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Archiv "Probleme des Kalzium- und Knochenstoffwechsels" (19.09.1974)

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Academic year: 2022

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Aktuelle Medizin

In der täglichen Arbeit müssen sich Allgemeinärzte und Spezialisten immer wieder mit Problemen des Knochen- und Kalziumstoffwech- sels auseinandersetzen. Die in den letzten Jahren gewonnenen Er- kenntnisse haben nun dazu geführt, daß die bisherigen, in den meisten Lehrbüchern vertretenen Ansichten überholt sind. Dort heißt es etwa:

0 Die Einlagerung von Kalzium und Phosphat in das Knochenge- webe wird hauptsächlich vom Kal- zium-Phosphat-Produkt des Se- rums beherrscht.

Die Zufuhr von Kalzium über den Darm ist ein Vitamin-D-abhän- giger Vorgang. Die Hauptaufgabe von Vitamin D wäre, dem kalzium- hungrigen Skelett Kalzium zuzufüh- ren. Der Hauptwirkungsort von Vit- amin D wäre der Darm. Bei Vit- amin-D-Mangel vermindert sich die Darmresorption von Kalzium: hier-

aus resultiert ein Kalziummangel im Skelettsystem. Es entsteht eine Osteomalazie.

® Die Konstanz des Blutkalzium- spiegels wird durch Parathormon und Kalzitonin') reguliert. Parathor- mon aktiviert die Osteoklasten und führt zu einem höheren Knochen- abbau. Kalzitonin wirkt als Antago- nist des Parathormons. Der Blut- und Kalziumspiegel wird also im wesentlichen über An- und Abbau- vorgänge des Skelettsystems regu- liert.

Drei Hypothesen zur Gewebsverkalkung

Von den drei Hypothesen über den Gewebsverkalkungsvorgang ist ') Kalzitonin = Thyreokalzitonin; von spezi-

fischen Zellen der Schilddrüse gebildetes Hormon, senkt den Kalziumspiegel im Blut. Kalzitonin wirkt antagonistisch zum Parathormon.

IN KÜRZE

Therapie

Die Appendektomie beim alten Pa- tienten muß meist so schnell vor- genommen werden, daß für eine längere präoperative Behandlung nur wenig Zeit bleibt. Die hohe Le- talitätsrate läßt sich dennoch sen- ken, wenn man vier Kautelen be- achtet. In der kurzen Zeit vor dem Eingriff sollte man die Kranken di- gitalisieren und ihren Kreislauf auf- füllen. Ferner sind bakteriologische Abstriche aus Rachen- und Bauch- höhle erforderlich, damit eine not- wendig werdende antibiotische Therapie gezielt durchgeführt wer- den kann. Funktion von Leber und Nieren sind nach dem Eingriff zu kontrollieren, indem man die Blut-Serum-Werte und die Urinaus- scheidung bestimmt. Defizite sind per infusionem auszugleichen.

Schließlich müssen alte Patienten, die appendektomiert wurden, früh mobilisiert werden. Pneumonien und Thrombosen ist medikamentös vorzubeugen. cb (Prokscha, W. et al.: Med. Klin. 69 [1974] 996-998

Für die Abtragung von Magenpoly- pen bedient man sich immer mehr flexibler Endoskope, die mit zu- sätzlichen Geräten — etwa einer Diathermieschlinge — versehen sind. Die endoskopische Polypek- tomie erweist sich insbesondere dann als einfaches Verfahren, wenn die Polypen gestielt sind.

Ohne daß man den Patienten Risi- ken aussetzt, läßt sich mit dieser Methode Material für die histologi- sche Analyse gewinnen. Dank der endoskopischen Polypektomie sind in solchen Fällen Lahaparotomie und Gastrotomie nicht mehr erfor- derlich. Mit Biopsiezangen oder speziellen Greifgeräten können auch Fremdkörper aus der Speise- röhre und aus dem Magen ohne operativen Eingriff entfernt werden.

