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Archiv "Motilitätsstörungen des Verdauungstraktes" (21.01.1983)

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Aktuelle Medizin

Heft 3 vom 21. Januar 1983

Motilitätsstörungen

des Verdauungstraktes

Martin Wienbeck und Wilhelm Berges

Aus der Medizinischen Klinik und Poliklinik (Direktor: Professor Dr. med. Georg Strohmeyer) der Universität Düsseldorf

Motilitätsstörungen des Ver- dauungstraktes machen in ihrer Vielfalt die Komplexität der gastrointestinalen Bewe- gungsvorgänge deutlich. Ihre Ätiologie ist noch weitgehend unbekannt, der Pathomecha- nismus jedoch in wesentli- chen Teilen geklärt. Es lohnt sich daher, stufenweise das heutige diagnostische Rüst- zeug einzusetzen, um an- schließend rational und damit möglichst effektiv die Thera- pie folgen zu lassen. Ziel bei der Untersuchung der norma- len und gestörten gastrointe- stinalen Motilität ist es, die Fortbewegung des luminalen Inhaltes zu erfassen, Auskunft über Wandbewegungen zu er- halten und/oder Ruhetonusso- wie Erschlaffungsfähigkeit von Verschlußzonen festzustellen.

Keine Untersuchungsmethode kann gleichzeitig in idealer Weise auf alle diese Fragen Antwort geben. Aus diesem Grunde müssen oft mehrere Verfahren eingesetzt werden.

In Abhängigkeit von der Fra- gestellung kommt den ver- schiedenen Methoden eine un- terschiedliche Wertigkeit zu.

Den Bewegungsvorgängen im Ver- dauungstrakt wird häufig nur eine untergeordnete Bedeutung beige- messen. Bisher galten Resorption und Sekretion als die Hauptaufga- ben des Gastrointestinums. Jedoch steht die Motilität so eng damit in Verbindung, daß eine isolierte Be- trachtung einzelner Funktionen Iük- kenhaft bleiben muß. Dies wird spätestens beim Auftreten von Funk- tionsstörungen deutlich. Motilitäts- störungen beeinflussen immer auch die transmuralen Transportvorgän- ge, und umgekehrt beeinträchtigen Änderungen der Resorption und Se- kretion auch die gastrointestinalen Bewegungsvorgänge.

Motilitätsstörungen im Verdauungs- trakt gehören zu den häufigsten Ur- sachen einer ärztlichen Konsulta- tion. Oft haben sie auch eine unan- gemessene Selbstbehandlung des Patienten zur Folge, deren Auswir- kungen früher oder später ebenfalls zum Arzt führen, wie zum Beispiel die Hypokaliämie bei der mit Laxan- tien behandelten Obstipation.

1. Normale Motilität

Die Aufgaben der gastrointestinalen Motilität sind der gerichtete Trans- port des Inhaltes, seine Umwälzung

und Durchmischung, seine vorüber- gehende Speicherung und die kon- trollierte Entleerung. Dabei dienen die Durchmischungsbewegungen einer Steigerung der Effektivität der Sekretion und einer Optimierung der Resorption. Mischbewegungen bringen stets neue Anteile des Inhal- tes mit der resorbierenden Oberflä- che in Kontakt.

Die Muster, die der Motilität für die- se Funktionen zur Verfügung ste- hen, sind im Prinzip einfach, in der Vielfalt ihres Zusammenspiels je- doch so kompliziert, daß bisher nur wenige, wenn auch klinisch wichtige Teilaspekte dieser Vorgänge be- kannt sind.

Die Bewegungsvorgänge werden bestimmt vom Muskeltonus, von propulsiven, gelegentlich auch von retropulsiven Ringkontraktionen und von stationären, segmentieren- den Einschnürungen.

Die Bedeutung dieser Bewegungs- muster ist in den einzelnen Organen sehr unterschiedlich: Im Ösophagus herrscht die Propulsion vor, im Ma- genkorpus Änderungen im Tonus, im Magenantrum wiederum die Pro- pulsion und im Dünn- und Dickdarm die Durchmischung des Inhaltes, vorwiegend durch Segmentation.

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 3 vom 21. Januar 1983 21

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Frage nach: Untersuchungsmethode:

Fortbewegung Röntgen (R) des Inhalts Endoskopie (E)

Passage von Markern (MK)

> Kohle

1> Röntgendichte Plastikscheiben

• Radiotelemetriekapsel

• Lactulose (Atemtest) u. a.

