Pfadintegrale
Aus Ihren bisherigen Vorlesungen kennen Sie die Formulierungen der Quantenmehanik
vonHeisenberg, Shrödinger und Kollegen. Bereits 1933 spekulierte Dira,ob die
klassishe Wirkung in der Quantenmehanik eine ähnlih wihtige Rolle spielen könnte
wieinder klassishenMehanik [7℄.Erglaubte,daÿdieWahrsheinlihkeitsamplitudefür
diePropagation von
q
nahq
′ in der Zeitt
,K(t, q
′, q) = h q
′| e
−iHt/¯h| q i
(2.1)gegeben istdurh
K(t, q
′, p) ∝ e
iS[qcl]/¯h,
(2.2)wobei
q
cl dieklassishe Bahn vonq
nahq
′ inder Zeitt
bezeihnet.Der Exponent istdi-mensionslos,da
¯ h
dieDimensioneinerWirkunghat.FüreinfreiesTeilhenmitHamilton-und Lagrangefunktion
H
0= 1
2m p
2 undL
0= m
2 q ˙
2 (2.3)kann man dieobigeFormelleiht nahprüfen: Freie Teilhen bewegen sihlängs Geraden
und der zur Zeit
0
beiq
beginnende und zur Zeitt
beiq
′ endende Weg istq
cl(s) = 1
t { sq
′+ (t − s)q } = ⇒ S[q
cl] = Z
t0
dsL
0[q
cl(s)] = m
2t (q
′− q)
2.
Dies führtauf dieAmplitude
K
0(t, q
′, q) ∝ e
im(q′−q)2/2¯ht.
Der Proportionalitätsfaktor ist bestimmt durh die Bedingung
e
−iHt/¯h t−→
→0 1,
welhe inder Ortsdarstellung die Form
lim
t→0K(t, q
′, q) = δ(q
′, q)
(2.4)annimmt.EristauhbestimmtdurhdieEigenshaft
e
−iHt/¯he
−iHs/¯h= e
−iH(t+s)/¯h mitderentsprehenden Form in der Ortsdarstellung,
Z
duK(t, q
′, u)K(s, u, q) = K(t + s, q
′, q).
(2.5)Auf diese Weise ndet man den korrektenPropagator für einfreies Teilhen,
K
0(t, q
′, q) = m 2πi¯ ht
1/2e
iS[qcl]/¯h.
(2.6)Ähnlihe Resultate erhält man für Systeme in denen
h q ˆ i
die klassishe Bewegungsglei- hung erfüllt, d.h. Systeme für die gilth V
′(ˆ q) i = V
′( h q ˆ i ).
Für nihtlineare Systeme muÿ die Formel (2.6) modiziertwerden. 1948 gelang esFeynman shlieÿlih,das DirasheResultataufallgemeinereSystemezu erweitern[8℄.ErfandeinealternativeFormulierung
der Quantenmehanik, aufbauend auf der Tatsahe, daÿ der Propagator als Summe der
Amplituden aller Wege (undniht nurder klassishen) von
q
nahq
′ geshrieben werdenkann.InderQuantenmehanikkanneinTeilhenaufbeliebigenWegen
q(s)
vomAnfangs-zum Endpunkt gelangen,
q(0) = q
undq(t) = q
′.
(2.7)DieAmplitudefüreineneinzelnen Wegist
∼ exp iS[
Weg]/¯ h
unddieAmplitudefüralle
Wege istnah den Regeln der Quantenmehanik dieSumme der einzelnen Amplituden,
K(t, q
′, q) ∼ X
alle Wege
e
iS[Weg]/¯h.
