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Archiv "Brustabszess nach Brustwarzenpiercing: Übersicht publizierter Fallberichte und Forderung nach gesundheitspolitischen Konsequenzen" (21.02.2003)

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M E D I Z I N

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A484 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 821. Februar 2003

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rustwarzenpiercing hat in den letz- ten Jahren – unterstützt durch Leitfiguren aus Medien, Pop- und Modewelt – an Popularität gewonnen.

Die Zahlen sind steigend, so leider auch die der Komplikationen durch Brustwarzenpiercing. Genaue Zahlen liegen für Deutschland nicht vor, da weder Brustwarzenpiercing noch die möglichen Komplikationen statistisch erfasst werden.

Aufgrund von drei zufällig entdeckten Erkrankungen von Brustabszess nach Brustwarzenpiercing in den letzten Mo- naten in den Kliniken der Autoren (6) wurde in der Datenbank Medline und im Internet recherchiert. Insgesamt wurden nur sieben wissenschaftlich publizierte Fallbeispiele identifiziert (1, 2, 4, 7, 9, 11, 12) (Tabelle). Anhand der Analyse der Fallberichte und der Erfahrung der Auto- ren werden die Probleme speziell mit Brustwarzenpiercing aufgezeigt und Konsequenzen für den Umgang im Ge- sundheitswesen sowie Anforderungen an die Gesundheitspolitik formuliert.

Vergleich publizierter Fallbeispiele

Ein Vergleich der in der Tabelle dar- gestellten Übersicht aller weltweit wissenschaftlich veröffentlichten zehn Fallbeispiele zeigt die wachsende Ak- tualität des Themas auf. So sind 80 Prozent der Fälle in den letzten 18 Monaten publiziert worden, ein Zei- chen, dass das Bewusstsein wie auch die Bedeutung um Komplikationen nach Brustwarzenpiercing zunehmen.

Das Durchschnittsalter liegt bei 31,2 (15 bis 60) Jahren; das Verhältnis von Frauen zu Männern ist 70 : 30, reprä- sentativ für die Präferenz von Frauen für Piercings.

Das Piercingschmuckstück war in mindestens sieben Fällen ein Ring, dessen Größe nicht angegeben war.

Piercingringe mit zu kleinem Durch- messer im Verhältnis zur Brustwarze (etwa < 1 cm) verursachen durch ihre größere Krümmung einen stärkeren mechanischen Reiz und haben ein höheres Entzündungsrisiko. Die Sei- tenverteilung der Brustwarzenpier- cings war fünfmal rechts, dreimal links und zweimal beidseits, die der Vertei- lung der Infektionslokalisation mit fünf Entzündungen rechts, vier links und ei- ner beidseits entsprach. Die Infektion trat immer in der gepiercten Brust auf, nie auf der kontralateralen Seite (Ab- bildung 1). Eine distante Abszessbil- dung wurde nicht dokumentiert.

Der zeitliche Abstand vom Piercing zur Behandlung von durchschnittlich 20,8 (2 bis 52) Wochen lässt auf eine verlängerte Inkubations- beziehungs- weise Wundheilungszeit bei Brustwar- zenpiercing schließen, wobei es zwei Gruppen gibt: drei Frühinfektionen (<

4 Wochen nach Piercing) und sieben Spätinfektionen (3 bis 12 Monate nach Piercing). Die Therapie wurde in 90

Brustabszess nach Brustwarzenpiercing

Übersicht publizierter Fallberichte und Forderung nach gesundheitspolitischen Konsequenzen

Zusammenfassung

Brustwarzenpiercing ist in den letzten Jahren immer populärer geworden. Aufgrund einer langen Wundheilungszeit des Piercingskanals von bis zu zwölf Monaten bei Brustwarzen- piercing besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko für längere Zeit, dessen sich die Kunden von Piercingstudios oft nicht bewusst sind. Ge- naue Zahlen über Anzahl wie auch Komplika- tionen von Brustwarzenpiercing liegen bisher nicht vor, da Piercing in Deutschland ein Ge- werbe ist und keine Dokumentationspflicht wie in der Medizin besteht. Innerhalb des letz- ten Jahres haben die Autoren zufällig und ohne systematische Suche drei Fallbeispiele von Brust- abszess nach Brustwarzenpiercing gesehen. In Medline und im Internet sind trotz intensiver Suche nur weitere sieben Fälle wissenschaftlich publiziert. Bis auf einen stammen die Fälle aus den letzten drei Jahren, ein Zeichen dafür, dass die Komplikationen zunehmen und die medizi-

