungünstig gelegene Güter auszutauschen und den Besitz abzurunden versuchte: Im Süden der Stadt Ravensburg befanden sich nur Weissenauer Güter, im Norden nur Besitze von Weingarten. Auch in Weissenau entwickelte sich ein historisch bedeutungsvoller Brauch um die Verehrung der "Heilig-Blut-Reliquie". Anders als in Weingarten stammt diese Reliquie aus Frankreich und kam später ins Strassburger Münster. Dort wurde sie 1261 nach dem Sieg über Strassburg an Rudolf I. von Habsburg übergeben. Dieser schenkte die Kostbarkeit im Zuge einer Reformbewegung dem Kloster im Jahre 1283. Die heutige Kirche wurde unter BaumeisterFranz Beerin den Jahren 1717- 1724 erbaut. 1802 hob die Säkularisation das Stift auf; die Klosterkirche wurde zur Pfarrkirche. Die Gebäude übernahmen zunächst die Grafen von Sternberg-Manderscheid.

Seit 1835 ist das ehemalige Kloster im Besitz des Staates Württemberg.

2. Geschichte der Orgel

Vermutlich die erste Orgel in der mittelalterlichen Klosterkirche war ein Werk von Jörg Ebert aus Ravensburg aus dem Jahre 1550; es wurde 1603 erweitert. Wohl um 1722-1724 wurde eine grosse Orgel von P. Christoph Vogt aus Ottobeuren repariert und vergrössert.

Im 18. Jahrhundert besass die Klosterkirche zwei Orgeln. Auf das 500-Jahr-Jubiläum der Heilig-Blut-Reliquie war eine neue Orgel bei Johann Nepomuk Holzhey bestellt worden.

Sie hätte gemäss Zusicherung an den Abt auf das Jubiläumsjahr 1783 wenigstens mit 12 Registern spielbar sein sollen. Holzhey konnte sein Versprechen nicht einhalten: Man musste im Festjahr mit der Chororgel vorlieb nehmen; die unbrauchbar gewordene Orgel auf der Empore war bereits entfernt worden. Der begehrte Orgelbauer war nämlich durch fast gleichzeitige Bauten in Rot und in Neresheim absorbiert und verschiedentlich in Verzug geraten. 1783 hatte er noch in Obermarchtal zu tun. Kein Wunder, dass die Dispositionen der Orgel in Weissenau und in Obermarchtal praktisch identisch sind.

Scheinbar hat der Abt auf dem versprochenen Liefertermin nicht bestanden, da Holzhey mit schlechterer Qualität drohte für den Fall, dass er terminlich unter Druck gesetzt würde. So konnte er das neue Instrument erst in den Jahren 1785-1787 erbauen. Das Gehäuse wurde

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Die Orgel gehörte mit ihren 41 Registern und drei Manualen zu den grössten in Süddeutschland und wurde wegen ihres neuartigen Klanges sehr bewundert. Die farbliche Gestaltung des Gehäuses wurde, wie oft zur damaligen Zeit, scheinbar auf später verschoben. Offensichtlich fehlten dann zur Zeit der Säkularisation die finanziellen Mittel, so dass der Prospekt lediglich eine hellgraue Grundierung erhielt.

Erst wieder 1827 vernehmen wir, dass einFranz Xaver Engelfriedan der Orgel arbeitete. In einem Stimmvertrag von 1828 mit Orgelbauer Kaspar Speidel sind neben der Disposition von damals auch Registrieranweisungen festgehalten [4]. Erhebliche Änderungen erfuhr die Orgel im Jahre 1844 durchFranz Anton Kiene (1777-1847)aus Langenargen und seinen Sohn, Johann Nepomuk Kiene (1812-1902) 5. Kiene empfand die Orgel damals "mehr auf Geschrey u. brausende Tonart" ausgerichtet"u. mit Schnarrwerken; mehrentheils gleichen Charakters (:die ohnehin nie in der Stimmung bleiben:) bestellt", .."das Pedal zu schwach".

Schon rund 40 Jahre vorher hatte der Augsburger Domkapellmeister Franz Bühler die Holzhey-Orgeln als ".. zu jung und zu lärmend" mit "zu viel Schnarrwerken" empfunden.

