• Keine Ergebnisse gefunden

Landarztquote: Irrweg oder gute Idee?

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Landarztquote: Irrweg oder gute Idee?"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Bayerisches Ärzteblatt 5/2017

227 Meinungsseite | Varia

Jetzt ist sie da, die Landarztquote. Seit Jah- ren diskutiert, mit Verabschiedung des Mas- terplans Medizinstudium 2020 Ende März ermöglicht. Bis zu zehn Prozent der Medizin- studienplätze kann ein Bundesland Studien- anfängern geben, die sich verpflichten, für die Dauer der Weiterbildung plus bis zu zehn wei- tere Jahre auf dem Land zu arbeiten. Bayern hat etwas ähnliches schon begonnen. Studie- rende ab dem dritten Studienjahr erhalten für bis zu vier Jahre 300 Euro pro Monat, wenn sie Weiterbildung und fünf Jahre Landarbeit zusagen. Nichteinhaltung führt zur Rückzah- lung. Etwa 120 Studenten haben sich bisher darauf eingelassen. Die Landarztquote soll nun allerdings schon bei der Zulassung zum Studium ansetzen.

Eine gute Lösung? Die, die es am meisten be- trifft, halten davon offenbar am wenigsten.

Die Bundesvertretung der Medizinstudieren- den in Deutschland (bvmd) und Studierenden- vertreter ärztlicher Verbände, etwa des Hart- mannbundes, haben die Quote wiederholt kritisiert. Noch eine Festlegung, noch eine Hürde, so die Kritik. Nun sollen laut Master- plan bald grundsätzlich mehr Kriterien den Studienzugang bestimmen. Neben Abitur- noten sind berufliche Vorerfahrungen, sozia- les Engagement und soziale Kompetenz The- ma. An manchen Hochschulen gibt es schon heute Auswahlgespräche oder Eignungsprü- fungen. Jüngst brachte Bundesärztekammer- Präsident Montgomery noch Assessment Cen- ter ins Spiel.

Neu nachzudenken, welche Studienbewerber später die Medizin voranbringen können, ist sinnvoll. Die Versorgung dabei gleich mit zu bedenken, ist folgerichtig. Fraglich ist nur, ob die sich in eine fixe Quote mit jahrzehn- telanger Verpflichtung zwängen lässt. Ist es aussichtsreich, wenn sich 18-jährige Abitu- rienten, bevor sie einen Fuß an eine Univer- sität gesetzt haben, für 20 Jahre festlegen?

Also für eine Dauer, die ihre gesamte bishe- rige Lebenszeit überschreitet. Auch manche erfahrene Ärzte sehen die Quote skeptisch.

Was, wenn Studierende ihre Meinung än- dern? Oft entwickeln sich Schwerpunkte erst während eines Studiums. „Die eingegangene Verpflichtung wird mit wirksamen Sanktionen abgesichert.“ So der letzte Satz im Masterplan Medizinstudium 2020. Ein Rechtsgutachten,

erstellt im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), war schon konkreter.

Es nannte Strafen von bis zu 150.000 Euro als grundsätzlich möglich. Also Landarbeit oder jahrelange Schulden?

Diskutiert wird seitdem nicht zuletzt, ob sich nun betuchte Familien einen Studienplatz

„kaufen“ könnten. Eine Landarzt-Zusage ist auf dem Papier schnell gemacht. Wird der Fi- lius (überraschend!) doch lieber Radiologe, ist die Strafe genauso schnell (und problemlos) bezahlt. Selbst falls die Quote „funktioniert“:

Der unfreiwillige Frondienst von Jungärzten, die auf dem Land bleiben, obwohl sie das (doch) nicht (mehr) möchten, dürfte die dorti- ge Versorgung auch nicht retten.

Es scheint vielversprechender, auf intrinsische Motivation zu setzen. Ärzteorganisationen, Hochschulprofessoren und gerade auch Land- ärzte selbst halten das offenbar sehr wohl für möglich. Wer nur hochspezialisierte Fachärzte reden hört, könnte natürlich denken, es gä- be keine andere (relevante) Medizin. Insofern dürfte die Aufwertung der Allgemeinmedi- zin, wie durch die nun entstehenden, eigenen Lehrstühle und Institute an Hochschulen, ein wichtiger Teil der Lösung sein.