(2.8)Bei der Untersuhung vonstohastishen Prozessen beshäftigte sih Wienershon frü-
her mitder SummeüberalleWege [13℄. Dabeiwurdedem einzelnen Wegaber einereelle
und positive Wahrsheinlihkeit und niht eine komplexe Amplituden zugeordnet. Das
Wienershe Wegintegral entspriht dem Feynman Wegintegral fürimaginäreZeitenund
ndetseine Anwendungen inder statistishen Physik. Die Wegintegralmethode gestattet
eine einheitlihe Sihtweise auf Quantenmehanik, Quantenfeldtheorie und statistishe
Mehanik und isteinunersetzlihes Werkzeugin der modernen theoretishen Physik. Sie
istein alternativerZugang zur kanonisher Quantisierungklassisher Systeme.
Sie feierte erste groÿe Erfolge inden 1950er Jahren und ist sehr shön und verständ-
lih in Feynman's ursprünglihen Arbeit [8℄ und in seinem Buh mit Hibbs [14℄ darge-
legt. Dieses Buh enthält auh viele Anwendungen und gilt heute immer noh als eine
Standardreferenz. Funktionalintegrale wurden von herausragenden Mathematikern und
Physikern, undinsbesonderevonKa,weiterentwikelt[15℄.Einegute Referenzfürdiese
Entwiklung istder Übersihtsartikel vonGelfand und Yaglom [16℄.
IhkannindieserVorlesungnureine EinführunginWegintegralegeben.Füreintiefe-
resVerständnismüssensiedieLiteraturkonsultieren.EsgibtvieleguteBüherundÜber-
sihtsartikelüberWegintegrale.Einigesind inder Literaturlisteangegeben. Insbesondere
dieZitate [17℄-[21℄enthalten einführendes Material.
EtwaallezweiJahrewirdanunserer FakultäteineVorlesungüberPfadintegraleange-
boten.Zur VorlesungimWintersemester2001/2002existierteinSkript, welhesSieunter
http://www.tpi.uni-jena.de /wipf/hpwipf.html, über denLink leture notes in
ps.gz format abrufenkönnen.DasvorliegendeKapitelisteineverkürzteund übersetzte
Versionvon Teilen des Skriptes.
2.1 Wiederholung der Quantenmehanik
Bekanntlih gibt es zwei Zugänge zur Quantisierung eines klassishen Systems - kano-
nishe Quantisierung und Pfadintegral Quantisierung. Ih gehe davon aus, daÿ sie mit
der ersten, also Shrödingers Wellenmehanik und Heisenbergs Matrizenmehanik, ver-
traut sind. Trotzdem wiederhole ih nohmals die wesentlihen Shritte der kanonishen
Quantisierung.
Ein klassishes System wird beshrieben durh seine Koordinaten
{ q
i}
und Impulse{ p
i}
imPhasenraumΓ
. Observablensind FunktionenO : Γ →
R.
Die EnergieH(q, p)
isteinwihtigesBeispiel. Esexistiert einesymplektisheStruktur auf
Γ
,d.h. lokalexistierenKoordinatenmit Poisson-Klammern
{ q
i, p
j} = δ
ij,
(2.9)unddieseStrukturwirdmitHilfederDerivationsregel
{ OP, Q } = O { P, Q } + { O, Q } P
undder Antisymmetrie auf Observablen ausgedehnt. Die Zeitentwiklung einer Observablen
istgegeben durh
O ˙ = { O, H } ,
e.g.q ˙
i= { q
i, H }
undp ˙
i= { p
i, H } .
(2.10)Nunquantisieren wir das System, indemwir Observablendurhhermiteshen Operato-
ren auf einem Hilbertraumund Poisson-Klammerndurh Kommutatoren ersetzen:
O(q, p) → O(ˆ ˆ q, p) ˆ
und{ O, P } −→ 1
i¯ h [ ˆ O, P ˆ ].
