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Archiv "Pulssynchroner Tinnitus: Von Ohrgeräuschen, die nicht im Ohr entstehen" (30.06.2000)

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as pulssynchrone Ohrgeräusch führt den Patienten meistens zunächst zum Hals-Nasen-Oh- ren-Arzt. Wegen der sehr vielfältigen Ursachen dieser Tinnitus-Form wird jedoch nur ein sehr gezielter Einsatz der verschiedenen radiologischen Me- thoden zu einer klaren Diagnose führen. Darüber hinaus bietet die Neuroradiologie bei einigen dieser Erkrankungen wirksame therapeuti- sche Möglichkeiten.

Der pulssynchrone Tinnitus ent- steht fast immer durch Strömungs- geräusche nicht laminären Blutflus- ses, die zum Innenohr fortgeleitet werden. Es spielt keine Rolle, ob der turbulente Fluss in einem arteriellen oder einem venösen Gefäß entsteht, oder ob es sich um Fisteln, Aneu- rysmen, Gefäßmalformationen oder gut vaskularisierte Tumoren handelt.

Wichtig ist nur die räumliche Nähe zum Innenohr. Die radiologische Ab- klärung des pulssynchronen Ohr- geräusches sollte sich daher auf das Felsenbein und die angrenzenden Strukturen konzentrieren. Dabei ist die konventionelle Röntgendiagno- stik mit Spezialaufnahmen des Fel- senbeines heute überflüssig.

An erster Stelle der radiologi- schen Diagnostik stehen die Compu- tertomographie (CT) und Magnetre- sonanztomographie (MRT). Bei bei- den Verfahren sollte für die Untersu- chung des Felsenbeines und der an- grenzenden Strukturen eine mög- lichst geringe Schichtdicke gewählt werden. Grundsätzlich erkennt man knöcherne Veränderungen einfacher im CT, während Weichteilverände- rungen sich magnetresonanztomogra- phisch besser darstellen lassen. Sensi- tivität und Spezifität beider Untersu- chungstechniken können durch Kon-

trastmittel-Gabe erhöht werden. Bei den nicht-vaskulären Ursachen des pulsatilen Tinnitus handelt es sich mehrheitlich um felsenbeinnahe Tu- moren, die entweder durch ihre gute Vaskularisation und/oder durch ihre Nähe zum Innenohr eine Fortleitung der Strömungsgeräusche ermögli- chen. Hierbei handelt es sich überwie- gend um Raumforderungen des Fel- senbeines, des Schläfenbeines oder der Schädelbasis (Meningeome, Aku- stikusneurinome, Glomustumoren).

Bei den Glomustumoren handelt es sich überwiegend um Tumoren des Glomus jugulare oder tympanicum.

Vor allem zur Darstellung kleiner Glomustumoren ist eine Schichtdicke von nur ein bis zwei Millimeter mit Schichtung vor und nach Kontrastmit- tel-Gabe notwendig. Im CT imponie- ren diese Tumoren als weichteildichte Raumforderung mit intensiver Kon- trastmittel-Aufnahme.

Felsenbeinnahe Tumoren und Metastasen

Im MRT präsentieren sich diese gefäßreichen Tumoren im T2-Bild mit einem sehr heterogenen Signal als

„Pfeffer- und Salzmuster“. Ähnlich wie in der CT kommt es nach Kon- trastmittel-Gabe zu einem sehr inten- siven Enhancement. Vor einer opera- tiven Entfernung dieser Tumoren wird heute meistens eine endovaskuläre Embolisation der Tumorgefäße durch- geführt. Die seltener zu einem Ohr- geräusch führenden Meningeome und Akustikusneurinome lassen sich prin- zipiell besser im MRT nachweisen.

Auch felsenbeinnahe Metastasen der Schädelbasis können zu Ohrgeräu- schen führen. Häufig werden beide

Schnittbildverfahren komplementär angewandt, um das Ausmaß der knöchernen Destruktion (CT) und die exakte Ausdehnung des Weich- teilanteils (MRT) zu beurteilen.

