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Archiv "Anaerobier-Infektionen" (30.07.1982)

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Academic year: 2022

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ÜBERSICHTSAUFSATZ

Ätiologie

Nach Entdeckung der anaeroben Gärung durch Louis Pasteur (1862) wurde um die Jahrhundertwende an der Universität Paris der Erfor- schung anaerober Infektionen be- sondere Aufmerksamkeit geschenkt.

Es wurde eine Methodik des Nach- weises entwickelt, die so schwer zu handhaben war, daß sie keine Ver- breitung fand. Daher sind bis heute Begriffe wie „Steriler Eiter", „Steri- le, Eitrige Infektionen" oder „Steri- ler Eiter = Colieiter" in Gebrauch. In den nur auf aerobe Bakterien ausge- richteten Untersuchungen wurden die eigentlichen Krankheitserreger, die Anaerobier, bisher nicht gesucht und nachgewiesen (20). Übelrie- chender Eiter ist fast immer durch anaerobe Keime bedingt. Escheri- chia-coli-Eiter allein hat keinen Ge- ruch (1).

Man kann bei der ubiquitären Vertei- lung der Anaerobier davon ausge- hen, daß sie überall dort nachweis- bar sind, wo man sie sucht (8). Zu trennen ist zwischen einer anaero- ben Kontamination und Infektion.

Obligate, anaerobe Keime sind der Zahl nach die stärkste Gruppe der oropharyngealen, intestinalen und kutanen Bakterienflora (28). Unter- schieden werden gramnegative, sporenlose Keime wie Bacteroides, Sphaerophorus und Fusobacterium, grampositive, sporenlose wie Pepto- coccus, Peptostreptococcus, Pro-

pionibacterium und Actinomyces, sowie die Sporenbildner (Clostridien der Gasbrandgruppe) (Tabelle 1).

Hauptlokalisation der Anaerobier im Organismus sind der Magen-Darm- Trakt und das weibliche Genitale (Tabelle 2).

Besondere Aufmerksamkeit wurde bisher den anaeroben Keimen ent- gegengebracht, die durch ihre Toxi- ne charakteristische Krankheitsbil- der hervorrufen (Tetanus, Botulis- mus, Gasbrand). Die führende Rolle bei endogenen Infektionen spielen aber anaerobe, gramnegative, spo- renlose Stäbchen, die zusammenge- faßt als Bacteroidaceae bezeichnet werden (28).

Der virulenteste Vertreter dieser Gruppe ist Bacteroides fragiles, der zwar nur 10 bis 15 Prozent der Ge- samtspezies ausmacht, jedoch bei nahezu allen abdominellen Infektio- nen nachweisbar ist (21).

Die überwiegende Mehrzahl von In- fektionen in der Klinik ist durch aerobe Bakterien bedingt. Der Anteil der anaeroben Bakterien an der Ge- samtzahl der Infektionen schwankt und ist daher nicht mit Sicherheit zu beziffern. Die Angaben in der Litera- tur betreffen meist Einzelbeobach- tungen eines Krankenhauses und können nicht pauschaliert werden.

Mit dieser Einschränkung ist auch Tabelle 3 zu sehen, die eine zahlen- mäßige Verteilung bei postoperati- ven Wundinfektionen angibt.

Anaerobier-Infektionen sind seit den Anfängen der Medizin bekannt. In den letzten Jahren wird ihnen wieder vermehrt Interesse entgegengebracht.

Zunehmende klinische Rele- vanz und ein erleichterter, mi- krobieller Nachweis geben den Anlaß. Zu der Frage, wel- che Aufmerksamkeit die Anae- robier-Infektionen verdienen, und welche therapeutischen Maßnahmen angezeigt sind, wird Stellung genommen.

Nach unseren Erfahrungen liegt ei- ner chirurgischen Infektion ursäch- lich meistens eine Mischflora zu- grunde, an der anaerobe und aerobe Bakterien beteiligt sind. Der Ver- brauch von Sauerstoff durch aerobe Keime begünstigt die Vermehrung der Anaerobier, so daß mit Fortdau- er der Infektion mit einem sich ver- größernden Anteil anaerober Keime zu rechnen ist.

Verschiedene Bakterien existieren sowohl im aeroben, als auch im anaeroben Milieu ohne besonde- re Leistungsminderung (fakultative Anaerobier). Zahlenmäßig sind Bak- terien im oberen !fitesfinaltrakt we- gen der Verdauungssekrete und der ausgeprägten Peristaltik reduziert.

