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2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Beschluss

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2. Vergabekammer

beim Landesverwaltungsamt Beschluss

Az. 2 VK LSA 11/17 Halle, 23.06.2017

§ 169 GWB, § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB

- Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin (Naturschutz) - Rügeobliegenheit nicht nachgekommen

- Angebot entspricht nicht in allen Anforderungen der Ausschreibung

Die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrages sind als gering einzuschätzen, da der Nachprüfungsantrag voraussichtlich unzulässig sei.

Die Antragstellerin ist ihrer Rügeobliegenheit nicht nachgekommen. Nach dieser Vorschrift sind Vergabeverstöße, die bereits in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe zu rügen. Die Antragstellerin hätte bei Erstellung ihres Angebotes feststellen müssen, dass die von ihr verwendeten Schutzeinrichtungen nicht den Vorgaben in der Ausschreibung entsprechen. Damit hätte sie zwingend in Bezug auf das geforderte System Marktrecherchen vornehmen müssen, um überhaupt ein ausschreibungskonformes Angebot abgeben zu können. Hierbei hätte sie bereits zu diesem Zeitpunkt zu dem Schluss gelangen können, dass nach ihrer Meinung die geforderte Leistung nicht realisierbar wäre. Da dieser vermeintliche Vergaberechtsverstoß erst nach Erhalt des Absageschreibens gerügt wurde, hat der Nachprüfungsantrag voraussichtlich keinen Erfolg. Nach Aussage der Antragsgegnerin liegen außerdem zuschlagsfähige Angebote vor.

Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die Belange des Naturschutzes durch die Antragsgegnerin plausibel dargelegt wurden. Eine weitere Verzögerung der Baumaßnahme hätte eine Gefährdung des Bestandes streng geschützter Amphibien zur Folge. Somit tritt das Interesse der Antragstellerin an der Aufrechterhaltung ihres Primärrechtsschutzes hinter den Interessen der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens zurück.

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In dem Nachprüfungsverfahren der

… - Antragstellerin -

Verfahrensbevollmächtigte:

gegen die

… - Antragsgegnerin -

wegen

der Vergabe „Neubau der B …“ hat die 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden …, der hauptamtlichen Beisitzerin … und der ehrenamtlichen Beisitzerin … beschlossen:

Der Antragsgegnerin wird auf deren Antrag hin gestattet, nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekanntgabe dieser Entscheidung den Zuschlag zu erteilen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Beschluss in der Hauptsache vorbehalten.

Gründe I.

Die Antragsgegnerin beabsichtigt im Rahmen eines offenen Verfahrens Bauleistungen für die Baumaßnahme B … zu vergeben. Sie hat dies im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom … bekanntgegeben.

Nebenangebote sind nicht zugelassen. Der Preis ist das einzige Zuschlagskriterium.

U.a. haben die Bieter für die Baumaßnahme Schutzeinrichtungen (im Folgenden:

SE) auf Brücken und Übergangskonstruktionen (im Folgenden: ÜK) oder Übergangselemente (im Folgenden: ÜE) für Fahrzeugrückhalte-Systeme (im Folgenden: FRS) anzubieten.

Nach Ziffer 3.2 der EU-Aufforderung zur Angebotsabgabe ist - auf besonderes Verlangen der Vergabestelle – der Nachweis der Erfüllung der Anforderungen des Einsatzfreigabeverfahrens für Fahrzeugrückhaltesysteme durch Nennung der Modulbezeichnung in der BASt- Einsatzfreigabeliste oder der Einzelnachweis der Erfüllung aller Grundvoraussetzungen des Einsatzfreigabeverfahrens sowie der Anforderungen des Einsatzfreigabeverfahrens bezüglich des Einsatzortes vorzulegen.

