• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Herz und Psyche: Ein verkannter prognostischer Marker" (17.03.2000)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Herz und Psyche: Ein verkannter prognostischer Marker" (17.03.2000)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A-680 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 11, 17. März 2000 on Kardiologen, die sich auf

das reibungslose Funktionie- ren des „Antriebsmotors“

Herz konzentrieren, wird die Bedeu- tung psychischer Störungen häufig unterschätzt. Das hängt möglicher- weise damit zusammen, dass zum ei- nen – besonders nach einem akuten Ereignis – Stimmungsschwankungen für eine normale und vorübergehen- de Reaktion gehalten werden und dass zum anderen sich

die Symptome von psy- chischer und organi- scher Störung wie Er- schöpfung, Müdigkeit, Leistungsschwäche oder Insomnie häufig über- lappen. Umgekehrt ver- mutet auch ein Psych- iater bei einem De- pressionskranken nicht primär ein kardiovas- kuläres Risiko. Doch die Wechselbeziehun- gen der beiden auf den ersten Blick nicht mit- einander verbundenen Funktionssysteme sind enger als bislang im kli- nischen Alltag berück- sichtigt.

Epidemiologische Langzeiter- hebungen an großen Bevölkerungs- kollektiven lassen erkennen, dass Patienten mit einer Depression ein etwa doppelt so hohes Risiko für ei- ne ischämische Herzerkrankung ha- ben wie psychisch gesunde Men- schen. Vermutungen, dass dies mit der höheren Prävalenz von Rau- chern unter den Depressiven zusam- menhinge, wurden inzwischen wi- derlegt.

Eine viereinhalbfach erhöhte Myokardinfarkt-Inzidenz wurde im Rahmen der „Baltimore Epidemiol- ogic Catchment Area Study“ doku- mentiert. In dieser wahrscheinlich

aktuellsten Untersuchung zu dieser Fragestellung hatte man auch 1 551 Depressionskranke – bei Studienein- schluss ohne kardiovaskuläre Dia- gnose – prospektiv über 13 Jahre nachverfolgt. Einen anderen Ansatz auf der Suche nach Zusammenhän- gen von Depression und kardiovas- kulären Komplikationen hat man am Albert Einstein College of Medicine in New York verfolgt.

Basis waren die Daten einer Krankenversicherung. Als Indiz für das Vorliegen einer Depression wur- de die Verordnung eines Antidepres- sivums gewertet. Das war im Zeit- raum zwischen 1991 und 1992 bei 2 505 von insgesamt 59 269 Patienten der Fall. In den darauf folgenden dreieinhalb Jahren traten in dieser Gruppe 2,7-mal häufiger tödliche und nicht tödliche Myokardinfarkte als im übrigen Kollektiv auf. Nach Ausschluss anderer Einflussfaktoren war die antidepressive Medikation ebenso prädiktiv für das Auftreten eines Myokardinfarkts wie die Ein- nahme von Antihypertensiva, die als

Marker für das Vorliegen eines Blut- hochdrucks gelten kann.

Nach einem akuten Myokardin- farkt leiden viele Patienten an de- pressiven Verstimmungszuständen.

In verschiedenen großen Untersu- chungen wurden Inzidenzen bis zu 65 Prozent dokumentiert. In der Mehrzahl der Fälle handelte es sich um eine vorübergehende Episode mit milder Symptomatik als Reakti- on auf das lebensbedro- hende Ereignis, in jedoch 16 bis 22 Prozent um eine Major Depression.

Koinzidenzen wur- den nicht nur nach Myo- kardinfarkt oder anderen akuten kardiovaskulären Ereignissen dokumentiert, sondern bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit generell. Auf der Basis der gegenwärtig zur Ver- fügung stehenden Daten müsse man davon ausge- hen, dass bei angiogra- phisch gesicherter Dia- gnose etwa ein Fünftel der Koronarkranken be- troffen ist, umriss Prof.

Liselotte Goedel-Meinen (München) beim 38. Bayerischen In- ternisten-Kongress die Größenord- nung des Problems.

