Physiologische Grundlagen der Infusionstherapie bei
Neugeborenen und Säuglingen
Jürgen Schaub, Klaus RiegeP)
Aus der Kinderklinik
(Direktor: Professor Dr. med. Klaus Betke) der Universität München
Der Wasser- und Elektrolythaushalt ist mit dem Energiehaushalt eng verknüpft. Die Werte in kcal/m2 Körperoberfläche für den Basis- oder Standardstoffwechsel bei Kin- dern und Erwachsenen sind Tabel- le 1 zu entnehmen. Bezogen auf das Gewicht, kann als Faustregel gelten:
..,.. 60 kcal/kg/die
..,.. Neugeborene am ersten Tag 30 kcql/kg/ die.
Mit dieser Regel wird die Berech- nung einer Basis-Energie- und Wasserzufuhr erheblich erleichtert, da die Zahlen für Neugeborene und Säuglinge unabhängig vom postkonzeptionellen Alter und den Körpermaßen gelten. Die Zahlen sind aber nur Basiswerte; nennens- werte Muskelaktivität oder Wärme- verluste durch zu kalte Umgebung sind nicht berücksichtigt. Bekannt- lich sind wegen unvollkommener Nahrungsverwertung und wegen der spezifisch-dynamischen Wir- kung bei üblicher oraler Ernährung im ersten Halbjahr 120 und danach rund 100 kcal/kg und Tag zum Ge- deihen des Kindes erforderlich.
Energievorräte
Die Energievorräte eines Säuglings hängen hingegen vom Gestations- alter beziehungsweise von der so-
matischen Entwicklung ab. Fett und Glykogen, die wichtigsten so- fort verfügbaren Energiereserven, werden erst in den letzten Schwan- gerschaftswochen eingelagert; bei Mangelzuständen sind sie verrin- gert. Daher sind die Energievorräte bei untermaßigen Säuglingen rasch erschöpft (Tabelle 2). Diese Kinder sind vor allem auf die frühzeitige und ausreichende Zufuhr von Ener- gielieferanten angewiesen.
Proteinbedarf
Der Kalorienbedarf soll bei norma- ler Ernährung wie folgt gedeckt werden:
..,.. Kohlenhydrate 50%
..,.. Fett 35%
..,.. Eiweiß 15%.
Für die parenterale Ernährung gibt es bisher keine Bedarfsrichtlinien;
die angeführten Relationen lassen sich, zumindest beim Säugling, nicht verwirklichen. Bei Protein muß man auf die Bedarfswerte bei oraler Ernährung zurückgreifen.
Der von der National Academy of Sciences, USA, angegebene Pro- teinbedarf ist Tabelle 3 zu entneh- men. Werden hydrolysierte Protei- ne verwendet, sind die Tabellen- werte erfahrungsgemäß um 10 bis 20 Prozent zu erhöhen.
Zur FortbildWlg Aktuelle Medizin KOMPENDIUM
Im frühen Kindesalter kann es schwierig sein, die einzel- nen Teilaspekte einer lnfusi- onstherapie, den jeweiligen Bedürfnissen entsprechend, miteinander in Einklang zu bringen. Die Vorräte und der Bedarf an Wasser, Salzen und Energieträgern ändern sich während der Entwick- lung erheblich; die Toleranz ist teilweise eingeschränkt.
Die hier vermittelten Grund- lagen sollen dazu beitragen, grobe Fehler, die sich aus blindem Schematismus erge- ben, zu vermeiden.
Der Umsatz der Plasmaproteine ist langsam; sie sind deshalb bei par- enteraler Ernährung als aus- schließliche Eiweißlieferanten un- geeignet. Man muß vielmehr Ami- nosäurenlösungen verwenden. Die im Handel befindlichen Lösungen sind meist nach dem Schema von Rose oder auf der Basis der Kar- toffel-Ei-Diät zusammengesetzt. Ob diese Zusammensetzungen für den Säugling tatsächlich optimal sind, kann man noch nicht sagen. Fest steht aber, daß für Früh- und Neu- geborene Cystin eine essentielle Aminosäure ist, die zugesetzt wer- den muß. Die handelsüblichen Ami- nosäurenlösungen werden aber nur mit Sorbit oder Xylit geliefert, zwei Zuckern, die als Bestandteil von Infusionslösungen für das frü- he Säuglingsalter abzulehnen sind.