nische Öffentlichkeit diesem Problem jetzt wachsende Bedeutung beimisst. Die Autoren vergleichen die bisher publizierten Fälle und formulieren klinisch praktische sowie gesund- heitspolitische Forderungen zum Umgang mit diesem riskanten Modephänomen.

Schlüsselwörter: Piercing, Infektionsrisiko, Brustabszess, Staphylokokkeninfektion

Summary

Breast Abscess after Nipple

Piercing: Overview of Case Reports and Consequences

Nipple piercing has become very popular within the last years. Due to a long wound healing time of the piercing canal of up to twelve months it bears an increased risk for infection for a prolonged period of time.

Customers of piercing studios are often not

aware of this risk. Exact numbers of nipple piercings as well as its complications are not available up to now, because in Germany piercing is a non-medical business where documentation like in medicine is not manda- tory. Within the last year without systematic search the authors have seen just by coinci- dence three cases of breast abscess after nipple piercing. Despite intensive search in Medline and other internet services only seven further cases are scientifically published.

Except one all cases are from the last three years, a sign that complications are increasing and public medical awareness regarding this problem is rising. In this overview the authors compare case reports published so far and define clinical practical as well as health poli- tical consequences for dealing with this risky fashion phenomenon.

Key words: piercing, risk of infection, breast abscess, infection with staphylococcus

1Frauenklinik (Direktorin: Prof. Dr. med. Marion Kiechle), Technische Universität München, Klinikum rechts der Isar

2Frauenklinik (Direktor: Prof. Dr. med.Walter Jonat), Chri- stian-Albrechts-Universität, Kiel

Volker R. Jacobs

1

Kirstin Golombeck

2

Walter Jonat

2

Marion Kiechle

1

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A486 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 821. Februar 2003

´Tabelle Übersicht aller weltweit publizierten Fallberichte von Brustabszess nach Brustwarzenpiercing Nr.AutorJahrAlterGe-Schmuck-Piercing-InfektionAbstandDauer derTherapie:KeimKomplikationRisiko-Nikotin-HIV/Kosten schlechtstückseitePiercing zuSymptomeAntibiose/faktorenabususHepatitis BehandlungOperationB+C/ Diabetes mellitus 1Fiumara198227mRingbeid-links3 Wochen1 Wocheja/neinn.b.rektalePiercing zun.b.n.b./n.b./n.b. (4)seitigGonorrhöeHause durchn.b. Freund 2Javaid199940wRingrechtsrechts2 Wochenn.b.ja/neinn.b.n.b.Brust-n.b.n.b./n.b./n.b. (7)implantaten.b. 3Ochsen-200124mRinglinkslinks3 Monate1 Monatja/neinStaphylococcus Endokarditis,keine AB-n.b.n.b./n.b./n.b. fahrt (11)epidermidisHerzklappen-Prophylaxen.b. operationtrotz kon- notwendiggenitalem Herzfehler mit Z.n. Aorten-Op 4de Kleer200160mRingrechtsrechts4 Monate1 Wocheja/jaβ-hämolysie-Prothesen-Brustmuskel-n.b.n.b./n.b./n.b. (2)rende Strepto-infektionimplantaten.b. kokken Gruppe A 5Trupiano200117wRingrechtsrechts12 Monate2 Monatenein/jaMycobakteriumn.b.n.b.n.b.n.b./n.b./n.b. (12)abscessusn.b. 6Brook200115wn.b.rechtsrechts4 Wochenn.b.ja/jaG+-Ketten-n.b.n.b.n.b.n.b./n.b./n.b. (1)kokken,Prevo-n.b. tella intermedia, Peptostrepto- coccus anaerobius 7Lewis200235wn.b.beid-beid-4 Monaten.b.ja/jaMycobakteriumV.a.n.b.n.b.n.b./n.b./n.b. (9)seitigseitigfortuitumMamma-n.b. karzinom 8Jacobs200235wBarbelllinkslinks6 Monatemehrereja/jaKoagulase-nega-V.a.keinejanein/4310,58 A (6)Monatetive Staphylo-Mamma-nein/ kokken,PCR-karzinomn.b. Nachweis atypi- scher mykobakteri- eller DNA mit Homologie M.hol- saticum,M.agri und M.brumae 9Jacobs200228wRinglinkslinks5 Monate7 Wochenja/jaKoagulase-nega-Rezidiv-metallischerjan.b./3562,77 A (6)tive Staphylo-operationFremdkörpern.b./ kokken,Strepto-notwendigim nein kokken Gruppe BBrustgewebe 10Jacobs200231wRingrechtsrechts12 Monate2 Wochenja/javergrünende undkeineBrust-jan.b./n.b./3000,26 A (6)mikroaerophileimplantaten.b. Streptokokken n.b.,nicht bekannt;V.a.,Verdacht auf;Z.n.,Zustand nach;AB-Prophylaxe,Antibiotikaprophylaxe