„Zieht" man nach Magenoperatio- nen die Fäden endoskopisch, hei- len durch Fäden hervorgerufene Ulzera und Granulome rasch ab. cb (Wiedl, H. J. et al.: Med. Klin. 69 [1974] 983-987)

KOMPENDIUM

Probleme des Kalzium-

und Knochenstoffwechsels

Günther Wilhelm

Aus der Abteilung für metabolische Störungen (Leiter: Professor Dr. med. Günther Wilhelm) der Universitäts-Kinderklinik Frankfurt am Main

Ein beträchtlicher Anteil des Kalziumphosphats im Knochen liegt in amorpher Form vor. Das amorphe Kalziumphosphat wird von den spezifischen Zellen des Skelettsystems angereichert. Diese Anrei- cherung ist von Vitamin D abhängig. Sie fehlt bei der Vitamin-D- Mangelrachitis. Der Blutkalziumspiegel wird über den amorphen Kalziumphosphat-Pool reguliert. Die vom Knochen über den extra- zellulären Raum zum Knochen umlaufende Ca-Menge ist erheblich größer als die Abbaurate und Darmresorption. Aus diesem Grund ist Vitamin D für die Verschieblichkeit von Kalzium zu verkalkungsbe- reiten Gebieten unerläßlich. Parathormon, Kalzitonin und Phospha- tionen wirken über die spezifischen Zellen und den amorphen Kal- zium-Phosphat-Pool steuernd auf den Serum-Kalziumspiegel.

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Abbildung 1: Ruhende Knorpelzellen; elektronenoptische Aufnahme. Die Einbettung erfolgte bei allen elektronenoptischen Aufnahmen mit einem Mischpolymerisat aus Acrylamid und Vinylpyrrolidon ohne Fixation. Die Präparate geben deshalb die wahren Absorptionsverhältnisse für Elektronen wieder. Die ruhenden Knorpelzellen zeigen gegenüber der Grundsubstanz keinen Absorptionsunterschied e) — Abbildung 2: Übergangruhender Knorpelzellen-Proliferationszone. Die proliferierenden Knorpelzellen zeigen die Anreicherung einer Substanz mit hohem Absorptionsvermögen

heute nur mehr die letzte aufrecht- zuerhalten.

Robinson'sche Hypothese

Die Robinson'sche Hypothese ging von der Voraussetzung aus, daß eine lokale Anhebung des Kalzium- Phosphat-Produkts zum spontanen Ausfall von Knochenmineral führe.

Die lokale Anhebung des Produkts würde durch die alkalische Phos- phatase bewirkt, die aus Phospha- testern Phosphat freisetzt.

Diese heute noch überwiegend ver- tretene Hypothese kann nicht stim- men, weil die hierzu erforderliche Anhebung des Phosphatwertes um das Dreifache schon aus Substrat- mangel nicht möglich ist. Die Pro-

duktion der alkalischen Phosphata- se wird neben anderen Faktoren vom Phosphatspiegel gesteuert.

Nach der Robinson'schen Hypothe- se wurde die Erhöhung der alkali- schen Phosphatase bei Rachitis als Zeichen einer erhöhten Osteobla- stentätigkeit gedeutet. In den letz- ten Jahren wurde nun gefunden, daß die Synthese von alkalischer Phosphatase sowohl bei Bakterien als auch in tierischen und mensch- lichen Zellen vom anorganischen Phosphatwert abhängig ist. Bei niedrigem anorganischen Phos- phatwert steigt die Synthese hoch an, umgekehrt wird sie bei steigen- den anorganischen Phosphatwer- ten zunehmend gehemmt. Anorga- nisches Phosphat wird deshalb als Korepressor für die Synthese der alkalischen Phosphatase bezeich-

net. Danach müßte bei Rachitis mit ihren charakteristisch erniedrigten Phosphatwerten die alkalische Phosphataseproduktion in allen phosphatasebildenden Zellen er- höht sein. Tatsächlich konnten wir dies für die Nieren, den Darm und die Leukozytenphosphatase nach- weisen. Die Erhöhung bei der Ra- chitis hat also nichts mit erhöhter Osteoblastentätigkeit zu tun; sie ist vielmehr durch den erniedrigten Phosphatspiegel bedingt.

