Thomas Neukirchner 26. November 2007
Zur geometrischen Interpretation der Divergenz, Rotation und des Laplace-Operator im R
2Vorbemerkung:Sein N(t) = (cost,sint) und JN(t) = (−sint,cost). Dann gilt:
X ∈R2 konstant ⇒ Z 2π
0
D
X, N(t) E
dt= Z 2π
0
(x1cost+x2sint)dt= 0 (1) A=
³a
11a12
a21a22
´
∈M2(R) ⇒ Z 2π
0
D
AN(t), N(t) E
dt=π(a11+a22) =π·Sp(A) (2)
= Z 2π
0
³
a11cos2t+a22sin2+(a12+a21) costsint
´ dt analog:
Z 2π
0
D
AN(t), JN(t) E
dt=π·(a21−a12) (3)
Divergenz:
SeiX ∈X(R2) ein Vektorfeld. Wir wollen den Fluss vonX durch einen KreisSr(P) um den Punkt pmit Radius r bestimmen - zumindest in 1.Ordnung bez¨uglichr.
• γr(t) = (rcost, rsint) parametrsiertSr(0).
• N(t) = (cost,sint) ist eine nach außen gerichtete Einheitsnormale der KreislinieSr(0).
• D
X(p+γr(t)), N(t) E
ist die Normalkomponente vonX im Punkt p+γr(t)∈Sr(p)
• X(p+h) =X(p)+DX(p)(h)+O(|h|) Taylorentwicklung vonXumpbis zur 1.Ordnung.
Dann gilt:
Fluss von X durchSr(p) = Z 2π
0
D
X(p+γr(t)), N(t) E
|γr0(t)|dt
(1)= r2 Z 2π
0
D
DXp(N(t)), N(t) E
dt+o(r2)
(2)= r2π· µ∂X1
∂x1(p) + ∂X2
∂x2(p)
¶
+o(r2) Also
(divX)(p) = lim
r→0
Z
Sr(p)
X, N®
vol(Br(p)) (4)
N X
X
JN
Rotation:
Sei X ∈ X(R2) wieder ein Vektorfeld. Diesmal betrachten wir den Fluss von X l¨angs der (orientierten!) Kreislinie Sr(P) parametrisiert durch p+γr(t). Wir ersetzten also den Nor- malvektor N durch den um 90-gedrehten VektorJN(t) = (−sint,cost) und erhalten:
Fluss von X l¨angs γr(t) = Z 2π
0
D
X(p+γr(t)), JN(t) E
|γr0(t)|dt
(1)= r2 Z 2π
0
D
DXp(N(t)), JN(t) E
dt+o(r2)
(3)= r2π· µ∂X2
∂x1(p)−∂X1
∂x2(p)
¶
+o(r2)
Dies ist gerade die Definition der Rotation in Dimension 2:
rot(X)(p) = lim
r→0
Z
Sr(p)
X, JN®
vol(Br(p)) (5)
Bemerkung:Die Betrachtungen zur Divergenz lassen sich ohne Probleme auf den R3 oder allgemein denRn ausdehnen, indem man den Fluss des Vektorfeldes durch eine (n−1)-dim.
Sph¨are vom Radius r betrachtet.
Dahingegen l¨aßt sich das NormalenfeldN schon auf einer 2-Sph¨are nicht mehr zuJN’drehen’.
Damit wird rotX∈Ω2(M) zu einer 2-Form auf der Untermannigfaltigkeit!
In Dimension n = 2 reduziert sich die Rotation auf eine Zahl durch einsetzten einer ONB.