(2.11)DieZeitentwiklung einernihtexplizitzeitabhängigenObservablenistimHeisenbergbild
durh die Heisenberggleihung
d O ˆ dt = i
¯
h [ ˆ H, O] ˆ
(2.12)bestimmt. Speziell die Phasenraumkoordinaten
(q
i, p
i)
werden zu Operatoren mit einerZeitentwiklung gemäÿ
dˆ q
idt = i
¯
h [ ˆ H, q ˆ
i]
unddˆ p
idt = i
¯
h [ ˆ H, p ˆ
i]
mit[ˆ q
i, p ˆ
j] = i¯ hδ
ij.
Für niht-relativistishe Teilhen mit Hamiltonoperator
H ˆ = ˆ H
0+ ˆ V ,
mitH ˆ
0= 1 2m
X p ˆ
2i (2.13)ndet man diebekannten Bewegungsgleihungen
dˆ q
idt = p ˆ
i2m
undd p ˆ
idt = − V, ˆ
i.
(2.14)Die Observablen werden aufeinem Hilbertraum
H
,dessen Elemente dieSystemzustände harakterisieren, dargestellt,O(ˆ ˆ q, p) : ˆ H −→ H .
(2.15)FüreinineinerDimension gefangeneTeilhenistder Hilbertraum
H = L
2(
R)
und inderOrtsdarstellung haben Ort- und Impulsoperatordie Darstellung
(ˆ qψ)(q) = qψ(q)
und(ˆ pψ)(q) = ¯ h
i ∂
qψ(q).
(2.16)In Experimenten werden Matrixelemente von Observablen gemessen, zum Beispiel der
Erwartungswert des der Observablen zugeordneten Operators
O ˆ
in einem gegebenen Zu-stand
| ψ i
. Die Zeitabhängigkeit des Erwartungswertesh ψ | O(t) ˆ | ψ i
folgt dann aus denHeisenberg-Gleihungen (2.12).Im Folgenden kennzeihnen wir Operatoren nur nohbei
Bedarf miteinem Hut.
Wehseltmanmiteiner(zeitabhängigen)ÄhnlihkeitstransformationvomHeisenberg-
insShrödingerbild,
O
s= e
−itH/¯hO e
itH/¯h und| ψ
si = e
−itH/¯h| ψ i ,
(2.17)dann werden Observablen zeitunabhängig,
d
dt O
s= e
−itH/¯h− i
¯
h [H, O] + d dt O
e
itH/¯h= 0.
DerHamilton-Operatorändertallerdingsniht,
H
s= H
.NahKonstruktionbleibenauh Erwartungswerte invariant,h ψ | O(t) | ψ i = h ψ
s(t) | O
s| ψ
s(t) i .
(2.18)NahderTransformation
{ O(t), | ψ i} −→ { O
s, | ψ
s(t) i}
insShrödingerbildentwikelnsih dieZustände gemäÿ der Shrödingergleihungi¯ h d
dt | ψ
si = H | ψ
si ⇐⇒ | ψ
s(t) i = e
−itH/¯h| ψ
s(0) i .
(2.19)In der Ortsdarstellung hat diese formale Lösung dieForm
ψ
s(t, q
′) ≡ h q
′| ψ
s(t) i = Z
h q
′| e
−itH/¯h| q ih q | ψ
s(0) i dq
≡ Z
K(t, q
′, q)ψ
s(0, q)dq.
(2.20)Dabei benutzten wir dieZerlegung der Eins,
Z
dq | q ih q | =
1,
(2.21)und führten den Kern für dieunitäre Zeitentwiklung ein,
K (t, q
′, q) = h q
′| e
−itH/¯h| q i
(2.22)Hier ist
K(t, q
′, q)
dieWahrsheinlihkeitsamplitude für diePropagation vonq
zur Zeit0
nah
q
′ zur Zeitt
. Man shreibt auhK(t, q
′, q) ≡ h q
′, t | q, 0 i .
(2.23)Diese Amplitudeerfülltdiezeitabhängige Shrödingergleihung
i¯ h d
dt K (t, q
′, q) = HK(t, q
′, q),
(2.24)wobei
H
aufq
′ wirkt, und dieAnfangsbedingunglim
t→0K(t, q
′, q) = δ(q
′− q).
