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Haben l[fn und bisweilen die Bedeutung von ^srrf^?
Von 0. Böhtlingk.
In dieser Zeitschrift habe ich bei Gelegenheit der Besprechung
von G. Bühler's Uebersetzungen verschiedener Sütra dieses mit Ent¬
schiedenheit geläugnet. Bühler bestand auf seiner Ansicht in eben
dieser Zeitschrift und jetzt hat er in der Wiener Zeitschrift für
die Kunde des Morgenlandes, Bd. 1, S. 13 fgg. dieser Prage einen
besonderen Artikel gewidmet , in dem er die Auffassung der in¬
dischen Commentatoren durch Herbeiziebung neuer Stellen zu recht¬
fertigen sucht.
Auch Pänini soll an zwei Stellen zweifellos und an einer Stelle
wahrscheinlich %Sfi in der Bedeutung von ,und so weiter" an¬
gewandt haben. Betrachten wir die SteUen genauer. 3, 1, 140
heisst es ^ftrf?W5^#Nt W: und 3, 2, 141 Trf'TWHT^t f^W.
Hier lassen sich ohne Weiteres 'o^f'sifo und inf*i(7T durch ^WT-
tlp^r: und »{*lin^*9t wiedergeben. Aber darum ist XfH noch
nicht = ^Ht^, sondern die nachfolgenden Wörter flW^h^: und
^81*?: sind es, die uns zwingen und hier als CoUectiva
zu fassen, d. i. als die im Dhätupätha mit und H*i. beginnenden
Gruppen von Wurzeln. Ohne die nachfolgenden, die Grenze an¬
gebenden Wörter würde 'STfwfH und mf*lfn nichts Anderes be¬
deuten als so' oder dieses" und »{f*ifTT so'
oder dieses". Aber, so wird man mir einwerfen können,
sprechen nicht ^Iff «Tlfi^^d^*?: 4, 1, 18 und ^Wf^:
7, 1, 25 offenbar dafür, dass \J<\ in den beiden oben erwähnten Sütra gerade so gebraucht wird wie '^SUf^ in den so eben angeführten,
dass also dort ^fil = ■?nf^ ist ? Wenn Bühler diese SteUen gegen¬
wärtig gewesen wären, hätte er sie ohne Zweifel gegen meine Auf-
Böhtlingk, Haben ^ffl u. ^ bisweilen die Bedeut. von ^J|f^? 517 fassung vorgebracht und geglaubt, dass mir dadurch jeglicher Ausweg
verlegt werde. Ich finde aber den Ausweg ohne zu irgend einer
Spitzfindigkeit meine Zuflucht zu nehmen. Ich behaupte nach wie
vor, dass ■sR«?!^ und a|*t, auch an und für sich ohne Gruppen
bezeichnen können und in dem angegebenen Falle auch müssen,
weil ich bei Pänini 7, 2, 75 f^T^ und 7, 3, 98
t|g»r: finde, was so v. a. fi|i4,lf^wra ^T» und <i«(lf«(<i|^ 1?» besagt.
Auch hier ist es das nachfolgende Zahlwort, das und
zu Gruppen stempelt. Sollte ein Anhänger des „Undsoweiter" es
wirklich wagen zu bebaupten , dass hier ^ = l^fTT = sei ?
Dann müsste aber da wir das „und" hier nicht missen können,
eine doppelte Punction haben, sowohl „und" als auch „und so weiter"
ausdrücken.
Prüfen wir nun die dritte Stelle aus Pänini's Grammatik.
3, 1, 41 soU ^#f*Wf7I nach der Käfikä besagen:
«^•tj und andere derartige Bildungen", d. i. „nicht nur die 3. PI.
Imperat., sondern auch die 3. Sg. und Du., überhaupt alle Imperativ¬
formen". 3, 1, 42. 6, 1, 119. 3, 113. 7, 1, 43. 2, 64. 4, 74.
