• Keine Ergebnisse gefunden

«Primum nil nocere!»

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "«Primum nil nocere!»"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

8 0 4 A R S M E D I C I 1 62 0 0 4

E C H O É C H O

Der etwas unkritische Ruf «Gebt dem Harn Saures!» sowie einige andere Aussa- gen von D. Bach im Zusammenhang mit Infektsteinen sind sehr deutlich zu relati- vieren, damit unsern Patienten letztlich nicht mehr statt weniger Probleme er- wachsen. Die treibende Kraft für die Bil- dung von Infektsteinen ist eine Harn- wegsinfektion mit harnstoffspaltenden Mikroorganismen. Diese Erreger bilden das Enzym Urease, das Harnstoff zu Am- moniak und Kohlendioxid spaltet. Durch Hydrolyse wird Ammoniak in Ammonium umgewandelt, während durch Hydrata- tion und spätere Dissoziation von Kohlen- dioxid schliesslich Wasserstoffionen und Bikarbonat entstehen. Das Resultat dieser Kaskade ist ein stark alkalischer Urin mit hohen Konzentrationen von Ammonium.

Dadurch wird der Urin an Magnesium- Ammonium-Phosphat (Struvit) und Kal- zium-Phosphat-Karbonat (Karbonatapatit) übersättigt, den kristallinen Komponenten von Infektsteinen (1).

Die primäre Störung liegt also im Infekt und nicht im alkalischen pH-Wert des Urins. Somit ist konsequenterweise vor allem der Infekt anzugehen. Dies ist, wie unzählige Studien bewiesen haben, nie ohne (möglichst) radikale Entfernung al- len Steinmaterials möglich, weil Bakterien in zurückgelassenen Konkrementen quasi

«überwintern» und jederzeit wieder viru- lent werden können (1). Die komplette Steinfreiheit und somit eine urologische Intervention ist also oberstes Gebot, un- terstützt durch Antibiotika. Dass Letztere anfänglich durch gleichzeitige Ansäue- rung zum Beispiel durch L-Methionin ihre Wirkung besser entfalten und den Infekt schneller beherrschen können, zeigt die Übersicht von D. Bach schön auf.

Hingegen ist vor unkritischer chronischer Therapie mit L-Methionin zu warnen, weil

durch diese zusätzlich dem Organismus zugeführten sauren Valenzen («Gebt dem Harn Saures!») im Stoffwechsel erhebli- che, pathophysiologisch einleuchtende Probleme entstehen:

Die Urinausscheidung von Kalzium nimmt zu, weil die tubuläre Kalziumrückresorp- tion reduziert und – vor allem im Kontext mit der von D. Bach propagierten, heut- zutage obsoleten (2) kalziumarmen Er- nährung – der Knochen vermehrt Kalzium freisetzt. Somit entsteht eine negative Kalziumbilanz und langfristig eine Osteo- porose.

Vermehrt zugeführte saure Valenzen in- duzieren eine intrazelluläre Übersäue- rung, welche eine vermehrte tubuläre Rückresorption von Zitrat nach sich zieht.

Zitrat ist der wichtigste Hemmkörper der Kalziumsteinbildung im Harntrakt (2), so- dass eine unkritische Langzeittherapie mit L-Methionin zwar Infektsteine verhindern, dafür via Hypozitraturie aber die viel häufigere Kalziumsteinbildung triggern könnte.

Bei eingeschränkter Nierenfunktion, wie sie gerade viele ältere Patienten mit chro- nischem Infektsteinleiden aufweisen, kann unter L-Methionin-Therapie die im Rahmen der Niereninsuffizienz beste- hende leichte metabolische Azidose deut- lich verstärkt werden (3).

Schliesslich ist die Phosphatdepletion mit- tels aluminiumhaltiger Phosphatbinder ebenfalls längstens obsolet, weil dadurch ein schweres Phosphatdepletionssyndrom mit Muskelschwäche, Knochenschmer- zen, vermehrter Knochenresorption und Hyperkalziurie induziert werden kann (4), insbesondere wenn gleichzeitig noch un- kritisch jahrelang Säure zugeführt wird!

Literatur:

Hochreiter W, Knoll Th, Hess B: Pathophy-

siologie, Diagnostik und konservative Therapie bei nicht-kalziumhaltigen Nie- rensteinen. Ther Umschau 60: 89, 2003.

Hess B: Nephrolithiasis. Schweiz Med Fo- rum 1: 1119, 2001.

Ackermann D, Baumann JM, Siegrist P:

Therapy with L-methionine: effects on uri- nary composition and on systemic acid- base behaviour. In: Vahlensieck W, Gasser G, Hesse A, Schoeneich G (eds.) Proceedings of the 1st European Symposium on Uro- lithiasis. Excerpta Medica, Amsterdam, p. 192, 1990.

Lotz M, Zisman E, Bartter FC: Evidence for a phosphorus depletion syndrome in man.

N Engl J Med 278: 409, 1968.

PD Dr. Bernhard Hess FMH Innere Medizin/Nephrologie Chefarzt Med. Klinik Spital Zimmerberg 8820 Wädenswil

Replik

Den im Leserbrief von B. Hess gemachten Aussagen zur Infektsteinproblematik kann ich im Wesentlichen zustimmen, da sie dem Tenor meiner Kurzinformation über «Harnwegsinfekt und Infektstein- prophylaxe» entsprechen. Als Resümee muss ich zugestehen, dass manche Aussa- gen vielleicht zu knapp formuliert wurden und einiger Vertiefungen im Text bedurft hätten.