Im Ileum ist das Verhältnis von Aero- biern zu Anaerobiern etwa gleich, im Kolon dominieren anaerobe Keime.

Das Zahlenverhältnis beträgt hier zirka 1000 bis 10 000:1.

Pathogenese

Ein ausgeprägtes klinisches Bild der Anaerobier-Infektion ist bei der frü- hen und breiten Antibiotikaanwen- dung nur selten anzutreffen. Be- stimmte Hinweise sollten jedoch an eine solche Infektion denken lassen (9, 27, 28). Hierzu zählen:

*) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

Anaerobier-Infektionen

Klinik, Nachweis und Therapie

Max Naber, Peter Eckert und Isabella Esser

Aus der Chirurgischen Klinik

(Chefarzt: Professor Dr. med. Peter Eckert)

der Städtischen Krankenanstalten Saarbrücken-Winterberg und aus dem Staatlichen Institut für Hygiene und Infektionskrankheiten Saarbrücken (Direktor: Dr. med. Alois Heintz)

Ausgabe B DEUTSCHES ARZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 30 vom 30. Juli 1982 33

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Anaerobier-1nfektionen

Sporenbildende Anaerobier Clostridien

Nichtsporenbildende Anaerobier

Kokken Stäbchen

grampositiv gramnegativ grampositiv gramnegativ Peptokokken Veillonella Propionibac- Bacteroides

terium

Peptostrep- Veillonella Actinomyces Fusobacterium tokokken

Eubacterium

Tabelle 1: Sporenbildende und nichtsporenbildende Anaerobier (27)

Kokken Gramne- Gramposi- Clostri- gative tive Stäb- dien Stäbchen chen

Darmtrakt ++ ++++

+ +I+ ++

++

Urogenitaltrakt +++ ++

+I++

+

Mundhöhle ++++ +++

+I+ + - I+

Haut + -

+I++

-

obere Luftwege +++ ++ + -

Tabelle 2: Verteilung der Anaerobier (27)

Vaginal (172) Abdominal (162)

nur Anaerobier 29% 22%

Aerobier und Anaerobier 35% 17%

nur Aerobier 36% 61%

Tabelle 3: Verteilung der Infektionskeime bei postoperativen Wundinfektionen (12)

~ Fäulnisgeruch des Eiters

~ von der Schleimhaut ausgehen- de, nekrotisierende und gangrä- nisierende Infektionen

~ Gasbildung im Gewebe oder Ex- sudat

~ septische Thrombophlebitis mit Neigung zu Organmetastasen

~ Sepsis mit Ikterus

~ Zustand nach abdomineller Ope- ration oder septischem Abort

~ Infektion bei malignen oder an- deren, gewebszerstörenden Pro- zessen

~ schwarze Verfärbung eines hä- morrhagischen Exsudates

~ Fieber und Leukozytosetrotz an- tibiotischer (Aerobier-)Therapie

~ "Steriler Eiter".

Begünstigende Einflüsse sind:

~ Hämestase

~ Hypoxie

~ Gewebsnekrose

~ allgemeine Resistenzschwäche

~ Diabetes.

Die Vermehrung findet besonders in Körperhöhlen statt. Die Ausbreitung erfolgt hämatogen und entlang sub- kutaner oder faszialer Gewebsspal- ten. Die Tatsache, daß häufiger Anaerobier-Infektionen diagnosti- ziert werden, ist einmal auf verbes- serte Nachweismöglichkeiten zu- rückzuführen. Zum anderen kommt eine Selektion anaerober Erreger durch einseitige, nur gegen aerobe Keime zielende Antibiotika-Therapie in Betracht (4, 7, 14). Penicillin G hat eine gute Anaerobier-Wirkung, so daß in der Zeit häufiger Penicillin- Anwendung gleichzeitig auch die Anaerobier mitbehandelt wurden.

Durch neuere Antibiotika mit vorwie- gend aerobem Wirkungsspektrum ist eine Selektion von anaeroben Keimen möglich.

Darüber hinaus unterlaufen viele der modernen diagnostischen und the- rapeutischen Maßnahmen die kör- pereigene Abwehr und bieten gün- stige Voraussetzungen für eine bak- terielle Invasion (15).

Bedeutsam fü'r den Wechsel von der Kontamination zur Infektion ist dann die Abwehrlage des Patienten. Hier muß berücksichtigt werden, daß heute in Krankenhäusern zuneh- mend alte und geschwächte Patien- ten behandelt werden, die eine be- sondere Risikogruppe für Infektio- nen darstellen (6).