Wandbewegungen Röntgen, eventuell mit Cinematographie (R) Erfassen von Bewegungsgeräuschen (G) Manometrie (M)

Elektromyographie (EM)

Verschlußzonen Röntgen, eventuell Pharmakoradiologie (R) Mechanische Verschlußkraftprüfung (V) Manometrie (M)

Szintigraphie (S) ph-Metrie (PH)

Tabelle 1: Adäquate Untersuchungsmethoden bei gestörter Motilität des Verdau- ungstraktes in Abhängigkeit von der Fragestellung

2. Untersuchungsmethoden Ziel bei der Untersuchung der nor- malen und gestörten gastrointesti- nalen Motilität ist es, die Fortbewe- gung des luminalen Inhaltes zu er- fassen, Auskunft über Wandbewe- gungen zu erhalten und/oder Ruhe- tonus sowie Erschlaffungsfähigkeit von Verschlußzonen festzustellen.

Keine Untersuchungsmethode kann gleichzeitig in idealer Weise auf alle diese Fragen Antwort geben. Aus diesem Grunde müssen oft mehrere Verfahren eingesetzt werden. In Ab- hängigkeit von der Fragestellung kommt den verschiedenen Metho- den eine unterschiedliche Wertig- keit zu (Tabelle 1).

2.1 Röntgen

Die Röntgenuntersuchung wird zur Prüfung der Motilität im Verdau- ungstrakt am häufigsten angewandt.

Die Methode kann Auskunft geben über die Fortbewegung des Inhaltes, die Wandbewegungen und die Funktion von Verschlußzonen. Aller-

dings ist diese Information nur als orientierend anzusehen, da sie nicht quantifizierbar ist und da überdies das üblicherweise verwendete Bari- umsulfat allein schon von seiten sei- nes spezifischen Gewichtes her als unphysiologisches Medium anzuse- hen ist.

Eine Verbesserung der Aussagefä- higkeit kann gelegentlich durch ki- nematographische und pharmako- rad iö log ische Zusatzuntersuchun- gen erreicht werden.

2.2 Endoskopie

Die Endoskopie ist heute die zuver- lässigste Methode zur Erkennung organischer Veränderungen. Für die Feststellung gestörter Funktionsab- läufe kann sie aber bestenfalls Hin- weise geben. Bei einer Retention von Speisen oder Chymus erlaubt der Widerstand, den eine Stenose dem Endoskop entgegensetzt, ge- wöhnlich eine Unterscheidung zwi- schen funktionellen und organi- schen Engstellungen.

2.3 Passage von Markern

Um die Passagezeit durch den ge- samten Verdauungstrakt oder auch nur durch Abschnitte davon zu be- stimmen, benötigt man sogenannte Marker, das heißt Stoffe, die in ihren physikalischen Eigenschaften dem übrigen Inhalt ähneln und die nicht über die Schleimhaut resorbiert werden.

Zur Markierung eignen sich Farb- stoffe (zum Beispiel Kohle), feste Partikel (zum Beispiel röntgendichte Plastikringe), radioaktive Substan- zen, der pH-Wert des Inhaltes, eine Radiotelemetriekapsel und Substan- zen, die an definierter Stelle im Ver- dauungstrakt umgewandelt werden, wie Lactulose beim Übertritt in den Dickdarm, wobei der freiwerdende Wasserstoff im H 2-Exhalationstest gemessen werden kann.

Praktische Bedeutung haben bisher erlangt die Szintigraphie, im Öso- phagus die pH-Metrie, ferner die Messung der Gesamtpassagezeit mit Aktivkohle oder mit 20 bis 25 kleinen Plastikringen.

Dabei wird die Zeit gemessen, bis zu der 80 Prozent der oral verabreich- ten Marker im Stuhl wiedergefunden werden (Hinton). Diese Zeit ist nor- malerweise sehr variabel und kann zwischen 46 und 128 Stunden schwanken. Die Szintigraphie eignet sich vor allem zur Bestimmung der Entleerungszeit von Speiseröhre und Magen, aber auch zur Erken- nung einer Passage in falscher Rich- tung, zum Beispiel im Rahmen duo- denogastralen oder gastroösopha- gealen Refluxes.

