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Genauer erfasste Arbeitslosigkeit dank Automatisierung | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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ARBEITSLOSENQUOTE

Die Volkswirtschaft  3 / 2020 49

Genauer erfasste Arbeitslosigkeit dank Automatisierung

Bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren sind nicht nur arbeitslose Personen gemeldet, sondern beispielsweise auch Personen mit einem Zwischenverdienst. Dank der automatischen Erfassung der Erwerbssituation kann die Arbeitslosigkeit neu genauer ausgewiesen werden.  Thomas Oesch

S

ie ist der wohl bekannteste Arbeits- marktindikator: die Arbeitslosenquote.

Sie gibt an, wie effizient eine Volkswirtschaft ihr Arbeitskräfteangebot nutzen kann. Die Arbeitslosenquote wird monatlich vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) pub- liziert und gibt Auskunft über den Anteil der arbeitslosen Personen gemessen am Total al- ler Erwerbspersonen ab 15 Jahren. Gemäss der

Abstract  Die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) erfassen alle Personen, die bei ihnen zur Stellensuche angemeldet sind. Die Zuordnung dieser Personen in arbeitslose und nicht arbeitslose Stellensuchende durch die RAV-Mitarbeitenden ist ausschlaggebend für die Höhe der Arbeitslosenzahl, die das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) monatlich publiziert. Seit März 2018 werden bei den RAV die registrierten Personen teilautomatisiert in arbeitslose und nicht arbeitslose Stellen- suchende eingeteilt. Dadurch konnte der Erfassungsaufwand bei den RAV gesenkt werden. Ausserdem wurden die Qualität und die interkantonale Vergleichbarkeit der Arbeitslosenzahlen deutlich verbessert. Zudem hat sich bei der Umstellung gezeigt, dass die Arbeitslosenzahlen in der Vergangenheit zu hoch ausgewiesen wurden.

internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ist arbeitslos, wer in der Referenzperiode keiner bezahlten Arbeit nachgeht, wer eine Tätigkeit aufnehmen könnte und wer zuletzt aktiv eine Stelle gesucht hat. Damit ist sie der Erwerbs- losenquote ähnlich, die das Bundesamt für Statistik erhebt. Die beiden Quoten unter- scheiden sich jedoch durch die Erhebungs- methodik: Während die Erwerbslosenquote

die Zahl der Erwerbslosen und Erwerbstäti- gen mithilfe einer repräsentativen Befragung in der Wohnbevölkerung bestimmt, wird die Arbeitslosenquote anhand der Registerdaten der Arbeitsämter berechnet. Als arbeitslos kann also nur gezählt werden, wer sich bei einem Regionalen Arbeitsvermittlungszent- rum (RAV) angemeldet hat. Für die Erwerbs- losenquote ist die Anmeldung bei einem RAV keine Voraussetzung.

Nicht nur Arbeitslose beim RAV

Im Gegensatz zur Erwerbslosenquote eig- net sich die Quote des Seco nicht für inter- nationale Vergleiche. Trotzdem ist sie ein präziser Indikator für die konjunkturelle Entwicklung der Schweiz und kann für re- gionale, branchen- oder berufsspezifische

Stellensuchende mit Zwischenverdienst gelten nicht als «arbeitslos».

ALAMY

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ARBEITSLOSENQUOTE

50 Die Volkswirtschaft  3 / 2020

Arbeitsmarktanalysen verwendet werden.