(2.25)DerPropagator
K
istdurhdiese beiden Bedingungeneindeutig bestimmt.Zum Beispiel hatfür dasniht-relativistishe freieTeilhenind
DimensionenmitHamiltonoperatorH
0in (2.13)der Propagator die expliziteForm
K
0(t, q
′, q) = h q
′| e
−itH0/¯h| q i = m 2πi¯ ht
d/2e
im(q′−q)2/2¯ht, q, q
′∈
Rd.
(2.26)Speziell ineiner Dimension ist
K
0(t, q
′, q) = m 2πi¯ ht
1/2e
im(q′−q)2/2¯ht.
(2.27)NahdiesenVorbereitungenkommenwirnunzurPfadintegraldarstellungdesPropagators
für einQuantensystemmitHamiltonoperator
H
.2.2 Feynman-Ka Formel
In diesemAbshnittleiten wir dieFeynmanshe Pfadintegraldarstellungfürden unitären
Zeitentwiklungsoperator
exp( − iHt)
und die Ka'she Pfadintegraldarstellung für den positiven Operatorexp( − Hτ)
ab.Wir werdendieProduktformelvonTrotterbenötigen.Für Matrizenwurdesiebereits
vonLie bewiesen, und in dieserVersion lautet sie:
Satz von LieFür zwei Matrizen
A
undB
gilte
A+B= lim
n→∞
e
A/ne
B/nn.
Wir beweisen diese einfahe Formel. Mit den Denitionen
S
n:= exp[(A + B)/n]
undT
n:= exp[A/n] exp[B/n]
können wir shreibenk e
A+B− e
A/ne
B/nnk = k S
nn− T
nnk
= k S
nn−1(S
n− T
n) + S
nn−2(S
n− T
n)T
n+ · · · + (S
n− T
n)T
nn−1k .
Die Normeines Produktes ist kleiner gleih dem Produkt der Normen, und deshalb gilt
k exp(X) k ≤ exp( k X k )
.Mit der Dreieksungleihung folgt dannk S
nk , k T
nk ≤ a
1/n mita = e
kAk+kBk,
und damit
k S
nn− T
nnk ≤ n · a
(n−1)/nk S
n− T
nk .
Benutzenwirnoh
S
n− T
n= − [A, B]/2n
2+O(1/n
3)
,soistdieProduktformelfürMatrizen bewiesen.Der Satzgiltallerdingsauhfürunbeshränkte selbstadjungierteOperatoren
A, B
fürdie
A + B
auf dem Durhshnitt ihrer Denitionsbereihe (wesentlih) selbstadjungiert ist:Satz von Trotter: Sind
A, B
selbstadjungierte Operatoren und istA + B
(wesentlih) selbstadjungiert auf dem DurhshnittD
ihrer Denitionsbereihe, so gilte
−it(A+B)= s − lim
n→∞
e
−itA/ne
−itB/nn.
(2.28)Sind
A
undB
zusätzlih nah unten beshränkt, dann gilt auhe
−τ(A+B)= s − lim
n→∞
e
−τ A/ne
−τ B/nn.
(2.29)Der starke Limes bedeutet, daÿ die Konvergenz für alle Zustände
ψ ∈ D
gilt. Die For-mel (2.28) wird in der Quantenmehanik gebrauht, die Formel (2.29) dagegen in der
statistishen Mehanik sowie euklidishen Formulierungder Quantenmehanik [22, 23℄.
