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Fächerstadt mit Hertz Auf Spurensuche in Karlsruhe, wo Heinrich Hertz die elektromagnetischen Wellen nachwies Matthias Hahn

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S T R E I F Z U G

52 Physik Journal 17 (2018) Nr. 7 © 2018 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

tober 1925 angebrachte Denkmal zur Erinnerung an Heinrich Hertz.

Die Einweihung fand am Rande der 100-Jahrfeier der ältesten deutschen Technischen Hochschule statt. Ne- ben der Witwe Elisabeth waren die beiden Töchter Johanna und Mat- hilde anwesend. Mathilde hatte die dort angebrachte Büste ihres Vaters geschaffen. Sie hatte nach dem Abitur zunächst eine künstlerische Ausbildung in Karlsruhe und Wei- mar absolviert. Später promovierte sie in Biologie und habilitierte sich an der Universität Berlin. 1933 wur- de ihr die Lehrbefugnis entzogen, da sie als „nichtarisch“ galt. Ihr Urgroßvater war Jude, der 1834 mit all seinen Kindern zum Protes- tantismus konvertierte. Mathilde emigrierte – trotz Fürsprache Max Plancks – 1936 nach England und holte Mutter und Schwester nach.

Neben dem Ehrenmal befindet sich der Eingang zum Hörsaal, in dem Heinrich Hertz seine Expe- rimente ausführte und der heute seinen Namen trägt. Er wurde im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört, dennoch kann man einen Blick in den Hörsaal werfen und sich in die Zeit versetzen, als Heinrich Hertz

E

nde 1884 war der 27-jährige Heinrich Hertz mit seiner beruflichen Lage unzufrieden.

Zwar war er in Kiel nach seiner Habilitation als Extraordinarius im Gespräch, aber die Verhandlungen zogen sich hin. Zudem war die Stelle für theo retische Physik ausge- schrieben, doch Hertz wollte lieber experimentieren. Da erreichte ihn am 20. Dezember 1884 ein Ruf aus Karlsruhe, der badischen Haupt- stadt. Die dortige polytechnische Schule suchte einen Nachfolger für Ferdinand Braun, der an die Uni- versität Tübingen wechselte.

Karlsruhe hatte damals rund 65 000 Einwohner und wuchs rasant. Das Polytechnikum – ab Herbst 1885 Technische Hochschule – galt als renommiert, war aber ge- ringer angesehen als eine Universi- tät, was sich auch in den Gehältern niederschlug. Von den 350 Studen- ten war nur eine Handvoll in natur- wissenschaftlichen Fächern einge- schrieben. Hertz wollte sich daher selbst ein Bild vor Ort machen und fuhr am 28. Dezember 1884 mit dem Zug nach Karlsruhe. Am An- kunftstag notierte er in sein Tage- buch: „Bis dahin große Abneigung gegen Karlsruhe.“ Das änderte sich schon am folgenden Tag: „Wunsch nach Karlsruhe sehr groß.“ Den Ausschlag hatte die vergleichsweise üppige Laborausstattung gegeben – ein Vermächtnis Brauns. Hier konn- te er experimentieren!

Am 29. März 1885 schritt Hertz als Physikprofessor durch das Ein- gangsportal des Polytechnikums in der Kaiserstraße 12 . Das heu- tige Hauptgebäude des Karlsruher Instituts für Technologie KIT ist so erhalten, wie Hertz es angetroffen haben mag. Hinter dem Eingangs- tor öffnet sich ein großer Ehrenhof, der zum Verweilen wie Besichtigen einlädt. Gleich rechts nach der Tor- passage findet sich das am 30. Ok-

Fächerstadt mit Hertz

Auf Spurensuche in Karlsruhe, wo Heinrich Hertz die elektromagnetischen Wellen nachwies Matthias Hahn

mit dem „Rühmkorff“ – einem Funkeninduktor – elektrische Fun- ken schlagen ließ. Mit zentnerweise Pech, Schwefel, Asphalt, Paraffin, Hohlspiegeln und Drähten ging er der Erzeugung, Ausbreitung, Reflexion und Polarisation von elektromagnetischen Wellen nach.

