Krankenkassen empfehlen
„mäßige" Steigerungsraten
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Pflegesatzru.nde 1990/91
TIJELLE POLITIK
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
F
ür die jetzt begümende Pfle- gesatz-/Budgetrunde 1990/91 haben die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversiche- rung (GKV) mäßige, in jedem Fall an der Entwicklung der Grundlohn- summe orientierte Erhöhungen der pauschalen Pflegesätze empfohlen.Das „Strategie-Papier" rechnet damit, daß — ausgehend von den be- reits erfolgten Tarifabschlüssen im öffentlichen Dienst — lineare Tarif- lohnsteigerungen in Höhe von 4,5 Prozent auch bei Krankenhäusern einkalkuliert werden müssen. Aller- dings, so das GKV-Papier, sei es zum derzeitigen Zeitpunkt schwierig, die prozentuale Höhe des tatsächlich möglichen Tarifabschlusses exakt zu prognostizieren. Es sei davon auszu- gehen, daß in der Tarifrunde 1990/91 vorwiegend lineare Steigerungen der Löhne und Gehälter („Preiskompo- nente") unter Dach und Fach ge- bracht werden, da wichtige Struktur- fragen (zum Beispiel: Arbeitszeitver- kürzung, Eingruppierung, Zulagen) in der letztjährigen Tarifrunde län- gerfristig vereinbart wurden. Emp- fohlen wird, etwa vier Prozent Plus bei der Kalkulation des Personalkosten- blocks für das Budget 1991 zu be- rücksichtigen.
Bei der Budgetierung der Perso- nalkosten der Kliniken sollen die tat- sächliche ICrankenhaussituation und die vorhandenen Personalstrukturen berücksichtigt werden. Solange noch keine Rechtsverordnungen des Bun- des über Personalanhaltszahlen (nach § 19 ICHG) erlassen sind, soll entsprechender von den Kranken- häusern angemeldeter Personal- mehrbedarf nicht akzeptiert werden.
Enge Grenzen bei
„Pforten-Urteil"
Den Krankenkassen wird emp- fohlen, das Urteil des Bundesarbeits- gerichtes (BAG) vom 18. Januar
1990 (AZ: 6 AZR 551/88; 6 AZR 386/89), das sich mit dem Beginn und dem Ende der Arbeitszeiten im Krankenhaus befaßte (sogenanntes Pfortenurteil), in den vom BAG auf- gezeigten engen Grenzen zu berück- sichtigen. Die Krankenkassen plä- dieren für eine strenge individuelle
Einzelfallentscheidung bei der Aner- kennung angemeldeter zusätzlicher Personalkosten (infolge der Wege- zeiten auf dem Betriebsgelände der Kliniken). Keinesfalls sollten pau- schale Mehrzeiten für sämtliche Krankenhausmitarbeiter in das Bud- get einfließen. Vielmehr wird den Kassen geraten, pro beschäftigten Mitarbeiter konkrete einzelzeitbezo- gene Rechnungen anzufordern.
Strikt abgelehnt werden Forde- rungen, Zusatzpersonalkosten auch für das abgelaufene Geschäftsjahr im Budget zu „bedienen". Pauschale Ausfallzeiten von etwa 20 oder 30 Minuten je Mitarbeiter, wie sie von einzelnen Krankenhäusern angemel- det wurden, sollen die Krankenkas- sen nicht vergüten. Vielmehr sollten die Krankenkassen auf Einzelnach- weis je Mitarbeiter bestehen.
I> Für den Sachkostenblock empfehlen die Krankenkassen eine Erhöhung bis zu maximal zwei Pro- zent (und zwar Menge plus Preis).
Die Krankenkassen verweisen dar- auf, daß die Preisentwicklung im Sachkostenbereich der Krankenhäu- ser durch eine „anhaltende Stabili- tät" gekennzeichnet sei. Auch hier sollten Wirtschaftlichkeitsreserven wie überhaupt im ganzen Kranken- haus ausgeschöpft werden. Zudem spielten Faktoren wie Mieten keine Rolle, so daß weniger als 2,5 bis 3 Prozent Steigerung (allgemeine Sachkosten-Inflationsrate) akzep- tiert werden sollten (wie beispiels- weise von der Deutschen Kranken- hausgesellschaft angemeldet; Be- richt auf der folgenden Seite).
Im übrigen empfiehlt das Kas- sen-Strategiepapier 1990/91:
1. strikte Einhaltung des in § 71 SGB V verankerten Grundsatzes der Beitragssatzstabilität und damit der Berücksichtigung der Grundlohn- summenentwicklung auch im statio- nären Sektor.
2. Falls die finanziellen Auswir- kungen der Tarifabschlüsse über Zu-
lagen und Zuschläge an Angestellte, Arbeiter und Auszubildende (vom 1. Januar 1990) noch nicht in der Pflegesatzrunde 1990 voll berück- sichtigt wurden, sollen im Einzelfall die tatsächlich entstandenen zusätz- lichen Personalkosten im Pflegesatz- zeitraum 1991 (gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 BPflV) ausgeglichen werden.
Die seit dem 1. April 1990 im öf- fentlichen Dienst von 39 auf 38,5 Wochenstunden verkürzte Arbeits- zeit soll keinesfalls pauschal durch die Bezahlung von Zusatzplanstellen ausgeglichen werden. Die Kranken- kassen plädieren vielmehr dafür, ei- nen Personalbedarf nur bei tatsäch- lich nachgewiesener Unterbesetzung in den dienstnotwendigen Funkti- onsdiensten zu akzeptieren.
Für langfristige Abschlüsse
Die Krankenkassen empfehlen, langfristige strukturverändernde Maßnahmen durch mehrjährige Pflegesatzabschlüsse und „flankie- rende" alternative Strategien mit den Krankenhausträgern zu verein- baren. Sowohl das Krankenhausfi- nanzierungsgesetz (KHG) als auch die Bundespflegesatzverordnung (BPflV) böten hierzu eine Menge unausgeschöpfter Öffnungs- und Ex- perimentierklauseln.
• An Stelle des pauschalen Pflegesatzes als „Standardabrech- nung" sollten die 16 in § 6 BPflV er- faßten Sonderentgelte erweitert und gemäß § 21 BPflV auch „alternative Vergütungsformen" vermehrt ver- einbart werden. Insbesondere in den Fachabteilungen für Augenheilkun- de, Chirurgie und Orthopädie könn- ten auch Fallpauschalen (diagnose- bezogene Fallgruppen) vereinbart werden. Dabei sollten die bisherigen Erfahrungen, etwa in der (privaten) Augenklinik Bellevue Kiel, beachtet werden. Dr. Harald Clade Dt. Ärztebl. 87, Heft 42, 18. Oktober 1990 (17) A-3189