Dass eine solche Koexistenz von erheblicher prognostischer Bedeu- tung ist, wird unter anderem durch zwei kanadische Studien belegt. Et- wa ein Drittel der Postinfarkt-Pati- enten litt an einer Depression (Score des Beck Depression Inventory

> 10). Innerhalb des ersten Jahres nach dem Ereignis war in dieser Grup- pe die kardiovaskulär bedingte Leta- lität etwa dreimal höher als bei den psychisch Gesunden (Tabelle).

Die Erforschung der pathophy- siologischen Zusammenhänge von

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Herz und Psyche

Ein verkannter prognostischer Marker

Biologische Interaktionen zwischen zentralem Nervensystem und

Herz-Kreislauf-System erklären epidemiologische und klinische Phänomene.

V

Ralf Brunner (DÄ) hat das Gemälde „Melancholie“ (1891) von Edvard Munch im Sinne dieses Artikels modifiziert. Das Original befindet sich im „Munchmuseet“ in Oslo.

(2)

Depression und kardiovaskulären Er- krankungen sowie ihrer Komplikatio- nen steht erst am Anfang. Als gesi- chert gilt heute, dass die Depression mit einer Überaktivität des Hypotha- lamus-Hypophysen-Nebennieren-Sy- stems assoziiert ist. Charakteristisches und messbares Kennzeichen ist die Kortisol- und ACTH-Hypersekreti- on. Aus dem therapeutischen Einsatz von Kortison ist bekannt, dass die hoch dosierte und langfristige Einnah- me zu Hypercholesterinämie und Hy- pertonie führt und die Wundheilung stört. Diese Faktoren begünstigen die Entstehung und Vulnerabilität athe- rosklerotischer Läsionen.

Eine Folge der neuroendokrinen Störungen ist eine Imbalance der au- tonomen Innervierung mit sympatho- adrenerger Überaktivität und erhöhter Katecholamin-Freisetzung – Mecha-

nismen, deren Bedeutung für zahlrei- che Störungen der kardialen und vas- kulären Funktionen belegt ist.

Einer der biologischen Marker, die sich als Beleg für diese Hypothe- sen heranziehen lassen, ist die vermin- derte Herzfrequenz-Variabilität als anerkannter prädiktiver Faktor für ei- ne elektrische Instabilität des Myo- kards und ein erhöhtes Risiko für den plötzlichen Herztod. Man konnte ver- schiedentlich nachweisen, dass bei koronarkranken Patienten mit Depres- sion häufiger die Herzfrequenz-Varia- bilität vermindert und die Herzfre- quenz erhöht ist als bei Herzkranken ohne Depression.

Es gibt auch Hinweise, dass sich Thrombozyten-Funktion in Abhän- gigkeit von verschiedenen Stim- mungszuständen verändert. Man hat in experimentellen Untersuchungen

herausgefunden, dass die Plätt- chenaktivität bei depressiven Patien- ten höher ist als bei psychisch gesun- den Probanden – unabhängig, ob bei den Vergleichskollektiven eine koro- nare Herzkrankheit vorlag oder nicht.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lasse sich nicht mit Sicherheit sagen, ob es sich bei den beobachteten Zusam- menhängen zwischen Herz und Psy- che um Korrelationen oder Kausalitä- ten handle, erklärte Goedel-Meinen.

Es fehlten bisher auch Daten dazu, ob sich durch die Behandlung einer Ma- jor Depression auch die kardiovas- kuläre Prognose verbessern lässt.

Erste Ergebnisse von Untersu- chungen einer Arbeitsgruppe am Zentralinstitut für Seelische Gesund- heit in Mannheim ergaben eine Normalisierung der erhöhten Plätt- chenaktivität unter der Behandlung mit einem selektiven Serotonin-Wiederauf- nahmehemmer. Mögli- cherweise gibt es auch kardioprotektive Sub- stanzen mit antide- pressiver Zusatzwir- kung. Vom theoreti- schen Ansatz sind N-3- Fettsäuren vielver- sprechende Kandida- ten. Erste Studien bei Depression sind ange- laufen, und vorläufige Daten weisen auf ei- nen positiven Effekt hin. Ob nach Myokardinfarkt eine routinemäßige – und gewissermaßen präventive – intensive psychosoziale und verhaltenstherapeutische Betreu- ung die Prognose verbessert, lässt sich ebenfalls noch nicht abschließend be- urteilen. Ergebnisse von Studien, in denen gezielt entsprechende Maß- nahmen randomisiert eingesetzt wur- den, sind nicht einheitlich.