Nun nehmen wir an, daÿ
H = H
0+ V
ist und wenden die Produktformel (2.28) auf (2.22) an. Mitǫ = t/n
und¯ h = 1
erhalten wirK (t, q
′, q) = lim
n→∞
q
′| e
−iǫH0e
−iǫVn| q
= lim
n→∞
Z
dq
1· · · dq
n−1 j=n−1Y
j=0
h q
j+1| e
−iǫH0e
−iǫV| q
ji ,
(2.30)wobei wir
R dq
j| q
jih q
j| =
1 benutzten sowieq = q
0 undq
′= q
n setzten. Das PotentialV
istdiagonal inder Ortsdarstellung, so daÿ
h q
j+1| e
−iǫH0e
−iǫV| q
ji = h q
j+1| e
−iǫH0| q
ji e
−iǫV(qj).
(2.31)Jetzt setzen wir für den Propagator des freien Teilhens mit Hamiltonoperator
H
0 dasResultat (2.26)ein. Es folgt
K(t, q
′, q) = lim
n→∞
Z
dq
1· · · dq
n−1m 2πiǫ
n/2· exp (
iǫ
j=n−1
X
j=0
"
m 2
q
j+1− q
jǫ
2− V (q
j)
#)
.
(2.32)Diese Feynman-Ka Formel liefert die gesuhte Pfadintegraldarstellung für den Zeitent-
wiklungskern.
Um zu sehen,warum dierehte SeitePfad- oder Wegintegral heiÿt,verbinden wir die
Punkte
q = q
0, q
1, . . . , q
n−1, q
n= q
′ mit Streken, so daÿ wir einen Weg bestehend auskleinen Geradenstüken erhalten, wie inder folgendenAbbildunggezeigt.
q
0 ǫ 2ǫ
s t =nǫ q = q
0 bq
1q
2 bq
′= q
nWir unterteilen das Intervall
[0, t]
inn
gleih lange Teilintervalleder Längeǫ = t/n
undidentizieren
q
k mitq(s = kǫ)
. Dannist der Exponent in(2.32) das Riemannshe Integralfür die klassishe Wirkung eines sih längs des stükweise geraden Weges bewegenden
Punktteilhens,
j=n−1
X
j=0
ǫ
"
m 2
q
j+1− q
jǫ
2− V (q
j)
#
= Z
t0
ds
"
m 2
dq ds
2− V q(s)
#
.
(2.33)Das
n − 1
-fahe IntegralR
dq
1. . . dq
n−1 ist danndie Summeüberallestükweise geradenWege von
q
nahq
′. Da jeder stetige Wegvonq
nahq
′ durh einen stükweise geradenWegapproximiertwerdenkannunddawir denKontinuumslimes
n → ∞
beziehungsweiseǫ → 0
vollführen,könnenwirdas IntegralalsSummeüberalleWegeansehen,diezurZeitt = 0
beiq
beginnenund zur Zeitt
beiq
′ enden. Setzenwir nohm
2πiǫ
n/2= C
(2.34)miteinerKonstanten
C
,welhezu einemunitärenZeitentwiklungskern Anlaÿgibt,dann nden wirK (t, q
′, q) = C
Z
q(t)=q′q(0)=q
D q e
iS[q]/¯h.
(2.35)DasformaleMaÿ
D q
istüberdenGrenzprozess (2.32)erklärt.Dadasunendlihe Produkt vonLebesquemaÿen nihtexistiert, hatD
keine präzise mathematishe Bedeutung. Aber man kann einMaÿauf allenWegendenieren, wenn mandas Pfadintegral zuimaginärenZeiten fortsetzt.
DieFormel(2.35)giltauhfürTeilhen,diesihinmehralseinerDimensionbewegen,
oder fürallgemeinereSysteme mitverallgemeinertenKoordinaten
q
1, . . . , q
N. FürweitereEigenshaften des Pfadintegrals sowie Beispiele und Anwendungen verweise ihauf [24℄.
2.3 Euklidishes Pfadintegral
Deroszillierende Integrand
exp(iS)
imPfadintegral (2.35)führtaufDistributionen. Falls es gelingen würde, die Oszillationen zu unterdrüken, dann gäbe es vielleiht die Mög-lihkeit, ein wohldeniertes Pfadintegral zu konstruieren. Dies mag erklären, warum in
beinaheallenrigorosenArbeitenzumPfadintegraleineimaginäreZeitangenommenwird.