2) Bei den Abbildungen 1 bis 6 handelt es sich um elektronenoptische Aufnahmen.

Da das Gewebe nicht mit Osmiumsäure beziehungsweise Phosphorwolframsäure präpariert wurde, sind die Kontraste ge- ringer. Die Bilder sind hierdurch „flauer"

und weisen nicht die sonst übliche

„Schärfe" auf. Wahre Absorptionsunter- schiede sind aber nur ohne eine solche Präparation aufzufinden.

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Aktuelle Medizin Kalziumstoffwechsel

Abbildung 3: Säulenknorpelzone. Die Anreicherung der Substanz mit hohem Absorptionsvermögen hat sich verstärkt. Die Substanz liegt in granulärer Form vor — Abbildung 4: Blasenknorpelzone. Die Anreicherung der Substanz hat sich weiter verstärkt

Hypothese von Fleisch

Nach der von Fleisch aufgestellten Hypothese sollen die kollagenen Fibrillen durch organische Pyro- phosphate vor der Verkalkung ge- schützt sein. Eine spezifische Pyro- phosphatase soll diesen Schutz be- seitigen und die Verkalkung einlei- ten. Da die Pyrophosphatasen im Organismus weit verbreitet sind, ergeben sich ähnliche Schwierig- keiten wie bei der Robinson'schen Hypothese. Warum nur das Skelett- system physiologisch verkalkt, nicht aber auch andere Bindege- websstrukturen, bleibt offen.

Neueste Hypothese

Bisher nahm man an, daß nahezu das gesamte Knochenmineral in Form von Hydroxylapatit kristalli- siert vorliegt. In neuerer Zeit kann-

te aber gezeigt werden, daß 30 bis 40 Prozent des Minerals in Form von amorphem Kalziumphosphat vorhanden ist. Der amorphe Anteil ist beim Kind höher als beim Er- wachsenen. Das physiologische Kalzium-Phosphat-Produkt des Se- rums und der extrazellulären Flüs- sigkeit ist zu niedrig, um eine spon- tane Füllung von amorphem KaI- ziumphosphat zu ermöglichen. Es müssen also Anreicherungsvorgän- ge ablaufen, die energieverbrau- chend sind. Solche Prozesse sind jedoch immer an spezifische Zellei- stungen gebunden. Hiermit rücken die spezifischen Zellsysteme des Knochens in den Mittelpunkt des Interesses.

Auf Grund unserer Ergebnisse ha- ben wir bereits 1955 auf die spezifi- sche Beteiligung der Zellen hinge- wiesen. In den prolieferierenden Knorpelzellen der Wachstumszo-

nen reichert sich eine Substanz, die Phosphat enthält, an. Die Anrei- cherung verstärkt sich gegen die präparatorische Verkalkungszone hin. Bei Rachitis fehlt diese Sub- stanz. Verschiedene Autoren stell- ten fest, daß es sich bei dieser Substanz um amorphes Kalzium- phosphat handelt, das auch Osteo- zyten und Osteoblasten anreichern.

Die Osteozyten haben sich als die stoffwechselaktivsten Zellen des Skelettsystems erwiesen. Die spe- zifischen Zellsysteme reichern also Kalzium und Phosphat an und stel- len es zur Mineralisation des Kno- chens zur Verfügung.

Danach kann man das Kalzium- Phosphat-Produkt der extrazellulä- ren Flüssigkeit nicht mehr als die ausschlaggebende Größe für die Skelettverkalkung betrachten. Es er- hebt sich vielmehr die Frage, wel- chen Einfluß diese zellulären Vor-

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gänge auf den Blutkalziumspiegel haben und welche Regulationsfak- toren für die Bildung von amor- phem Kalziumphosphat in den spe- zifischen Zellsystemen verantwort- lich sind. Bei Vitamin-D-Mangelra- chitis fehlt amorphes Kalziumphos- phat in der Zelle. Sie kann ihre Funktion nur ausüben, wenn sie über genügend Vitamin D verfügt.