8, 1, 43. 60 fgg. 64. 2, 70. 101 fg. und 3, 43 sehen wir TfH
in ganz ähnlicher Verbindung stehen ohne dass es der Käfikä bei-
ftlUt des 1[fW wegen etwas nicht Erwähntes hinzuzufügen. 7, 2, 34
führt Pänini neunzehn unregelmässige vedische Pormen mit nach¬
folgendem XfH auf Dieses soll nach der Käfikä hier H^sJ**
stehen, weil sie noch eine 20. Form hinzuzufügen hat. Wenn diese
Pänini gegenwärtig gewesen wäre, hätte er sich wohl nicht gescheut
auch diese noch zu erwähnen. Ueberdies soll XfH nacb 7, 4, 65
nach achtzehn vediscben Pormen H^ilin'ä*!.^ gesetzt worden sein,
aber die Käfikä erwähnt dessen ungeachtet keine neue unerwähnte
Porm. Die allergrösste Wahrscheinlichkeit spricht also dafür, dass
Päijini auch mit f^^l ^4««J nur diesen Plural gemeint hat, weil
ihm nur dieser in an eine Mehrzahl von Personen gerichteten Edicten
als solenne Formel vorgekommen war.
• Aus der Sütra-Literatur werden keine neuen Belege beigebracht,
sondern nur wiederholt, dass unter den von 1[f7f oder ^fTT V auf¬
gezählten Dingen nicht selten solche fehlten , die , wie aus andern
Schriften zu ersehen sei , nicht feblen dürfen. Nun frage ich , ob
es irgend wahrscheinlich sei, dass bei einem und demselben Autor,
wie auch Bühler zugeben muss, diese Partikel bisweilen durchaus
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518 Böhtlingk, Haben n. ^ bisweilen die Bedeut. von ^(ff^?
keine Ergänzung erfordert, da die Aufzählung eine vollstäudige ist,
in anderen Fällen dagegen so v. a. ,und so v^eiter" bedeuten soll?
Ist es nicht rationeller zu sagen, dass f^fd oder ^ unter ganz
gleicben Verhältnissen stets dasselbe besagen, und dass der Autor
ein oder mehrere Dinge, wenn sie nothwendig hierher gehören, ein¬
fach überseben habe, und dass derjenige, der dieses Versehen zuerst
bemerkte, l,(n oder Xfti ^ auf jene spitzfindige Weise gedeutet
habe , um den Autor , dem er grosse Achtung schuldig war , von
jeglichem Vorwurf zu befreien? Von der Ricbtigkeit dieser meiner
Erklärungsweise wird sich vielleicht auch Bübler überzeugen, wenn
ich ihn auf eiu Sütra Pänini's aufmerksam mache, in dem ihm
Kätjäjana nachweist, dass er fälschlich „sechs" statt „sieben" sage, Patarigah dagegen erklärt, dass Pänini doch eigentlich sieben meine.
Das Sütra 6, 1, 6 lautet: ^rf^MT^^: , was, man mag ^rf%-
(HT^T: in ^r^fri -|- ^TT^: (dieses wahrscheinlicher) oder in
-|- f^W l^<4' zerlegen , nur bedeuten kann : „die sechs mit
ginnenden Wurzeln". Das Värttika Kätjäjana's zu diesem Sütra
verbessert: ^rfViwi^M ^'jrq^ "^ql(t(«i#i^. Patangali rechtfertigt
den grossen Grammatiker mit deu Worten : ^'^t^ Vldq! ^<H*i( I
5r'W*sl*i*q1i I f,(<JI(^«|4a ^ l 5rf^?gr^?i: '). Solche
gute Pi-eunde haben auch die Verfasser der Sütra gefunden.
Schliesshch komme icb zu den Lexicograpben. Dass diese ^fTf
auch durch ^Hf^ erklären und in dieser Bedeutung verwenden,
darf uns nicht überraschen, da sie würdige Schüler und Nachbeter
der Commentatoren sind. Hierbei muss ich aber doch bemerken,
dass die Bedeutungen M«fH und •^nH^ uicht ohne Weiteres identi¬
ficirt werden dürfen. Die ursprüngliche und einzige Bedeutung von
f|f7T ist „so", und diese wird durch bezeicbnet. »l<*KqT(ti
werden nach Pänini 5, 3, 23 fgg. auch ^T, '^HNtT, ^7^*1.,
^■fl., l u. s. w. gebildet. In dem aus Hemak'andra's Lingänu-
fäsana von Bühler angeführten Beispiele ■^i^wf^ffl f^iqni: be¬
deutet ^MÄjf'TfTT, wie der Autor zunächst sagt, "OMftjfilrtl^eiTIT:
1) Daran, dass Panini mit Absicht ausgeschlossen hätte, ist gar
nicht zu denken.
2) f'r'JTITfW^T^Tri Bühler ist ein Druckfehler für f?RJ7ff%.
T^w:.