FürimaginäreZeitenkanninder TateinMaÿaufallenPfaden strengkonstruiertwerden
und die Konstruktion führt auf das Wiener-Maÿ. Mit einer sogenannten Wikdrehung
wirdalso
t
zu imaginärenZeitenanalytishfortgesetztund beider inversenWikdrehung rotiert man wieder zurük zu reellen Zeiten. In der Praxis ersetzt man im Pfadintegral(2.35) die Zeit
t
durh− iτ
, versuht das so erhaltene euklidishe Pfadintegral zu lösen, und ersetzt inder Lösungdie imaginäreZeitτ
wieder durhit
.2.3.1 Quantenmehanik für imaginäre Zeiten
Fürselbstadjungierte Hamilton-Operatorenhat der unitäreZeitentwiklungsoperatordie
Spektraldarstellung
U(t) = e
−iHt= Z
e
−iEtdP
E,
(2.36)wobei
P
E diespektraleFamilievonH
ist.DerTräger desIntegralesistdas SpektrumvonH
.Für eindiskretes SpektrumistP
E derorthogonale Projektorauf denvonallenEigen- funktionen mit Energien≤ E
aufgespannten Unterraum vonH
. Wir wollen annehmen,daÿ der Hamilton-Operatornah unten beshränkt ist.Dann können wir eine Konstante
addieren, so daÿ
H ≥ 0
gilt und das Integral (2.36) von0
bis∞
geht. Jetzt ersetzen wirt → t − iτ
mitdem Resultate
−(τ+it)H= Z
∞0
e
−E(τ+it)HdP
E.
(2.37)Mit unseren Annahmen ist dies eine holomorphe Halbgruppe in der unteren komplexen
Halbebene
{ t − iτ ∈
C, τ ≥ 0 } .
(2.38)Kennen wir den Operator (2.37) auf der unteren imaginären Ahse
(t = 0, τ ≥ 0)
, dannkönnenwir zur reellenAhse
(t, τ = 0)
analytishfortsetzen. Wenn wir inder Minkowski Metrikds
2= dt
2− dx
2− dy
2− dz
2 die Zeit fortsetzen,t → − iτ
dann erhalten wir eineMetrikmiteuklidisher Signatur.Deshalb nennt mandieTheoriemitimaginärerZeitoft
euklidisheTheorie.StrenggenommenistdieserNamenurfürrelativistishe Feldtheorien
(und niht inder Quantenmehanik) angebraht.
Die Entwiklungsoperatoren
U (t)
sind fürallereellen Zeitendeniert und bildeneineeinparametrige unitäre Gruppe.
U(t)
erfülltdie Shrödingergleihungi d
dt U(t) = HU (t)
und der Kern
K(t, q
′, q) = h q
′| U (t) | q i
istkomplex und oszillierend.Für imaginäreZeiten sind dieEntwiklungsoperatoren
U (τ) = e
−τ H (2.39)hermitesh (und niht unitär) mit reellem Spektrum. Die
U (τ)
existieren für positiveτ
und bilden eine Halbgruppe. Für beinahe alle Anfangsdaten ist eine Entwiklung in die
imaginäreVergangenheit allerdingsunmöglih.
U (τ )
erfüllt eine Diusionsgleihung,d
dτ U(τ ) = − HU (τ),
(2.40)miteinem für reelle Hamilton-Operatorenreellen Kern 1
K(τ, q
′, q) = h q
′, τ | q, 0 i = h q
′| e
−τ H| q i
mitK (0, q
′, q) = δ(q
′, q).
(2.41)Der Kern iststrikt positiv:
Satz: Das Potential
V
sei stetig und nah unten beshränkt, undH = −
12△ + V
sei1
BeieinerKopplungandasmagnetisheFeld wird
H
unddamitU (τ)
komplex.wesentlih selbstadjungiert. Dann ist
h q
′| e
−τ H| q i > 0.