2.5 Manometrie

Zur intraluminalen Druckmessung werden heute allgemein flüssigkeits- durchströmte Meßkatheter und in geringerem Umfang auch direkt messende Druckaufnehmer verwen- det. Intraluminale Drucksteigerun- gen basieren entweder auf lumen- verschließenden Kontraktionen um den Druckaufnehmer oder auf ei- nem Ruhetonus in Verschlußzonen

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Nifedipin, Nitrate R, m

ösophagusspasmus aP u. Eg des

Ösophagus

Operation (mit Myotomie) Eg des UÖS

R, M Motilitätsstörung des

UÖS (bei epiphreni- schem Divertikel)

aP u./o. Eg des Darms R, m

Intestinale

Pseudoobstruktion

Eg des Kolons (Sigmas)

Divertikulose R, e, m „Ballaststoffe"

Operation Morbus

Hirschsprung

R, M Eg des Anus

(oder Kolons)

Organ Krankheit Wichtigste

Untersuchungs- methoden*)

Patho-

mechanismus**)

Rationale Therapie

Ösophagus Funktionsstörungen des DÖS (z. B. Zenker' Divertikel)

Eg des 0öS Sphinkterrnyotomie R, m

Sklerodermie und andere „Kollage- nosen"

M, r, s, e aP des Ösophagus Essen in aufrechter Körperhaltung (Antirefluxtherapie)

Eg des UÖS und aP des Ösophagus

Sphinkterdilatation

Achalasie R, m, e

Magenentleeru ngs- störung (z. B. diabeti- sche Neuropathie)

aP des Antrums Metoclopramid

Magen R, e, s

Dünndarm paralytischer Ileus G, R aP des Darm Sympathicolyse

Dickdarm Obstipation aP u. Eg des Kolons

oder aP des Rektums

„Ballaststoffe"

MK, m

*) Reihenfolge und Wertigkeit der Untersuchungsmethoden bei den aufgeführten Motilitätsstörungen. Symbole wie in Tabelle 1. Kleine Buchstaben kennzeichnen die fakultativen Untersuchungen.

—) aP = ungenügende Propulsion (häufig durch Aperistaltik verursacht) Eg = funktionelle Engstellung oder ungenügende Öffnung

°öS — oberer Osophagussphinkter, UÖS = unterer Ösophagussphinkter Tabelle 2: Behinderte Passage in normaler Richtung

oder schließlich auf Wandkontrak- tionen an irgendeiner Stelle in ei- nem flüssigkeits- oder luftgefüllten Hohlraum.

In die Klinik hat vor allem die Mano- metrie des Ösophagus und des rek- toanalen Verschlußapparates Ein- gang gefunden, weil diese Organe gut zugänglich sind und die Bewe-

gungsabläufe hier relativ einfachen Gesetzmäßigkeiten folgen. Im nor- malen Ösophagus tritt nach einem Schluckakt eine propulsive Kontrak- tionswelle auf und koordiniert damit ein Druckabfall in den Verschlußzo- nen am Ein- und Ausgang des Or- gans. Im Analsphinkterbereich wird nach Rektumblähung eine Erschlaf- fuhg erkennbar.

2.6 Elektromyographie

Aktionspotentiale sind auch im Ver- dauungstrakt das myoelektrische Korrelat von Wandkontraktionen.

Daneben werden in Magen, Dünn- und Dickdarm recht regelmäßige langsame elektrische Wellen (Fre- quenzbereich 2-20/min.) gefunden, die auch als basaler elektrischer Ausgabe

A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

80. Jahrgang Heft 3 vom 21. Januar 1983 23

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mm Hg Normal

60 - Achalasie

40- 20- 0

Magen- fundus 20

s 10 sec 40

20 0 40 20 0

Corpus

Sphinkter

Darstellung 1: Schematische Darstellung der Motilität bei normaler Speiseröhre und bei Achalasie. — Normal: nach Schluckakt (s) peristaltische Kontraktionen in der tubulären Speiseröhre und zeitgerechte, vollständige Erschlaffung des unteren Öso- phagussphinkters (UÖS). — Achalasie: nach Schluckakt plumpe simultane Kontrak- tion in der tubulären Speiseröhre und fehlende Erschlaffung des UÖS

Rhythmus angesprochen werden und denen eine Koordinations- und Schrittmacherfunktion zukommt.

Das myoelektrische Korrelat von Muskeltonus ist bis heute nicht be- kannt. Myoelektrische Untersuchun- gen im Dünndarm haben unser Wis- sen um interdigestive Motilitätsmu- ster bereichert und im Dickdarm Hinweise auf abnorme Bewegungs- muster beim irritablen Colon gege- ben. Die Methode befindet sich aber noch im experimentellen Stadium.