Klinische Manifestationen

Infektionen im

Hals-Nasen-Ohren-Bereich

Bei Otitis media, Mastoiditis, Sinusi- tis, periodontaler Infektion und Peri- tonsillarabszeß sind meist anaerobe Keime die lnfektionsursache. Mög- lich ist eine Streuung mit anschlie- ßender ~ugularvenenthrombophle­

bitis und septischen Embolien in Lunge und Gelenke.

34 Heft 30 vom 30. Juli 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe B

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Anaerobier-Infektionen

Infektionen des kutanen und subkutanen Gewebes

Bei operativen Eingriffen oder nach Traumen kann unter der Begünsti- gung einer lokalen lschämie eine In- fektion des Subkutangewebes ent- stehen. Besonders nach Eingriffen am Gastrointestinaltrakt und am weiblichen Genitale hat man mit sol- chen Subkutaninfektionen zu rech- nen. Sie sind ferner zu finden bei Bißverletzungen, Dekubitalge- schwüren und Pilonidalzysten.

Thorakale Infektionen

Der wesentliche Infektionsweg ist die Aspiration oropharyngealer Se- kretion. Manifestationsformen sind Lungenabszesse, nekrotisierende Pneumonie, Aspirationspneumonie sowie Empyem. Beim Empyem ist Bacteroides nach Pneumokokken und Staphylokokken dritthäufigster Erreger (22). Für die Aspirations- pneumonie wird eine Beteiligungs- quote von Anaerobiern bis zu 93 Prozent angegeben (17).

Abdominale Infektionen

Die abdominale Anaerobier-Infek- tion entsteht im allgemeinen durch Kontamination mit Darminhalt. Da- bei scheinen für die Entwicklung ei- ner Peritonitis in erster Linie gram- negative, aerobe Keime verantwort- lich zu sein. Anaerobier sind hinge- gen bei intraabdominellen Abszes- sen die dominierenden Erreger (11).

Anaerobier (hauptsächlich Bactero- ides) sind im wesentlichen die Erre- ger der akuten und perforierenden Appendizitis. Sie spielen eine wichti- ge Rolle bei der Divertikulitis, bei Analfisteln, bei Gallenwegsinfektio- nen und beim Nahtbruch in der frü- hen, postoperativen Phase.

Infektionen bei Stumpfen oder penetrierenden Bauchtraumen Die Ausbildung einer Sepsis nach penetrierendem Bauchtrauma ist in hohem Maße durch anaerobe Keime bedingt. Bei entsprechender, initia-

ler, antimikrobieller Abdeckung be- trägt die Komplikationsrate nur 4

Prozent (25).

Genitalinfektionen

Obligate Anaerobier lassen sich in 70 Prozent der Zervixabstriche bei gesunden Frauen isolieren (10). Die meistverbreitete Gruppe ist wieder- um Bacteroides, welche in 57 Pro- zent nachweisbar ist. Anaerobier sind die Haupterreger von Abszes- sen im kleinen Becken, sie sind häu- fig zu finden bei Adnexitis,

postpartalen Infektionen, Post- hysterektomie-Infektionen, postab- ortioneller Sepsis, Endometritis und Pyometra.

Sonstige Infektionen

Anaerobier kommen als Ursache für eine Endokarditis und auch für uro- logische Infektionen in Betracht. Sie sind für die Ausbildung der Mehr- zahl von Hirnabszessen verantwort- lich, wohingegen sie bei Knochen- und Gelenkinfektionen nur eine un- tergeordnete Rolle spielen (13).

Diagnostik

Da eine Anzüchtung der anaeroben Keime mehrere Tage in Anspruch nimmt und bei schweren Infektionen der bakteriologische Befund nicht abgewartet werden kann, muß die klinische Diagnose zwangsläufig auf dem Verdacht basieren und die The- rapie aufgrund von Erfahrungswer- ten bis zum Eingehen der bakterio- logischen Befunde eingeleitet wer- den. Dabei kann man in der Regel davon ausgehen, daß bis zum Ein- treffen der Resistenzbestimmung der Krankheitsverlauf prognostisch entschieden ist. Trotzdem ist ei- ne bakteriologische Untersuchung und Resistenzbestimmung u. E. an- gezeigt. Gegen die meisten im anae- roben Bereich wirksamen Antibiotika sind bisher kaum Resistenzen be- kannt. Bei zunehmenderAnwendung ist aber auch hier mit einer raschen Resistenzentwicklung gegen jetzt wirksame Präparate zu rechnen.

