Deutsches Ärzteblatt
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Heft 46|
14. November 2014 A 1993F
ür Robin Charlotte Rätz steht fest: Sie möchte sich nach ih- rer Facharztweiterbildung nieder- lassen. „Während meiner früheren Tätigkeit als medizinische Fachan- gestellte in einer Praxis habe ich die Vorzüge des ambulanten Arbeitens kennengelernt“, berichtete die Ber- liner Medizinstudentin beim Info- tag der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung (KBV) „Fit für die Pra- xis?“ am 4. November an der Chari- té – Universitätsmedizin Berlin.Selbstbestimmt in ihrer Arbeits- einteilung und doch gleichzeitig im Austausch mit Kollegen möchte die junge Mutter, die gerade ihr zweites Kind erwartet, später ärztlich tätig sein. „Als niedergelassene Ärztin habe ich diese Möglichkeiten, gute
Berufsperspektiven und keine Hie- rarchien“, resümierte sie. Mit gro- ßem Engagement beteiligte sie sich deshalb an der Nachwuchskampa- gne der KBV und der 17 Kassen- ärztlichen Vereinigungen „Lass dich nieder!“ und war auf so man- chem Großflächenplakat zu sehen.
Unter dem Slogan: „Doktor wer- den. Mami bleiben.“ wies sie auf die guten Möglichkeiten im ambu- lanten Bereich hin, Beruf und Kin- derbetreuung zu vereinbaren.
„Die Niederlassung bietet deut- lich mehr Freiheiten als die Arbeit in der Klinik“, bestätigte Dr. med.
Andreas Gassen, Vorstandsvorsit- zender der KBV. Ziel der Kampa- gne und des dazugehörigen, erst- mals ausgerichteten Infotages sei
es, künftige Ärztinnen und Ärzte über die Arbeit in einer eigenen Praxis zu informieren und Vorurtei- le auszuräumen. „Wir wollen mög- lichst viele Optionen aufzeigen und Freiheitsgrade schaffen. Dann müs- sen die jungen Kollegen selbst ent- scheiden, welchen beruflichen Weg sie gehen“, sagte er. Ihre Fragen zu den verschiedenen Möglichkeiten der ärztlichen Berufsausübung im ambulanten Bereich, zu Gründung und Finanzierung einer eigenen Praxis oder zur Anstellung in einer Praxis konnten die Medizinstudie- renden beim Infotag stellen. Viele nutzten auch das „Niederlassungs - café“, um sich mit niedergelassenen Ärzten und Beratern direkt auszu- tauschen.
Ein offenes Ohr für die Sorgen und Wünsche der Medizinstudie- renden hatte auch Bundesgesund- heitsminister Hermann Gröhe (CDU). Die Bundesregierung wolle gute Rahmenbedingungen sowohl für das Medizinstudium als auch für eine künftige ärztliche Tätigkeit schaffen, versprach er bei der Eröff- nung des KBV-Infotages. „Wir wol- len hinhören, wie Sie sich diese vorstellen“, betonte der Minister und Vater von vier Kindern. Der Arztberuf und die jungen Men- schen, die sich dafür entschieden, hätten seine hohe Wertschätzung:
„Die persönliche Zuwendung und das fachliche Können der Ärzte sind auch durch immer größere Fortschritte in der Technik nicht zu ersetzen.“
KBV-NACHWUCHSKAMPAGNE
Fit für die Praxis
Medizinstudierende informierten sich über die Möglichkeiten einer künftigen Niederlassung. Eröffnet wurde der erstmals von der KBV veranstaltete Infotag in Berlin vom Bundesgesundheitsminister.
Gute Bedingun- gen für Studium und Beruf ver- sprach Bundesge- sundheitsminister Hermann Gröhe.
Der Diskussion mit den Studie- renden stellten sich Regina Feld- mann (li.) und An- dreas Gassen (Mit- te) auf dem Podium und im Niederlas- sungscafé (re.).