2.7 Erfassung

von Bewegungsgeräuschen Tagtäglich wird vor allem vom Chir- urgen die Auskultation des Abdo- mens durchgeführt, um einen para- lytischen Ileus frühzeitig zu erken- nen. Daneben gibt es hoffnungsvolle Ansätze zu einer quantitativen Erfas- sung von Magen- und Därmgeräu- schen in der Erkennung von Motili- tätsstörungen. Kontrollierte Unter- suchungen müssen aber zunächst abgewartet werden.

2.8 Mechanische Verschlußkraft-Prüfung

Die orientierende Prüfung der Anal- verschlußkraft mit dem palpieren- den Finger gehört zur täglichen kör- perlichen Untersuchung von Patien- ten. Auch hier sind quantifizierende Methoden möglich, indem entweder eine gut gleitende Kugel unter Be- stimmung der erforderlichen Zug- kraft vom Rektum durch den Anal- sphinkter hindurchgezogen wird oder indem über einen Katheter Flüssigkeit in die Rektumampulle gefüllt wird und die Flüssigkeits- menge bis zum Beginn des Heraus- tröpfelns festgehalten wird. Diese Verfahren dienen seit langem der methodischen Überprüfung und Standardisierung der Manometrie.

Neben dem Analsphinkter wurde auch am unteren Ösophagussphink- ter eine gute Korrelation zwischen dem Widerstand beim Kugelrückzug und den Sphinkterdruckmeßwerten festgestellt. Obwohl mechanische Verschlußkraft-Prüfungen bisher keinen Eingang in die Klinik gefun-

den haben, wäre der einfachen und sehr zuverlässigen Auffüllung des Rektums zur Prüfung und auch Be- handlung einer gestörten Analspink- terfunktion eine weitere Verbreitung zu wünschen.

3. Motilitätsstörungen

3.1 Behinderte Passage

in normaler Richtung (Tabelle 2) Motilitätsstörungen können die Fortbewegung des Inhaltes entwe- der durch ein Darniederliegen der propulsiven mechanischen Kräfte oder durch eine funktionelle Eng- stellung von mehr oder weniger lan- gen Abschnitten im Verdauungs- trakt hervorrufen. Beide Pathome- chanismen können zusammentref- fen und dann eine meist besonders schwere Funktionsstörung hervor- rufen. Die Therapie sollte nach Mög- lichkeit zielgerichtet den für die Symptomatik wichtigsten Pathome- chanismus angehen. Das bedeutet bei ungenügender Propulsion eine Wiederherstellung oder Stärkung der peristaltischen Kräfte und bei Passagebehinderung durch unphy- siologische Engstellung eine Wei- tung entweder medikamentös oder mechanisch oder gelegentlich auch durch Resektion. Nicht immer läßt sich heute schon eine solche Thera- pie durchführen. Mit einem besse- ren Verständnis des Pathomecha- nismus steigen jedoch die Aussich- ten auf eine wirkungsvolle Behand- lung an einem frühen Punkt in der Kausalkette.

3.1.1 Achalasie des Ösophagus Beispielhaft sei die Achalsie des Ösophagus angeführt. Dabei han- delt es sich um eine neuromuskuläre Erkrankung unklarer Ursache, ge- kennzeichnet durch ausbleibende oder unvollständige Erschlaffung des unteren Ösophagussphinkters und durch das gleichzeitige Fehlen peristaltischer Kontraktionen in der tubulären Speiseröhre. Die Folge ist ein Rückstau von Speisen, Geträn- ken und Sekret im Ösophagus mit den Leitsymptomen Dysphagie, Re-

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Krankheit Wichtigste Untersuchungs- methoden

Pathomechanismus Rationale Therapie Organ

Magen Dumping-Syndrom Inkontinenz des

Magenausgangs

Diät, Lagerung R, S

Ungenügende Seg- mentation im Sigma

Opioide

(z. B. Loperamid),

„Stopfmittel"

Dickdarm Diarrhoe MK

Analinkontinenz Inkontinenz des

Analsphinkters

V, M Sphinktertraining

(„Biofeedback")

Darstellung 2: Schematische Darstellung der Faecesbewegung im Normalfall (links) und bei der motilitätsbedingten Diarrhoe (rechts). Die Breite der Pfeile symbolisiert die Stärke der propulsiven und der retropulsiven Kräfte. Bei der Diarrhoe führt bereits eine schwache Vorwärtsbewegung zur Stuhlentleerung, da im Rektum und Sigma, anders als im Normalfall, kaum die Passage verlangsamende Rückhaltekräfte wirksam werden

Tabelle 3: Zu schnelle Passage in normaler Richtung

gurgitation, Inanition und Aspiration in die Atemwege. Häufig, aber nicht immer treten im Verlauf der Erkran- kung passager krampfartiger Retro- sternalschmerzen hinzu. Patholo- gisch-anatomisch wurde eine herab- gesetzte Ganglienzellzahl im Plexus myentericus des Ösophagus gefun- den; Ursache und Bedeutung dieses Befundes sind jedoch noch unklar.