Der Hörsaal als Experimentierstätte musste sich den experimentellen

Sein berühmtes Experiment zum Nach- weis der elektromagnetischen Wellen hat Heinrich Hertz selbst fotografiert

und später an der Universität Bonn nach- gebaut. Die Ori ginalgeräte befinden sich im Deutschen Museum in München.

KIT-Archiv

Dr. Matthias Hahn, Karlsruhe, Dokto- rand am Historischen Institut, Abteilung GNT, Universität Stuttgart

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© 2018 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Physik Journal 17 (2018) Nr. 7 53 zu sehen, die schon zu Zeiten von Hertz standen. Von hier aus lohnt sich ein Abstecher zum Schloss, von dessen Turm sich ein atem- beraubender Blick auf die Fächer- architektur der Stadt bietet.

Am 7. März 1889 hielt Hertz seine Abschiedsvorlesung im völlig überfüllten Hörsaal. Sein Vortrag erntete tosenden Applaus und Hochrufe. Hertz schrieb an seine Eltern: „Ich werde jetzt auch in Karlsruhe bekannt, zu spät!“.

Am 3. April 1889 verließ er mit seiner Familie Karlsruhe. Er folgte einem Ruf nach Bonn als Universitäts professor für Experi- mentalphysik, wo ihm jedoch nur eine kurze produktive Zeit vergönnt war. 1892 erkrankte Hertz an einer hartnäckigen Entzündung der Na- sennebenhöhlen, an deren Folgen er mit nur 36 Jahren am 1. Januar 1894 starb.

den schnell publik, da sie einen Grundpfeiler der Maxwellschen Theorie experimentell bestätigten.

In seiner Karlsruher Zeit, die zu Anfang von Lustlosigkeit und

Niedergeschlagenheit geprägt war, fand Hertz auch sein

persönliches Glück. Es belastete ihn, nicht

verheiratet zu sein.

Schließlich traf er Eli- sabeth, die Tochter des Geodäten Max Doll.

Im Frühjahr 1886 hielt Hertz um ihre Hand an, die Hochzeit fand am 31. Juli in der Schlosskirche statt. Die Kirche befand sich im Ostflügel des Schlosses, wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und nicht wiederhergestellt. Auch die Häuser, in denen Hertz gewohnt hatte, existieren heute nicht mehr.

Läuft man vom Ehrenhof stadtein- wärts, kommt man am Ort seiner ersten Junggesellenwohnung in der Kaiserstraße 11 1 vorbei.

Von dort zog er mit Elisabeth in die Waldstraße  2. Dort gibt es mit die ältesten Häuser Karlsruhes Anforderungen beugen. Hertz ließ

Teile der Gasleitungen und die me- tallenen Kronleuchter entfernen, nur die hölzernen Tische und Bän- ke blieben. Die benötigten Geräte fertigte er,

mit Unterstützung des Mechanikers Amann, teilweise selbst an. Seine Frau assistierte mitunter bei den Versuchen.

Im Herbst des Jahres 1886 glückte ihm im Hörsaal ein entschei- dendes Experiment. Er

notierte: „Geglückt, die Induktion zweier ungeschlossener Stromkreise aufeinander darzustellen, Ströme 3m lang, Abstand 1,5m!“. Durch sein experimentelles Geschick war es ihm gelungen, erstmals elektromag- netische Wellen nachzuweisen und zu bestätigen, dass sich elektroma- gnetische Wellen wie Licht verhal- ten: „Es gelang mir, deutliche Strah- len elektrischer Kraft zu erzeugen und mit denselben die elementaren Versuche anzustellen, welche man mit dem Lichte

und der strah- lenden Wärme auszuführen ge- wohnt ist.“ Diese bahnbrechenden Ergebnisse wur-

xxxx

1

Waldhornstr aße Schlossbe

zirk

Waldstr aße Moltkestraße

Kaiserstraße 12 Kaiserstraße 113

Marktplatz Museum für Naturkunde Waldstraße 33

2

4 3 Staatliche Kunsthalle

Zirkel Schloss

Karlsruhe Schlossgarten

Schloss- platz Botanischer

Garten

100 m

R O U T E

KIT-Hauptgebäude in der Kaiserstraße 12 mit Eingang zum Hertz-Hörsaal sowie Ehrenhof mit Hertz-Denkmal (1925) 1 Kaisertraße 113 (1. Wohnung,

bis 1886)