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Prozent mit einer Antibiose durchge- führt; nur in einem Fall war eine In- fektion nicht frühzeitig als Ursache erkannt und antibiotisch behandelt worden (12). In 70 Prozent war eine operative Sanierung des Abszesses not- wendig (Abbildung 2), in einem Fall sogar eine Reoperation wegen eines Abszessrezidives (6). Vom Keimspek- trum wurden neben den erwarteten Kei- men wie Staphylokokken und Strep- tokokken auch dreimal Mykobakterien nachgewiesen (6, 9, 12).

In einigen Fällen kam es zu besonde- ren Komplikationen. Bei einem Patien- ten entwickelte sich eine Endokarditis, die zu einer nachfolgenden Herzklap- penoperation führte (11). Bei einem Mann kam es zu einer beidseitigen In- fektion der Brustmuskelimplantate, die zu deren Entfernung führte (2). Bei zwei Patientinnen bestand am Anfang der Behandlung der Verdacht auf ein Mammakarzinom, was mit erhöhtem psychischen Leidensdruck und dia- gnostischen Kostenaufwand verbun- den war (6, 9). Bei einer Patientin war eine Rezidivoperation in der infizier- ten Brust aufgrund eines metallischen Fremdkörpers notwendig, der zum Beispiel von einem Piercingstück oder -gerät stammen könnte (6). Als weitere Risikofaktoren konnten dreimal Brust- implantate identifiziert werden (2, 6, 7), die eine Kontraindikation für ein Brustwarzenpiercing darstellen. In ei- nem Fall erfolgte das Piercing ohne An- tibiotikaprophylaxe, obwohl ein vorher operierter kongenitaler Herzfehler vorlag (11). Bei einer anderen Person wurde das Piercing durch einen Freund zu Hause vorgenommen (4). Ein doku- mentierter Nikotinabusus lag bei drei Patientinnen vor (6).

Bei bekanntem Transmissionsrisiko für Hepatitis B und C sowie HIV bei Piercing war zum Zeitpunkt der Ope- ration der Status für Hepatitis B und C sowie für HIV nur bei einer Patientin bekannt (6). Ein Diabetes mellitus, der mit einem erhöhten Infektionsrisiko behaftet ist, wurde nur bei einer Patien- tin ausgeschlossen. Die stationären Be- handlungskosten waren nur für drei der zehn Fallberichte dokumentiert.

Sie lagen im Durchschnitt bei 3 624,54 (3 000,26 bis 4 310,58) Euro (6) und wurden von einer gesetzlichen Kran-

kenkasse (AOK Schleswig-Holstein), einer Ersatzkrankenkasse (Bavaria- BKK) und einer privaten Krankenver- sicherung (LMV Krankenversiche- rung) übernommen.