Bayern hat inzwischen drei davon, in Mün- chen und Erlangen. Augsburg, Regensburg und Würzburg folgen bald. Zusammen mit der 2011 eingerichteten Koordinierungsstelle All- gemeinmedizin (KoStA), Bayerischer Landes- ärztekammer, Kassenärztlicher Vereinigung Bayerns (KVB) und dem Bayerischen Haus- ärzteverband (BHÄV) wird ein Kompetenz- zentrum aufgebaut, ähnlich wie in Baden- Württemberg und Hessen. Allgemeinmedizin muss sichtbar sein. Das gilt umso mehr für die Landmedizin. Hausärzte sind mit Arbeit und Einkommen oft sehr zufrieden. Landärzte haben regional viel Verantwortung und eini- ges an Gestaltungsfreiheiten. Sie retten nicht täglich Leben, machen aber viele besser. Das muss für Studierende erfahrbar sein. Womög- lich ist das neue, ambulante Pflicht-Quartal im Praktischen Jahr des Studiums ein Bau- stein dafür. Es gibt noch viele weitere Mög- lichkeiten, von Praktika und Famulaturen bis zur Weiterbildung. Seit 2015 fördert der BHÄV Famulaturen, seit 2016 Weiterbildungen. Die Weiterbildungsförderung nach § 75a SGB V

durch Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen liegt seit Juli 2016 bei 4.800 Euro (statt 3.500 Euro) monatlich. Bayern hat nun viele Verbünde, wo Ärzte die fünf Jahre komplett absolvieren können.

2016 waren immerhin allein in Bayern 1.200 Allgemeinärzte in Weiterbildung, fast 100 mehr als im Vorjahr. Studierende sind beim ersten Landmedizin-Kontakt oft erstaunt, wie vielfältig die Arbeit ist. Nicht wenige erwägen, später selbst so zu arbeiten. Seit 2012 fördert das Gesundheitsministerium Land-Niederlas- sungen mit bis zu 60.000 Euro, seit 2013 auch die KVB mit bis zu 90.000 Euro. Einige hun- dert Ärzte nutzten das schon. Die motivier- testen Ärzte aber bekommt, wer sie mitgestal- ten lässt. Unter anderem werden kooperative Praxisformen und flexible Arbeitszeitmodelle wichtiger. Das ist mit zu bedenken. Das gilt besonders auch für den wichtigen Faktor Zeit.

Wer Studierende jetzt fördert, sieht sie nicht morgen in der Praxis, sondern in zehn Jahren.

Anmerkung der Redaktion: Gastkommentare geben die Meinung des Autors und nicht grundsätzlich die Meinung der Redaktion oder der Bayerischen Landesärztekammer wieder.

Autorin

Christina Bauer, Freie Journalistin, Autorin, München

Landarztquote: Irrweg oder gute Idee?

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Gartenbau in Entwicklungsländern Detlef Virchow, Generalsekretär von Global Hort, berichtete in seinem Vortrag «Die Be- deutung des Gartenbaus für die globale Er-

Einen we- sentlichen Anhalt für eine solche Konkre- tisierung bietet der Katalog der gesamt- europäischen Kriterien und Indikatoren einer nachhaltigen Forstwirtschaft, der im

• die erste Gruppe, Gruppe A, schliesst die erfolgreicheren Betriebe ein, die in den vier Jahren von 2006 bis 2009 den Wechsel in ein besseres Viertel mindestens einmal schaffen..

Die Konsequenz laut Reinhardt: „Die Medizinstu- dierenden nahmen die Allgemeinmedizin als medizinische Fachrichtung gar nicht wahr oder erst dann, wenn sie sich bereits für

Mit ihrer im Januar 2011 ins Leben gerufenen Plattform https://washabich.de möchten die Gründer des gemeinnützigen Unter- nehmens „Was hab‘ ich?“ gGmbH die Patienten, aber

Nein, hier gibt es auch Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel für Tiere – und für einige dieser Arzneimittel auch eine eigene Dokumentation.

Vor dem Hintergrund des stetig wachsenden Bedarfs an Pflegekräften ist eine Gesamtstrategie für die professionelle Pflege erforderlich mit dem Ziel, den. Pflegeberuf attraktiver

Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Bedarf zur Fortentwicklung