Auf Anfrage liefern verschiedene Firmen neuerdings auch kohlenhy- dratfreie Aminosäurelösungen.
Fettbedarf
Die Höhe des parenteralen Fettbe- darfs ist unbekannt, die Verwen- dung von Fettemulsionen umstrit- ten. Meist kommt man bei parente- raler Ernährung ohne Fett aus; im allgemeinen reicht die Menge es- sentieller Fettsäuren des Serums,
1) Herrn Professor Dr. med. K. Betke zum 60. Geburtstag gewidmet.
DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 49 vom 5. Dezember 1974 3559
Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Infusionstherapie beim Säugling
das bei länger dauernder parente- raler Ernährung regelmäßig infun- diert werden muß, aus. Legen ery- thematöse Hautveränderungen den Verdacht auf einen Mangel an es- sentiellen Fettsäuren nahe, kann man allerdings zur Infusion von Fettemulsionen gezwungen wer- den.
Kohlenhydratbedarf
Der Kohlenhydratbedarf ist sicher geringer als die Menge an Zucker, die zur Deckung des Energiebe- darfs zugeführt werden muß. Beim Neugeborenen läßt sich der Kata- bolismus für einige Tage auf ein Minimum einschränken, wenn sie- ben bis acht Gramm Glukose pro Kilogramm und Tag zugeführt wer- den. Bei älteren Säuglingen rei- chen schon 3 g/kg. Eine kontinu-
ierliche parenterale Zufuhr von täglich 30 g Glukose/kg wird selbst von Säuglingen vertragen, ohne daß es zur Glykosurie kommt. An- dere Zucker sind nicht nur unnötig, sondern, vor allem bei Neugebore- nen, auch nicht unbedenklich.
..,._ Kinder mit Fruktoseintoleranz, denen bis zum Zeitpunkt der Infu- sionstherapie keine Saccharose zu- geführt worden ist, werden durch die Zufuhr von Sorbit oder Fruktose vital gefährdet, Infusionen mit die- sen Zuckern verlaufen in kurzer Zeit tödlich.
..,._ Fruktose, Sorbit und Xylit führen in stärkerem Maße als Glukose zu Laktatacidose und erniedrigter Bi- karbonatkonzentration im Blut; bei Störungen des Laktatstoffwechsels (etwa bei Anoxie, im Schock oder bei Lebererkrankungen) verstärken
Tabelle 1: Standardstoffwechsel pro Tag
kcallm2 Körperoberfläche Neugeborenes
1. Lebenstag 400
Ende der 1. Lebenswoche 800
Säuglinge
ab 2. Lebensmonat 1200
Kinder und Erwachsene 1000
Tabelle 2: Wasser-, Protein-, Kohlenhydrat- und Fettgehalt bei Säuglingen in Abhängigkeit vom Körpergewicht
Körpergewicht (kg) 1,0 2,0 3,5 7,0 10,0
Gesamtwasser (%) 85,0 80,0 70,0 66,0 63,0 Extrazellulärwasser (%) 50,0 45,0 40,0 36,0 34,0
Proteine (%) 8,5 11,0 11,0 13,0 14,0
Kohlenhydrate (%) 0,5 0,5 1,0 1,0 1,0
Fette(%) 1,0 5,0 16,0 16,0 16,0
Energievorrat (kcal/kg) 460,0 950,0 1980,0 2060,0 2100,0 Energievorrat ohne
Proteine (kcal/kg) 110,0 485,0 1530,0 1530,0 1530,0
3560 Heft 49 vom 5. Dezember 1974 DEUTSCHES ARZTEBLATT
sie eine schon bestehende Acido- se.
..,._ Durch Äthanol wird die acidoti- sche Wirkung der Fruktose noch erheblich verstärkt. Darüber hinaus hemmt Äthanol die Glukoneogene- se aus Laktat. Fruktose-Äthanol- und Sorbit-Äthanol-Lösungen sind als hochkalorische Infusionsmedi-
en im Handel!
..,._ Unter Fruktoseinfusionen wer- den die Adenin-Nukleetide in der Leberzelle stark vermindert; ihr Gehalt an ATP2) fällt um rund 50 Prozent, der 14C-Leucin-Einbau in Leberproteine wird gehemmt. Da- durch kann sich ein intrazelluläres Ödem bilden; im Lebergewebe wurden auch Strukturveränderun- gen nachgewiesen.