(2.42)Für einen Beweis dieses Satzes verweise ih auf das Buh von Glimm und Jaffe [21℄,
Seite 50. Zum Beispiel sind die Kerne für das freie Teilhen in
d
Dimensionen und für imaginäreZeitenK
0(τ, q
′, q) = m 2πτ
d/2e
−m(q′−q)2/2τ (2.43)und den harmonishen Oszillator in
d
Dimensionen und für imaginäreZeitenK
ω(τ, q
′, q) = mω 2π sinh ωτ
d/2exp
− mω 2
(q
′2+ q
2) coth ωτ − 2q
′q sinh ωτ
,
(2.44)oensihtlihpositiv.DiesePositivität istwesentlihfürdieweitreihendeBeziehungzwi-
shen der euklidishen Quantenmehanik (Quantenfeldtheorie) und der Wahrsheinlih-
keitstheorie. Die Gröÿe
P (τ, q) = C · h q, τ | 0, 0 i = C · K (τ, q, 0),
(2.45)kannalsWahrsheinlihkeitfürdieBewegungvon
0
nahq
imZeitintervallτ
interpretiert werden2
. Die Wahrsheinlihkeitdafür irgendwo zu landenmuÿ Eins sein,
C · Z
dq h q, τ | 0, 0 i = C · Z
dqK(τ, q, 0) = 1,
(2.46)und diese Forderung legt
C
fest. Für einfreiesTeilhen erhältmanP
τ(q) = m
2πτ
d/2e
−mq2/2τ,
und dies istdieWahrsheinlihkeitsdihtefür dieBrownsheBewegung mitDiusionsko-
ezient
D = 1/2m
.Vakuumerwartungswerte vonFeldoperatoren anvershiedenen Raumzeitpunktensind
ineiner Quantenfeldtheoriesehr wihtigund werdenin dieser Vorlesungeine groÿe Rolle
spielen.In der Quantenmehanik haben diese Erwartungswerte dieForm
W
(n)(t
1, . . . , t
n) = h 0 | q(t
1) · · · q(t
n) | 0 i , q(t) = e
itHq e
−itH.
(2.47)2
Umdie Notationeinfahzuhaltenbezeihnethier
q
undnihtq
′ denEndpunkt.DiesenahArthur Wightmanbenannten FunktionenändernbeiVertaushung zweier
Argumente, da Ortsoperatoren zu vershiedenen Zeiten niht vertaushen. Wir dürfen
wiederannehmen, daÿ dieEnergie des Grundzustandes
| 0 i
vershwindet. Nunsetzen wir dieWightmanfunktionen zu komplexen Zeitenz
i= t
i− iτ
i fort,W
(n)(z
1, . . . , z
n) = h 0 | qe
−i(z1−z2)Hqe
−i(z2−z3)Hq · · · q e
−i(zn−1−zn)Hq | 0 i .
(2.48)Wirhaben benutzt, daÿ
H
den Grundzustand annihiliertund deshalbexp(iζH) | 0 i = | 0 i
gilt.Hier müssen dieImaginärteileder
z
k geordnet sein,ℑ (z
k− z
k+1) ≤ 0.
Mit obigerDenition der komplexenZeiten
z
i folgt dieAnalyzität vonW
(n) im Gebietτ
1> τ
2. . . > τ
n.
(2.49)Die Wightmanfunktionen für reelle Zeiten sind deshalb die Randwerte der analytishen
Wightmanfunktionen für komplexe Argumente
W
(n)(t
1, . . . , t
n) = lim
ℑzi→0 ℑ(zk+1−zk)>0
W
(n)(z
1, . . . , z
n).