Diskussion

Bisher sind nur wenige Fälle von Brustabszess nach Brustwarzenpier- cing publiziert worden. Es spricht viel dafür, dass sie bisher unzureichend und unterdokumentiert wurden. Erst in den letzten zwei Jahren wird die Entstehung eines Brustabszesses nach

Brustwarzenpiercing als medizini- sches Problem wahrgenommen. Durch eine zunehmende Popularität von Brustwarzenpiercing ist in den näch- sten Jahren auch mit steigenden Infek- tionszahlen zu rechnen (10, 13). Zu- verlässige Zahlen über die Prävalenz von Piercing sowie der dadurch be- dingten Infektionen und Komplikatio- nen sind für eine sachliche Aufklärung wie auch zur Festlegung des gesund- heitspolitischen Handlungsbedarfes

dringend notwendig. Derzeit ist auch noch unklar, ob ein langes Intervall vom Piercing bis zur Infektion einer langen Inkubationszeit entspricht oder die Infektion durch späte Konta- mination bei lang andauernder Wund- heilung entsteht. Eine Aufklärung der Zielaltersgruppe (ab 12 Jahre!) macht nur Sinn, wenn sie frühzeitig erfolgt, da in einer Studie von 273 Gepiercten 10,2 Prozent zwischen 12 bis 15 Jahre, 47,6 Prozent zwischen 16 bis 20 Jahre und 26,7 Prozent zwischen 21 bis 25 Jahre alt waren (8).

Ein Problem ist die adäquate und frühzeitige Behandlung von Piercing- infektionen, denn die Patienten lassen oft Wochen bis Monate verstreichen, bis sie einen Arzt aufsuchen. Ursache dafür ist der oft geäußerte Wunsch, das Pier- cing um jeden Preis zu behalten, der oft als höherwertig eingestuft wird als die Beseitigung einer eventuell lebens- bedrohlichen Infektionskomplikation.

Darüber hinaus wird Piercing von vie- len Ärzten als vorsätzliche und sinnlose Körperbeschädigung abgelehnt, was von Patienten oft als persönliche Verur- teilung aufgefasst wird.

Piercing kann in Deutschland als Gewerbe betrieben werden, für das keine Ausbildung, sondern nur ein Gewerbeschein vorausgesetzt wird.

Eine Dokumentation findet im Ge- gensatz zur Vorgehensweise bei einer medizinischen Tätigkeit nicht statt.

Die Empfehlungen zur Durchführung von Piercing entsprechen denen des ambulanten Operierens (3), dürften aber in der Realität nur selten einge- halten werden.

Piercing findet oft im Rahmen einer Szene beziehungsweise Subkultur statt, die den Kontakt zur Medizin ver- meidet, da Ärzte bei einer Infektion die Ursache, nämlich das Piercing- stück, entfernen wollen. So wendet sich der Patient bei Komplikationen häufig primär nicht an den Arzt, son- dern an das Piercingstudio. Zur Ein- haltung der nach den auf Länderebene meist durch die Hygieneverordnungen vorgeschriebenen Gesetze (5) für die Durchführung von Piercings wird künftig ein ansteigender Bedarf an Personal benötigt. Untersuchungen belegen, dass der Hygienestandard in den Piercingstudios absinkt, wenn we- M E D I Z I N

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 821. Februar 2003 AA487

Abbildung 1: Brustwarzenpiercing links, Abs- zessdemarkierung rötlich (Fall Nr. 8).

Abbildung 2: Intraoperativer Befund mit gro- ßer Abszesshöhle von circa 5 x 5 cm.

(4)

niger als eine Kontrolle jährlich durch- geführt wird (5). Eine Ausbildung und Kenntnisse über Anatomie, Infekti- onslehre, Materialkunde und Hygiene sollten zur Verhinderung von Kompli- kationen beitragen und die Vorausset- zung zur Ausübung des Piercingge- werbes sein. Der Staat sollte Aus- und Weiterbildung unterstützen. Völlig un- verständlich und nicht nachvollzieh- bar bleibt, dass es keinen gesetzlichen Hinderungsgrund gibt, Hepatitis- oder HIV-positive Piercer von ihrem Ge- werbe abzuhalten. Zumindest Minder- jährige müssen vor solchen Gefahren geschützt werden.

Ob Piercingkunden für Gesund- heitsschäden und ihre Folgen finanzi- ell in Regress genommen werden soll- ten, wie von Politikern immer wieder thematisiert, bleibt sehr umstritten.