Molekularbiologische Wirkung von Vitamin

D

In

den letzten Jahren wurde ent- deckt, daß Vitamin D im Organis- mus durch spezifische enzymati- sche Umwandlungen in wirksame Folgeprodukte, wie das 25-Hydro- xycholecalciferol und das 1,25-Hy- droxycholecalciferol, umgewandelt wird. Vitamin D ist also nur das

„Rohprodukt", nicht aber die wirk- same Substanz. Die aus Vitamin D gebildeten Faktoren werden über die Beeinflussung der geneti- schen Substanz wirksam. Es wer- den hierdurch spezifische Informa- tionen freigesetzt. Da die Informa- tion für eine bestimmte Zelleistung

Abbildung 5 (oben): Präparatorische Verkalkungszone. Rund um die Knor- pelzellen tritt Knochenmineral auf. Die Substanz scheint in Auflösung. Elektro- nenbeugungsaufnahmen zeigen in der Zelle keine kristallinen Strukturen, au- ßerhalb der Zelle das typische Dia- gramm von Hydroxylapatit

Abbildung 6 (Mitte): Rachitische Bla- senknorpelzone. Die elektronenabsor- bierende Substanz ist fast völlig verlo- rengegangen. Extrazelluläre Verkal- kungsvorgänge sind nicht zu beobach- ten

Abbildung 7 (unten): Röntgenaufnahme (Röntgennegativ) einer Epiphysenfuge von normalen Jungratten. 1000 Volt Röhrenspannung, 153mal vergrößert.

Deutliche Speicherung einer hochab- sorbierbaren Substanz im proliferieren- den Knorpel, insbesondere in den Bla- senknorpelzellen 3)

3) Bei den Abbildungen 7 und 8 handelt es sich um mikroradiographische Kontakt- aufnahmen. Das Filmbild wurde 153mal vergrößert.

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Aktuelle Medizin

Kalziumstoffwechsel

in der DNS in Form eines Kodes enthalten ist, entscheidet die Übersetzung oder Transkription über die Verifizierung, die schließ- lich in einer bestimmten Zellei- stung sichtbar wird. In diesen Vor- gang greift wahrscheinlich Vitamin D in spezifischer Weise ein.

Denselben Wirkungsmechanismus nimmt man heute für die Ste- roidhormone an. Vitamin D wä- re wegen seines Wirkungsmecha- nismus ihnen zuzuordnen; von Vi- taminen, die Kofaktoren für Enzy- me darstellen, würde es sich radi- kal unterscheiden. Die Eigen- schaft, an bestimmten Zielzellen unterschiedliche Wirkung hervor- zurufen, wie beispielsweise in Zel- len des Dünndarms ein kalzium- transportierendes Protein zu pro- duzieren oder in der Knorpelzelle amorphes Kalziumphosphat zu bil- den, läßt sich ebenfalls mit den Wirkungen von Steroidhormonen vergleichen, die an verschiedenen Zielzellen zu unterschiedlichen Endwirkungen führen; ein gutes Beispiel hierfür ist Testosteron.

Grundvoraussetzung für die Bil- dung von amorphem Kalziumpho- sphat, und damit des Mineralisa- tionsvorgangs, ist die Anwesenheit von Vitamin D bzw. seiner Folge- produkte in den spezifischen Zel- len des Skelettsystems. Damit sind das Kalzium-Phosphat-Produkt der extrazellulären Flüssigkeit und die Resorption von Kalzium im Darm weniger wichtig. Dieser Prozeß ist an eine spezifische Zelleistung ge- bunden.