Er wünschte ihnen "mehr Rundung und Dicke des Tones" - ein Postulat, das in der bereits frühen Romantik dem Wunschbild der labialbetonten süddeutschen Orgel entsprach und das französische Konzept mit seinen Zungenstimmen ablehnte. Im Zuge dieser neuen Auffassung verringerte Kiene alle gemischten Stimmen in ihrer Chorzahl und beseitigte besonders die hohen Reihen. Die Terzchöre mit Ausnahme des Cornet im Hauptwerk wurden entfernt, ein Grossteil der Zungenstimmen durch Labialregister von vorwiegend weiter Mensur ersetzt. Das Oberwerk wird auf 16' Basis aufgebaut. Anstelle des ursprünglich silbernen Klanges erhielt die Orgel nun einen grundtönigen Charakter: "Zu Holzheys Zeiten muss die Orgel im 'vollen Werk' viel strahlender und majestätischer geklungen haben als nach Kienes Umbau" [4]. Diese Betonung der 8'- und 16'-Lage verlangte mehr Wind; die Windkanäle mussten daher weiter dimensioniert werden. Nach dem Tod von Vater Kiene vollendete sein Sohn Johann Nepomuk die Arbeit. Obwohl man mit ihm nicht zufrieden war, führte er 1869 nochmals eine Reparatur durch und brachte ein Drahtgeflecht hinter den Prospektpfeifen an zum Schutz vor Eulen, Fledermäusen und Vögeln. 1872 Umbau und Austausch einiger Register und Reinigung der Orgel durch Carl Gottlieb Weigle mit Einbau von 4 Kompensationsbälgen zwecks besseren Windausgleichs.

Auf einer Federleiste des Positivs bemerkten die Orgelbauer Weigles: "... von Orgelbauer Kiene aus Langenargen repariert, jedoch eigentlich malträtiert." Von den ursprünglich 8 Zungenregistern blieb von Holzhey nur noch die Pedaltrompete erhalten; vier Zungenregister wurden ganz entfernt. 1882 wurde die alte Froschmaul-Balganlage wegen Undichtigkeit abgebrochen und ein neuer Magazinbalg angefertigt. Im ersten

5 Erbauer der Orgel in Rebstein 1854.

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Weltkrieg 1917 mussten die Prospekt-Zinnpfeifen abgeliefert werden. Erst 1925 hat sie Orgelbauer Späth aus Ennetach durch Zinkpfeifen ersetzt. Möglicherweise wurde damals auch die Pedaltrompete erneuert, die letzte der noch erhaltenen Zungenstimmen Holzheys.

Pfeifenplünderer machten sich ausserdem an der Orgel zu schaffen. Bis in die 1930er Jahre ging sogar vergessen, dass die Orgel in Weissenau eine Holzhey-Orgel sei. Anhand von Pfeifenuntersuchungen hat Walter Supper um 1940 dessen Urheberschaft eindeutig nachgewiesen, was durch später aufgefundene Quellen nochmals bestätigt wurde. 1949-51 Instandstellung durch Weigle mit Rekonstruktion der Disposition und des Klanges bei unsicherer Quellenlage und finanziell knappen Mitteln. Dabei beliess man einige Register von Kiene. Die Zungen wurden nicht nach Rieppschen, sondern nach Gablerschen Vorbildern rekonstruiert. Auf eine Wiederherstellung der originalen Traktur hat man verzichtet und das Pedal pneumatisch erweitert. Die Zink-Prospektpfeifen aus dem ersten Weltkrieg blieben bestehen. Das bisher lediglich grundierte Gehäuse erhielt in Analogie zu den Altären eine barocke Marmorierung, da man den klassizistischen Charakter der Verzierungen damals nicht erkannte.

3. Restauration durch Hubert Sandtner 1987-1989

Nach Auffinden der originalen Orgelbauakten im Jahre 1980 durch U. Höflacher [4]

konnte auch die ursprüngliche Disposition ermittelt werden. 1983 empfahl ein Gutachten der Orgelbaufirma Kuhn (Männedorf) die Rückführung der Orgel in den Holzhey-Zustand, obwohl im Lauf der Zeit sehr viel an der Originalsubstanz verändert worden war. Der Auftrag zur Restauration / Rekonstruktion wurde an die FirmaSandtner (Dillingen/Donau) vergeben. Nachdem man anfänglich noch die Restauration eines gewachsenen Zustandes ins Auge fasste, bestätigten die Untersuchungen am Pfeifenmaterial, dass es richtig war, den Originalzustand der Holzhey-Orgel von 1787 herzustellen. Nur 2,1% der Pfeifen stammen von Kiene, 0.4% von Weigle. Dagegen ist ein grosser Teil des Pfeifenmaterials, nämlich 53%, original von Holzhey erhalten, darunter vor allem die charakteristischen Einzelstimmen Salicional, Gamba, Flautravers, Nachthorn und Holflöten. Bei der Restauration mussten somit unter den Labialstimmen hauptsächlich die Prinzipale erneuert werden, deren Rekonstruktion infolge ihrer einheitlichen Mensur bei Holzhey relativ wenig Probleme bot. Anhand von originalen Vorbildern aus andern Holzhey-Orgeln wurden diese Stimmen, wie auch Spizflöten, Rohrflöten Diskant, Unda maris, Subbass, Oktavbass, z.T.

