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Das Pfeifen im Ohr

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Academic year: 2022

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Zehn bis zwanzig Prozent der deutschen Bevölkerung haben einen

chronischen Tinnitus. In ihren Ohren rauscht, klopft, pfeift, zischt oder brummt es dauerhaft. Für einige ist das eine psychische Zerreißprobe.

F

ast jeder hat wohl schon mal ein Pfeifen oder Klin- geln in den Ohren gehabt.

Normalerweise achtet man nicht darauf und nach einigen Se- kunden ist es wieder verschwunden.

Wenn es aber über längere Zeit be- stehen bleibt, sprechen Experten von einem Tinnitus. Dabei handelt es sich um eine psychoakustische Störung, das heißt, das Geräusch ist nur für die Betroffenen wahrnehmbar, es hat keine äußere akustische Quelle. In vielen Fällen verschwindet die Hör- störung innerhalb eines halben Jah- res von selbst wieder. Danach wird der Tinnitus allerdings chronisch und je länger er anhält, desto gerin- ger ist die Chance, dass er sich wie- der vollständig zurückbildet.

Wo das Ohrensausen entsteht Lange Zeit dachte man, der Tinnitus würde durch eine Störung im Innen- ohr ausgelöst. Diese Theorie wurde jedoch verworfen, als man feststellte, dass die Geräusche auch dann nicht verschwanden, als man den Betroffe- nen den Hörnerv durchtrennte. Ganz sind die Ursachen für einen Tinnitus noch nicht geklärt, jedoch geht man davon aus, dass er im Gehirn ent- steht. Tatsächlich ist die Hörrinde, also der Teil des Gehirns, der für die bewusste Wahrnehmung von Schall zuständig ist, bei Tinnituspatienten selbst dann aktiv, wenn im Ohr kei- nerlei Aktivität verzeichnet wird.

Warnsignal des Körpers Ein Tin- nitus ist keine eigenständige Krank- heit, sondern ein Symptom dafür, dass mit Körper oder Psyche etwas nicht stimmt. Das kann so etwas Simples wie ein Ohrenschmalzpro- pfen sein, aber auch etwas so Ernst- haftes wie ein Tumor. Offensichtlich versucht das Gehirn, die objektiv be- stehende Einschränkung des Hörens zu kompensieren, indem es die Hör- leistung quasi „hochregelt” – das Störgeräusch ist also nichts anderes als eine übertriebene Verstärkung von Sinnesimpulsen. Die Ursachen für den Tinnitus sind extrem vielfäl- tig, sodass die Diagnose häufig lang- wierig ist und immer interdisziplinär durchgeführt werden sollte. Hörstür- ze oder Knalltraumen können einen Tinnitus genau so auslösen wie virale oder bakterielle Infektionen, psychi- sche Störungen, Zahn-Kiefer-Prob- leme, Mittelohrentzündungen oder Drehschwindelkrankheiten wie Mor- bus Menière. Hält das Geräusch län- ger als 24 Stunden an, sollte man den HNO-Arzt zur Abklärung aufsuchen.

Zeigen erste Untersuchungen und Tests, dass ein Hörsturz die Ursache ist, muss dieser schnellstmöglich the- rapiert werden. Einige Ärzte ver- schreiben auch Ginkgopräparate, allerdings haben diese Studien zu- folge lediglich Placebowirkung. Bes- sert sich der Tinnitus durch die Erstversorgung nicht, wird weiter ge- sucht. Die Diagnostik kann dann von Zahn-Kiefer- und HWS-Untersu- chungen über Blutmessungen und einer Hirnstammaudiometrie bis hin zur Psychotherapie reichen.

Das Pfeifen im Ohr

PRAXIS TINNITUS

© Gernot Krautberger / fotolia.com

50 DIE PTA IN DER APOTHEKE | September 2012 | www.pta-aktuell.de

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Gute Lebensqualität trotz Tinni- tus Sehr häufig wird die Ursache eines chronischen Tinnitus nie ge- funden oder aber er hat sich bereits

„verselbständigt”, obwohl die Ursache abgestellt wurde. Diese Patienten müssen lernen, mit ihrem Ohrge- räusch zu leben. Die meisten schaf- fen es, das Pfeifen, Klingeln oder Brummen locker zu sehen und sich dadurch in ihrer Lebensqualität nicht einschränken zu lassen. Für andere jedoch bestimmt der Tinnitus das Leben. Sie ziehen sich immer mehr zurück, suchen die Stille, die nie kommt und werden im schlimmsten Fall arbeitsunfähig und depressiv.

Diese Menschen stehen wegen ihrer Hörstörung unter permanentem Stress – ein Teufelskreis, da Stress und psy- chische Belastung den Tinnitus er- wiesenermaßen verstärken. Ihn kann man nur durchbrechen, wenn man versucht, mit ihm gelassen umzuge- hen. Dabei mag das Beispiel des Hel- ler-Bergman-Experiments helfen. Die- se beiden HNO-Ärzte setzten Men- schen in einen schalltoten Raum und baten sie, aufzuschreiben, was sie hörten. Erstaunlicherweise berichte- ten 97 Prozent der Probanden bereits nach zwei Minuten, dass sie Geräu- sche wahrnahmen – was in dieser Umgebung jedoch objektiv unmög- lich war. Sie hatten vorübergehend einen Tinnitus entwickelt. Wenn man diesen so offensichtlich „herausfor- dern” kann, kann man mit mentaler Stärke auch lernen, damit umzuge- hen. Ähnlich wie in der Schmerzthe- rapie wird daher beim Tinnitus der Patient zum „Manager” seiner psy- choakustischen Störung. Entspan- nungstechniken, positive Gedanken- modelle und speziellen Geräuschthe- rapien sollen den Betroffenen die in- nere Ruhe wiedergeben, den Tinnitus aus ihrem Bewusstsein verdrängen und so die Lebensqualität wieder ver- bessern.

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Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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