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BöhtUngk, Hahen f^fn u. ^ bisxreüen die Bedeut. von '^f^^? 519
und erst an zweiter Stelle heisst es 'VtRlTT^'i; . Dass 'WM«l*t
hier eine bestimmte Gruppe von Wörtem bezeicbnen muss, ergiebt
sich aus dem Plural f'I^TJTT: . Dieses ist also ein ganz ähnlicher
Fall wie der oben besprochene in den zwei Sütra des Päriini. Das
zweite, einem andern Werke Hemak'andra's entnommene Beispiel ist
unvollständig mitgetheilt : wir ersehen nicht , was im Text nacb
mtWJf^^ folgt. Der Commentar sagt: «,fdll[«<^: TraiTTT^:
und führt ganz auf dieselbe Weise gebildete Wörter auf.
Das aus dem Commentar zum Ganaratnamahodadhi entlehnte
Beispiel *t\ ^«sTlffl ^TTfWt ist ein Beleg für die Bedeutung
TIWTT von l,fn , und die Bedeutung fehlt unter der un¬
glaublichen Zahl von Bedeutungen, die hier dieser Partikel gegeben
wird. Ich habe Nichts dagegen , wenn man das Beispiel durch
„Wörter (BegriflFe) wie Rind, Pferd, Elephant sind Gattungsbegriffe"
wiedergiebt, was aber doch nicht gleichbedeutend mit „Rind, Pferd,
Elephant und so weiter" ist.
Zur Erbauung des Lesers will ich noch erwähnen, dass die
Commentatoren l^ffl am Schluss einer Aufzählung auch durch „gerade
so viel , nicht mehr und nicht weniger" erklären , also durch das gerade Gegentheil von „und so weiter". Zu Kanäda's Sütra (1, 1, 5)
^f^TTO^flr m^rnii'nt AiIhH l«*l I JTT ^^trrftr be¬
merkt ein Commentator: i;ffl<»lO 4«1*«l^*m'ä: I ^ l^'f ^-
ailfO! Tlfv^lf^ T *j[«1lf*I ^Wr^:. Eben so beim 7. Sütra.
Ich komme zu ^. Dass dieser Partikel die Commentatoren
nnd Lexicographen auch die Bedeutung „und so weiter" geben, ist
eine bekannte Sache. Aber neu und höchst interessant ist die Ent¬
deckung Kielhorn's '), dass in der grammatischen Literatur erst die
Verfasser der Käfikä dieselbe aufstellen und dass sie, wenu sie mit
Hülfe dieses „und so weiter" etwas bei Pänini Fehlendes nachtragen
und erklären, ihre Weisheit, vrie in vielen PäUen nachzuweisen ist
und für andere mit aller Wahrscheinlichkeit vermuthet werden darf,
den Nachträgen vorangebender Grammatiker entnommen haben. Pa¬
tangali, der das von Pänini in der Bedeutung „und" nach meiner
Zählung 838 mal verwandte V in der mannichfaltigsten und ge¬
zwungensten Weise erklärt, giebt, wie Kielhom versichert, der
Partikel ^ nie die Bedeutung „und so weiter". Dieses müsste
doch auch Bühler stutzig machen. Wenn man behauptet, dass eiu
alter Autor V in vielen Hunderten von Fällen in der einfach au-
1) Indian Antiquary, 1887, August, S. 251, Artikel 22.
520 Böhtlingk, Haben ^ bitweilen die Bedeut. von ■fldfj^?
reihenden Bedeutung ,und , auch* und in einigen wenigen Pällen
in der von ,und so weiter' gebraucht bätte , so ist dies ein
scbwerer Vorwurf. Was nützen seine Lebren und Vorschriften,
wenn man diese Metbode, wozu man ja das volle Recht hätte,
nicht nur in einigen unschuldigen Pällen anwendet, sondem auch
dann, wenn es sich um das Wohl und Wehe eines Menschen handelt?
Welche harte Strafen könnte nicht ein unmenschlicher Richter, wenn
ihm eine solche Interpretation des ^ gestattet würde, über ganz
geringe Vergehen verhängen?
Aus älteren Schriften führt Bübler für die Bedeutung „und
so weiter* zwei Stellen an. Die eine, Vasishtha 11, 2, habe ich
schon in dieser Zeitschrift Bd. 39, S. 484 besprochen und mich
gegen Bühler's Auffassung von ^ erklärt. Darauf antwortete Bühler
im selben Bande S. 706 und ich wiederum im 40. Bde., S. 145.