Viola und Copel, nachgebaut.

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Disposition der Orgel in der ehemaligen Klosterkirche Weissenau6 Johann Nepomuk Holzhey (1785-1787)

I. Hauptwerk C-f3 II. Positiv C-f3

Praestant 16' z.T. Prospekt Principal 8'

Principal 8' z.T. Prospekt Rohrflöten 8'

Copel 8' Holz Salicional 8'

Quintadena 8' Unda maris 8'

Gamba 8' Flautravers 8' ab g°

Viola (Schwebung) 8' Holz Octav 4'

Oktav 4' Holflöten 4'

Flöten 4' Fugari 7 4'

Nazard 2-fach 2' Quint 3'

Superoctav 2' Hörnle 2-fach 2' + 13/5'

Sexqualter 3-4fach 3' Cimbal 5-fach 2'

Mixtur 6-fach 2' Fagott Bass 8' bis fis°

Cornet 3-fach 3' ab g° Hautbois Diskant 8' ab g°

Trompet 8'

Claron 4'

III. Echo C-fis° / g°-f3Pedal C- a° (bzw. bis d')

Nachthorn 8' Subbass 16' Holz, offen

Dulciana 8' Oktavbass 8' Holz

Spizflöten 4' Violonbass 8' z.T. Prospekt

Flageolet 2' Cornetbass 4-fach 4'

Cornet Resit 4-fach 4' ab g° Bompard 16' Holz

Vox humana Bass 8' Trompet 8'

Vox humana Diskant 8' Claron 4'

Cromorn Bass 8' Schalmei Diskant 8' Tremulant für Diskant

Koppeln: Positiv-Cupl (II-I), Echo-Cupl (III-I), Tuttibass (I-Pedal).

Pedalkoppel als Ventilkoppel gebaut.

Zungenregister des HW lassen sich nicht in das Pedal koppeln.

Grosse Oktave von Prestant 16' nur bei gezogener Pedalkoppel spielbar.

Pedalklaviatur auswechselbar: Originales "Klötzchenpedal" C-a°

oder konventionelles Pedal C-d' Schleifladen, mechanische Traktur. Winddruck 70 mm WS.

Stimmung: Werckmeister III. a' = 442 Hz (bei 15° C).

Restauration: Hubert Sandtner, Dillingen (1987-1989)

6 Die Disposition der Orgel in Weissenau ist praktisch identisch mit jener in Obermarchtal mit Ausnahme des Registers Fugara 4': In Obermarchtal steht dafür das Register Sifloet 2'.

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Uebersicht: Bestand originaler und rekonstruierter Pfeifen

29 Labial-Zinnregister: 2392 Pfeifen erhalten 62% rekonstruiert 38%

4 Labial-Holzregister: 152 Pfeifen erhalten 30% rekonstruiert 70%

8 Zungenregister: 336 Pfeifen erhalten 0% rekonstruiert 100%

total 41 Register: 2880 Pfeifen erhalten 53% rekonstruiert 47%

Rechnet man die 59 Blindpfeifen des Prospektes und die 50 neuen Pfeifen der Pedalerweiterung dazu, so ergibt dies für die Orgel nach der Restauration 1989 eine Gesamt-Pfeifenzahl von 2989.