Die Frage, warum nur das Skelett- system und nicht auch die übrigen Bindegewebe physiologisch verkal- ken, kann nur beantwortet werden, wenn geklärt ist, ob Vitamin D die Fähigkeit besitzt, bei Überdosie- rung auch andere Zellsysteme des Bindegewebes zur Bildung von amorphem Kalziumphosphat zu veranlassen. Man weiß, daß patho- logische

Verkalkungen außerhalb des Skelettsystems, die durch Vit- amin-D-Überdosierung hervorgeru- fen werden, nicht, wie meist ange- nommen, durch eine Hyperkalz- ämie bedingt sind. Derartige Verkal-

Abbildung 9: Epiphysenfuge einer rachitischen Jungratte nach Vitamin-D-Gabe.

Färbung: modifizierte Gomori-Reaktion nach Ebel. Die neu aufgetretene präparato- rische Verkalkungszone ist deutlich zu sehen. Die Zellen der neu gebildeten Prolife- rationszone zeigen intrazellulär eine deutliche Anfärbung. Die unterhalb der präpa- ratorischen Verkalkungszone liegenden rachitischen Blasenknorpelzellen färben sich nicht an

Abbildung 8:

Röntgenaufnahme (Röntgennegativ) einer Epiphysen- fuge von rachiti- schen Jungratten.

1000 Volt Röhren- spannung, 153 mal vergrößert.

Weitgehender Verlust der hoch- absorbierenden Substanz. Aus- bleiben der Ver- kalkung

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Abbildungen 10 a — f (linke Reihe a — c, rechte Reihe d — f) Heilende Rachitis nach Vitamin-D-Gabe (modifizierte Gomori- Reaktion nach Ebel). Die Bilder zeigen Ausschnitte aus der Epiphysenfuge. Auf der Abbildung b ist die neu aufgetretene präparatorische Verkalkungszone gut sichtbar. Die oberhalb der präparatorischen Verkalkungszone liegenden Zellen weisen eine deutliche Reaktion auf (a, b, d). Die unterhalb der präparatorischen Verkalkungszone liegenden rachitischen Bla- senknorpelzellen zeigen keine oder nur eine schwache Reaktion (c, e, f). Die Aufnahmen wurden bei den Abbildun- gen a, b, c 190 mal, bei d und e 480 mal und bei f 1200 malvergrößert.

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Abbildung 11:

Kalzium und Phosphat treten aus der extrazel- lulären Flüssig- keit in die Knor- pelzelle der Pro- liferationszone ein. 25-Hyd rxy- ch o lecal cifero I ist an der Frei- setzung von

spezifischer In- formation aus der DNS betei- ligt. Hierbei wird eine spezifische Messenger oder Boten RNS (mRNS) gebildet, die im Bereich der Ribosomen zur Bildung von spezifischen Proteinen (zum Beispiel Enzy- men) führt, die auf bisher unbe- kanntem Weg 25 NCC

schließlich die

Anreicherung von amorphem Kalziumphosphat bewirken; amorphes Kal- ziumphosphat wird an der Mineralisationsfront ausgeschieden. Hier erfolgt auf bisher ebenfalls unbekanntem Weg die Umwandlung in kristallines Mi- neral.

BLASENKNORPELZELLE

PRÄPARATORISCHE VERKALKUNG Ca**

Aktuelle Medizin Kalziumstoffwechsel

kungen treten unter Überdosierung von Vitamin D auch dann auf, wenn die Nebenschilddrüsen, der Bil- dungsort des Parathormons, ent- fernt wurden und der Serum-Kal- zium-Spiegel normal ist. Bei Vit- amin-D-Intoxikation sind die Verkal- kungen im Gefäßsystem und in den Nieren folglich nicht primär durch den erhöhten Blutkalziumspiegel bedingt. Hiermit wird es aber frag- lich, ob die Höhe des Kalziumge- haltes in Serum und Urin alleiniger Maßstab für die Gefährdung eines Patienten ist.