Aus Nr. 1 der EU-Teilnahmebedingungen ist folgendes zu entnehmen:

„Enthalten die Vergabeunterlagen nach Auffassung des Unternehmens Unklarheiten, Unvollständigkeiten oder Fehler, so hat es unverzüglich die Vergabestelle vor Angebotsabgabe in Textform darauf hinzuweisen.“

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In der den Vergabeunterlagen beiliegenden Baubeschreibung heißt es unter Ziffer 1.1.2.10 u.a.:

„Die Planung der Fahrzeugrückhaltesysteme (FRS) ist nach RPS (Ausgabe 2009) in Verbindung mit der DIN EN 1317 erfolgt, d.h. es erfolgte anhand der vorliegenden Bedingungen…

Es sind nur solche Systeme vorzusehen, die sowohl für die Einbausituation Brücke als auch die Strecke positiv nach DIN EN 1317-2 geprüft wurden und für die entsprechende, geprüfte Übergangs-, Anschluss- und Endkonstruktion vorliegen. Die Regelungen der ZTV-PS 98 und der TL-SP 99 besitzen weiterhin ihre Gültigkeit und sind zu berücksichtigen.“

Weiter ist unter Ziffer 3.12.3.7 derselben Vorgabe ausgeführt:

„Grundsätzliche Festlegung

Es sind nur FRS einzusetzen die gem. BASt (Erklärung durch die Vergabekammer:

Bundesanstalt für Straßenwesen) - Einsatzfreigabeliste dem vertraglichen Zweck genügen. Für FRS, die nicht in der Einsatzfreigabeliste (Erklärung durch die Vergabekammer: EFL) aufgeführt sind bzw. für Produkte anderer Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaften und Ursprungswaren aus den Mitgliedsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums und der Türkei werden ausschließlich Produkte als gleichwertig behandelt, für die das geforderte Schutzniveau – Sicherheit, Gesundheit und Gebrauchstauglichkeit – gleichermaßen erreicht wird. Zur Beurteilung der Gleichwertigkeit sind Unterlagen über Produkteigenschaften und Prüfungen auf gesondertes Verlangen vorzulegen.“

Im Leistungsverzeichnis haben die Bieter unter Position 04.07.0015. SE auf Brücken und Stützwänden oder Streifenfundamenten einschließlich der ggf. erforderlichen systembedingten Befestigungen anzubieten. In dieser Position heißt es u.a.:

….

„SE nach Einsatzfreigabeverfahren der BASt. Angaben im Bieterangabenverzeichnis über Modulbezeichnung (bei System aus EFL)

…“

Für die SE ist eine Höhe von <= 0,80m vorgegeben.

In der Position 04.07.0016. sind die Preise für die erforderlichen ÜK/ÜE für FRS zu verpreisen. Hier heißt u.a. wörtlich:

ÜK/ÜE nach Einsatzfreigabeverfahren der BASt. Angaben im Bieterangabenverzeichnis über Modul-/Systembezeichnung (bei System aus EFL)…“

Bestandteil der Vergabeunterlagen ist weiterhin der Bauwerksplan 24.2.1. Daraus ist zu entnehmen, dass das zu schützende Brückengeländer höher sein muss als die SE. Unter LV-Pos. 04.07.0002 ist das Brückengeländer mit einer Höhe von 1.000 mm ausgeschrieben.

Bis zu dem auf den 19.01.2017 festgesetzten Öffnungstermin gingen fristgerecht sechs Angebote, darunter auch das der Antragstellerin, bei der Antragsgegnerin ein.

Am selben Tag benachrichtigte diese gemäß § 14 EU Abs. 6 VOB/A die Bieter über die Ausschreibungsergebnisse. Daraus geht hervor, dass das Angebot der Antragstellerin preislich Platz eins belegt.

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Innerhalb der Angebotsprüfung wurde die Antragstellerin u.a. aufgefordert, für die Positionen 04.07.0015 und 04.07.0016 folgende ergänzende Angaben zu machen:

- Name des Hauptsystems

- Aufhaltestufe/ Wirkungsbereich/ Anprallheftigkeitsstufe des Hauptsystems - Systembezeichnung

- ggf. Modul-Nr. der EFL - Hersteller

Die Antragstellerin reichte fristgerecht die geforderten Unterlagen bei der Antragsgegnerin ein. Darunter befand sich auch ein Einbauhandbuch des Herstellers für das angebotene Rückhaltesystem. Aus den darin enthaltenen technischen Daten ist zu entnehmen, dass die Konstruktionshöhe des angebotenen Systems ca. 120 cm bzw. ca. 130 cm beträgt.

