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«Konfliktmineralien»: Was macht die Schweiz? | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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Academic year: 2022

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ROHSTOFFHANDEL

16 Die Volkswirtschaft   6 / 2021

Institutionen, mangelnder Sicherheit und dem Zusammenbruch der zivilen Infrastruktur ge- prägt.

Teufelskreis durchbrechen

Für den Frieden und die wirtschaftliche Ent- wicklung eines Landes ist es entscheidend, die Verknüpfung zwischen dem Rohstoffabbau und der Finanzierung von Konflikten zu durch- brechen. Zu diesem Zweck hat die Organisa- tion für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Jahr 2011 einen Leit- faden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten für Minerale aus Konflikt- und Hochrisiko- gebieten veröffentlicht. Die Schweiz war an der Erarbeitung dieses Dokuments massgeblich be- teiligt. Mitgewirkt haben unter anderem auch betroffene afrikanische Länder, Branchen- verbände und lokale und internationale Nicht- regierungsorganisationen.

Der Leitfaden enthält Empfehlungen für eine Sorgfaltsprüfung durch Unternehmen, die Mi- neralien und ihre veredelten Metallderivate aus Konflikt- oder Hochrisikogebieten importieren oder bearbeiten. Die Sorgfaltsprüfung, die auch die Geschäftspartner in der Lieferkette umfasst, besteht aus fünf Verfahrensschritten (siehe Abbildung auf S. 18): Zunächst erlässt das Unternehmen eine Strategie für eine ver- antwortungsvolle Handhabung seiner Liefer- kette und gestaltet das Managementsystem so aus, dass die Sorgfaltsprüfung umgesetzt wer- den kann. Dann identifiziert es allfällige Risiken und verhindert oder verringert diese gestützt auf einen Risikomanagementplan. Mit Audits

N

atürliche Bodenschätze können wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes beitragen. Deren Abbau ist eine wich- tige Beschäftigungs- und Einkommensquelle für die lokale Bevölkerung. Dennoch gelingt es vielen rohstoffreichen Entwicklungsländern insbesondere aufgrund politischer Instabilität und Korruption nicht, ihren Reichtum für einen wirtschaftlichen Aufschwung zu nutzen. Man bezeichnet dieses Phänomen auch als «Roh- stofffluch».

Schlimmstenfalls können der Abbau und der Handel mit Rohstoffen zur Finanzierung gewaltsamer Konflikte, zu Korruption und Menschenrechtsverletzungen wie Zwangs- und Kinderarbeit beitragen. Man denke zum Beispiel an die bewaffneten Milizen, die sich Waffen mit dem aus dem Abbau von Rohstoffen erzielten Einkommen gekauft haben und die lokale Be- völkerung in der Demokratischen Republik Kongo terrorisieren. Oder an die sogenannten Blutdiamanten, die in den Neunzigerjahren ge- waltsame Konflikte in Liberia und Sierra Leone schürten.

Diese sogenannten Konflikt- und Hoch- risikogebiete sind oft von der gewaltsamen Unterdrückung der Bevölkerung, schwachen

«Konfliktmineralien»:

Was macht die Schweiz?

Unternehmen, die «Konfliktmineralien» wie Gold und Zinn aus Hochrisikogebieten in die Schweiz importieren, müssen sich bald einer Sorgfaltsprüfung unterziehen. Der Bundes- rat arbeitet derzeit an der Umsetzung des indirekten Gegenvorschlags zur Konzern- verantwortungsinitiative.  Olivier Bovet, Nadja Meier

Abstract  Der Abbau und der Handel mit Rohstoffen können zu Konflikten und Menschenrechtsverletzungen beitragen. Um dies möglichst zu ver- hindern, führt die Schweiz eine gesetzliche Pflicht zur Sorgfaltsprüfung und zur Berichterstattung für Unternehmen ein, welche Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold aus Konflikt- und Hochrisikogebieten in die Schweiz importieren oder hier bearbeiten. Dabei orientiert sie sich an internationa- len Standards wie insbesondere jenen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Damit setzt der Bundesrat den indirekten Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative um.

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FOKUS

Die Volkswirtschaft   6 / 2021 17 durch unabhängige Dritte wird anschliessend

geprüft, ob die Massnahmen zur Erfüllung der Sorgfaltsprüfung eingehalten werden. Schliess- lich berichtet das Unternehmen öffentlich über seine Politik und seine Praktiken betreffend die Sorgfaltsprüfung in der Lieferkette.

