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Mit Schwung ins neue System

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646 Bayerisches Ärzteblatt 10/2008

Varia

Anfang 2006 löste die einheitliche Krankenver- sicherung für alle Niederländer das bisherige Nebeneinander von gesetzlicher und privater Versicherung ab. Seither soll mehr Wettbewerb den Kostenanstieg im Gesundheitswesen ein- dämmen und die Versorgungsqualität fördern.

Staatliche Regulierung soll den Wettbewerb so- zial abfedern und für alle den gleichen Zugang zur Basisversorgung sichern. Mit Hilfe besserer Informationen über die Angebote sollen die Bürger eine aktive Rolle als informierte Konsu- menten einnehmen. Die Niederländer scheinen diese Rolle angenommen zu haben.

Im Jahr 2006 wechselten 18 Prozent den Ver- sicherungsvertrag. 2007 weitere 4,5 Prozent.

Meist tauschten sie einen individuellen Ver- trag gegen einen Gruppenvertrag – 57 Prozent sind nun so versichert. Beispielsweise die Mit- glieder von Gewerkschaften und Rentner- oder Patientenorganisationen können sich seit der Reform gemeinsam versichern und erzielen so im Schnitt um sieben Prozent niedrigere Prä- mien.

Die Reform hat die Position der Versicherten gestärkt. Sie können jährlich die Versicherung wechseln und zwischen zahlreichen Tarifen wählen. Ein morbiditätsorientierter Risiko- strukturausgleich verhindert, dass Kranken- kassen Menschen mit hohem Gesundheits- risiko ausgrenzen. Versicherer müssen jeden aufnehmen und dürfen die Prämien nicht nach Merkmalen wie Alter oder Gesundheitszustand berechnen.

Prämien angehoben

Auch die Versicherer sind mit Schwung in den Wettbewerb gestartet. Die einkommensunab- hängige Prämie lag 2006 bei durchschnittlich 1028 Euro pro Jahr. Aus Marketinggründen waren die Prämien aber nicht kostendeckend kalkuliert. Wie erwartet, erhöhte sich die durchschnittliche Prämie schon 2007 auf 1103 Euro. Langfristig hofft man, dass der Wett- bewerb auch über die Qualität ausgetragen wird. Versicherer sollen Verträge direkt mit Leistungserbringern abschließen und ihnen Effizienzanreize bieten. Doch nach dem Re- gierungswechsel im Februar 2007 geriet dieser Teil der Reform ins Stocken. Die neue Koalition zögert, geplante Schritte zur Liberalisierung von Finanzierung und Vergütung umzusetzen, und fürchtet negative Auswirkungen eines zu freien Marktes.

Künftig mehr Nicht-Versicherte?

Denn noch ist offen, ob das neue System aus- reichend Ausgleich zwischen den gesellschaft- lichen Gruppen schafft. Zwar erhalten Gering- verdiener staatliche Zuschüsse zu den Versiche- rungspauschalen. Kontrahierungspflicht und einheitliche Prämien schützen zudem Ältere und chronische Kranke vor Benachteiligungen.

All dies gilt aber nur für das Basispaket. Da Zahnbehandlungen und Physiotherapie fast vollständig aus der Basisversorgung ausgeglie-

dert wurden, haben Zusatzversicherungen eine große Bedeutung – 93 Prozent der Niederländer haben solche Verträge abgeschlossen. Für Äl- tere und chronisch Kranke könnte es in Zukunft jedoch schwierig sein, Zusatzversicherungen zu bezahlbaren Tarifen zu erhalten. Geringverdie- nern drohen Härten, falls künftige Regierungen unter Kostendruck weitere Leistungen aus der Basisversicherung ausgliedern. Zudem droht die Zahl der Unversicherten von bisher rund 1,5 Prozent der Bevölkerung stark zu steigen, da seit Juli 2007 Versicherer säumige Zahler aus ihren Verträgen streichen dürfen.

Gelingt es, die Schwächeren vor Härten zu schützen? Führt mehr Markt tatsächlich zu mehr Effizienz und Qualität? Der Ausgang des niederländischen Experiments bleibt spannend.

Kerstin Blum, Projektmanagerin im Internationalen Netzwerk Gesundheits- politik der Bertelsmann Stiftung,

E-Mail: Kerstin.Blum@bertelsmann.de Nachdruck aus „Gesundheit und Gesell- schaft. Das AOK-Forum für Politik, Praxis und Wissenschaft“, Ausgabe 1/2008, Seite 18.

Mit Schwung ins neue System

Mehr Markt und mehr Chancengleichheit: Die Niederländer versu- chen, in ihrem Gesundheitswesen beides zu vereinen. Wie gut das bisher gelungen ist, beschreibt Kerstin Blum zwei Jahre nach der Reform.

Lesetipp – Maarse, Hans: Health reform – one year after implementation. Health Policy Mo- nitor. Mai 2007. www.hpm.org/survey/nl/a9/1

Foto: BilderBox.com

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