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Archiv "Körperbilder von Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938) – Spontanität des Ausdrucks" (08.10.2010)

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[80] Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 40

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8. Oktober 2010

KÖRPERBILDER VON ERNST LUDWIG KIRCHNER (1880–1938)

Spontanität des Ausdrucks

T

ausende Eintragungen in Dresdener Kirchenbüchern waren zu prüfen, bis der Eintrag „Marcella Albertine Olga Sprentzel“ Näheres über die Gesuchte offenbarte.

Marcella, so weiß man heute, kam 1895 in Dresden als viertes Kind eines Oberpostassistenten zur Welt. Sie selbst hatte keine Kinder, wurde Lehrerin und starb mit 82 Jahren. Das alles wäre nicht weiter bemerkenswert, wenn Kirchner das junge Mädchen um 1910 nicht immer wieder gemalt und aquarelliert hätte. Einer seiner be- rühmtesten Akte trägt ihren Namen; da ist sie 14 Jahre alt.

Das jugendliche Alter des nackten Modells und die provozierende Darstellung mit tiefrot geschminkten Lippen, wallender Mähne und Haarschleife haben in jüngster Zeit eine Diskussion um eine vermutete Pädo- philie Kirchners entfacht. Dr. Norbert Nobis, Kurator der Ausstellung „Fränzi und Marcella“ im Sprengel-Mu- seum, hält die Argumentation für völlig überzogen. Er verweist auf die Entstehungszeit von „Marcella“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als auf die Prüderie der wilhelminischen Ära eine Reformbewegung folgte, in der es üblich war, den entblößten Körper der freien Natur auszusetzen, und auf vielen Bildern berühmter Künstler nackte Kinder oder Jugendliche zu sehen waren.

Akt und Körpersprache hatten für Kirchner und sei- ne „Brücke“-Kollegen zentrale Bedeutung: In radika-

ler Abwendung vom statischen Aktstudium an den Akademien ging es ihnen um die Spontanität und Lebendigkeit des Ausdrucks. Berufsmodelle mit „Atelierdressur“ und anatomische Exaktheit lehnten sie ab. Sowohl in den Dresdener Ateliers als auch an den Moritzburger Teichen, an denen die Maler mit ihren Laienmodellen um 1910 mehrere Sommer verbrachten, entstanden so Hunderte von Skizzen, Zeichnungen und Gemälden. Mit ihrem flächigen Bildaufbau und dynamischen Pinselstrich, den kräfti- gen Konturen und leuchtenden Farbkontrasten prägten sie den „Brücke“-Stil, der als deutscher Expressionis- mus in die Kunstgeschichte einging.

Inwieweit Fränzi und Marcella nicht nur Anlass, sondern Inbegriff der neuen Stilrichtung waren, ist eine Frage, der die Ausstellung ebenfalls nachgeht.

Tatsächlich hatte der Expressionismus seinen Höhe- punkt kurze Zeit später überschritten und wurde nach dem Ersten Weltkrieg von neuen Avantgarde-Bewe- gungen abgelöst. Sabine Schuchart

LITERATUR

Zur Ausstellung ist ein Katalog mit interessanten Beiträgen zum Thema erschienen : „Der Blick auf Fränzi und Marcella“, gebundene Ausgabe, 160 Seiten mit 210 Abbildungen, Hannover 2010, 24 Euro.

AUSSTELLUNG

„Der Blick auf Fränzi und Marcella.

Zwei Modelle der Brücke-Künstler Heckel, Kirchner und Pechstein“, Sprengel-Museum Hannover, Di. 10–20, Mi.–So. 10–18 Uhr, bis 9. Januar 2011, www.sprengel- museum.de Ernst Ludwig Kirchner: „Marcella“, 1909/10, Öl auf Leinwand (76 × 60 cm):

Erst vor kurzem konnte das Geheimnis um ihre Identität gelüftet werden. Marcella Sprentzel heißt das 1895 in Dresden geborene junge Mädchen, das eines der bevorzugten Modelle Kirchners war. Er zeigt sie in für sie typischer Körperhaltung: die Beine übereinander ge- schlagen, die Arme vor dem Schoß verschränkt, nach vorn gebeugt, mit teils verhaltenem, teils herausforderndem Blick. Das Gemälde – eine Ikone des „Brücke“-Expressionismus – ist derzeit in Hannover (danach: in Halle, Stiftung Moritzburg) ausgestellt und befindet sich im Besitz des Stockholmer Moderna Museet.

Foto: Moderna Museet, Stockholm

S C H L U S S P U N K T

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