Die Diagnose läßt sich meist auf- grund der Anamnese und des rönt- genologischen Befundes eines Me- gaösophagus mit unregelmäßigem

Übertritt des Kontrastmittels durch das konstant enggestellte Segment des unteren Ösophagussphinkters mit ausreichender Zuverlässigkeit stellen. Die Ösophagusmanometrie verdeutlicht diese Funktionsstörun- gen und verleiht der Diagnostik so- wie insbesondere der Verlaufsbeur- teilung größere Sicherheit. Die En- doskopie dient in erster Linie dem Ausschluß eines Tumors, insbeson- dere eines Kardiakarzinoms, da Neo- plasien die gleiche Symptomatik her- vorrufen können wie eine Achalasie.

Therapeutisch steht die Beseitigung der Passagebehinderung in Höhe des unteren Ösophagussphinkters ganz im Vordergrund der Bemühun- gen. Dieses Ziel läßt sich durch in- traluminale Dehnungsverfahren mit- tels pneumatischer Dilatation oder Metallspreizer (Starcksche Sonde) sowie durch longitudinale Myotomie in den allermeisten Fällen soweit er- reichen, daß die Symptomatik der Patienten verschwindet oder erträg- lich wird. Dabei müssen die Bemü- hungen darauf gerichtet sein, die Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 3 vom 21. Januar 1983 27

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Darstellung 3: Langzeit — pH — Metrie. — Normal: kurzfristig Abfall des pH-Wertes unter die kritische Grenze von pH 4 im Sitzen und nach dem Essen. Rasche Rückkehr zum Normalwert. Während des Schlafens kein Abfall des pH-Wertes. — Refluxkrankheit:

häufig Abfall des pH-Wertes mit leicht verzögerter Rückkehr zum Normalwert. Wäh- rend des Schlafens langdauernder Abfall des pH-Wertes als Ausdruck der schlechten Selbstreinigungsfähigkeit der Speiseröhre

Antirefluxfunktion des unteren Öso- phagussphinkters nicht völlig zu be- seitigen, da andernfalls eine schwe- re Refluxösophagitis als iatrogene Zweiterkrankung auftreten kann.

Vorübergehend läßt sich die Ab- schwächung der Verschlußkraft des unteren Ösophagussphinkters auch medikamentös durch Gabe des Cal- ciumantagonisten Nifedipin (Ada- lat®) perlingual erreichen.

3.2 Zu schnelle Passage in normaler Richtung (Tabelle 3) Die Fortbewegung des Inhaltes er- folgt im Verdauungstrakt mit sehr unterschiedlicher Geschwindigkeit:

in der Speiseröhre innerhalb von Se- kunden, im Magen in Abhängigkeit vom Inhalt binnen Minuten bis Stun- den, der Dünndarm wird in etwa ei- ner halben bis drei Stunden passiert

und der Dickdarm in etwa ein bis vier Tagen. Große inter- und intrain- dividuelle Unterschiede kommen je- doch auch schon normalerweise vor. Trotzdem lassen sich einige Mo- tilitätsstörungen abgrenzen, bei de- nen die Fortbewegung des Inhaltes unphysiologisch rasch erfolgt und dabei Symptome hervorruft. Ge- meinsamer Pathomechanismus ist eine ungenügende Rückhaltekraft der Hohlorgane.

Diese Kraft wird normalerweise durch lumenverschließende Kon- traktionen und im Analbereich durch einen Schließmuskelapparat erbracht. Die Therapie bemüht sich daher um eine Steigerung der Kon- traktionstätigkeit und/oder um eine Erhöhung der Viskosität des Inhal- tes. Als Beispiel kann die Diarrhoe dienen. Hier ist die Motilität zwar oft nur sekundär beteiligt. Es ließ sich

jedoch bei Durchfällen unterschied- licher Ursache eine ungenügende Passage-verlangsamende Kontrak- tionstätigkeit im distalen Colon nachweisen. Tierexperimentelle Be- funde weisen darauf hin, daß dieser Störung möglicherweise eine man- gelhafte Koordination der basalen myoelektrischen Aktivität (soge- nannte langsame Wellen) zugrunde liegt.