Dass die «primäre Störung», die zum In- fektstein führt, in der Infektion mit gram- negativen und ureaseproduzierenden Bak- terienstämmen zu suchen ist, habe ich zum Ausdruck gebracht. Die dadurch ent- stehende Alkalisierung des Urins wird

«Primum nil nocere!»

Leserzuschrift zum Artikel «Harnwegsinfekt und Infektsteinprophylaxe» von D. Bach,

ARS MEDICI 13/2004, S. 694–698

(2)

A R S M E D I C I 1 62 0 0 4 8 0 5

E C H O É C H O

dann zum Auslöser der Steinbildung. Vor- aussetzung für eine erfolgreiche Infekt- steinprophylaxe ist natürlich die nachge- wiesene Steinfreiheit des Harntrakts.

Diese ist für uns Urologen so selbstver- ständlich, dass meist nicht ausdrücklich darauf hingewiesen werden muss, zumal der Begriff «Prophylaxe» die Beseitigung der Krankheitsursache schon signalisiert.

Ohne Frage muss auch der vorhandene Harnwegsinfekt beseitigt sein, ehe die Prophylaxe durch Harnansäuerung erfolg- reich sein kann. Der Hinweis darauf wurde als drittwichtigste Massnahme unter

«Prophylaxe-Trias» aufgeführt und hätte vielleicht aus didaktischen Gründen an die erste Stelle gesetzt werden müssen.

Die Bedenken bezüglich einer Langzeit- therapie mit L-Methionin vermag ich aus langer klinischer Erfahrung nicht zu teilen.

Ein verantwortlich handelnder Arzt wird L-Methionin nie «unkritisch» einsetzen und im Rahmen der regelmässigen Kon- trollen der Steinpatienten die lithogenen und inhibitorischen Substanzen der Stein-

bildung im Serum und Urin kontrollieren müssen, sodass immer rechtzeitig die von B. Hess erwähnten, durchaus möglichen Stoffwechselveränderungen erkannt wer- den können und darauf reagiert werden kann.

Die Reduzierung der Kalzium-Zufuhr, die eine altbewährte Prophylaxemassnahme bei Steinpatienten war und ist, heisst natürlich nicht «Weglassen» von kalzium- haltigen Nahrungsmitteln, sondern Reduk- tion einer über dem normalen Mass liegenden Zufuhr, die sich bei der Ernäh- rungsberatung offenbart. Dass älteren Pa- tienten mit häufig eingeschränkter Nie- renfunktion besondere Aufmerksamkeit bei der Behandlung mit L-Methionin ge- widmet werden sollte, versteht sich von selbst.

Noch eine Bemerkung zur «Phosphatde- pletion», die von B. Hess als obsolet be- zeichnet wird. Die Frage einer Prophylaxe mit aluminiumhaltigen Phosphatbindern stellt sich ja nur dann, wenn eine signifi- kant erhöhte Phosphaturie im 24-h-Sam-

melurin nachgewiesen wird. Während meiner Tätigkeit in der Stoffwechsel-Unit der Urolog. Universitätsklinik Bonn sind wir nach diesem Prinzip vorgegangen und haben nie die beschriebenen Nebenwir- kungen registriert, zumal nach Erreichen einer normalen Phophatausscheidung die Therapie mit Phosphatbindern zunächst abgesetzt wird und erst wieder bei Zu- nahme der Phosphatausscheidung im Sinne einer Intervalltherapie neu festge- legt werden sollte.

Generelle Basis der Harnsteinprophylaxe, um vielleicht darauf nochmals hinzuwei- sen, ist bei jedem Steintyp die ausrei- chende Flüssigkeitszufuhr, damit das Lös- lichkeitsprodukt für die Kristallisation gar nicht erst erreicht wird. ●

Prof. Dr. D. Bach Chefarzt der Klinik für Urologie und Kinderurologie St.-Agnes-Hospital Bocholt Barloer Weg 125 D-46397 Bocholt

«Primum nil nocere!»

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Bei der Verdauung des PCR-Produktes mit diesem Enzym (Restriktionsdigestion) kommt es dann nur bei Vorliegen der nicht mutierten Wildtypsequenz zu einer Spaltung des Produktes,

Der Regierungsrat wird beauftragt, sich im Rahmen der Vernehmlassung zur AP 2011 dafür einzusetzen, dass die strategischen Erfolgspotentiale der landwirtschaftlichen

Schließlich informierte Peter Friemelt vom Gesundheitsladen München über „Partnerschaftliche Beziehung zwischen Patient und Arzt“ und war sich sicher, dass dies die „Basis

Da für die Therapie von Patienten mit Po- lycythaemia vera das Prinzip „primum nil nocere“ gilt, empfehlen wir Phosphor-32 aufgrund des erhöhten Leukämierisikos nur in

„Primum nil nocere“ – vor dem Hintergrund dieses Grundgebots ärztlichen Handelns erschien es nur selbst- verständlich, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) bei Aufnahme

Eine solche Verpflich- tung zur kollegialen Zusammenarbeit ist nicht nur in § 29 der Berufsordnung der Ärzte verankert.Auch in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über

Dass für die Umsetzung in der Praxis strukturierte Konzepte benötigt werden, die die richtige, regelmäßige und dauer- hafte körperliche Aktivität der Patienten gewährleisten (2),

Für die vierte Auflage würde man sich ein neu konzipiertes Buch wünschen, das noch stärker diese aktuellen Problemfelder in den Blick nimmt und auch Erfahrungen aus