Wegen ihrer atypischen Bauart und Mensur erwiesen sich die Pfeifen vom Umbau 1949-50 als ungeeignet für eine Wiederverwendung. Die Rekonstruktion der Holzpfeifen erfolgte in der eigenen Werkstatt von Orgelbau Sandtner, die Firma Hildenbrand (Ueberlingen) übernahm den Bau der Zinn-Labialpfeifen; Giesecke (Göttingen) konstruierte die Zungenpfeifen. Einiges Kopfzerbrechen bereitete die Rekonstruktion der Zungenregister, für die fast keine Holzhey-Vorbilder existieren. Einzig für das Register Bombarde 16' konnte aufgrund erhaltener Bauteile in Rot (Becher), Ursberg (Stiefel) und Oberelchingen (ein Zungenblatt Fis 8') ein Bauprinzip gefunden werden. Die so ermittelte Zungenstimme ergab eine praktisch identische Bauweise mit der Bombarde 16' in der Dreifaltigkeitsorgel Riepps in Ottobeuren. So wurden auch die restlichen 7 Zungenregister anhand des Rieppschen Vorbildes nachgebaut.

Die Windladen waren 1949-50 erheblich abgeändert und die Kanzellenquerschnitte vermindert worden. Nach Zerlegung wurde die originale Bauweise und die originale Reihenfolge der Register wiederhergestellt. Der Magazinbalg von 1950 und die alte Balg- Treteinrichtung wurde entfernt und eingelagert. Anhand des Vorbildes wurden die Windkanäle und 2 Faltenbälge rekonstruiert, betätigt durch eine selbsttätige Aufziehvorrichtung. Der Balgstuhl bietet Platz für den nachträglichen Einbau von 3 weiteren Bälgen entsprechend dem ursprünglichen Zustand.

Zweifelsfreie Angaben über die originale Stimmtonhöhe und die Temperierung der Orgel konnten nicht gefunden werden. Man entschied sich für die Stimmung nach Werckmeister III; Stimmtonhöhe a' = 442 Hz (bei 15° C).

Die Traktur wurde repariert/rekonstruiert und in die originalen Verläufe verlegt, desgleichen Rekonstruktion der Manualklaviaturen, der Spiel- und Koppelanlage im Spieltisch und der Wellaturen nach historischem Vorbild (Neresheim). Die Spielart ist nun leichtgängig und sensibel. Das französische Klötzchenpedal wurde nach dem Vorbild Oberelchingen angefertigt. Eine zweite, einfach auswechselbare Pedalklaviatur (vgl. die

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Spieltisch der Orgel in Weissenau: Oben mit dem erweiterten Pedal bis d' in Anlehnung an heutige Mensuren; unten mit dem rekonstruierten Klötzchenpedal

bis a° und kurzen Untertasten.

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Konzession in Weingarten) mit normal langen Untertasten und einem gemässigt modernen Tonumfang bis d' steht zur Verfügung. Die Pfeifen der Pedalerweiterung um 5 Töne - bewusst abgetrennt von der historischen Anlage und jederzeit reversibel - sind mit elektrischer Traktur angeschlossen und erhalten den Wind von einer Ergänzungswindlade auf dem Mauergesimse, das durch die Orgel führt.

Die Marmorbemalung des Gehäuses wurde abgelöst. Entsprechend den Vorbildern in Rot und Ursberg erhielt es eine vornehme klassizistische Weiss-Fassung mit vergoldeten Ornamenten. Diese dürfte der ursprünglichen Absicht Holzheys am ehesten entsprechen, auch wenn sie aus finanziellen Gründen nie realisiert werden konnte. Bei neueren Erkenntnissen könnte sie ohne Beschädigung der darunter liegenden originalen Grundierung später wieder abgetragen werden. Die Gehäusetüren erhielten neue Beschläge.

Das Medaillon mit der Inschrift über dem Brückenwerk wurde durch eine Uhr nach dem Vorbild Ursberg ersetzt.

4. Der Holzhey-Stil

Holzhey ist Oberschwabe wie Joseph Gabler und als Schüler von Karl Joseph Riepp durch beide Meister geprägt. Die kunstvolle und zuweilen kühne Gestaltung der Prospekte zeigt den Einfluss Gablers. Disposition und technische Anlagen, Trakturen und Windladen verraten die Schule Riepps. So schuf Holzhey durch Verbindung süddeutscher und französischer Orgelbautraditionen in eigenschöpferischer Weise klanglich vielgestaltige Instrumente. Er repräsentiert den süddeutschen Orgelbau des Klassizismus, den Uebergang vom Spätbarock zur Frühromantik.

Wie schon im Barock, mussten auch die klassizistischen Kirchenräume Helligkeit und Licht einlassen. So sind auch bei Holzhey die Westfenster harmonisch in die Orgelprospekte einbezogen. Baustilmässig sind die früheren Orgeln dem Rokoko zuzuordnen; Weissenau und Obermarchtal (um 1785) tragen teilweise, Neresheim (1797) ganz klassizistische Züge.

