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Archiv "Nationalsozialismus: Erinnerung an verfolgte Ärzte" (18.08.2000)

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V A R I A

as Haus Werner-Voß- Damm 54a im Berliner Bezirk Tempelhof liegt, abseits des Durchgangsver- kehrs, inmitten eines lang ge- streckten Geländes, dessen ei- ne Längsseite an der General- Pape-Straße liegt. Nach dieser war früher der gesamte Kom- plex benannt; auch der nahe gelegene S-Bahnhof Pape- straße verdankt ihr seinen Na- men. Das Haus ist Teil einer alten Ka- sernenanlage, die En- de des 19. Jahrhun- derts im damals in Preußen typischen ro- ten Backsteinbau er- richtet wurde. In der Kaiserzeit waren dort zwei Eisenbahnregi- menter und eine Landwehrinspektion untergebracht. Von der ursprünglichen Bausubstanz ist etwa die Hälfte erhalten geblieben.

Heute wird das Gelände vielfältig ge- nutzt. In den alten Gebäuden sind über- wiegend gewerbliche Kleinbe- triebe untergebracht. Auch die für Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung zuständige Abteilung 2 des Robert Koch-Institutes (RKI) arbeitet hier. Zwischen den Gebäuden liegen Kleingärten.

Im Haus Werner-Voß-Damm 54a haben Ingenieure, Archi- tekten sowie Garten- und Landschaftsarchitekten ihre Büros.

Die Geschichte des Hau- ses war für die Öffentlichkeit lange Zeit nicht interessant.

Das änderte sich 1992, als durch den Hinweis eines Zeit- zeugen wieder bekannt wur- de, dass sich 1933 im Keller des Hauses ein Gefängnis der SA befunden hatte, das sei-

nerzeit eine der berüchtigtsten Folterstätten in Berlin war.

Die Existenz einer solchen Folterstätte auf dem ehemali- gen Kasernengelände war in der Nachkriegszeit zwar be- kannt gewesen, dann aber in Vergessenheit geraten.

Nach der Wiederentdek- kung des Kellers kam auch der Zusammenhang mit den damaligen politischen Ver-

hältnissen in Berlin wieder ins Bewusstsein. Im März 1933 war die Feldpolizei, eine be- sondere Einheit der SA- Gruppe Berlin-Brandenburg, in einzelne Gebäude des Ka- sernengeländes eingezogen und hatte hier ein Gefängnis eingerichtet, in das Gegner des Nationalsozialismus, dar- unter bedeutende Persönlich- keiten aus Politik, Wissen- schaft und Kultur, aus allen Teilen Berlins eingeliefert wurden. Im Keller wurden die Gefangenen misshandelt, ge- foltert und in einigen Fällen ermordet. In das Gefängnis,

das von März bis Dezember 1933 bestand und in dem min- destens 2 000 Menschen inhaf- tiert waren, wurden auch Ge- sundheitspolitiker und mehre- re bekannte jüdische Ärzte eingeliefert.

Heute gibt es im Keller nur noch eine einzige originale Spur jener furchtbaren Zeit:

An einer Kellerwand ist eine Bleistiftzeichnung mit dem

Profil eines Kopfes zu sehen, der der Name eines Gefange- nen in lateinischer und hebräi- scher Schrift hinzugefügt ist.

Diese winzige Spur wird durch eine Gedenktafel verstärkt, die in den letzten Jahren zu- sätzlich angebracht worden ist.

Die in der General-Pape- Straße arbeitenden Mitarbei- ter der RKI waren plötzlich mit der Tatsache konfrontiert, dass im unmittelbaren Umfeld ihrer Arbeit Verbrechen an Menschen verübt worden wa- ren, die sich für die Gesund- heit ihrer Mitmenschen einge-

setzt hatten, so wie sie selbst zwei Generationen später. Ei- nige von ihnen beschäftigten sich daraufhin intensiver mit den Schicksalen der Opfer.

Bald erstreckte sich das Inter- esse auch auf verfolgte Ärzte an anderen Orten Berlins, bei- spielsweise im Krankenhaus Moabit. Hieraus entwickelte eine Mitarbeiterin der Verwal- tung Idee und Konzeption ei- ner Ausstellung über „Ver- folgte Ärzte im Nationalsozia- lismus“, die in den Räumen des RKI gezeigt werden sollte.

Den medizinhistorischen Ama- teuren gelang es, für ihr Vor- haben die Unterstützung so- wohl des Präsidenten des RKI als auch eines Medizinhistori- kers zu gewinnen. Gleichwohl blieb das Unternehmen eine Privatinitiative. Re- cherchen und alle an- deren Vorbereitun- gen fanden in der Freizeit statt.

In der im Juni 1999 eröffneten Aus- stellung werden dem Besucher neben der Geschichte des SA- Gefängnisses Gene- ral-Pape-Straße ex- emplarisch die Le- bensläufe einiger ver- folgter Ärzte und Gesundheitspolitiker nahe gebracht, die in der Weimarer Repu- blik Ansätze einer damals neuartigen Sozialmedizin ver- wirklichten. Es sind die Schicksale von Lydia Rabino- witsch-Kempner, Fritz Frän- kel, Arno Philippsthal, Erich Simenauer, Kurt Goldstein, Max Leffkowitz und Max Ebel. Josef Kloppenborg

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A2180 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 33½½½½18. August 2000

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Nationalsozialismus

Erinnerung an verfolgte Ärzte

Eine Ausstellung im Robert Koch-Institut informiert über das frühere SA-Gefängnis in der General-Pape-Straße.

Die Ausstellung „Verfolg- te Ärzte im Nationalsozia- lismus“ ist als Daueraus- stellung angelegt und wei- terhin in den Räumen des RKI, General-Pape- Straße 62 (etwa auf halber Strecke zwischen S-Bahn- hof und Dudenstraße), 12101 Berlin (Tempelhof), montags bis freitags von 9 bis 15 Uhr zu besichtigen.

Haus Werner-Voß-Damm 54 a (früher: General-Pape-Straße) in

Berlin-Tempelhof. In den Kellern des Hauses befand sich 1933 ein SA-Ge- fängnis.

Foto: RKI

Geschichte

Referenzen

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