(2.50)Die Funktionenmit imaginärenArgumenten heiÿenShwingerfunktionen,
S
(n)(τ
1, . . . , τ
2) = W
(n)( − iτ
1, . . . , − iτ
n)
= h 0 | q e
−(τ1−τ2)Hqe
−(τ2−τ3)Hq · · · q e
−(τn−1−τn)Hq | 0 i .
(2.51)Wie sieht dies nun für den Oszillatormit(renormiertem) Hamilton-Operator
H = ωa
†a,
aus, wobei
a
unda
† diebekannten Absteige- und Aufsteigeoperatoren sind,q = 1
√ 2mω a
†+ a
und
p = i r mω
2 a
†− a
mit
[a, a
†] = 1.
DerGrundzustand
| 0 i
hatdieEnergieE
0= 0
undderersteangeregteZustand| 1 i = a
†| 0 i
die Energie
E
1= ω
. Die Zweipunkt-Wightmanfunktion hängt nur von der Zeitdierenzt
1− t
2 ab,W
(2)(t
1− t
2) = h 0 | q(t
1)q(t
2) | 0 i = 1
2mω h 0 | (a + a
†)e
−i(t1−t2)H(a + a
†) | 0 i
= 1
2mω h 1 | e
−itωa†a| 1 i = e
−iω(t1−t2)2mω ,
und diezugehörige Shwingerfunktion hat dieForm
S
(2)(τ
1− τ
2) = e
−ω(τ1−τ2)2mω .
(2.52)In einer relativistishen Quantenfeldtheorie sind die Shwingerfunktionen
S
(n) invariantunter der euklidishen Lorentzgruppe
SO(4)
undS
(n)(x
1, . . . , x
n)
ist eine symmetrishe Funktion seiner Argumentex
i∈
R4. In der Quantenmehanik ist dies niht der Fall.2.3.2 Das Pfadintegral für imaginäre Zeiten
Nunwollen wir diePfadintegral-Formulierungder Quantenmehanik mitimaginärerZeit
formulieren. Wir erinnern daran, daÿ die Produktformel von Lie und Trotter (2.29) aus
der Formel (2.27) hervorgeht, wenn man
it
durhτ
ersetzt. Genausowie im kanonishenZugangdreht man diereelle Zeit
t
miteinerWikrotationindieimaginäreZeit− iτ
odereuklidishe Zeit
τ
. Dies ist allerdings nur statthaft, wennH
nah unten beshränkt ist.Mitdenselben Argumenten wieinder Quantenmehanik mitreellerZeit kann mandiezu
(2.32) analoge Formel für die euklidishe Zeit
τ
beweisen. Die einzige Änderung ist dieErsetzung von
iǫ
durhǫ
.Man ndetK(τ, q
′, q) = h q
′| e
−τ H/¯h| q i = lim
n→∞
Z
dq
1· · · dq
n−1m 2π¯ hǫ
n/2e
−SE(q0,q1,...,qn)/¯hmit
S
E(. . .) = ǫ
n−1
X
j=0
m 2
q
j+1− q
jǫ
2+ V (q
j)
,
(2.53)wobei wieder
q
0= q
undq
n= q
′ gesetztwurden.Die rehte Seite ist die Zustandssumme für ein System auf einem eindimensionalen
Gitter,dessenGitterpunkte mit
j
bezeihnet sind.Auf jedemGitterpunktj
isteinereell-wertigeVariable
q
j deniert unddieWehselwirkung isteinezwishennähstenNahbarnq
j undq
j+1. Die Werte des Gitterfeldes{ 0, 1, . . . , n − 1, n } −→ { q
0, q
1, . . . , q
n−1, q
n}
werden am Rande des Gitters festgehalten,
q
0= q
undq
n= q
′. Das vielfahe Integral(2.53) entspriht der Summe über alle Gitterkongurationen. Mit dieser Interpretation
wird
¯ h
zu einerTemperaturund derklassishe Grenzfall¯ h → 0
gehtüberinden Tieftem-peraturlimes des Gittersystems.
Im Kontinuumslimes