Diese Orgeln haben kein eigentliches Gehäuse mehr: Sie stehen sozusagen nur hinter einer Fassade, die keine tragende Funktion ausübt. Hinten sind die Stimmböden direkt mit der Kirchenmauer verankert. Das stabil und sauber ausgeführte Gehäuse wird nicht mehr vom Orgelbauer angefertigt, sondern vom Schreiner. Die Orgeln klassizistischen Stils sind ganz in Weiss gefasst und fügen sich so in die Architektur ein.

Holzhey baut alle dreimanualigen Orgeln nach dem gleichen Prinzip: Zwei grosse Türme stehen zu beiden Seiten des Westfensters. Dahinter befinden sich die Pfeifen der drei Manuale auf drei Etagen, sofern es die Raumhöhe zulässt: Die Hauptwerkslade am Fusspunkt der grossen Prospektpfeifen, das II. Manual darüber. Das Echowerk (III) liegt unterhalb der Hauptwerkslade. Die Pfeifen des Pedals stehen seitlich von den grossen Türmen. Die beiden Prospektteile werden durch ein Brückenfeld über dem Westfenster miteinander verbunden.

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Disposition

Holzhey erweiterte die süddeutsche Orgel mit ihren Prinzipalen, Streichern und Flöten mit dem französischen Zungenchor und den Kornetten 8 und schuf so einen neuen, in seiner Vielfalt sehr farbenreichen oberschwäbischen Orgeltyp. Der Dispositionsaufbau mit der klaren Funktion für jedes Register entspricht der französischen Schule von Riepp (Ottobeuren). Damit entstehen neue Teilwerke: Die Prinzipalreihen finden sich bei Holzhey bevorzugt auf dem Hauptmanual. Nur bei den frühen Instrumenten (z.B.

Weissenau) ist das Plenum auf das I. und II. Manual aufgeteilt (Mixtur + Zimbel); zum vollen Spiel ist hier die Manualkoppel nötig. Farbige Solostimmen enthält das II. Manual (Oberwerk). Das III. Manual, ein von Riepp inspiriertes Neukonzept, ist gleichzeitig Echowerk und Kornettwerk. Zunehmend entwickelt sich auch, entsprechend dem Trend, eine dynamische Abstufung der Manuale.

DasHauptwerkwirkt eher traditionell und enthält ein starkes Prinzipalgerüst auf 16'-Basis mit noch eher hohen Mixturen. Seine Plenumsfunktion wird unterstützt durch Zungen und Kornette nach französischem Vorbild. So entsteht ein strahlend-majestätisches, jedoch infolge einheitlicher Mensurierung der Prinzipale durchsichtiges und nie schreiendes Plenum.

Das II. Manual, bei Holzhey meist Oberwerk oder Farbenwerk genannt, ist eher zum lyrischen Spiel vorgesehen. Es ist ein Positivwerk mit verkleinertem Prinzipalchor und einem (wie bei Gabler) höchstens angedeuteten Zungenchor. Neben farbigen Flöten- und Streicherstimmen finden wir hier ein zerlegtes Cornet: das alte schwäbische Hörnle 2' + 13/5' (allerdings Prinzipalmensur im Gegensatz zum Cornet) und die Quinte 22/3' ). Im Unterschied zu Riepp verwendet Holzhey ausser Quint 22/3' (=3') keine andern Einzelaliquoten.

Das Echowerk (Cornetwerk) ist - als III. Manual bei den grossen Orgeln - wie das französische Echo im Untergehäuse der Orgel eingebaut und mit Türen versehen, die geöffnet werden können. Offenbar unter dem Eindruck von Riepp entwickelte Holzhey die Idee, das Solo-Kornett ins Echowerk hineinzunehmen und beide Werke zusammenzufassen. So enthält dieses Werk mit dem französischen Cornet, den oberschwäbischen Streichern und der Vox humana Gablers einen spezifischen Klangcharakter. Prinzipalstimmen fehlen. Die Register sind entsprechend dem traditionellen französischen Vorbild oft unterteilt in Bass und Diskant (fis°/g°).

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Das Pedal ist in Frankreich wie in Süddeutschland, und überdies zeitentsprechend, eher knapp dotiert. Auch bei Holzhey besitzen selbst grosse Werke meist nur ein 16'- Labialregister: einen (offenen) Subbass, der sich eindrücklich der jeweiligen Klangstärke in den Manualen anpasst. Obermarchtal und Weissenau, also eher frühe Orgeln, besitzen noch eine Pedalmixtur (Kornettbass 4').