Das pulssynchrone Ohrgeräusch wird am häufigsten durch vaskuläre Ätiologien verursacht. Hierbei ist es sinnvoll, die angeborenen vaskulären Veränderungen (haben zumeist einen geringen Krankheitswert) von den er- worbenen Pathologien zu trennen.

Auch bei den vaskulären Pathologien können die Schnittbildverfahren CT und MR bei richtiger Untersuchungs- technik und ausreichender Kenntnis des Normalen und seiner Varianten diagnostisch entscheidend sein.

Die häufigste arterielle Variante ist ein atypischer Verlauf der A. caro- tis interna (aberante ACI) durch die Paukenhöhle, sodass eine direkte Fort- leitung des Blutströmungsgeräusches möglich ist. Diese embryonal entstan- dene Variante ist recht einfach im Fel- senbein-CT zu diagnostizieren, bei Unsicherheiten kann eine so genann- te CT- oder MR-Angiographie ergän- zend durchgeführt werden. Eine inva- sive Katheter-Angiographie ist in der Regel nicht nötig.

Im CT verläuft die ACI lateral und posterior zum normalen Verlauf und ist im Mittelohr erkennbar. Ob- wohl es sich um eine angeborene Vari- ante handelt, berichten die Patienten meistens erst im mittleren Lebensal- ter über ein pulssynchrones Ohrge- räusch. Wahrscheinlich wird das Blut- strömungsgeräusch erst dann hörbar, wenn zusätzliche Turbulenzen durch eine Arteriosklerose entstehen.

Im venösen System sind die Vari- anten des Bulbus der Vena jugularis eine häufige Ursache von pulssyn- chronen Ohrgeräuschen. Der Venen- A-1802 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 26, 30. Juni 2000

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Pulssynchroner Tinnitus

Von Ohrgeräuschen, die nicht im Ohr entstehen

Wegen der vielfältigen Ursachen dieser Tinnitus-Form führt nur

der gezielte Einsatz radiologischer Methoden zur schnellen Diagnose.

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bulbus kann dilatiert sein, eine ab- norm kraniale Position haben, dehis- zent oder mit Divertikeln versehen sein. Auch hier ist die Diagnose in der Regel durch ein Felsenbein-CT zu stellen: Von einem hochstehenden Bulbus ist auszugehen, wenn die Spit- ze der Vena jugularis höher steht als der äußere Gehörgang. Ein dehiszen- ter Bulbus liegt dann vor, wenn die knöcherne Begrenzung zum Tym- panon fehlt.

Während das pulssynchrone Ohr- geräusch beim aberranten Verlauf der A. carotis interna therapeutisch nicht beeinflusst werden kann, sind venös bedingte Ohrgeräusche therapierbar.

Nach endovaskulärer Probeokklusion der Vena jugularis kann ein geeigne- ter Ort festgelegt werden, an dem die Vene entweder chirurgisch unterbun- den oder aber endovaskulär mit ei- nem Ballon verschlossen wird.

Die größte Gruppe der vas- kulären Ursachen für das pulssyn- chrone Ohrgeräusch wird von den ar- teriovenösen Pathologien gebildet.

Auch bei großen AV-Fisteln kann die Schnittbilddiagnostik völlig un- auffällig sein, selbst die Durchführung von MR-Angiogrammen ist manch-

mal diagnostisch nicht wegweisend.

Von einigen Autoren wird daher empfohlen, zusätzlich eine Doppler- untersuchung der Hirn- und Gesichts- arterien durchzuführen. Da jedoch selbst bei subtiler Untersuchungs- technik auch hier falsch-negative Be- funde erhoben werden können, ist bei allen Patienten mit einem pulssyn- chronen Ohrgeräusch und unauffälli-

gem CT- beziehungsweise MR-Be- fund eine selektive Katheter-Angio- graphie indiziert. Diese sollte immer als Panangiographie durchgeführt werden – also mit Darstellung beider Vertebralarterien und Injektionen in die A. carotis interna und externa bei- der Seiten.