In vitro haben wir in Fibroblasten- kulturen festgestellt, daß hohe Vit- amin-D-Dosen zur Bildung von amorphem Kalziumphosphat füh- ren. Der Einwand, es handele sich hier um toxische und nicht um spe- zifische Wirkungen, erscheint uns unwahrscheinlich. Die Quantität des gebildeten Kalziumphosphats in der Zelle wird außer von Vitamin D vor allem von Parathormon, Kal- zitonin und Phosphat beeinflußt.

Parathormon steigert die Aufnahme von Kalzium in den spezifischen Zellen. Hierdurch wird nicht nur der amorphe Kalzium-Phosphat- Pool vergrößert, sondern gleichzei- tig auch die Abgabemöglichkeit von Kalzium an die Blutbahn er- höht. Letztere ist wiederum von der Größe des Pools abhängig. Das hierzu benötigte Kalzium stammt aus dem Knochen.

Kalzitonin und Phosphationen hem- men die Abgabe von Kalzium aus dem Kalzium-Phosphat-Pool der Zelle. Es kommt hierdurch zur Sen- kung des Blutkalziumspiegels. Die synergistische Wirkung von Kalzi- tonin und Phosphationen ist gut bekannt. Dieser Prozeß macht den raschen Abfall des Kalziumspiegels bei steigendem Phosphatwert, wie man ihn von der rachitogenen Te- tanie her kennt, verständlich.

Regulation

des Serum-Kalziumspiegels

Bisher nahm man an, daß diese Re- gulation im wesentlichen an An-

und Abbauvorgänge von kristalli- nem Material im Knochen und an die Höhe der Darmresorption ge- bunden sei. Daß dies nicht stimmen kann, zeigt eine kleine Rechnung:

Die genauen Daten von Knochen- umbau und Darmresorption sind bekannt. Erwachsene resorbieren stündlich fünf bis zehn Milligramm Kalzium im Darm; die gleiche Men- ge wird durch Abbauprozesse ver- fügbar. In derselben Größenord- nung liegt der Neuanbau von kri- stallinem Material. Sinkt der Se- rum-Kalziumspiegel um 1 mg% in einer Stunde, verschwinden unge- fähr 200 Milligramm Kalzium aus dem extrazellulären Raum; hiervon würden höchstens zehn bis zwan- zig Milligramm auf eine komplette Stillegung der Darm- und Knochen- resorption entfallen. Aus Messun- gen mit 47Ca am Ganzkörperzähler weiß man aber, daß Aufnahme und Abgabe von 47 Ca im Skelettsystem

sehr rasch verlaufende Vorgänge sind.

Diese Prozesse können nicht über den kristallinen Anteil laufen. Sie sind hauptsächlich an den amor- phen Anteil gebunden. Eine Ober- schlagsrechnung ergibt, daß beim erwachsenen Menschen rund 200 Mil- ligramm Kalzium pro Stunde über den extrazellulären Raum von Kno- chen zu Knochen verschoben wer- den. Die Regulation des Blutkal- ziumspiegels ist primär eine Funk- tion dieses Vorgangs, aber damit auch eine des amorphen Kalzium- Phosphat-Pools und seiner Regula- tion. Der Serum-Kalziumspiegel muß wegen der vielfältigen Wir- kung der Kalziumionen konstant gehalten werden. Aus der Regel- technik ist bekannt, daß die Kon- stanterhaltung eines Wertes um so besser gewährleistet ist, je größer die Durchflußmenge in der Zeitein- heit ist. Das heißt, die hohe Fluß-

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05TEOZYT

MINERALISATIOHSFRONT

Abbildung 12: Der Vorgang der Bildung von amorphem Kalziumphosphat verläuft unter dem Einfluß von Vitamin D wie bei der Knorpelzelle. Kalzium und Phosphationen werden aus dem perilakunären Raum von der Zelle auf- genommen und in diesen Raum abgegeben. An der Mineralisationsfront wird amorphes Kalziumphosphat ausgeschieden und zum Teil in kristallines Mineral überführt. Parathormon steigert die Kalzium-Aufnahme der Zelle.