2 Waldstraße 33 (2. Wohnung)

Ailura, CC BY 3.0 AT (https://bit .ly/2sVU6Fz

Bearbeitung: B . Lubienski

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54 Physik Journal 17 (2018) Nr. 7 © 2018 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Stadt Karlsruhe

Link

Karlsruhe Tourismus

Link

Mobiler Stadtführer

Link

Karlsruher Institut für Techno- logie (KIT)

Link

K.-P. Hoepke, Geschichte der Fridericiana. Stationen in der Ge- schichte der Universität Karlsru- he (TH) 1825 bis 2 Universitäts- verlag Karlsruhe (2007)

Link

Datenbank der Kulturdenkmale:

Ehrenhof, Kaiserstr. 12

Link

Heinrich-Hertz-Denkmal:

(Stadt-Wiki Karlsruhe)

Link

Einweihung des Denkmals (Karlsruher Zeitung, 31. Oktober 1925)

Link

IEEE Milestone „Heinrich Hertz“

Link (KIT)

Link (ETHW)

K A R L S R U H E

W E R K E

Gesammelte Werke, Ambro- sius Barth, Leipzig (1894): Bd. I:

Schriften vermischten Inhalts;

Bd. II: Unter suchungen über die Aus breitung der elektri- schen Kraft; Bd. III: Die Prin- zipien der Mechanik

Link

Über die Ausbreitungsge- schwindigkeit der elektro- dynamischen Wirkungen, Sit- zungsberichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften in Berlin, 1888, S. 197

Link

Über die Beziehungen zwi- schen Licht und Elektrizität, Vortrag bei der 62. Versamm- lung deutscher Naturforscher und Ärzte in Heidelberg 17 .– 23. September 1889.

Link

Ausgewählte Literaturnach- weise aus dem Bestand der Bibliothek der Berlin-Branden- burgischen Akademie der Wissenschaften

Link

D E R H E R T Z- V E R S U C H

Klaus Lüdtke, Die ganze Ge- schichte zur Entdeckung der elektromagnetischen Wellen

Link

Die Originalapparate von Heinrich Hertz im Deutschen Museum München

Link

Jed Z. Buchwald, The Creation of Scientific Effects – Heinrich Hertz and Electric Waves, Uni- versity of Chicago Press (1994)

Link

Heinrich-Hertz-Ausstellung (2012) im Deutschen Museum Bonn

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W. Wiesbeck, 1 Jahre Radio- wellen, Heinrich-Hertz-Aus- stellung in Karlsruhe, Physika- lische Blätter 44 (1988)

Link

H E I N R I C H H E R T Z

Ralph Burmester und Andrea Niehaus (Hrsg.), Heinrich Hertz – Vom Funkensprung zur Radiowelle, Deutsches Museum Bonn (2012),

Leseprobe

Armin Hermann, Heinrich Hertz als Physiker und Philo- soph, Physikalische Blätter 5, 450 (1994),

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Gerhard Hertz, Heinrich Hertz, sein Leben und die Bedeu- tung seines Werks (1988)

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Hermann v. Helmholtz, Hein- rich Hertz (1857 – 1894), Phy- sikalische Blätter 1, 219 (1954)

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Johanna Hertz (Hrsg.), Hein- rich Hertz: Erinnerungen – Briefe – Tagebücher, Physik- Verlag (1977); Rezension von Karl v. Meyenn, Physikalische Blätter 38, 342 (1978)

Link

Max Planck, Heinrich Rudolf Hertz: Rede zu seinem Ge- dächtnis in der Sitzung der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin am 16. Februar 1894

Link

Video (BR-Alpha): Ernst Peter Fischer, Heinrich Hertz – Bei ihm sprang der Funke über.

 Video

Mathilde Carmen Hertz (Kulturring Berlin e.V.)

Link

S T R E I F Z U G

B I O G R A F I E N

Michael Eckert, Heinrich Hertz, Ellert & Richter Verlag (2010)

Link

Albrecht Fölsing, Heinrich Hertz.

Eine Biographie, Hoffmann &

Campe (1997); Rezension von Horst Kant

Link

Josef Kuczera, Heinrich Hertz:

Entdecker der Radiowellen, Teubner, Leipzig 1975 (3. Aufl.

1987)

Link

Referenzen

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