Der Nachweis setzt nicht mehr un- bedingt die Bereithaltung eines so- genannten „Gas-Pak-Gerätes" im Krankenhaus voraus. Inzwischen stehen Transportmedien zur Verfü- gung, die auch nach einem be- schränkten zeitlichen Intervall ei- ne Anaerobieranzüchtung ermögli- chen. Erwähnt werden muß, daß auch obligate Anaerobier für eine gewisse Zeit in sauerstoffhaltigem Milieu existieren können. Ihre phy- siologische Verteilung in Mund- und Rachenraum, in der offenen Abdo- minalwunde und auch im Blutstrom bestätigt dies. Ohne Transportme- dien ist jedoch der verzögerte Nach- weis unmöglich. Die beimpften, re- duzierenden Transportmedien soll- ten immer so schnell wie möglich in ein entsprechend ausgerüstetes, bakteriologisches Institut gebracht werden. Allerdings kann aus techni- schen Gründen der Transport manchmal nicht am selben Tage er- folgen (Abnahme an einem Samstag oder Sonntag). In diesem Fall emp- fiehlt sich die Lagerung der Proben im Kühlschrank.

Wir haben zu dieser Frage unter- sucht, inwieweit sich Transportme- dien nach Lagerung noch beurteilen lassen. Zu diesem Zweck wurden zum selben Zeitpunkt drei Abstriche entnommen, wovon einer direkt be- arbeitet und bebrütet wurde. Die an- deren Proben wurden im Kühl- schrank aufbewahrt und am näch- sten beziehungsweise übernächsten Morgen verarbeitet. Hierbei zeigte sich, daß die erste und zweite Probe bakteriologisch das gleiche Resul- tat erbrachten. Bei der dritten Pro be waren empfindliche Anaerobier (Veillonellen) nicht mehr nach- weisbar.

Stets sollte reichlich Material ent- nommen werden, da sich Anaero- bier in größeren Punktat- und Eiter- mengen besser nachweisen lassen.

Die direkte Anfertigung eines Gram- präparates in der Klinik stellt keine wesentliche Hilfe für eine gezielte medikamentöse Therapie dar. Die Differenzierung mit der Gramfär- bung ist nach unserer Erfahrung we- nig verläßlich. Erschwerend wirkt sich darüber hinaus aus, daß die

Ausgabe B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 30 vom 30. Juli 1982 35

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Anaerobier-Infektionen

Bakterien meist von bereits antibio- tisch anbehandelten Patienten stam- men, wodurch ihr Färbeverhalten verändert ist. In letzter Zeit sind dia- gnostische Schnellmethoden ent- wickelt worden, die aber nur an we- nigen Orten zur Verfügung stehen.

Hierzu zählen die gaschromatogra- phische Fettsäureanalyse des Punk- tates sowie ein fluoreszenzserologi- scher Erregernachweis.

Therapie

Grundlage der Therapie ist die Be- seitigung aller Bedingungen, die ei- ne anaerobe Infektion begünstigen (Gewebshypoxie). Hierzu gehört in erster Linie eine großzügige Freile- gung und Drainage des Herdes, eine Entfernung sämtlichen nekrotischen Materials und eine Sicherstellung des Abflusses (18). In anderen Krankheitsfällen wie Meningitis, En- dokarditis und Lungeninfektion wird in erster Linie eine Chemotherapie zur Anwendung kommen. Bei Fort- bestehen von intermittierendem Fie- ber, Bakteriämie und Septikämie muß auch nach chirurgischer Inter- vention noch eine Antibiotikathera- pie erfolgen. Diese kann unter Um- ständen schon erfolgreich sein, wenn sie nur gegen aerobe Keime gerichtet ist, da die Beseitigung die- ser Keime innerhalb einer Mischflo- ra die hypoxischen Bedingungen verbessert.

Da wir in aller Regel Patienten mit hochfieberhaften Erkrankungen und geschwächter Abwehrlage behan- deln müssen, führen wir stets eine kombinierte Antibiotikatherapie ge- gen Aerobier und Anaerobier durch.