Mit Schreiben vom 02.03.2017 erhielt die Antragstellerin die Mitteilung über den Ausschluss ihres Angebotes. Dies wurde damit begründet, dass die von ihr angebotene SE nicht die geforderte Bauhöhe aufweise.

Dies rügte die Antragstellerin gem. § 160 Abs. 3 GWB, nunmehr anwaltlich vertreten, mit Schriftsatz vom 06.03.2017. Sie machte im Wesentlichen geltend, dass sie nach Eingang des Schreibens vom 02.03.2017 eine Recherche über das ausgeschriebene System durchgeführt habe. Sie sei danach zu dem Ergebnis gekommen, dass es kein System gebe, welches den Anforderungen aus den Vergabeunterlagen vollumfänglich entsprechen würde. Die Leistungsbeschreibung liefe damit auf eine objektive nicht zu erfüllende Leistung hinaus. Gegebenenfalls müsse die Antragsgegnerin das Leistungsverzeichnis überarbeiten und das Vergabeverfahren in den Stand vor Angebotsabgabe zurückversetzen.

Die Antragstellerin bat weiterhin um Mitteilung, welches System die ausgeschriebenen Kriterien erfüllen würde.

Besonderes Augenmerk solle die Antragsgegnerin dabei auf die Einhaltung der Einsatzfreigabekriterien der BASt legen, vor allem speziell auf die Begutachtung durch die BASt.

Die Antragsgegnerin beantwortete mit Schreiben vom 09.03.2017 die Rüge zum einen, dass das von der Antragstellerin angebotene System in den Grundabmessungen nicht die Anforderungen des Leistungsverzeichnisses erfüllen würde. Soweit sie darauf abstelle, dass kein System existiere, welches den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses entspräche, hätte sie um diesbezügliche Auskünfte gem. § 12a EU Abs. 3 VOB/A bei der Antragsgegnerin ersuchen müssen.

Im Übrigen seien wertbare Angebote, die die gestellten Anforderungen aus den Vergabeunterlagen erfüllen würden, vorliegend.

In ihrem darauffolgenden Schriftsatz vom 09.03.2017 stellt die Antragstellerin weiter darauf ab, dass ein Bieter sicher nicht verpflichtet sei, während der Angebotsbearbeitung jede einzelne LV-Position einer Markterkundung bezüglich der Erfüllbarkeit der anzubietenden Leistung zu unterziehen. Schließlich müsse ein Bieter gem. § 7 EU VOB/A sich darauf verlassen können, dass die ihm vorliegende

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Leistungsbeschreibung i.S. der vorgenannten Vorschrift ordnungsgemäß erstellt worden sei.

Soweit die Antragsgegnerin geltend mache, dass ihr mehrere Systeme angeboten worden seien, die den Anforderungen entsprechen würden, sei diese Aussage nicht überprüfbar. Auch würde diese pauschale Aussage gegen das gem. § 97 Abs. 1 GWB erforderliche Transparenzgebot verstoßen. Sie halte deshalb an der vorgebrachten Rüge sowie an ihrem Abhilfebegehren fest. Weiterhin bestehe sie auf der Mitteilung der geforderten Produktangabe.

Die Antragsgegnerin teilte gem. § 134 GWB mit Schreiben vom 09.03.2017 an die erfolglosen Bieter mit, dass sie beabsichtige, den Zuschlag nach der vorgeschriebenen Wartezeit auf das Angebot der Firma ... zu erteilen.

Mit Schriftsatz vom 10.03.2017 hielt die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin weiterhin an ihren vorgebrachten Rügen fest.

Die Antragsgegnerin berief sich in ihrem Nichtabhilfeschreiben vom 13.03.2017 auf das Gebot der produktneutralen Ausschreibung.