..,._ Unter Fruktose-, Sorbit- und Xy- litinfusionen kann es zur Erhöhung des Bilirubinspiegels im Serum und zu einer Steigerung des Serum- Harnsäurespiegels kommen.
..,._ Fruktose, Sorbit und Xylit wer- den vornehmlich in der Leber, Glu- kose dagegen wird in allen Orga- nen, auch im Gehirn, gleichmäßig gut metabolisiert.
..,._ Fruktose, Sorbit und Xylit wer- den zwar doppelt so schnell wie Glukose aus dem Blut eliminiert;
sie erscheinen aber zum großen Teil als Glukose wieder im Blut, werden also nur scheinbar insulin- unabhängig verwertet.
Diese Befunde wurden zum Teil in Tierversuchen, zum Teil an er- wachsenen Menschen erhoben. Da Säuglinge wesentlich stärker auf Stoffwechselbelastungen reagieren als Erwachsene, reichen die Argu- mente aus, um im frühen Kindesal- ter die intravenöse Gabe von Fruk- tose, Sorbit und Xylit strikt abzu- lehnen.
Wasserbedarf
Wasser und Elektrolyte gehen stän- dig durch Haut, Lunge (Perspiratio insensibilis), Niere und Darm verlo-
2) ATP
=
Adenosinphosphorsäure.Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Bei der Perspiratio insensibilis handelt es sich um die Flüssig- keitsmenge, die der Körper einer- seits durch den Wasserdampf- Druckunterschied zwischen Kör- per- und Alveolaroberfläche, ande- rerseits durch die Umgebungsat- mosphäre verliert. Die maßgebli- chen Faktoren sind Temperatur- gradienten und Wasserdampfsätti- gung der Umgebung. Die Oberflä- chentemperatur ist stoffwechselab- hängig.
Unter normalen Bedingungen ver- liert der Organismus etwa 25 Pro- zent der im Stoffwechsel produ- zierten Wärme durch Wasserver- dunstung an seinen Oberflächen.
Da bei Verdunstung von einem Gramm H2O rund 0,6 kcal Wärme verlorengehen, besteht bei indiffe- renter Umgebungstemperatur und 50 Prozent relativer Luftfeuchtig- keit am ersten Lebenstag ein Mini- malbedarf von rund 12 ml H20/kg, anschließend von rund 25 ml H20/
kg. Bei 80 bis 90 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit ist der Betrag um 30 Prozent niedriger.
Die über diesen Weg entstehenden Elektrolytverluste sind zu vernach- lässigen. Eine unbekannte Varia- ble ist die Verdunstung durch Schweißproduktion. Während Kin- der bis zur 38. Woche post con- ceptionem zu aktivem Schwitzen nicht oder nur unvollkommen in der Lage sind, können ausgetrage- ne Säuglinge die Perspiratio insen- sibilis bei Bedarf ohne weiteres verdreifachen.
Unter üblichen Bedingungen sind für die Perspiratio insensibilis durchschnittlich 40 ml H2O/kg und Tag zu veranschlagen. Dieses Maß ist bei Fieber um 5 ml pro Grad Celsius zu erhöhen; bei anhalten- der Hyperventilation (beispielswei- se Acidoseatmung, mechanische Beatmung) oder profusen Schwei- ßen ist es höher anzusetzen.
Renaler Wasser- und Elektrolytbedarf
Durch den Wasseranteil des Urins werden vornehmlich verschiedene in Körperflüssigkeiten gelöste Sub- stanzen ausgeschieden. Der renale Wasserbedarf hängt demnach von der Menge der auszuscheidenden Substanzen und ihrer Konzentra- tion im Urin ab.
Der Anteil der gelösten und auszu- scheidenden Substanzen ist unter physiologischen Bedingungen di- rekt korreliert mit dem Proteinstoff- wechsel, modifiziert durch die Kon- zentrationsfähigkeit der Niere.
Die Partialfunktionen der Niere än- dern sich in der Postnatalperiode erheblich; in den ersten Wochen nach der Geburt sind sie als einge- schränkt zu betrachten; bei einem Frühgeborenen, das nach 24 Wo- chen Tragzeit geboren wird, kön- nen sie so vermindert sein, daß keine ausgeglichenen Stoffwech-
selverhältnisse zu erreichen sind und das Kind schließlich seiner
„Niereninsuffizienz" erliegt. Über die renalen Toleranzgrenzen bei reiferen Kindern oder Ausgetrage- nen ist noch relativ wenig bekannt.