Weit häufiger und wegen ihrer Komplikationen wichtiger ist die Gruppe der so genannten duralen ar- teriovenösen Fisteln (DAVF), da sie bei intrakranieller Blutung für den Patienten lebensbedrohlich sein kön- nen. Ätiologisch handelt es sich hier- bei um postthrombotische, posttrau- matische oder aber idiopathische AV- Kurzschlüsse innerhalb der Wand der venösen Sinus. In der Regel liegen AV-Kurzschlüsse zwischen arteriellen Zuflüssen aus dem Carotis externa-, Carotis interna- und/oder Vertebralis- Stromgebiet zum Sinus transversus beziehungsweise Sinus sigmoideus vor.

Bei ausschließlichem Shunt in die venöse Sinus ist das Risiko einer in- trakraniellen Blutung praktisch zu vernachlässigen; hier stehen die sub- jektiven Beschwerden des Patienten im Vordergrund. Selten einmal kann es zu Kopfschmerzen bei intrakraniel-

ler Drucksteigerung führen. Kommt es aber primär zu einem AV-Shunt in eine kortikale Vene oder aber sind kortikale Venen in die Drainage einer duralen Fistel einbezogen, ist das Risi- ko für intrakranielle Blutungen signi- fikant erhöht. Die Indikation zur The- rapie einer solchen Fistel ergibt sich dann nicht nur aus der subjektiven Beeinträchtigung des Patienten, son-

dern aus dem angiologischen Bild mit einer erhöhten Risikokonstellation für eine intrazerebrale Blutung. Die Therapie der Wahl ist heute die endo- vaskuläre Okklusion der Fistel.

Dies kann erreicht werden durch Verschluss der arteriellen Zuflussge- fäße mit einem permanenten Ver- schlussmaterial wie Acrylat oder Ethibloc®. Entscheidend ist hierbei, dass die zuführenden Gefäße nicht pro- ximal verschlossen werden, sondern dass ein nidaler Verschluss am Ort des AV-Kurzschlusses erreicht wird.

Mikrokathetersystem in den Sinus transversus

Da fast regelhaft die gesamte Wand des Sinus transversus/sigmoide- us pathologisch verändert ist und so- mit unzählige AV-Kurzschlüsse vor- liegen, hat sich bei den meisten Pati- enten heute ein transvenöser Zugang mit Verschluss des gesamten Komple- xes bewährt. Hierbei wird ein Kathe- ter über die Vena femoralis bis in die Vena jugularis vorgeschoben, an- schließend ein Mikrokathetersystem in den Sinus transversus eingebracht.

Der Verschluss des Sinus-transversus/

sigmoideus-Komplexes erfolgt mit Pla- tinspiralen, die selektiv abgelöst wer- den können.

Die Indikation zum transvenösen oder zum transarteriellen Verschluss ergibt sich im Wesentlichen aus der Anzahl der arteriellen Zuflüsse: Je weniger arterielle Zuflüsse und je um- schriebener der AV-Shunt ist, desto erfolgversprechender und einfacher ist der arterielle Zugang. Auch wenn es nicht gelingt, sämtliche AV-Kurz- schlüsse zu verschließen, ist es oft möglich, die Intensität des Ohrgeräu- sches zu reduzieren und eine gefährli- che durale Fistel mit kortikaler Ve- nendrainage in eine „harmlose“ durale Fistel ohne kortikale Venendrainage umzuwandeln.

Resümee: Bei einem pulssynchro- nen Ohrgeräusch kann eine subtile ra- diologische Diagnostik mit gezieltem Einsatz der Schnittbildverfahren CT und MRT und selektivem Einsatz der Katheter-Angiographie bei bis zu 70 Prozent der Patienten zügig zu einer ätiologischen Abklärung führen.

Prof. Dr. med. Michael Forsting A-1804

P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 26, 30. Juni 2000

MEDIZINREPORT

Links: Seitliches Angiogramm nach Injektion der A. occipitalis externa links mit einem duralen AV-Angiom.

Rechts: Nach transarterieller Embolisation Beseitigung des Shunts und Beschwerdefreiheit des Patienten

Foto: Michael Forsting

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