Für die Fallbeispiele der Autoren (6) erfolgte von den verschiedenen Kran- kenkassen die anstandslose Kostenü- bernahme.

Klinisch praktische Konsequenzen

Aus den dargestellten Fallbeispielen ergeben sich aus Sicht der Autoren die folgenden Konsequenzen für den kli- nisch praktischen Umgang mit Pier- cings:

>keine Verurteilung oder Diskri- minierung von gepiercten Patienten durch medizinisches Personal, son- dern sachliche Aufklärung über Ge- fahren und Komplikationen sowie vorbeugende Maßnahmen zur Infekti- onsvermeidung,

>Antibiose spezifisch nach Erre- gernachweis und Antibiogramm, nur im lebensbedrohlichen Akutfall soll- ten Breitbandantibiotika genutzt wer- den,

>Testung auch auf Mykobakterien bei Infektion nach Piercing,

>Ausschluss von Infektionen mit Hepatitis B, C und HIV sowie Vorlie- gen eines Diabetes mellitus,

>bessere Dokumentation von Kom- plikationen, vor allem von Infektionen durch und nach Piercings,

>Kontrolle auf Piercings und Kom- plikationen bei jedem Arztbesuch mit körperlicher Untersuchung und

>keine Durchführung von Pier- cings durch Ärzte, da eine hygienische Durchführung in der Arztpraxis kei- nen sicheren Schutz vor Infektion im Verlauf gibt und die vorsätzliche nichtindizierte Verletzung der körper- lichen Integrität und Gesundheit des Patienten im Gegensatz zum ärztli- chen Ethos stehen sollte.

Gesundheitspolitische Forderungen

Aus den genannten Gründen ergibt sich ein gesundheitspolitischer Hand- lungsbedarf. So sollten Studien zum Erhalt von validen Zahlen über die Prävalenz von Piercing und den ent- sprechenden Komplikationen geför- dert werden. Besonders die 12- bis 25- Jährigen sollten als Zielgruppe mit den tatsächlichen Risiken konfron- tiert werden, und es müsste vermittelt werden, dass Piercing nicht „cool“ ist.

Zum Schutz von Minderjährigen wäre es hilfreich, wenn die schriftliche Ein- willigung der Eltern persönlich im Piercingstudio erbracht werden müs- ste. Die Publikation und Verbreitung gesundheitsrelevanter Mindestanfor- derungen in Form einer Checkliste für potenzielle Kunden sowie die Festle- gung eines anerkannten Standards von Kontraindikationen für Piercings (zum Beispiel Diabetes mellitus, Herz- fehler, Zustand nach Brustimplanta- tionen et cetera), könnten die Sicher- heit ebenso verbessern wie die Unter- stützung der Piercingszene im Hin- blick auf eine Professionalisierung des Gewerbes. Hier könnten Aus- und Weiterbildungskurse angeboten wer- den, die Grundkenntnisse in Anato- mie, Materialkunde, Infektionslehre und Hygiene vermitteln. Regelmäßi- ge, mindestens jährlich stattfindende Kontrollen aller Piercingstudios un- terstützen die Einhaltung der Hygie- negesetze.

Zur Qualitätskontrolle in Piercing- studios sollten ein Infektionsregister sowie eine Dokumentation zur Selbst- kontrolle und als Nachweis für den Kunden, insbesondere im Klagefall, eingeführt werden. Personen, die mit HIV, Hepatitis B oder C infiziert sind, dürften sich nicht als Piercer betäti-

gen. Ferner könnte darüber diskutiert werden, ob eine Kostenübernahme von Piercingkomplikationen sowie von medizinischen Behandlungsko- sten und der finanziellen Kompensati- on von Arbeitsausfall durch die Kran- kenkassen und damit durch die Ge- meinschaft erfolgen sollte.

Manuskript eingereicht: 19. 7. 2002, angenommen:

15. 10. 2002

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 484–488 [Heft 8]

Literatur

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Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Volker R. Jacobs

Frauenklinik der Technischen Universität München Klinikum rechts der Isar

Ismaninger Straße 22 81675 München

E-Mail: volkerjacobs@hotmail.com M E D I Z I N

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