Insbesondere erhalten wir die obige Definition imR2 zr¨uck:
rot(X) = rot(X)(e1, e2) =
e1(X), e2®
−
e2(X), e1®
In Dimension n = 3 nutzt man das Vektorprodukt, um der 2-Form rot(X) ein Vektorfeld zuzuordnen:
(rotX)p(v, w) =
v×w, rot(X)®
∀v, w∈TpM
Laplace-Operator:
Seif ∈C∞(R2) eine glatte Funktion. Die Taylorentwicklung bis zur zweiten Ordnung um p lautet dann:
f(p+h) =f(p) +
(gradf)(p), h® +12
(Hessf)(p)h, h®
+o(|h|2)
Wir vergleichen jetzt die Funktionswerte f(x) l¨angs der Kreislinie x ∈ Sr(p) mit f(p) und erhalten mit ¨ahnlichen Argumenten wie oben:
Abweichung von f auf Sr(p) =
Z 2π
0
³
f(p+γr(t))−f(p)
´
|γr0(t)|dt
(1),(2)= r3
2 Z 2π
0
D
(Hessf)(p)N(t)), N(t) E
dt+o(r3)
= r3π
2 Sp(Hessf)(p) +o(r3)
Die Spur der Hesse’schen Hessf ist aber gerade der Laplace-Operator ∆f im Rn, also:
∆f(p) = lim
r→0
2· Z
Sr(p)
³
f(p+γr(t))−f(p)
´
r·vol(Br(p)) (6)
f(p)
f(p+γr(t))
Eine weitere Interpretation des Laplace-Operators ergibt sich sofort aus dessen Definition
∆f = div(gradf) und (4), wenn wir mit ∂N∂f =
gradf, N®
die Ableitung in Richtung der NormalenN auf Sr(p) bezeichnen:
∆f(p) = lim
r→0
R
Sr(p)
∂f
∂N
vol(Br(p)) (7)
Den Zusammenhang zwischen (6) und (7) wollen wir im 1-dimensionalen Fall nochmals ver- deutlichen. Das Integral wird dabei zur Summe ¨uber die beiden Punkte {p−r, p+r} = Sr(p)⊂R:
(6) = lim
r→0
f(p+r)−f(p) +f(p−r)−f(p)
r·2r =
L’Hospital lim
r→0
f0(p+r)−f0(p−r)
2r = (7)
= f00(p)
Bemerkung:
Die hier hergeleiteten Zusammenh¨ange (4), (5) und (7) sind die infinitesimalen Versionen der S¨atze von Gauß, Stokes und Green f¨ur ein Gebiet Ω ⊂ R2 mit nach außen gerichteten NormalenfeldN auf dem Rand∂Ω:
Gauss: R
∂Ω
X, N®
= R
Ω
divX Green/Stokes: R
∂Ω
X, JN®
= R
Ω
rotX Green’sche Identit¨at: R
∂Ω
∂f
∂N = R
Ω
∆f mit ∂N∂f =
gradf, N®
Wellengleichung einer schwingenden Saite oder Membran:
Die Auslenkung einer Saite aus ihrer Ruhelage werde durch den Graph der Funktionf mode- liert. Wir betrachten die auf die Randpunkte eines kleinen Segments [p−r, p+r] wirkenden Zugkr¨afte Fp+r, Fp−r. Der Betrag T der Zugkraft soll in der gesamten Saite konstant sein, also |Fp±r|=T.
Unter der Vorraussetzung |f0| ¿ 1 ist die resultierende Kraft F(p) im Punkt p ann¨ahernd vertikal und f¨ur ihren Betrag gilt:
F(p) =Fp+r+Fp−r≈T·¡
f0(p+r)−f0(p−r)¢ f(p+r)
Die auf die Saite wirkende Kraftdichte (= Kraft pro Linienelement) ist somit gegeben durch:
r→0lim F(p)
r =T·lim
r→0
f0(p+r)−f0(p−r)
r =T ·f00(p) =T ·∆f(p) (8) Nach dem Newton’schen Gesetz ruft die Kraftdichte eine Beschleunigung umgekehrt propor- tional zur Massendichteρ der Saite hervor. Sei nun alsof(x, t) die Auslenkung der Saite zur Zeit tand am Ortx, dann erhalten wir als Schwingungsgleichung:
∂2f
∂t2 = T ρ∆f
Vollkommen analog erh¨alt man die Schwingungsgleichung einer Membran, wobei wir diesmal in (8) die resultierende Kraftdichte bequem mit (7) bestimmen k¨onnen.