Für diese Analysen werden am Monatsende die Dossiers aller Stellensuchenden statis- tisch ausgewertet. Neben den arbeitslosen Personen umfasst das Informationssystem für die Arbeitsvermittlung und die Arbeits- marktstatistik (Avam) auch gemeldete Stellensuchende, die nicht arbeitslos sind, obwohl sie beim RAV gemeldet sind. Dazu zählen beispielsweise Stellensuchende, die einem Zwischenverdienst nachgehen, oder Personen, die aufgrund einer Krank- heit oder eines Unfalls nicht innert 30 Tagen eine Stelle antreten können. Gemäss der ILO-Definition von Arbeitslosigkeit gelten diese beiden Gruppen von Stellensuchenden nicht als arbeitslos. Denn Personen in einem Zwischenverdienst gehen einer bezahlten Arbeit nach, und kranke oder durch einen Unfall beeinträchtigte Personen sind nicht sofort vermittelbar, wie es die ILO-Definition verlangen würde.

Die Unterscheidung zwischen arbeitslosen und nicht arbeitslosen Stellensuchenden ist für die Berechnung der Arbeitslosenquote von grosser Bedeutung, wie die Zahlen zeigen: 2019 waren auf den RAV im Jahres- durchschnitt 181 798 Stellensuchende regist- riert. Davon gehörten allerdings nur rund 59 Prozent zur Gruppe der Arbeitslosen. Kon- zeptionell ist die Unterscheidung zwischen arbeitslosen und nicht arbeitslosen Stellen- suchenden eindeutig. In der Praxis sind die Erfassung der Informationen zu den Stellen- suchenden im Avam und die Verarbeitung der Informationen im Data Warehouse Lamda (Labor Market Data Analysis) allerdings mit einigen Herausforderungen verbunden.

Neue Erfassungsmethode

Vor der Umstellung im Frühling 2018 mussten die Personalberatenden auf den RAV den Erwerbsstatus und die Erwerbs- situation der Stellensuchenden manuell erfassen und bei Bedarf aktualisieren. An- hand dieser beiden Variablen wurden die Stellensuchenden in arbeitslos und nicht arbeitslos eingeteilt. Sie wurden höchs- tens einmal pro Monat anlässlich des Be- ratungsgesprächs verändert. Zudem waren die Mutationsregeln relativ kompliziert.

Beispielsweise galten Stellensuchende in Bildungsmassnahmen nur dann als nicht arbeitslos, wenn diese länger als zwei Wochen dauerten. Das führte dazu, dass die Einteilung der gemeldeten Personen in arbeitslos und nicht arbeitslos nicht immer einheitlich erfolgte und so auch die kan- tonale Vergleichbarkeit der Arbeitslosen-

Erwerbssituation Stellensuchende

Ganz Arbeitslose, bei gesuchtem Beschäftigungsgrad ≥ 90%

Teilweise Arbeitslose, bei gesuchtem Beschäftigungsgrad < 90% Arbeitslose Stellensuchende

Nicht arbeitslose Stellensuchende Teilzeitstelle, ungekündigt

Teilzeitstelle, gekündigt oder befristet Zwischenverdienst

Vollzeitstelle, ungekündigt Vollzeitstelle, gekündigt oder befristet Beschäftigungsmassnahmen Bildungsmassnahmen Spezielle Massnahmen

In kantonaler Beschäftigungsmassnahme Auf Stellensuche im Ausland

Krankheit, Unfall, Militär, Mutterschaft, Zivildienst Nicht vermittlungsfähig

Abb. 1: Einteilung der Stellensuchenden in Arbeitslose und Nichtarbeitslose

SECO, ARBEITSMARKTSTATISTIK, EIGENE DARSTELLUNG DES AUTOREN / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

Abb. 2: Arbeitslose und nicht arbeitslose Stellensuchende vor und nach der  Umstellung (2017–2019)

SECO, ARBEITSMARKTSTATISTIK / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

Abb. 3:  Arbeitslosenquote vor und nach der Umstellung (2017–2019)

SECO, ARBEITSMARKTSTATISTIK / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

Januar 2017

0 60 000

0

12

120 000 24

180 000 36

240 000 Stellensuchende in % 48

Juli 2017

Januar 2018

Juli 2018

Januar 2019

Juli 2019   Arbeitslose Stellensuchende         Nicht arbeitslose Stellensuchende         Anteil der nicht arbeitslosen Stellensuchenden (rechte Skala)