Substanzen mit opiatartiger Wir- kung sind in der Lage, die Kontrak- tionstätigkeit im unteren Dickdarm so zu steigern, daß sich die Fäzes langsamer voranbewegt, mehr Flüs- sigkeit rückresorbiert werden kann und dadurch viele Diarrhoeformen gebessert oder beseitigt werden.

Als besonders effektiv und gleichzei- tig nebenwirkungsarm hat sich da- bei Loperamid (Imodium 8 ) erwiesen.

Quellende Substanzen, wie pflanzli- che Schleime (zum Beispiel Agar- Agar), oder auch einfach Weizen- kleie erhöhen durch ihr Wasserbin- dungsvermögen die Viskosität des Darminhaltes. Sie können dadurch eine Diarrhoe ebenfalls bessern.

Grobe Weizenkleie, mindestens 24 g (= 4 Eßlöffel) täglich, wird bevorzugt auch zur Behandlung des irritablen Colons, der wohl häufigsten funktio- nellen Störung im Verdauungstrakt überhaupt, der habituellen Obstipa- tion und der Divertikulose einge- setzt. Bei diesen drei Erkrankungen macht man sich das Wasserbin- dungsvermögen und die volumen- vermehrenden Eigenschaften der Kleie zunutze. Die Flüssigkeitsbin- dung verringert bei zu festem Stuhl, anders als bei der Diarrhoe, die Kon- sistenz und damit auch die Viskosi- tät der Fäzes. Die zu langsame Pas- sage wird beschleunigt. Gleichzeitig entfaltet die Volumenvermehrung in der Darmlichtung eine günstige Wir- kung nach dem La-Placeschen Ge- setz:

P= 2 T r

(P = Druck, T = Wandspannung, r = Radius). Dieses Gesetz besagt, daß

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Krankheit Wichtigste Untersuchungs- methode

Pathomechanismus Rationale Therapie Organ

Gastroösophagealer Reflux

Insuffizienz des UÖS, aP des ösophagus

Metoclopramid, Domperidon;

Antirefluxoperation

ösophagus PH, S, r

Refluxösophagitis E Folge des Refluxes Antazida, H 2-Blocker

Magen Duodenogastraler Reflux

Verschluß- Insuffizienz des Magenausgangs

Metoclopramid S, e

Tabelle 4: Passage in falscher Richtung

eine Vermehrung des Inhaltes über eine Zunahme des Durchmessers der Darmlichtung bei gleicher Mus- kelspannung zu einer Verminderung des auf die Wand wirkenden Druk- kes führt.

Bei der schmerzhaften Form des irri- tablen Colons wird durch Minde- rung der Druckeinwirkung häufig die schmerzauslösende Schwelle unterschritten.

Bei der Divertikulose werden die Kräfte schwächer, die entscheidend an der Ausbildung und Verstärkung der Wandaussackungen beteiligt waren. Auch dieses Leiden wird des- halb durch Weizenkleie meistens ge- bessert.

3.3 Passage

in falscher Richtung (Tabelle 4) Der Inhalt im Verdauungstrakt be- wegt sich normalerweise in oro-ana- ler Richtung, oder er bleibt infolge segmentierender Bewegungen vor- übergehend stationär.

Bewegung in oraler Richtung kommt physiologischerweise nur im Dickdarm und dort auch nur in ge- ringem Ausmaß vor. Ansonsten ist dieser rückwärts gerichtete Fluß als pathologisch anzusehen.

Besonders auffällig wird solch pa- thologischer Reflux im Bereich von Verschlußmechanismen, die Organe

im Verdauungstrakt voneinander trennen. Die klinische Bedeutung zöko-ilealen und duodeno-gastralen

Rückflusses ist noch strittig; galliger Rückfluß in den Magen nach opera- tiver Entfernung des antropylori- schen Verschlußapparates kann aber sicherlich Symptome verursa- chen. Zweifellos die wichtigste und häufigste Refluxkrankheit tritt in der Speiseröhre auf.

Die rationale Therapie bei einer Pas- sage in falscher Richtung besteht in der Kräftigung des insuffizienten Verschlußmechanismus und erst in zweiter Linie, falls die kausale Be- handlung nicht ausreichend wirk- sam ist, in einer Minderung der Ag- gressivität des Refluxmaterials und in einer Abkürzung der Refluxzeit.