Die Antragstellerin stellte aufgrund des Nichtabhilfeschreibens der Antragsgegnerin am 17.03.2017 einen Nachprüfungsantrag bei der zuständigen Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt. Dieser wurde der Antragsgegnerin am selben Tag übermittelt.

In dem Nachprüfungsantrag hat sie ihr bisheriges Vorbringen ergänzt und vertieft.

Sie macht weiterhin geltend, dass die Antragstellerin den Vergabeverstoß nicht bereits vor Angebotsabgabe hätte rügen können, da dieser nicht erkennbar gewesen sei. Dies gelte umso mehr, als dass die Antragsgegnerin in ihrem Schreiben vom 09.03.2017 keine überprüfbaren Angaben zum ausgeschriebenen Produkt vorgegeben habe.

Sie räume zwar ein, dass sie sich vielleicht den etwaigen Vorwurf gefallen lassen müsse, die von ihren potentiellen Lieferanten bzw. Nachunternehmer, also von Fachfirmen, angebotenen Systeme selbst nicht genau genug auf ihre Ausschreibungs-Konformität hin betrachtet zu haben. Ein Bieter sei vor Angebotsabgabe aber ganz sicher nicht verpflichtet, zu jeder LV-Position eine Markterkundung durchzuführen.

Schließlich verfüge die Antragstellerin über keinerlei Erfahrung in diesem Bereich.

Sie bediene sich deshalb bei dieser Leistung generell um Nachunternehmer.

Während der Angebotsbearbeitung habe sich die Antragstellerin an mehrere Fachfirmen gewandt, zu deren Kerngeschäft die ausgeschriebenen Leistungen zählten. Selbst für diese sei ohne vertiefte Untersuchungen und ohne umfangreiche Marktrecherchen nicht erkennbar gewesen, dass kein System den Vorgaben der Leistungsbeschreibung genügen würde. Eine Überprüfung einer 100%-igen Erfüllbarkeit dieser Leistungspositionen könne von dem Bieter während der Angebotsbearbeitung nicht erwartet werden.

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Letztendlich könne kein System die in den in Streit stehenden Positionen genannten Anforderungen in ihrer Gesamtheit erfüllen. Auch sei die geforderte Höhe der SE (<= 0,80 m) nicht mit der Anforderung in den LV-Positionen „nach Einsatzfreigabeverfahren der BASt“ in Einklang zu bringen.

Keines der Angebote könne bezuschlagt werden, da bei allen eine Abweichung von den Vergabeunterlagen vorliegen müsse. Entweder würden die technischen Vorgaben in den LV-Positionen nicht eingehalten oder es fehle bei deren Einhaltung an der erforderlichen Begutachtung durch die BASt.

Auch seien die zusätzlichen Anforderungen an die ausgeschriebenen SE unter Ziffer 1.1.2.10 der Baubeschreibung geregelt. Die dort aufgeführten Regelwerke würden die zentrale Grundlage für das in den beiden LV-Positionen erwähnte Einsatzfreigabeverfahren der BASt beinhalten.

Das von der Antragstellerin angebotene System erfülle bis auf die Höhe der SE die Anforderungen aus der Baubeschreibung.

Die Antragsgegnerin würde letztendlich mit dem angebotenen System eine höherwertige Leistung erhalten.

Nach Erhalt des Absageschreibens vom 09.03.2017 habe sich die Antragstellerin an ihren Zulieferer gewandt. Dieser habe ihr mitgeteilt, dass es kein System gebe, welches die geforderten Vorgaben in ihrer Gesamtheit erfüllen könnten. Daher habe er ein System angeboten, das zumindest die Erfordernisse der Begutachtung der BASt erfülle.

Weiterhin würden die beiden Positionen lediglich 0,3% der Gesamtauftragssumme der Antragstellerin ausmachen.

Mit Schriftsatz vom 23.03.2017 hat sich die Antragsgegnerin gegen dieses Vorbringen gewandt.