Die zweite Stelle soll Kanäda 1, 1, 6 sein. Hier werden 17 Guna
(bei Bühler fehlen drei) aufgezählt; der letzte ist M«<ff( \% , und
dieses V soll nach den Commentatoren die noch fehlenden 7 (bei
Bühler fehlt einer) , die sie nachtragen , einschliessen. Hierzu be¬
merkt Bühler: „The sixth Sütra mentions only seventeen qualities,
while it is evident from other passages of Kanäda's work tbat he
admitted seven others'. Daraus, dass die fehlenden sieben an anderen
Orten des Werkes erwäbnt und besprochen werden, kann noch nicbt
geschlossen werden , dass sie bei Kanäda für Cardinal-Guna oder
für Guna überhaupt gegolten hätten. Nur die Nichterwähnung des
könnte uns befremden, würde sich aber dadurch erklären
lassen, dass er als Guna ganz besonderer Art von Kanäda angesehen
und ausführlicher besprochen wird. Auch wäre es ganz unerklär¬
lich, wenn Kanäda, da er doch im vorangehenden Sütra die Dravjäni
und im nachfolgenden die Karmäni vollzählig aufführt, bei den
Guna sieben unerwähnt gelassen hätte. Er kennt eben nur 17
Cardinal-Guna, die übrigen sind später hinzugefügt worden. Frägt
man mich, warum Kanäda in diesem Sütra ^ verwendet, während
in dem vorangehenden und nachfolgenden unter ganz gleichen Ver¬
hältnissen f[fw steht, so vermag ich keinen andern Grund anzugeben als den von variatio delectat.
Die Beispiele aus den Wörterbüchern, die sich ohne Mühe
bedeutend vermehren liessen, beweisen nur, dass die Lexicographen
die Commentare gelesen haben, in denen ^ durch erklärt wird,
und dass diese Bedeutung in ibren metrisch abgefassten Werken
ihnen sehr zu Statten kam.
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Anzeigen.
P. Ascherson et G. Schweinfurth, Illustration de la
Flore d'Egypte. Le Caire, 10 Fevrier 1887. 238 S. 4".
Extrait du vol. II des Memoires de l'Institut egyptien.
[Wien, Holzhausen.]
Als reife Frucht mehr als zwanzigjähriger Arbeit legen die
Herren Verf. in den Memoires de l'Institut egyptien die vollständige
ägyptische Flora vor: Aegypten ist durch diese Pnblication unter
die botanisch am Genauesten erforschten Gebiete eingetreten.
Wenig eiu-opäiscbe Länder können sich solcher Theilnabme der
Botaniker lühmen, wie Aegypten. Seit Forskäl's (1761—2) und
besonders De lile's (1798—1801) grundlegenden Porschungen hat
sich eine lange Beihe hervorragender Forscher und Sammler mit
der Flora Aegyptens — deren älteste Spuren bis zu den pflanz¬
lichen Funden der Monumente hinauf verfolgt wurden — beschäftigt, und als abschliessendes Resultat dieser regen wissenschaftlichen
Thätigkeit darf die vorliegende Puhlication angesehen werden.
Sie enthält neben gründlicher und umsichtiger Benutzung
früherer Porschungen die Ergebnisse der Untersuchungen und Samm¬
lungen, die Schweinfurth durch 11 Jahre an Ort und Stelle an¬
gesteUt hat, und die Resultate der drei Forschungsreisen Ascherson's auf dem betreffenden Gebiete.
Die botanischen Ergebnisse, deren Werth durch die Aufnahme
aller in Aegypten im Freien cultivirten Pflanzen erhöht wird,
können in der Zeitscbrift nicht gewürdigt werden: wenn wir dennoch
dem Werke hier einige ZeUen widmen , so geschieht es , um die
linguistische Leistung der Verfasser nach Gebühr zu würdigen und
die Aufmerksamkeit der Fachgenossen auf den reichen Schatz ein¬
heimischer, meist arabischer Pflanzennamen zu lenken, der in dem
Werke niedergelegt ist. Die Verf haben sowohl aus ihren litera¬
rischen Hilfsquellen als aus dem Volksmunde die Namen sorgfältig
gesammelt , haben axif die Transscription, über welche die Vorrede
Rechenschaft ablegt, sehr genau geachtet und was sie vielleicht
übersehen hätten, wurde durcb die Revision Spitta Bey's und be¬
sonders durch die gewohnte BereitwUligkeit Wetzstein's berichtigt
und ergänzt. Das Werk ist dadurch zu einer reichen und verlässlichen
3 7 ♦