Hierbei tragen wir der Tatsache Rechnung, daß bei bauchchirurgi- schen und gynäkologischen Opera- tionen Bacteroides fragiles beteiligt ist. Dieser Keim wird von Penicillin G nicht oder schlecht erfaßt, das an sich ein wirksames Mittel bei Anae- robier-Infektionen in der oberen Körperhälfte, insbesondere bei Tho- raxinfektionen wie Lungenabszeß und Aspirationspneumonie, darstellt (11, 24). Auch Infektionen im Kopf- und Halsbereich lassen sich durch Penicillin G meist wirksam beein-

flussen. Bei Infektionen im Bauch- raum sind im aeroben Keimspek- trum die gramnegativen Bakterien zu beachten, die in der Regel peni- cillinresistent sind (7). Deshalb ba- siert die Therapie hier auf einem Aminoglycosid, einem Breitspek- trum-Cephalosporin oder einem Acylureido-Penicillin.

Keine Wirkung gegen Anaerobier zeigen die Aminoglycoside.

Für die meisten Cephalosporine gilt, daß sie gegen Bacteroides eine her- abgesetzte oder keine Aktivität besitzen (28). Ein gegen Anaero- bier gut wirksames Cephalosporin scheint Cefoxitin zu sein (14). Eine lückenhafte Aktivität gegen Anaero- bier haben die Acylureido-Penicilli- ne Mezlocillin und Azlocillin sowie Tetracycline. Chloramphenicol ist gut wirksam. Zu berücksichtigen sind allerdings die hämatologischen Nebenwirkungen des Medikamentes (2). Es sollte wegen seiner Liquor- gängigkeit der Behandlung von ze- phalen Anaerobierinfektionen (Hirn- abszeß) vorbehalten bleiben. Nach Angaben verschiedener Autoren be- sitzen Lincomycin und Clindamycin gegen Anaerobier die stärkste Akti- vität (24, 26). Eine relative Schwäche zeigen sie nur gegenüber der Fuso-

bacteriu m-/Sphäropho rus-G ruppe.

Als Nachteil der Präparate gilt die mögliche Entstehung einer pseudo- membranösen Enterokolitis. Als Vorteil ist ihre Wirkung auch im grampositiven, aeroben Bereich zu sehen.

Metronidazol ist gut wirksam gegen anaerobe Keime, besitzt aber keine Wirkung im aeroben Bereich. Die Verträglichkeit dieses Medikaments scheint gut zu sein.

Faßt man das Gesagte zusammen, so ist bei Infektionen der oberen Körperhälfte Penicillin G immer noch das Mittel der Wahl. Bei Infek- tionen der unteren Körperhälfte und Septikämien ist neben gramnegati- ven, aeroben Keimen Bacteroides fragilis häufig anzutreffen und daher Penicillin G meist unwirksam. Das optimale Vorgehen besteht deshalb in einer antibiotischen Kombina- tionstherapie gegen diese Mischflo-

ra nach chirurgischer Herdsanie- rung. Die anaerobe Chemotherapie stützt sich auf Lincomycin/Clinda- mycin oder Metronidazol. Gegen die gramnegativen, aeroben Keime empfehlen sich die Aminoglycoside, die Cephalosporine und die Acyl- ureido-Penicilline (14), wobei gegen letztere Gruppe wegen unkritischer Anwendung zunehmend Resisten- zen gesehen werden (5). Eine grund- sätzliche und nicht überlegte Anti- biotikatherapie beziehungsweise -prophylaxe ist abzulehnen.

Von der Dauer der Therapie machen wir die zusätzliche Gabe eines Anti- mycotikums abhängig. Der Verlauf eines Krankheitsbildes, vor allem unter dem Aspekt einer Gasbildung im Gewebe, kann darüber hinaus weitere Maßnahmen erforderlich machen. Hierzu zählen die Anwen- dung polyvalenter Antitoxine sowie die hyperbare Oxygenation.

Zusammenfassung

Abschließend muß nochmals betont werden, daß die Mehrzahl der Infek- tionen durch aerobe Keime ausge- löst wird. Trotzdem ist es wichtig, bei bestimmten Hinweisen und dis- ponierenden Faktoren an die Infek- tionsmöglichkeit durch anaerobe Keime zu denken und diese Mög- lichkeit therapeutisch zu berück- sichtigen. Wesentlicher Bestandteil der Therapie ist die Beseitigung hypoxischer Gewebsbedingungen durch chirurgische Maßnahmen. In der Regel erfolgt außerdem eine An- tibiotikatherapie gegen aerobe und anaerobe Bakterien. Über eine Er- weiterung der therapeutischen Maß- nahmen um die Gabe von polyvalen- tem Antitoxin oder die Verwendung einer hyperbaren Oxygenation kann nur im Einzelfall entschieden werden.

Literatur beim Verfasser

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Max Naber Chirurgische Klinik der Städtischen Krankenanstalten Winterberg

6600 Saarbrücken

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