Sie ist der Auffassung, dass der Nachprüfungsantrag gemäß § 160 Abs. 3 S.1 Nr. 3 GWB unzulässig sei. Nach dieser Vorschrift sei ein Antrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar seien, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden.

Dies gelte selbst dann, wenn zum Zeitpunkt der Rüge noch unklar sei, ob der betreffende Vergaberechtsverstoß die Zuschlagschancen des späteren Angebots der Antragstellerin beeinträchtigen würde.

Damit erfasse die vorgenannte Vorschrift zunächst solche Verstöße, deren Tatsachengrundlagen sich allein aus den Vergabeunterlagen ergeben würden.

Die Vorschrift des § 160 Abs. 3 S.1 Nr. 3 GWB setze positive Kenntnis nicht voraus.

Maßstab für die Erkennbarkeit des Vergabeverstoßes sei die Erkenntnismöglichkeit für das Unternehmen bei Anwendung der üblichen Sorgfalt, d.h. es komme auf den durchschnittlichen fachkundigen Bieter an.

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Die ausgeschriebenen LV-Positionen seien klar beschrieben und enthielten die ausdrückliche Anforderung bezüglich der Höhe der Schutzeinrichtung. Den Bietern sei mit den Vergabeunterlagen ein Bauwerksplan 24.2.1. zugesandt worden. Daraus ginge hervor, dass die SE kleiner sein müsse als das Geländer der Brücke.

Der von der Antragstellerin vorgebrachte vermeintliche Vergabeverstoß sei aufgrund der ihr vorliegenden Vergabeunterlagen erkennbar gewesen. Sie hätte dies rügen müssen.

Die Antragstellerin habe ebenfalls nicht einmal von ihrem Recht gem. § 12a EU Abs. 3 VOB/A Gebrauch gemacht. Nach dieser Vorschrift sei ein Bieter verpflichtet, Widersprüche und Unklarheiten im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung vor Angebotsabgabe zu klären. Sie habe aber erst nach Erhalt des nach § 134 GWB gefertigten Absageschreibens eine Recherche bezüglich der Anforderungen der in Streit stehenden LV-Positionen durchgeführt.

Es könne insoweit nicht nachvollzogen werden, wie die Antragstellerin kalkuliert habe. Einen etwaigen Fehler ihres Nachunternehmers, der mit der Angebotskalkulation von der Antragstellerin beauftragt worden sei, müsse sich die Antragstellerin zurechnen lassen. Dies sei ihr alleiniges Risiko.

Damit habe sie ihr Antragsrecht verwirkt.

Im Ergebnis dessen sei der Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin rechtmäßig. Die Leistungsbeschreibung sei unter Beachtung der § 121 GWB und

§ 31 VgV eindeutig und erschöpfend beschrieben.

Der Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung sei eingehalten worden.

Auch erfülle unstreitig das von der Antragstellerin angebotene System nicht die gestellten Anforderungen aus dem Leistungsverzeichnis. Dies könne die Antragsgegnerin auch wegen dem Gleichbehandlungsgrundsatz gem. § 97 Abs. 2 GWB nicht ignorieren. Schließlich seien alle Angebote, die eine andere Leistung als ausgeschrieben angeboten hätten, ausgeschlossen worden.

Schließlich seien zuschlagsfähige Angebote eingegangen. Damit sehe die Antragsgegnerin keine Veranlassung, das Vergabeverfahren in den Stand vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen.

Die Antragsgegnerin des Nachprüfungsverfahrens beantragt mit Schriftsatz vom 06.06.2017,

ihr gemäß § 169 Abs. 2 GWB unter Aufhebung des vorläufigen Verbots der Zuschlagserteilung zu gestatten, den Zuschlag nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekanntgabe der Entscheidung zu erteilen.

Sie trägt vor, dass eine weitere Verzögerung des Baubeginns sei insbesondere aus naturschutzfachlicher Sicht nicht zu vertreten.