In einigen Untersuchungen wur- den ein im Vergleich zur Kontrollgrup- pe insgesamt verbesserter gesundheit- licher Status, eine verminderte Rate kardiovaskulärer Ereignisse und eine geringere Sterblichkeit dokumentiert, in anderen ergab sich kein Nutzen oder – wie bei den weiblichen Teil- nehmern der kanadischen M-HART- Studie (Montreal Heart Attack Read- justment Trial) – ein gegenteiliger Effekt. Gabriele Blaeser-Kiel

Neue Broschüre zur Krebsprävention durch Ernährung

Zahlreiche wissenschaftliche Un- tersuchungen geben überzeugende Hinweise, dass die Ernährung einen wesentlichen Einfluss auf das Krebsri- siko nimmt und damit Chancen für die Prävention eröffnet. Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) hat des- halb gemeinsam mit dem World Can- cer Research Fund (WCRF) die Bro- schüre „Krebsprävention durch Ernährung – Forschung, Daten, Be- gründungen, Empfehlungen“ heraus- gegeben, die den Forschungsstand in kompakter Form darstellt.

Sie basiert auf dem Report

„Food, Nutrition and the Prevention of Cancer: a global perspective“, den der WCRF gemeinsam mit dem Amer- ican Institute for Cancer Research 1997 veröffentlicht hat. Ein Gremium international renommierter Wissen- schaftler aus acht Ländern hat hierin eine vergleichende Einschätzung un- terschiedlicher Befunderhebungen und Beweisführungen unternommen.

Auf der Basis von aktuellen Da- ten zur Häufigkeit von Krebserkran- kungen in Deutschland kann davon ausgegangen werden, dass zwischen 30 und 40 Prozent der Krebsfälle – das betrifft etwa 98 000 bis 133 000 Be- troffene pro Jahr – durch Ernährung, Sport und Gewichtskontrolle vermie- den werden könnten. Am Beispiel von Darm-, Magen- und Brustkrebs werden in der Broschüre mögliche Wirkmechanismen von Ernährungs- faktoren auf die Krebsentstehung be- schrieben. Der Report unterscheidet zwischen klar überzeugenden, wahr- scheinlichen und möglichen Zusam- menhängen zwischen Krebsrisiko und Ernährung.

Die Broschüre kann kostenlos angefordert werden beim: Deutschen Institut für Ernährungsforschung, Stichwort „Krebsbroschüre“, Arthur- Scheunert-Allee 114–116, 14588 Berg- holz-Rehbrücke, Fax 03 32 00/8 84 44, E-Mail: krebsinfo@www.dife.de. Ein vorbereitetes Anforderungsformular finden Sie im Internet unter www.

dife.de EB

A-681

P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 11, 17. März 2000 MEDIZINREPORT

Tabelle

Depression bei Postinfarkt-Patienten

Major keine

Depression Depression

Männer n = 157 n = 456

kardiovaskulär

bedingte Todesfälle 7,0 % 2,4 %

Frauen n = 133 n = 150

kardiovaskulär

bedingte Todesfälle 8,3 % 2,7 %

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Im Juni stimmen wir über zwei Initiativen ab, welche auch für uns Biobauern bei einem Ja einschneidende Auswirkungen haben werden.. Die «Pestizidinitiative» ist konsequent für alle

Wir sind auch mit jenen verbunden, die vom System des Friss oder Stirb.. derzeit noch an den letzten verbliebenen Fleischtöpfen den Luxus genießen, solange es

[r]

[r]

[r]

[r]

Pandemiebedingt zeichnete sich schon nach dem ersten Lockdown im März/April d. ab, dass die Marktgemeinde Theresienfeld, wie alle Gemeinden in Österreich, mit Min- dereinnahmen

• Der Grundsatz ein Kalb pro Kuh und Jahr ist nicht mehr zutreffend Die Milchkuh-Hochleistung am Limit. 100000 Liter Kühe einer