Die maximale Verdünnungsleistung liegt bei etwa 50 mOsm 3) pro Liter.
Die maximale Konzentrationslei- stung ist nur etwa halb so groß (600 mOsm/kg H2O, im zweiten Halbjahr 900 mOsm/kg H2O) wie bei Kindern und Erwachsenen (1200 mOsm/kg H20), was jedoch unter normalen Bedingungen ohne praktische Be- deutung ist — der Spielraum ist immer noch groß genug.
Harnstoff, Kreatinin, Salz und Was- ser sind die wichtigsten Metaboli- ten aus dem Proteinstoffwechsel.
Sie fallen je nach Nahrung in un- terschiedlicher Menge an. Bei Mut- termilchernährung entstehen 14
3) mOsm = Molzahl gelöster Partikel pro Maßeinheit Wasser oder Volumen Lö- sungsmittel.
Infusionstherapie beim Säugling
ren. Unter normalen Bedingungen ist der Wasser- und Elektrolytver- lust dem Stoffwechsel direkt pro- portional.
Tabelle 3: Proteinbedarf des Säuglings (nach: Food and Nutritional Board der US National Academy of Sciences)
g/kg Körpergewicht
Erste drei Lebensmonate 2,2
Vierter bis sechster Lebensmonat 2,0
Zweites Halbjahr 1,8
(Nach Fomon sind beim Säugling 1,7 g Proteine/100 kcal ausrei- chend)
Tabelle 4: Für die Infusionstherapie relevante Parameter im Serum beziehungsweise Blut von Neugeborenen und Säuglingen
Kalium 4,5 mÄq/l
Natrium 140,0 mÄq/I
Kalzium 4,5 mÄq/I
Magnesium 2,0 mÄq/I
Chlorid 105,0 mÄq/l
Bikarbonat 24,0 mÄq/I
Phosphat 3,5 mg/100 ml
Protein 6,0 g/100 ml
pH 7,4
Osmolarität 285,0 mOsm/l
DEUTSCHES ARZTEBLAU Heft 49 vom 5. Dezember 1974 3561
Zur Fortbildung Aktuelle Medizin.
Infusionstherapie beim Säugling
mOsm/100 kcal, bei Fütterung adaptierter Milchpräparate 20 bis 30 mOsm/100 kcal und bei Kuh- milchernährung 40 mOsm/100 kcal.
Für die parenterale Proteinzufuhr liegen entsprechende Daten bisher nicht vor; die Werte dürften bei vergleichbarer Proteinmenge de- nen der Frauenmilch angeglichen sein. Im Kohlenhydrat- und Fett- stoffwechsel entstehen als Endpro- dukte Kohlendioxid und Wasser;
nur unter abnormen Bedingungen treten andere Metaboliten im Harn auf.
Pro Kalorie produzierte Wärme entstehen endogen 0,1 Milliliter Wasser.
Bei Zufuhr von drei Gramm Pro- tein/kg und Tag werden durch- schnittlich 25 mOsm/kg durch die Niere ausgeschieden. Bei Isothen- urie (300 mOsm/I Urin) gehen demnach mit dem Harn pro Kilo- gramm und Tag rund 80 ml H2O verloren, bei voll ausgeschöpfter Konzentrationsleistung im ersten Halbjahr rund 40, im zweiten Halb- jahr rund 30 ml (Kind und Erwach- sener: 20 ml H20/kg/die). Im Hun- ger liegen die Werte um rund ein Drittel niedriger: Für die Ausschei- dung von rund 16 mOsm/kg und Tag aus dem katabolen 4) Stoffwech- sel sind 50 ml (bei 300 mOsm/I Urin) beziehungsweise 25 ml (600 mOsm/1) oder 18 ml H20/kg (900 mOsm/1) nötig. Gibt man dem hun- gernden Säugling wenigstens 3 g Kohlenhydrate/kg, reduziert man den Basis-Protein-Katabolismus, das heißt auch die Menge auszu- scheidender Substanzen (auf rund 12 mOsm/kg und Tag) und die Menge des nötigen Trägerwassers (auf 12 bis 36 ml H20/kg und Tag).