Nachdem der Planfeststellungsbeschluss des Landesverwaltungsamt Sachsen- Anhalt für den Neubau der B … bestandskräftig geworden sei, sei ein

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herausragendes Vorkommen an geschützten Amphibien in diesem Bereich entdeckt worden. Dies habe handlungsbezogene Zugriffsverbote des besonderen Artenschutzrechtes nach § 44 Abs. 1 BNatSchG nach sich gezogen. Im Ergebnis sei die Antragsgegnerin gehalten, Störungen dieser teilweise streng geschützten Tierarten so gering wie möglich zu halten. Deshalb sei zur Vermeidung einer baubedingten Tötung von ganzjährig im Vorhabenzeitraum wandernden Amphibien eine vollständige und umlaufende Abzäunung der künftigen Baustelle der B … erfolgt.

Der Baubeginn für die Brückenbaukörper und die Kleintierdurchlässe sei ursprünglich auf den 30.06.2017 festgesetzt gewesen. Bei einer weiteren Verschiebung des Baubeginns könnten die Brückenbauwerke nicht zur Winterpause fertig gestellt werden. Die Gesamtbaumaßnahme könne voraussichtlich erst im Herbst 2018 beendet werden. Dies würde bedeuten, dass für die komplette Herbstwanderung die Zäune aufrechterhalten werden müssten. Aufgrund der zeitlichen Dauer der Durchführung der Vermeidungsmaßnahme könne eine erhebliche Störung des Erhaltungszustandes der lokalen Population der Amphibien nicht ausgeschlossen werden.

Die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren beantragt,

den Antrag der Antragsgegnerin auf Zuschlagsgestattung gemäß § 169 Abs. 2 GWB zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin habe ihre Pflicht zur Verfahrensförderung verletzt. Das für den Antrag erforderliche Rechtsschutzbedürfnis liege nicht vor. Die Antragstellerin habe in ihrem Nachprüfungsantrag im Kern vorgebracht, dass kein System existiere, welches sämtliche Anforderungen der LV-Positionen 04.07.0015 und 04.07.0016 erfüllen würden. Hierzu liege bis zum heutigen Tage, also drei Monate nach Einreichung des Nachprüfungsantrages, keine substantielle Äußerung der Antragsgegnerin vor. Eine entsprechende Klärung wäre rasch und mühelos möglich gewesen.

Bevor über den Antrag nach 169 Abs. 2 GWB entschieden werden könne, müsse der Antragstellerin Akteneinsicht gewährt werden. Soweit die Antragstellerin vorgebracht habe, dass eine weitere Beeinträchtigung naturschutzrechtlicher Belange vermieden werden könne, wenn der Zuschlag bis zum 30.06.2017 erteilt werden würde, könne dieser Termin ohnehin unter keinen Umständen mehr eingehalten werden. Bislang liege eine entsprechende Entscheidung der Vergabekammer nicht vor. Der Zuschlag dürfe erst zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung der Vergabekammer erteilt werden. Die Antragstellerin werde gegebenenfalls gegen eine etwaige Gestattung der Zuschlagserteilung Rechtsschutz vor dem Beschwerdegericht in Anspruch nehmen. Bei dieser Sachlage sei es in keinem Fall möglich, das Brückenbauwerk vor der Winterpause fertigzustellen. Damit verfehle der Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung sein Ziel. Die Antragsgegnerin wäre bei dieser Sachlage gehalten gewesen, ihren Antrag gem. § 169 Abs. 2 GWB zu einem früheren Zeitpunkt zu stellen. Nur in diesem Fall seien die Beeinträchtigungen von naturschutzrechtlichen Belangen vermeidbar gewesen.

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Es sei Ende April 2017 offensichtlich gewesen, dass das Nachprüfungsverfahren von der Vergabekammer bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorangetrieben worden sei. Die naturschutzrechtlichen Hintergründe seien der Antragsgegnerin seit langem bekannt gewesen.

Die Antragstellerin habe im Übrigen ihrer Rügeobliegenheit genügt. Die Antragsgegnerin mache einerseits geltend, dass zuschlagsfähige Angebote vorlägen. Andererseits solle nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin für die Antragstellerin erkennbar gewesen sein, dass die Anforderungen aus der Leistungsbeschreibung nicht zu erfüllen gewesen seien. Dieses Vorbringen sei widersprüchlich.

II.

Der Antrag ist gemäß § 165 Abs. 2 Satz 1 GWB zulässig.

Der Nachprüfungsantrag wurde der Antragsgegnerin am 17.03.2017 übermittelt. Zu diesem Zeitpunkt war der Zuschlag noch nicht erteilt. Die Übermittlung entfaltete damit die Sperrwirkung des § 169 Abs. 1 GWB.

Der Antrag ist auch begründet.

Gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 GWB kann die Vergabekammer dem Auftraggeber auf seinen Antrag gestatten, den Zuschlag nach Ablauf von 2 Wochen seit Bekanntgabe dieser Entscheidung zu erteilen, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen sowie des Interesses der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zum Abschluss der Nachprüfung die damit verbundenen Vorteile überwiegen.

Die Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragstellerin.

Zwar müssen nach § 169 Abs. 2 S. 5 GWB die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrages nicht in jedem Fall Gegenstand der Abwägung sein. Sind diese jedoch bereits gut einzuschätzen, sind sie bei der Entscheidung von maßgeblichem Gewicht. Ist der Nachprüfungsantrag voraussichtlich unzulässig, muss das Interesse der Antragstellerin an der Aufrechterhaltung ihres Primärrechtsschutzes hinter den Interessen der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens zurücktreten (vgl. OLG Düsseldorf v. 22.12.2011, Az. VII-Verg 101/11; VK Bund v. 26.04.2011, Az. VK 3-50/11; vgl. in diese Richtung gehend VK Hessen v. 26.05.2015, Az. 69d VK-15/2015; VK Hessen v. 24.02.2014, Az. 69d VK-05/2014).

So liegt der Fall hier.

Die Antragstellerin ist ihrer Rügeobliegenheit gem. § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB nicht nachgekommen. Nach dieser Vorschrift sind Vergabeverstöße, die bereits in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe zu rügen. Der Antragstellerin hätte bei Erstellung ihres Angebotes in diesem Sinne feststellen müssen, dass die von ihr verwendeten SE nicht den Vorgaben in der LV-Position 04.07.0015

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entsprechen. Dies hat die Antragstellerin dem Grunde nach in ihrem Nachprüfungsantrag auch eingeräumt. Jeder sorgfältig handelnde Bieter hat sich zu vergewissern, dass die von ihm angebotene Leistung in jeder Hinsicht den Anforderungen der Vergabeunterlagen entspricht. Die Antragstellerin hat sich dabei das Verhalten ihrer Nachunternehmer bzw. Lieferanten zurechnen zu lassen. Sie war gehalten, die Angaben ihres Nachunternehmers entsprechend zu überprüfen.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hätte sie auch erkennen können, dass aus ihrer Sicht keine anderen Produkte existent sind, die die Anforderungen der Leistungsbeschreibung erfüllen. Hätte sie nämlich konstatiert, dass das von ihrem Nachunternehmer angebotene Produkt nicht den Vorgaben der Leistungsbeschreibung entspricht, hätte sie zwingend in Bezug auf das geforderte System Marktrecherchen vornehmen müssen, um überhaupt ein ausschreibungskonformes Angebot abgeben zu können. Hierbei hätte sie bereits zu diesem Zeitpunkt durch Nachfrage bei verschiedenen Lieferanten zu dem Schluss gelangen können, dass nach ihrer Meinung die geforderte Leistung nicht realisierbar wäre (vgl. in diesem Sinne VK Bund v. 30.05.2008, Az. VK 2 – 55/08).

Die Antragstellerin ist bei dieser Sachlage auch mit ihrem Einwand präkludiert, ihr Angebot habe wegen des angeblich unzulässigen Inhalts des Leistungsverzeichnisses nicht ausgeschlossen werden dürfen, da sich bei dieser Entscheidung der Antragsgegnerin lediglich die vermeintlichen Vergaberechtsverstöße fortsetzen, die die Antragstellerin ungerügt gelassen hat (vgl.