Fotos: Georg J. Lopata
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14. November 2014 Gleichzeitig verwies Gröhe auflaufende Gespräche seines Hauses mit der Bundesvertretung der Me - dizinstudierenden in Deutschland (bvmd). Ein Runder Tisch befasse sich mit den Möglichkeiten einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Einige Ziele seien be- reits erreicht: die Möglichkeit einer Aus- und Weiterbildung in Teilzeit oder der Fall der Residenzpflicht für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte.
Prof. Dr. med. Adelheid Kuhl- mey, Prodekanin für Studium und Lehre an der Charité – Universitäts- medizin Berlin, betonte die An- strengungen der medizinischen Fa- kultäten, die Studierenden mög- lichst praxisnah auszubilden. „In vielen reformierten Studiengängen kommen die Studenten von Anfang an mit realen Patienten in Kontakt“, sagte sie. „Wir brauchen einen gu- ten Mix zwischen wissenschaftlich basierter Lehre und praxisnaher Ausbildung.“
Noch mehr Praxisanteile im Stu- dium forderte Dipl.-Med. Regina Feldmann, Vorstand der KBV: „Der Weg in die Niederlassung muss den Nachwuchsmedizinern bereits früh
im Studium aufgezeigt werden“, meinte sie. „Damit sie sich objektiv für eine Facharztweiterbildung ent- scheiden können, brauchen sie im Medizinstudium mehr Einblick in den ambulanten Bereich.“ Die Hausärztin setzt sich besonders für eine Förderung der Allgemeinmedi- zin ein. „Ländliche Regionen sind für die Studierenden von heute meist als Arbeitsort nicht interes- sant. Deshalb müssen wir die At- traktivität des Landarztes noch mehr stärken und die Studierenden frühzeitig im Studium mit dem Be- rufsbild vertraut machen“, sagte sie und plädierte für die Einführung ei- nes Pflichtabschnitts Allgemeinme- dizin im praktischen Jahr.
Antonius Ratte, Bundeskoordi- nator der Arbeitsgemeinschaft Me- dizinische Ausbildung der bvmd, lehnt einen obligatorischen Ab- schnitt in der Allgemeinmedizin je- doch ab. „Die Allgemeinmedizin im praktischen Jahr sollte freiwillig bleiben“, betonte der Medizinstu- dent. Auch die Pflichtabschnitte in der Chirurgie und in der Inneren Medizin seien nicht mehr zeitge- mäß. „Denkbar sind für uns frei wählbare Abschnitte in einem ope-
rativen und einem nicht-operativen Fach“, erklärte er. Die Medizinstu- dierenden seien vielseitig interes- siert. Ausschlaggebend für eine Entscheidung für einen Facharzt seien hauptsächlich die Rahmenbe- dingungen bei der Aus- und Weiter- bildung sowie bei der Arbeit.
Feldmann verwies auf die jüngs- te Studierenden-Befragung der KBV: Etwa die Hälfte der befrag- ten Medizinstudierenden hätte an- gegeben, generell in der ambulan- ten Versorgung arbeiten zu wollen.
Die meisten wünschten sich eine berufliche Tätigkeit mit direktem Kontakt zum Patienten und die Möglichkeit, ihr Wissen und Kön- nen umfangreich einsetzen zu kön- nen. Diese Nachwuchsmediziner gelte es für die Allgemeinmedizin zu begeistern, sagte sie. Dazu be- dürfe es jedoch gemeinsamer An- strengungen von Ärzteschaft und Politik.
Über die verschiedenen Nieder- lassungsmöglichkeiten und Bera- tungsangebote informieren können sich Studierende und junge Ärzte auch über das KBV-Portals www.
lass-dich-nieder.de
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Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann video.aerzteblatt.de
Familie und Beruf glaubt Medizinstu- dentin Robin Char- lotte Rätz (Berlin) am besten in der Niederlassung ver- einbaren zu können.
Hermann Gröhe über Nachwuchsmediziner Was Medizinstudierende erwarten . . . Niederlassung ist schön, weil . . .
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