3.3.1 Gastroösophageale Refluxkrankheit

Die Ätiologie der gastroösophagea- len Refluxkrankheit ist in den mei- sten Fällen noch ungenügend auf- geklärt.

Rückfluß in die Speiseröhre kommt in geringem Umfang auch normaler- weise vor, so daß der Unterschied zwischen normal und pathologisch nur quantitativer und nicht qualitati- ver Art ist.

Allein daraus wird schon verständ- lich, daß bei der Entstehung der Refluxkrankheit neben einem in-

suffizienten gastroösophagealen Sphinkter auch ungenügende pro- pulsive Kräfte in der Speiseröhre, die normalerweise für eine Selbstrei- nigung des Organs sorgen, von Be- deutung sein können.

Pathologischer Reflux läßt sich so- wohl mittels intraösophagealer pH- Metrie (am besten als Langzeit-pH- Metrie über Nacht) als auch mittels Szintigraphie (nach Trinken einer kolloidalen Technetiumlösung) quantitativ eindeutig erkennen.

Trotzdem ist für die Klinik neben der Anamnese die Endoskopie die wich- tigste Untersuchungsmethode, da sie die morphologischen Folgen (Schleimhautdefekte und in der Hi- stologie granulozytäre Infiltrationen der Mukosa) des pathologischen ga- stroösophagealen Refluxes erfaßt.

Die Leitsymtome in der Anamnese sind ein Brennen (und Schmerzen) retrosternal, epigastrisch und pha- ryngeal, meist lageabhängig und vorübergehend gebessert durch Antazida.

Komplikationen, wie z. B. eine pepti- sche Stenose und/oder eine Zylin- derepithelmetaplasie im ösophagus (Barrett-Syndrom) treten prozentual insgesamt nur selten auf.

Eine Therapie des Leidens ist mit motilitätswirksamen Medikamenten möglich, die die Verschlußkraft des gastroösophagealen Sphinkters Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 3 vom 21. Januar 1983 31

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In einer doppelblinden, randomi- s i e den Kurzzeit-Vergleichs-Studie erhielten 683 Patienten mit diasto- lischen Blutdruckwerten zwischen 95 und 114 mmHg entweder bis zu 640 mg Propranolol oder bis zu 200 mg Hydrochlorothiazid mit dem Ziel, einen diastolischen Blut- druckwert unter 90 mmHg zu er- reichen.

Propranolol senkte den systoli- schen Blutdruck von 146,0 ± 14,4 auf 134,8 ± 16,3 mmHg und den diastolischen Blutdruck von 101,6

± 4,6 auf 90,5 ± 7,6 mmHg.

Hydrochlorothiazid erwies sich in dieser Studie wirksamer als Pro- pranolol und führte zu einer Sen- kung des systolischen Blutdrucks von 146,5 ± 15,8 mmHg auf 128,8

± 12,2 mmHg und des diastoli- schen Blutdrucks von 101,3 ± 4,5 auf 89,4 ± 6,5 mmHg.

Bei den farbigen Patienten der Studie senkte Hydrochlorothiazid den systolischen Blutdruck um 20,3 ± 14,3 mmHg (bei den Pa- tienten weißer Hautfarbe um 15,3

± 12,0 mmHg) und Propranolol um 8,2 ± 12,0 mmHg (13,2 ± 13,1 mmHg); der diastolische Blut- druck wurde durch Hydrochloro- thiazid um 13,0 ± 7,0 mmHg (10,9

± 5,7 mmHg) und durch Propra- nolol um 9,5 ± 7,0 mmHg (12,6 ± 6,6 mmHg) gesenkt.

71,3 Prozent der farbigen Patien- ten erreichten unter Hydrochloro- thiazid einen diastolischen Blut- druckwert unter 90 mmHg und von 53,5 Prozent unter Propranolol.

Die farbigen Patienten benötigten eine weitaus geringere Dosis Hy- drochlorothiazid zur Erreichung des Ziels. Bei dem Pharmakon Propranolol wurde kein Unter- schied festgestellt.

So kommt man in dieser Studie zu der Schlußfolgerung, daß bei den

Patienten weißer Hautfarbe Pro- pranolol genauso wirksam ist wie Hydrochlorothiazid, daß sich bei den farbigen Patienten jedoch Hy- drochlorothiazid als wirksamer erwiesen hat.