Ursprünglich beschränkte sich der OECD- Leitfaden auf Zinn, Tantal, Wolfram und Gold, da diese Rohstoffe in Konflikt- oder Hoch- risikogebieten besonders häufig vorkommen, inzwischen wurde er aber auf alle Mineralien ausgeweitet. Der Leitfaden diente der Europäi- schen Union als Grundlage für eine Verordnung zu Konfliktmineralien: Seit Anfang 2021 müs- sen Importeure in der EU ihre Lieferketten einer Sorgfaltsprüfung unterziehen, um herauszu- finden, ob Zinn, Tantal, Wolfram und Gold allenfalls aus Konflikt- und Hochrisikogebieten

stammen. Falls dies zutrifft, müssen sie ge- eignete Massnahmen ergreifen und die Ergeb- nisse jährlich veröffentlichen.

Schweiz führt neue Regeln ein

In der Schweiz wurde am 29. November 2020 die Konzernverantwortungsinitiative an der Urne abgelehnt. Damit gelangt der indirekte Gegen- vorschlag des Parlaments zur Anwendung, der eine Pflicht zur Nachhaltigkeitsbericht- erstattung sowie zur Sorgfaltsprüfung und zur Transparenz betreffend Kinderarbeit und Konfliktmineralien vorsieht. Die Bestimmungen zu den Konfliktmineralien orientieren sich an der EU-Verordnung und am OECD-Leitfaden.

Damit strebt die Schweiz ein international koordiniertes Vorgehen an.

Bei Gold aus Konflikt- gebieten ist erhöhte Vorsicht geboten.

Goldgräber in der Demokratischen Republik Kongo.

KEYSTONE

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ROHSTOFFHANDEL

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Die neuen Gesetzesbestimmungen bezüglich Konfliktmineralien betreffen Unternehmen, die Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold aus Kon- flikt- und Hochrisikogebieten in die Schweiz importieren oder hier bearbeiten. Bei diesen Fir- men muss eine externe Fachperson prüfen, ob sie die Sorgfaltspflicht eingehalten haben. Eine Verletzung der Berichterstattungspflicht wird mit einer Busse von maximal 100 000 Franken bestraft.

Bundesrat am Zug

Die detaillierte Umsetzung legt der Bundesrat nun in einer Verordnung fest. So muss er bei- spielsweise definieren, bis zu welcher jährlichen Einfuhrmenge der erwähnten Mineralien und Metalle ein Unternehmen von der Pflicht zur Sorgfaltsprüfung und Berichterstattung be- freit ist. Weiter gilt es zu klären, unter welchen Voraussetzungen andere Regelwerke anerkannt werden: Soll etwa ein Unternehmen, das sich beispielsweise bereits an den OECD-Leitfaden oder die EU-Verordnung hält, von der Pflicht zur Sorgfaltsprüfung und Berichterstattung gemäss Schweizer Verordnung befreit werden?

Schliesslich muss der Bundesrat in der Ver- ordnung die genauen Anforderungen festhalten, die in Bezug auf die Sorgfaltspflicht gelten. Dabei geht es vor allem um die Ausgestaltung eines

Olivier Bovet Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Ressort Inter- nationale Investitionen und multinationale Unter- nehmen, Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), Bern

Nadja Meier Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Ressort Internationale Investitio- nen und multinationale Unternehmen, Staats- sekretariat für Wirtschaft (Seco), Bern

Schritte der Sorgfaltsprüfung

1 | Verantwortungsvolle Unternehmensführung verankern

in Strategien und Managementsystemen

2 | Bestimmen und Bewerten negativer Effekte in Geschäftstätigkeiten,

Lieferkettenund Geschäfts beziehungen

3 | Beseitigen, Vermeiden oder Mindern negativer Effekte

4 | Nachverfolgen

von Umsetzung und Ergebnissen 5 | Kommunikation

über Umgang mit Effekten

BASIEREND AUF DER OECD DUE DILIGENCE GUIDANCE FOR RBC / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

Managementsystems, das eine Lieferketten- politik und ein System zur Rückverfolgbarkeit der Mineralien enthalten soll. Zudem ist zu prä- zisieren, wie die Risiken ermittelt und welche Massnahmen allenfalls ergriffen werden.

Aufgrund der politischen und wirtschaft- lichen Bedeutung dieser Gesetzgebung findet derzeit eine öffentliche Vernehmlassung zum Verordnungsentwurf statt. Demnach sollen die Bestimmungen Anfang 2022 in Kraft treten. Für die betroffenen Unternehmen würde dies be- deuten, dass sie nach der im Obligationenrecht festgelegten Übergangszeit von einem Jahr erstmals über das Geschäftsjahr 2023 berichten müssten.

Referenzen

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