Für praktische Belange kann man, vereinfacht, etwa 50 ml H2O pro Ki- logramm Körpergewicht und Tag als renalen Basis-Wasserbedarf an- setzen, sofern die Nierenleistung normal ist. Für diese Wassermenge beträgt der tägliche Bedarf an Na- 4) katabol = zum Abbaustoffwechsel, spe-
ziell Einweißabbau gehörig.
trium, Kalium und Chlorid je 1 mÄq/kg. Man muß jedoch mehr Kochsalz anbieten, wenn man zwecks Zufuhr von Glukose, Medi-
kamenten usw. A., höheren Flüssig- keitsvolumina gezwungen wird.
Klinische
und biologische Kontrollen
Jede parenterale Flüssigkeitsthera- pie muß für eine begrenzte Periode von längstens 12 bis 24 Stunden geplant und ständig überprüft wer- den, ob sie den Bedingungen (noch) angemessen ist. Am Ende jeder Periode und immer dann, wenn der Zustand des Patienten es erfordert, sind systematische klini- sche und biochemische Kontrollen angezeigt, nach denen die nächste Periode wieder neu zu planen ist.
Klinische Kontrollen
Der wichtigste klinische Parameter ist das Körper
g
ewicht. Bei Kindern in normalhydriertem Zustand ist die Flüssigkeitszufuhr zu drosseln (oder Salz zuzusetzen), wenn sie an Gewicht übermäßig zunehmen, oder zu steigern, wenn sie an Ge- wicht verlieren. Auf ödembildung oder Zeichen der Exsikkose ist zu achten. Es ist nützlich, das Urinvo- lumen zu registrieren; es sollte etwa 2 ml/kg und Stunde betragen.Bei kranken Säuglingen ist zusätz- lich die regelmäßige Überwachung des Blutdrucks angezeigt.
Biochemische und
biophysikalische Kontrollen Unerläßlich ist die Überwachung der Serumelektrolyte, der Säure- Base-Parameter des Blutes und des Hämatokrits (beziehungsweise der Serum-Proteine). Obwohl sich diese Parameter nach der Geburt zum Teil erheblich ändern, kann man in der klinischen Routine von altersunabhängigen Standardwer- ten, wie sie in Tabelle 4 zusam- mengestellt sind, ausgehen. Diese Werte gilt es zu erhalten.
Beim Hämatokrit (beziehungsweise den Plasmaproteinen) ist die abso- lute Höhe weniger interessant als mögliche Änderungen unter der In- fusion.
Ein wichtiges Kontrollmaß ist die Plasma-Osmolalität. Sie wird mit- tels Gefrierpunkterniedrigung be- stimmt (Osmometer).
Abweichungen von der Norm sind Anlaß, umgehend Menge oder Zu- sammensetzung der Infusionslö- sung zu revidieren.
Zur Behandlung von Anpassungs- störungen von Risikoneugebore- nen, vor allem untermaßigen und frühgeborenen Kindern, ist man oft genötigt, hyperosmolare Lösungen (etwa Natriumbikarbonat oder Tris- Puffer zur Acidosetherapie) zu ver- wenden. Diese Therapie hat auch Nebeneffekte, die zu beachten sind. Bei einer Steigerung der Plasma-Osmolalität um mehr als 25 mOsm/kg. Wasser innerhalb von vier Stunden besteht die Gefahr ei- ner zerebralen Blutung. Da anpas- sungsgestörte Neugeborene zudem zu erhöhter Plasma-Osmolarität neigen, wenden wir bei ihnen hy- perosmolare Lösungen nur im äu- ßersten Notfall an.
Im Urin werden Osmolarität bezie- hungsweise spezifisches Gewicht (1005 entsprechen 150 mOsm/I, 1010 300 mOsm/I, 1020 650 mOsm/1) kontrolliert. Bei einem parallelen Ansteigen der Harnosmolarität (sie sollte zwischen 300 und 600 mOsm/I liegen) zur Plasma-Osmolarität ist in der Regel mehr Flüssigkeit zu infudieren, bei einem Abfall weni- ger. Ein semiquantitativer Test auf Glukose und pH kann wichtige In- formationen liefern; in speziellen Fällen (wie etwa bei Verdacht auf Nebenniereninsuffizienz ist auch der Elektrolytgehalt zu kontrollie- ren.
Anschrift der Verfasser:
Privatdozent
Dr. med. Jürgen Schaub
Professor Dr. med. Klaus Riegel 8 München 2
Lindwurmstraße 4
3562 Heft 49 vom 5. Dezember 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT