Vermischtes.
Von 0. Böhtlingk.
1. Die Wurzel ^T oder
Auf S. 324 dieses Bandes bespricht Oldenherg '^Rff^TTT und
sucht Bartholomae's Vermuthung, dass dieses Wort auf die V'^^
zurückgehe, imd dass TTHifl I mit abgefallenem zu lesen sei,
zu widerlegen. Er meint, dass durch die bei Whitney, Wurzeln
S. 15 zusammengestellten Materialien die Wurzel art (mit dahinter
auftretendem « ')) vollkommen gesichert sei. Auch Padapätha und
Säjana hätte er noch zu Gunsten seiner Ansicht anführen können.
Die Materialien aber, auf die er sich beruft, bestehen aus fünf
Pormen, von denen jede nur einmal zu belegen ist. ^«ifr?^ und
^P^frtfT^ sind im Pet. W.^ unter ^Ttf^ für durch das Metrum
vetanlasste Verkürzungen von ^fTT" erklärt worden. Derselben
Meinung ist auch Whitney a. a. 0., während er in seinem Index
zum AV. noch eine Wurzel annimmt, die er für = hält.
Statt ^wIt^äIH. im Tändja-Br. habe ich a. a. 0. 'Wrfrä^^»^
vermuthet, da wir an dieser Stelle gerade ein Wort in der Be¬
deutung von ^R^Jf^o^ erwarten. Whitney versieht diese Porm mit
zwei Fragezeichen und hatte wohl auch ein Recht dazu , da der
augmentlose Aorist von '^W^'?!^ nach der Grammatik ■*J**|^«|*^»^
lauten müsste. Daraus konnte ein Abschreiber nicht leicht T*?-
(T^sq*! machen. Weniger gewagt erschien es mir, wenn ich den
Autor selbst für den ungrammatischen Aorist (der nicht von
1) Damit ist wohi der Bindevocal ^ gemeint.
3 5 *
Böhtlingh, Vermischtes. 493
■wä«!^, sondern von einem vorausgesetzten ^TT^ gebildet v?urde)
verantwortlich machte. Nun bleiben von den Materialien nur noch
und nach, mit denen nicht viel anzufangen ist.
o
Der Dhätupätha kennt weder 'Bft. noch ^1^) und es ist stets
eine gewagte Sache, eine neue (sautra-) Wurzel aufzustellen, insbes.
wenn man ihr keine allgemein befriedigende Bedeutung zu geben
vermag. Ich habe '^•«l fl ^ und ■fli'^MSi auf T<t. zurückgeführt,
nicht nur, weil ich mit '^ITTi^, an heiden Stellen eine überaus
passende Bedeutung gewann, sondern auch deshalb, weil das Metrum
nicht gestattet, die beiden Worte, wie man doch erwarten durfte,
'^ITT'* zu lesen. Warum Bartholomae an 'fli'^nSfl I Anstoss nahm,
vermag ich nicht zu sagen, da sein Buch mir nicht zur Hand ist.
Sein ^<<r^fl 1 halte ich, wie Oldenberg, für eine sehr kühne Con¬
jectur. vor T finden wir auch in TT^^T, TT^T^ und viel¬
leicht auch in TT^T^ ausgefallen.
Eine von Whitney vollkommen gebilligte und Oldenberg vor
Augen liegende Vermuthung verdiente wohl nicht einfach ignorirt
zu werden , um so weniger , als Whitney die ganze Wurzel ^TT,
oder TT für eine sehr zweifelhafte erklärt.
2. Noch einmal der Ziegenbock und das Messer.
Auf Seite 371 fg. dieses Bandes hat auch Roth diese Geschichte
behandelt und sich mit meiner Deutung nicht einverstanden erklärt.
Als Liebhaber des Begreiflichen und Natürlichen auch in indischen
Sachen will er das Ereigniss nicht als einen wahrscheinlichen, aber
doch möglichen Vorgang deuten. Um dazu zu gelangen, schwächt
er If^fTfTTT» welches er anfänglich durch „versuchte ein Messer
zu schhngen" übersetzt, später in „knuppert an einem auf dem
Boden liegenden Messer". „Die grässliche Verwundung (auch schon ein wenig frei) seines Halses" wird später zu „einer Verwundung
des Mundes". Dieses rationalistische Verfahren thut den Worten
des Textes Gewalt an. In sprachlicher Hinsicht habe ich noch zu
bemerken , dass fq<4^ schwerlich „sich umkehren" bedeuten kann,
wie ich schon in meinem ersten Artikel sagte. Das Wörterbuch
giebt zwar die Bedeutung „verkehrt gehen", aber die Beispiele
zeigen, dass damit nicht die sinnliche „sich umkehren", sondem
vielmehr die übertragene „missglücken, misslingen' gemeint ist.
Das docet der Fabel soll sein „lass dich in keine Sache ein, bei
welcher der Spiess sich gegen dich umdrehen kann', also etwa
so V. a „spiele nicht mit Feuer, du könntest dich daran ver¬
brennen'. Die vierte Zeile aber sagt: „Mache du nicht so Feind¬
schaft mit den Söhnen des Pändu (so nach Pischel)". üer Ziegen¬
bock muss also auch ein %T mit dem Messer gehabt haben, dieses
mag auf ihn gezückt worden sein, oder er mag sich an demselben
aus Versehen verletzt haben. Dafür sollte das Messer büssen, aber
bei dem Versuch kam der Bock zu Schaden, indem er sich den
Hals, d. i. die Kehle, durchschnitt. Daran, dass in einer Thierfabel
nicht Alles auf natürlichem Wege vorgeht, braucht man doch keinen
Anstoss zu nehmen. Das docet der Fabel ist demnach nach meiner
Meinung: „unterschätze einen Gegner nicht, sonst ergeht es dir
schlecht". Wenn Roth am Ende seines Artikels in Bezug auf Pischel sagt, es bleibe nichts Gemeinsames übrig als das Messer, so ist dieses
nieht buchstäblich zu nehmen, da dieses in beiden Fällen von einem
Thiere verschlungen wird.
Zum Schluss erwähne ich noch, dass auch Ludwig in seinem
neuesten Werke „üeber Methode bei Interpretation des IJgveda"
auf Seite 34 auf den Bock im Mahäbh. zu sprechen kommt. Er
kennt nur die Pischel'sche üebersetzung, die er nicht billigt. Nach
seiner Meinung ist flTTTTTI wfl" nicht fijTTT TTI ^'», sondem
fllTTT TTTITlft'. fijTT soll den Kopf (den Griff) des Messers
bezeichneu , und TT*SI^*fl = Tl«^(*S(l% sein. Zeile 2 übersetzt
er demnach : „als das meszer mit dem köpfe durch das maul herausz
gefallen war". TtTT zieht er zu Zeile 4. Der neue Text und
die üebersetzung sind mir ganz unverständlich.
3. Pflegten die Inder Töchter auszusetzen?
Den ersten Anlass zu der Annahme, dass solches in Indien
im Gebrauch gewesen, hat das Pet. W. gegeben. Hier wird unter
2. TT mit ^TT die damals allein bekannte Stelle aus Nir. 3, 4
zur Bedeutung vetstossen, aussetzen (ein neugeborenes Kind) ge¬
zogen. Weber im 9. Bde der Indischen Studien hat auf S. 481
die Stelle als Citat aus dem Kä^h. 29, 9 nachgewiesen und zugleich
auf eine etwas verschiedene Fassung TS. 6, 5, 10, 3 aufmerksam ge¬
macht. Delbrück bemerkt in seinem Werke „Die indogermanischen
Verwandtscbaftsnamen' S. 197, dass Maitr. S. 4, 6, 4 (85, 3) und
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4, 7, 9 (104, 20) mit Käth. ühereinstimmen. Die kürzere, viermal
sich wiederholende Fassung lautet: 7H|('lff'M*l WTfTT l|'<,T<SlfM
T M*li«l«lj die längere in TS.: TTTIlfT^T TrTTfWJTtT fT^T-
Weber, der nur den Sinn wiedergeben will, sagt a. a. 0. „Mädchen
dürfen nach ihrer Geburt ausgesetzt werden, aber nicht Knaben".
Aehnlich drückt sich Zimmer, Altindisches Leben, S. 319 aus:
„Nach Angabe der Yajustexte wurden Mädchen nach ihrer Geburt
öfters geradezu ausgesetzt". Weit ernster klingt die wortgetreue
rmd von aller Interpretation sich fernhaltende Uebersetzung Del¬
brücks: „desshalb setzt man ein Mädchen nach der Geburt aus,
einen Knaben hebt man auf". Hören wir nun auch die indischen
Commentatoren. Zu Nir. (Bd. 2, S. 293 fg. in der Bibl. ind.)
heisst es: TITTTtftT 'IT^ lTT^f% I — I wNlT ^TTfTÜTTfTRT'h
ftr^ I — I IT^T^ ff TTT# W\ I fT?fhl^ T %WTff%T T-
^ I — I Tflraa?: iTfTWTi: i TTfrwsq^ ff WT '^T^Tfir:\a : i
tY iTfrr: T I Tt TT g»)* -ftT^ fwY^fr I
Der Scholiast zu TS. sagt: WTTtTTt^ if^T f^T ^ff<1< ff-
TTtr TT^ ^fr^fsfTI gTtT ^ TTT3lT^T^5tT ^f«I^ifT^-
<jfn( I Dazu bemerkt Weber „dahei ist TTTt ganz ausgelassen !"
und fügt deshalb nach fTTTTT ein Ausrufungszeichen in Klammern
hinzu. Die Commentatoren denken also an kein Aussetzen der
Tochter, begehen aber den Fehler, dass sie das, was unmittelbar
nach der Geburt geschieht, in die Zukunft verlegen. Damit ist
über ihre Erklärung der Stab gebrochen.
Als ich beim Lesen des Delbrück'schen Buches auf die in
Rede stehende Aussetzung der Mädchen stiess, stutzte ich und
theilte dem Freunde sogleich mein Bedenken mit. Eine solche
Barbarei den alten Indem zuzutrauen fiel mir schwer, und dann
dachte ich, dass die Sache an und für sich sehr unwahrscheinlich sei, da man ohne Mädchen das höchste Glück eines Inders, die Erzeugung
eines Sohnes , nicht erreichen kann. Da das in die Höhe Heben
eines Knaben nach dessen Geburt als Ausdruck der Freude anzu¬
sehen ist, so hegt es nahe, unter T^TTTTf^T einen entsprechenden
Ausdruck der unangenehmen Ueberraschung zu vermuthen. Da
TT mit Präpositionen nicht nur vom Werfen, sondern auch vom
Legen und Setzen gebraucht wird, so dürfen wir wohl TTTTff'W
durch „legt man bei Seite", vielleicht so v. a. „übergiebt es sogleich
der des Kindes wartenden Person" wiedergeben. Zu meiner grossen
Befriedigung erfuhr ich bald darauf, dass auch Roth mit dem Aus-
setze*!! der Töchter nicht einverstanden ist. Der Preund schreibt
mir am 31. Januar: „Delbrück's Buch habe ich mit wirklichem
Vergnügen gelesen. Es ist so leicht ihm zu folgen, man freut sich,
dass er sagt: das weiss ich nicht, und hört ihm gern zu, wenn er
tbörichte Hypothesen bekämpft. Ich habe ihm einige Randglossen
niedergeschrieben, z. B. gezeigt, dass die Stelle von Aussetzung der
Mädchen — die einzige in welcher der Sache erwähnt würde —
das nicht aussagt. Ich hatte freilich im Wörterbuch suh TT, mit
T^ selbst den Irrthum gepflanzt*. Auch Delbrück, der mit der
Veröfientlichung dieses Artikels einverstanden ist, hat Nichts da¬
gegen zu bemerken.
497
Der Bock und das Messer.
Von K. Pischel.
Böhtlingk (oben Bd. 43, 604 flF.) und Roth (Bd. 44, 371 f.)
haben gegen die von mir Ved. Studien 1, 181 f. gegebene Erklärung
von Mahäbhärata 2, 66, 8 Einwendungen gemacht, Roth über¬
haupt die Herbeiziehung der Stelle zur Erklärung von RV. 10, 28, 9
verworfen. Ich kann diese Einwände nicht als berechtigt anerkennen.
Roth's Erklärung ist sprachlich unmöglich. Zunächst bedeutet
•fff nie etwas anderes als „Abschneiden" ; sodann könnte, was
auch gegen Böhtlingk gilt, hier ehensowenig ^«Sl vom Pronomen
T stehen, wie im Lateinischen hujus, und *Sl*a könnte sich bei
Roth's Auffassung nur auf UTT beziehen, nicht auf den Bock.
Roth's Erklärung setzt also zwei grammatische und eine lexicalische
Unmöglichkeit voraus. Wir haben gar keinen Grund zu bezweifeln,
dass bei den Oestlichen die Fabel so gelautet hat, wie sie Nllakantha
uns mittheilt. mt Wo er nur als Berichterstatter auftritt, ist er
durchaus zuverlässig, so sehr er auch in der Einzelerklärung irrt.
Dass die sprichwörtliche Redensart ajäkfpäniyam auf unsere
Fabel zu beziehen ist, wie ich vermuthet habe, bestreitet Roth
nicht. Dann irrt er aber in dem „docet der Fabel". In der
Käcikä zu Pänini 5,3,106 heisst es: *I<*H1TT«H,I TTISmisf^TT. I
T^'IST'^^tTT. I T7inüflt^«17t tr^liTW^^PJ I in der Siddhän-
takaumudi Nr. 2061 T«IIBMH!n*j: I Tflr4fl>M«I?1 '«fTTt
I Ganaratnamahodadhi 3, 196:
wrnir: ^t^tttt t^ftIti^t ttt r
Dazu der Commeutar:
TTTTTT ^ 'HT'SrraiTTTT BTTTTY ^fi^TTT^ ^ffT^T-
(TfTTTTTT WTT TTTWTniftTT H
Bd. XLIV. 33