394 von den 683 Patienten betei- ligten sich an einer Langzeitstu- die. Während der zwölfmonatigen Therapie erwies sich das Pharma- kon Hydrochlorothiazid gegen- über Propranolol als wirksamer (im Mittel - 17,5/-13,1 mmHg un- ter Hydrochlorothiazid gegenüber - 8,3/-11,3 mmHg unter Propra- nolol).

Darüber hinaus erreichte ein grö- ßerer Prozentsatz der Patienten das Ziel von unter 90 mmHg für den diastolischen Blutdruck (65,5 Prozent gegenüber 52,8 Prozent mit Propranolol), lag der Dosisbe- darf im Vergleich niedriger, baten weniger Patienten um Beendi- gung der Behandlung, war eine zusätzliche Titration während der Studie weniger häufig erforder- lich, und blieben die Blutdruck- werte nach Beendigung der Unter- suchung niedriger.

Die biochemischen Abweichun- gen jedoch waren unter Hydro- chlorothiazid größer. Obwohl sta- tistisch nicht signifikant, war die antihypertonische Wirkung von Hydrochlorothiazid bei den farbi- gen Patienten größer als bei den Patienten weißer Hautfarbe. Diese wiederum zeigten eine bessere Reaktion auf Propranolol, die je- doch nicht so gut war wie die Re- aktion auf Hydrochlorothiazid. Srb

Veterans Administration Cooperative Study Group an Antihypertensive Agents: Compari- son of Propranolol and Hydrochlorothiazide for the Initial Treatment of Hypertension, Kurz- zeitstudie: JAMA 248 (1982) 1996-2003, Dr.

Barry J. Materson, Veterans Administration Medical Center (111), 1201 NW 16th St. Miami, FL 33125, U. S. A.- Langzeitstudie: JAMA 248 (1982) 2004-2011, Dr. Edward D. Freis, Vete- rans Administration Medical Center, 50 Irving St. NW. Washington, DC 20422, U. S. A.

stärken und die Selbstreinigung der Speiseröhre fördern. Dazu gehören Metoclopramid (Paspertin®) und Domperidon (Motilium 8).

In praxi kommen bisher aber vor al- lem Pharmaka zur Anwendung, die die Aggressivität des Refluates min- dern, in erster Linie Antazida und Cimetidine.

Aussichtsreich erscheinen auch Substanzen, die die Mukosaresi- stenz im Ösophagus fördern.

Wichtig sind ferner die Allgemein- maßnahmen, die dem Reflux entge- genwirken, wie Anheben des Bett- kopfendes beim Schlaf, Meiden von Nikotin und fettreicher Kost, Bevor- zugung eiweißreicher Kost, Ge- wichtsreduktion und ähnliches.

Bei Therapieresistenz oder Kompli- kationen muß mit dem Chirurgen über eine mögliche operative Be- handlung gesprochen werden.

Sinnvoll sind nur Operationsverfah- ren, die eine Wiederherstellung des insuffizienten gastroösophagealen Verschlusses zum Ziele haben.

Literatur

Berges, W.; Wienbeck, M.: Diagnostik von Ösophagusstenosen, Dtsch. Med. Wo- chenschr. 105 (1980) 1009-1011 - Lux, G.; Le- derer, P.; Femppel, J.; Rösch, W.: Irritables Kolon, Möglichkeiten einer objektivierbaren Diagnose und ihre Bedeutung für die Thera- pie, Fortschr. Med. 97 (1979) 1261-1264 - Sie- wert, R.; Blum, A. L.: Therapie der Reflux- krankheit der Speiseröhre, Dtsch. Med. Wo- chenschr. 105 (1980) 1798-1800 - Weihrauch, T. R.: Diagnostik bei gastroösophagealer Re- fluxkrankheit, Dtsch. Med. Wochenschr. 105 (1980) 1796-1797 - Wienbeck, M.: Diagnostik und Therapie der Achlasie, Intern. Welt 1 (1978) 392-400 - Wienbeck, M.: Motilitätsstö- rungen von Kolon und Anus als pathogeneti- sches Prinzip, Internist 20 (1978) 18-23 - Wie n- beck, M.; Berges, W.: ösophagusmanometrie.

Z. Inn. Med. Kinderheilkde. 47 (1981) 111-152

Anschrift der Verfasser:

Professor Dr. med.

Martin Wienbeck Dr. med. Wilhelm Berges

Medizinische Klinik und Poliklinik der Universität

Moorenstraße 5 4000 Düsseldorf 1

Vergleichsstudie zwischen Propranolol und

Hydrochlorothiazid bei Hypertonie

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