Januar 2017

0,8 -0,24

0 -0,48

1,6 0

2,4 0,24

3,2 0,48

4,0 in % Prozentpunkte 0,72

Juli 2017

Januar 2018

Juli 2018

Januar 2019

Juli 2019   Arbeitslosenquote         Veränderung der Arbeitslosenquote gegenüber Vormonat (rechte Skala)

Neue Erfassung der Erwerbssituation

Neue Erfassung der Erwerbssituation

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ARBEITSLOSENQUOTE

Die Volkswirtschaft  3 / 2020 51 zahlen beeinträchtigte.1 Um die Qualität

und die Vergleichbarkeit zu verbessern, wurde die Erfassung der Erwerbssituation der Stellensuchenden optimiert und im März 2018 in Kraft gesetzt.

Die neue Erfassung der Erwerbssituation von Stellensuchenden wurde mit den beiden Feldern «Erwerbssituation bei Anmeldung»

(einmalige Eingabe) und «Erwerbssituation aktuell» (Eingabe bei Bedarf) stark verein- facht. Zudem werden bestehende Informa- tionen zum Zwischenverdienst oder zu den arbeitsmarktlichen Massnahmen aus dem Avam automatisch genutzt, um die Erwerbs- situation der Stellensuchenden tagesaktuell zu berechnen. Davon betroffen sind bei- spielsweise Stellensuchende, die sich früh- zeitig beim RAV melden, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch in einer bereits gekündigten oder befristeten Vollzeitstelle beschäftigt sind. Sie werden bei Beginn einer Rahmenfrist mit Anspruch auf Taggelder automatisch auf

«arbeitslos» mutiert (siehe Abbildung 1).

Mehr nicht arbeitslose Stellensuchende

Diese Umstellung hat sich auch auf die Arbeitslosenzahlen und die Arbeitslosen- quote ausgewirkt. Sowohl die Anzahl der nicht arbeitslosen Stellensuchenden als auch deren Anteil an allen Stellensuchenden hat

1 Vgl. Gutachten über die kantonalen Unterschiede in der Erfassung der Stellensuchenden im Auftrag der Direk- tion für Arbeit des Seco (2012).

deutlich zugenommen. Der Anteil ist von rund 30 Prozent vor der Umstellung auf circa 40 Prozent gestiegen (siehe Abbildung 2).

Eine grössere Anzahl Nichtarbeitsloser – ins- besondere Stellensuchende im Zwischen- verdienst und Personen mit einer Voll- oder Teilzeitstelle – hat nach der Umstellung der Erfassungspraxis zu einem Rückgang der Arbeitslosenzahl geführt.

Ein Nebeneffekt davon ist, dass auch die Arbeitslosenquote zurückgegangen ist. Sie weist allerdings seit 2017 auch aufgrund der positiven konjunkturellen Entwicklung einen sinkenden Trend auf. Zwischen März und Mai 2018 reduzierte sich die Arbeitslosenquote gegenüber den Vormonaten um mehr als 0,2 Prozentpunkte. Dieser Rückgang übertraf die konjunktur- sowie die saisonbedingten Ver- änderungen sowohl im Vorjahr (2017) als auch im Jahr nach der Umstellung (2019) deut- lich. Welchen Anteil genau die Umstellung daran hatte, ist Gegenstand von Schätzun- gen. Der Anteil der arbeitslosen sowie der nicht arbeitslosen Stellensuchenden an allen Stellensuchenden unterliegt saisona- len und konjunkturellen Schwankungen.

Zwischen dem Wirtschaftswachstum und der Höhe des Anteils der nicht arbeitslosen Stellensuchenden besteht ein positiver Zu- sammenhang. Da das Wirtschaftswachstum 2018 höher war als im Jahr 2017, deutet dies darauf hin, dass auch nach altem Erfassungs- system der Anteil nicht arbeitsloser Stellen- suchender 2018 höher ausgefallen wäre.