Kalzitonin und Phosphationen blockieren die Abgabe von Kalziumionen aus der Zelle

menge von Kalzium durch den ex- trazellulären Raum begünstigt die genaue Regulation des Serum-Kal- ziumspiegels.

Die Vorstellung vom stoffwechsel- trägen statischen Skelettsystem muß aufgegeben werden. Dieses System ist ständig wechselnden Leistungsanforderungen ausge- setzt und damit zur raschen Anpas- sung gezwungen.

Die hohe Verschieblichkeit von Kalzium gewährleistet, daß ständig genügend Mineral an die Bedarfs- stellen gelangt. Diese Prozesse sind besonders für den wachsen- den Organismus von größter Be- deutung. Bei rachitischen Säuglin- gen, die kalziumfrei ernährt wur- den, konnte gezeigt werden, daß nach Vitamin-D-Gabe Heilungspro- zesse im Sinn einer erhöhten Mine- raleinlagerung in den Wachstumszo- nen eintraten. Kalzium muß also von anderen Knochenpartien zu

den jetzt hochverkalkungsbereiten präparatorischen Verkalkungszo- nen verschoben worden sein. Da- durch erklärt sich der gegenüber Erwachsenen erhöhte Anteil an amorphem Kalziumphosphat beim Kind. Es muß für die sich ständig wandelnden Ansprüche des wach- senden Skelettsystems ständig über rasch verschiebliches Kalzium ver- fügen können. Da Vitamin D die Grundvoraussetzung für die Bil- dung von amorphem Kalziumphos- phat darstellt, hängt auch der Vit- amin-D-Bedarf von der Wachs- tumsgeschwindigkeit ab. Da Kno- chenkalzium durch Vitamin D be- weglicher wird, ist das Vitamin D zu einem wesentlichen Faktor für die Ausbildung der Skelettfunktion geworden. Deshalb kann auch die Nahrungszufuhr an Kalzium in wei- ten Grenzen schwanken, ohne daß es sich bei genügender Vitamin-D- Zufuhr auf das Skelettsystem aus- wirken kann. Bei uns wird der Kal- ziumbedarf des gesunden Kindes

mit jeder landläufigen Ernährung sichergestellt. Die zusätzliche Ver- abreichung von Kalziumpräparaten ist unnütz. Allerdings muß eine ausreichende Vitamin-D-Versor- gung unbedingt gewährleistet sein.

Die Größe des amorphen Kalzium- Phosphat-Pools sinkt im Alter ab und damit die Möglichkeit zu ra- schen Funktionsanpassungen. Die Gründe hierfür sind noch unbe- kannt. Wahrscheinlich spielen da- bei andere Faktoren, die nicht mit dem Vitamin D zusammenhängen, eine Rolle. Erst wenn man die Re- gulationsfaktoren für den amor- phen Kalzium-Phosphat-Pool ein- schließlich der Faktoren, die den Übergang von amorphem zu kri- stallinem Mineral beherrschen, nä- her kennt, werden diese Fragen ge- klärt werden können.

Diese neuen Vorstellungen sind zu- gleich ein Beispiel für einen Struk- turwandel unseres pathophysiolo- gischen Denkens. Die ursprünglich vorwiegend morphologische Be- trachtungsweise führte nicht zum Verständnis der physiologischen Abläufe. Das Auffinden von zahlrei- chen humoralen Veränderungen brachte in der Folgezeit eine Über- bewertung der Humoralpatholo- gie.

Man deutete vielfach die Pathoge- nese von humoralen Veränderungen aus. Mit den durch die molekulare Biologie erarbeiteten Erkenntnis- sen kehren wir wieder zur Zelle zu- rück. Alle humoralen Veränderun- gen sind schließlich Indikatoren für zelluläre Leistungen.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. G. Wilhelm 6 Frankfurt am Main

Ludwig-Rehn-Straße 14

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