Register und Pfeifen

Holzhey verwendet selten Holzregister; Weissenau besitzt vergleichsweise viele. Wegen ihrer oft beschränkten Lebensdauer (Holzwurm!) sind zudem nur wenige von ihnen erhalten. Vermutlich bevorzugte er die Metallregister, wie Riepp auch, weil sie besser zu intonieren sind. Die Metallpfeifen enthalten rund 50% Zinn und 50% Blei. Der Zinngehalt bei Prinzipalregistern, besonders im Prospekt, ist gelegentlich höher, bei Gedackten meist etwas tiefer. Riepp und Gabler brauchten dagegen meist mehr Zinn. Zum Schutz vor Korrosion überzieht Holzhey wie Riepp die Pfeifen mit einem Lack. Aus Spargründen ist das Pfeifenwerk recht dünnwandig. Durch Stimmen und Alterung sind hierdurch viele Metallpfeifen (besonders Zungen) im Fuss eingeknickt und häufig schlecht erhalten.

Holzhey benutzt bei allen Orgeln für Prinzipale und Kornette eine einheitliche Mensur. Im Vergleich zur Töpferschen Normalmensur verläuft die Prinzipalmensur Holzheys im Bass enger, im Diskant weiter. Die Mensur des Prinzipals ist für 8' ungefähr gleich wie bei Riepp; letzterer baut aber seine 4'-Prinzipale deutlich weiter. Gabler anderseits verwendet engere Prinzipalmensuren (vgl. S. 60). Wie Gabler, hat scheinbar auch Holzhey bezüglich der Mensuren wenig auf Raumgrösse und Akustik Rücksicht genommen. So musste er mittels entsprechender Intonation, zum Beispiel durch Veränderung der Aufschnitthöhen, die Register den unterschiedlichen Räumen anpassen. Dies hatte neben anderem auch den Vorteil, dass er seine Pfeifen während der kalten Winterperiode auf Vorrat in der eigenen Werkstatt anfertigen konnte. An Intonationshilfen finden wir bei den Metallpfeifen kleine Stummel-Seitenbärtchen; die Streicher besitzen zwecks besserer Ansprache Unterbärte. Zur Stabilisierung des Luftbandes enthalten die meisten Pfeifen Kernstiche.

Holzhey hat auch einige Register neu geschaffen. 1784 baute er, vermutlich als erster, eine Klarinette 8'. Die Flautravers 8' in der Konstruktion ohne Ueberblasloch ist ebenfalls eine Erfindung Holzheys. Im Gegensatz zu Riepp braucht Holzhey keine offenen Flöten 8'.

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Trakturen, Spieltisch, Klaviaturen

Wie bei Gabler, ist auch für Holzhey eine komplizierte Mechanik mit oft langen Trakturen bis zu 12 Metern typisch. Trotzdem ist die Spielart angenehm und leicht. Im Gegensatz zu Riepp, aber gleich wie Gabler, baut auch Holzhey auf der Westempore immer freistehende Spieltische. Diese sind durchwegs kunstvoll gestaltet. Bei den Chororgeln sind die Spieltische in den Chorstühlen eingebaut oder dann freistehend in der Mitte des Chorraumes.

Der Klaviaturumfang ist mit 54, bezw. 22 Tönen (im Manual C-f''', im Pedal C-a°) grösser als bei Gabler. Bei Chororgeln reicht das Pedal gelegentlich nur bis f°. Die Untertasten sind original mit Ebenholz, die Obertasten mit Bein oder Elfenbein belegt. Holzhey baut Klötzchenpedale nach französischem Vorbild (Riepp), wie sie auch Dom Bédos beschreibt [1]. Holzheys Pedal unterscheidet sich aber in seinem kleineren Umfang von jenem Riepps, das noch zwei vollständige Oktaven umfasste. Der kleine Pedalumfang genügte für die damalige süddeutsche Musik. Heute sind diese Pedalklaviaturen meistens erweitert worden.

Holzhey baut bei allen Instrumenten Pedalkoppeln, im Gegensatz zu Gabler und Riepp.

Weil diese den Bass im vollen Werk verstärken, nannte er sie "Tuttibass". In den Manualen brauchte er Schiebe- oder auch Wippenkoppeln.

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