Deshalb kommen wir zum Schluss, dass der Umstellungseffekt zu einer Verringerung der Arbeitslosenzahl um 9000 bis 14 500 führte.

Das entspricht einem Rückgang der Arbeits- losenquote um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte (siehe Abbildung 3). Mit anderen Worten:

2018 lag die Arbeitslosenquote durchschnitt- lich bei 2,5 Prozent. Mit der alten Erfassungs- methode hätte sie somit schätzungsweise 2,7 bis 2,8 Prozent betragen.

Kantonale Harmonisierung erfolgreich

Das Hauptziel, die Erfassung der Arbeits- losigkeit schweizweit zu harmonisieren und zu vereinfachen, wurde mit der Umstellung im März 2018 erreicht. Der Aufwand ist

Thomas Oesch

Ökonom, Statistik und Arbeitsmarkt­

analysen, Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), Bern

heute deutlich tiefer. Im interkantonalen Vergleich haben sich die Anteile der nicht arbeitslosen Stellensuchenden zudem an- geglichen, was die kantonalen Arbeitslosen- zahlen vergleichbarer macht. Die mittlere Abweichung der kantonalen Anteile der nicht arbeitslosen Stellensuchenden im Ver- gleich zum nationalen Durchschnitt ist von über 7 Prozentpunkten vor der Umstellung auf unter 5 Prozentpunkte gesunken. Zudem zeigen Analysen basierend auf den beiden Quellsystemen Avam und Asal (Auszahlungs- system der Arbeitslosenkassen), dass sich die Zahlen zu den Personen mit Zwischen- verdienst seit März 2018 angenähert haben.

Dabei handelt es sich um die mit Abstand grösste Gruppe innerhalb der nicht arbeits- losen Stellensuchenden. Die exaktere Be- rücksichtigung von Zwischenverdiensten hat damit seit der Umstellung im März 2018 im Avam ebenfalls zu einer tieferen Arbeits- losenzahl beigetragen. Ausserdem sind die täglich berechneten Arbeitslosenzahlen in Lamda mit der Umstellung tagesaktueller geworden (siehe Kasten).

Trotz deutlich besserer interkantonaler Vergleichbarkeit können Unterschiede auf Ebene der Kantone, der RAV und der Personal- beratenden bei der Erfassung der Erwerbs- situation auch heute nicht vollständig aus- geschlossen werden. Insbesondere Stellen- suchende mit einer Teilzeitstelle müssen auch im neuen Erfassungssystem manuell auf

«arbeitslos» gestellt werden, sobald sie die Stelle verlieren. Diese Situation macht deut- lich, dass auf eine laufende Qualitätskontrolle der Arbeitslosenzahlen durch das Seco in Zu- sammenarbeit mit den kantonalen Vollzugs- stellen nicht verzichtet werden kann.

Tagesaktuellere Arbeitslosenzahlen

Die täglich im Data Warehouse Lamda be- rechneten Arbeitslosenzahlen weisen seit der Umstellung logischere Muster auf. Jeden Montag nehmen die Arbeitslosenzahlen deutlich ab, weil an diesem Wochentag Ereignisse wie der Zwischenverdienst oder arbeitsmarktliche Mass- nahmen beginnen. Jeweils am Samstag nehmen die Arbeitslosenzahlen zu, weil die meisten Ereignisse an einem Freitag enden. Die täglichen Veränderungen in den Arbeitslosenzahlen sind seit der Umstellung nicht nur logischer, sondern auch grösser, wie die deutlichen Zunahmen zu Beginn des Monats sowie die ausgeprägten Abnahmen jeden Montag zeigen. Die Qualität der Arbeitslosenzahlen und somit auch die Präzision der Arbeitslosenquoten haben seit der Umstellung zugenommen.

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