OLG Brandenburg vom 10.01.2012, Verg W 18/11; OLG Naumburg v. 12.06.2001, 1 Verg 3/01).

Da der Nachprüfungsantrag somit voraussichtlich ohnehin keinen Erfolg haben wird, hat das Interesse der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens Vorrang vor dem Interesse der Antragstellerin an einem Erhalt des Primärrechtsschutzes. Von Bedeutung in diesem Zusammenhang ist weiterhin auch, dass Belange des Naturschutzes von hohem Gewicht sind. Die Antragsgegnerin hat plausibel dargelegt, dass bei einer weiteren Verzögerung der Baumaßnahme der Bestand von Populationen streng geschützter Amphibien gefährdet ist. Sie hat nachvollziehbar dargestellt, dass die Gesamtbaumaßnahme voraussichtlich erst im Herbst 2018 fertiggestellt werden könnte, wenn nicht zeitnah der Zuschlag erteilt würde. Dies hätte zur Folge, dass die Tiere während ihrer Herbstwanderung durch die Fangschutzzäune weiterhin beeinträchtigt würden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Störung sich nachteilig erheblich auf den Erhaltungszustand der Population auswirken würde.

Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass der Termin für die Zuschlagserteilung am 30.06.2017 nicht mehr einzuhalten sei, trifft dies zu. Dies kann jedoch durch entsprechende organisatorische Maßnahmen grundsätzlich kompensiert werden. Es erscheint möglich, dass der eintretende geringfügige Verzug wieder aufgeholt werden kann.

Des Weiteren ist nicht absehbar, zu welchem Zeitpunkt genau die Herbstwanderung der Amphibien stattfindet. Durch eine ökologische Baubegleitung können etwaige negative Auswirkungen geringerer zeitlicher Verschiebungen der Baumaßnahme auf ein Minimum reduziert werden.

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Außerdem spielt auch der Umstand, dass sich die Antragsgegnerin erst nach einem längeren Zeitraum auf die Vorschrift des § 169 Abs. 2 GWB berufen hat, bei der Interessenabwägung keine Rolle. Entscheidend kann nicht sein, ob der Antrag bereits zu einem früheren Zeitpunkt mit Erfolg hätte gestellt werden können, sondern nur, ob zu dem Zeitpunkt, zu dem er gestellt wird, die Voraussetzungen hierfür noch vorliegen (vgl. OLG Celle v. 31.01.2011, Az. 13 Verg 21/10).

Die beantragte Akteneinsicht wurde nicht gewährt, da der Nachprüfungsantrag, wie erwähnt, voraussichtlich unzulässig sein wird. Die Antragstellerin verfügt über alle Unterlagen, die notwendig sind, um die fallentscheidenden Rechtsfragen (Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags/naturschutzrechtliche Belange aus dem Antrag der Antragsgegnerin vom 06.06.2017) zu beurteilen.

Im Rahmen eines Verfahrens nach § 169 Abs. 2 GWB ist schließlich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich (vgl. VK Berlin v.

18.03.2010, Az. B2-3/10E). Dies wäre mit dem Beschleunigungsgrundsatz nicht vereinbar.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht einheitlich im Hauptsacheverfahren.

IV.

Die ehrenamtliche Beisitzerin, …, hat den Vorsitzenden und die hauptamtliche Beisitzerin der Vergabekammer ermächtigt, den Beschluss allein zu unterzeichnen.

Ihr lag dieser Beschluss hierzu vor.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer im Verfahren des § 169 Abs. 2 GWB, den Zuschlag zu gestatten, ist der Antrag, das Zuschlagsverbot wiederherzustellen, zulässig. Er ist schriftlich beim Oberlandesgericht Naumburg, Domplatz 10, 06118 Naumburg, zu stellen und gleichzeitig zu begründen.

Die zur Begründung des Antrags vorzutragenden Tatsachen sowie der Grund für die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 169 Abs. 2 Satz 7 i.V.m.

§ 176 Abs. 2 Satz 1 und 2 GWB).

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