Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Grad an Toleranz und Abhängigkeit des Organismus von den körperei- genen Endorphinen bedeuten.
6. Zur Pathogenese
des endorphinergen Systems
Die Existenz eines Hormon- oder Neu rotransmittersystems schließt ein, daß dieses sich pathologisch verändern kann. Obwohl bisher kei- ne Erkrankungen bekannt sind, de- ren Ursache im endorphinergen Sy- stem begründet liegt, wurden ver- schiedene Aspekte eines pathologi- schen Endorphinsystems diskutiert.Von Opiat-abhängigen Personen ist bekannt, daß ein sehr hoher Pro- zentsatz nach dem Entzug rückfällig wird. Es wurde vermutet, daß bei diesen Personen eventuell ein En- dorphindefizit vorliegt. Neuere Un- tersuchungen an Ratten haben ge- zeigt, daß Langzeitapplikationen von Morphin zu einer erheblichen Verminderung von ß-Endorphin in der Hypophyse führt. Diesem Defizit müßte mit einer kontinuierlichen Opiatsubstitution zu begegnen sein, um ein „normales Funktionieren"
des Organismus zu gewährleisten.
Auch Patienten mit chronischen Schmerzen zeigen eine signifikant erniedrigte Endorphinkonzentration in der Zerebrospinalflüssigkeit. An- dererseits könnte ein pathologisch erhöhter Endorphinspiegel bei der kongenitalen Schmerzunempfind- lichkeit vorliegen, da Naloxon-Appli- kation bei diesen Patienten zu einer erheblichen Verringerung der Schmerzschwelle führte.
Ein Zusammenhang zwischen der Sekretion von ß-Endorphin und ACTH wird offensichtlich beim Addi- sonismus, beim Cushing- und Nel- sons-Syndrom, das heißt Erkran- kungen der Nebennieren/Hypophy- sen-Achse. Darstellung 4 demon- striert, daß eine vermehrte Aus- schüttung von ACTH eng mit einer 3rhöhten ß-Endorphinimmunoreak- :ion im Blut einhergeht.
Außerordentlich kontrovers wird ge- genwärtig die Diskussion um die Be- deutung des endorphinergen Sy- stems für die Schizophrenie geführt.
Falls Endorphinen in der Pathoge- nese psychotischer Erkrankungen eine Bedeutung zukommen sollte, dann ist diese sehr wahrscheinlich nicht in einer primären Veränderung des endorphinergen Systems zu finden.
7. Aspekte zukünftiger Endorphinforschung
Von unmittelbarem Interesse ist die Erforschung der Funktion der En- dorphine. Nach unseren derzeitigen Kenntnissen ist anzunehmen, daß die Kontrolle der Schmerzvermitt- lung nur einen Aspekt im Spektrum der Endorphinwirkungen darstellt.
Immer deutlicher werden Zusam- menhänge zwischen ß-Endorphin und bekannten endokrinologischen Mechanismen. Therapeutische Kon- sequenzen werden erst nach einem Verstehen der Wechselwirkungen der Endorphine mit Neurotransmit- tern oder anderen Regulationsme- chanismen zu ziehen sein, wobei den Phänomenen Toleranz und Ab- hängigkeit gegenüber Opiaten oder anderen Pharmaka mit hohem Ab- hängigkeitspotential besondere Auf- merksamkeit entgegengebracht werden muß.
Literatur
(1) Cheung, A. L., Goldstein, A.: Failure of hy- pophysectomy to alter brain content of opioid peptides (endorphins), Life Sci. 19 (1976) 1005-1008 — (2) Goldstein, A., Lowney, L. I., Pal, B. K.: Stereospecific and nonspecific in- teractions of the morphine congener levor- phanol in subcellular fractions of mouse brain, Proc. Nat. Acad. Sci. 68 (1971) 1742-1747 — (3) Hughes, J., Smith, T. W., Kosterlitz, H. W., Fothergill, L. A., Morgan, B. A., Morris, H. R.:
Identification of two related pentapeptides from the brain with potent agonist activity, Na- ture 258 (1975) 577-579 — (4) Pert, C. B., Sny- der, S. H.: Opiate receptor: Demonstration in nervous tissue, Science 179 (1973) 1011-1014
— (5) Teschemacher, H. J.: Endogenous ligands of opiate receptors (endorphins). In: Develop- ments in Opiate Research, A. Herz (Ed.), New York, Marcel Dekker, Inc. (1978) 68-125
Anschrift des Verfassers
Dr. med. vet. habil. Rüdiger Schulz Max-Planck-Institut für Psychiatrie Abteilung Neuropharmakologie Kraepelinstraße 2
8000 München 40
Universal-Krebstests nach wie vor Illusion
Fragt man nach Sensibilität und Spezifität der zahlreichen unbewie- senen Krebstests (Nachweis von Krebserregern, Gerinnungsanoma- lien, Serumpräzipitation, Krebsfer- mentreaktionen, Karzinogramme), so wird rasch klar, daß es den Uni- versal-Krebstest nicht gibt und wahrscheinlich nie geben wird.
Nach wie vor wird die Tumordiagno- se auf genauer Anamnese, klini- scher Untersuchung, kritischem Einsatz von Labor- und Röntgenme- thoden und einer möglichst raschen histologisch-zytologischen Siche- rung beruhen. Alle bisher bekannten Universal-Krebstests sind unbrauch- bar und gefährlich.
Lediglich bei einer kleinen Anzahl von Tumoren, die mit paraneopla- stischen (neoplastisch-endokrinen) Syndromen vergesellschaftet sind, zum Beispiel eine Erhöhung der sauren Phosphatase beim Prosta- takarzinom, können Laboruntersu- chungen wegweisend sein. Eine Er- höhung des Alpha-Fetoproteins, des karzino-embryonalen Antigens und des Human-Choriongonadotropins kann den Verdacht auf das Vorlie- gen eines Malignoms erwecken, jedoch ist die Bestimmung onko- fetaler Antigene weder spezifisch noch sensibel genug, um als Krebs- suchtest eingesetzt werden zu können.
Bezeichnend für alle einleitend er- wähnten, in ihrer Aussagekraft un- bewiesenen Krebsnachweismetho- den ist die Tatsache, daß sie oft im Zusammenhang mit ebenso unsi- cheren Behandlungsmethoden und in nächster Nachbarschaft von Ho- möopathie, Magnetismus, Neural- therapie, Frischzellentherapie und Krebsdiät, Akupunktur usw. anzu- treffen sind.
Jungi, W. F.: Krebstests — Illusion oder Reali- tät?, Wien. med. Wschr. 128 (1978) 83-89, Me- dizinische Klinik C des Kantonsspitals St.
Gallen
FÜR SIE GELESEN Endorphine
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