2. Nationale Fachtagung:
Olten, 03.11.2021
«Erfolgreiche Teilhabe über
gesundheitsbezogene Soziale Arbeit»
I.
Gesundheitsbezogene
Soziale Arbeit
IFSW Definition Soziale Arbeit
Soziale Arbeit ist eine praxisorientierte
Profession und eine wissenschaftliche Disziplin, dessen bzw. deren Ziel die Förderung des
sozialen Wandels, der sozialen Entwicklung und des sozialen Zusammenhalts sowie die Stärkung und Befreiung der Menschen ist […]
(DBSH 2014)
Gegenstand gesundheitsbezogener Sozialer Arbeit 4
Als Gegenstand gesundheitsbezogener Sozialer
Arbeit wird die Förderung sozialer Teilhabe von
erkrankten oder von Erkrankung bedrohten und
behinderten Menschen und ihren Angehörigen in
ihrer Lebenswelt sowie die Verhinderung und
Bewältigung sozialer Probleme, die aus
gesundheitlichen Beeinträchtigungen entstehen
bzw. zu gesundheitlichen Störungen führen,
bestimmt .
Adolph und Seibert 2016
• medizinische Akutversorgung (Psychiatrie, Psychosomatik und Somatik),
• öffentlicher Gesundheitsdienst,
• Gesundheitsförderung und Prävention,
• medizinische und soziale Rehabilitation,
• Sozialpsychiatrie,
• Suchthilfe,
• Geriatrie,
• Onkologie,
• Pflegeeinrichtungen,
• Soziotherapie, Sozialtherapie,
• Kinder- und Jugendpsychotherapie (mit vorherigem Abschluss in
Sozialer Arbeit),
• Gesundheitsbezogene Soziale Arbeit in anderen Praxisfeldern (z.B. Jugendhilfe,
Bewährungshilfe, etc.),
• Selbsthilfegruppen und - organisationen,
• Staatliche und nichtstaatliche Organisationen und Institutionen,
• Hochschulen und Forschungsinstitute.
Relevante Praxisfelder
gesundheitsbezogene Soziale Arbeit
Profession und Disziplin Sozialer Arbeit
Zentrale Ausrichtungen in der
gesundheitsbezogenen Sozialen Arbeit
7 (Sommerfeld et al. 2011; Dettmers 2019; DVSG / DGK 2018)
• Lotsen und Begleiten bei komplexer Lebensführu ng
•Stärkung von Autonomie und Handlungs kompetenz
•Integration in subjektive Lebenswelt en
•Inklusion in rechtlich kodifizierte System
Soziale Sicherung
Soziale Unter- stützung
Navigation Persön-
liche Förderung
PiE
Beiträge gesundheitsbezogener Sozialer Arbeit zur Förderung sozialer Teilhabe
Diagnostik /
Assessment Interventionen Evaluation
Forschung
Empirisch- qualitative Sozialarbeits-
forschung
Empirisch- quantitative Sozialarbeits-
forschung
Lebenswelten, Lebenslagen, teilhabeorientierte Wirkungen Sozialer Arbeit
Theorien Sozialer Arbeit und aus Bezugswissenschaften
II.
Teilhabe
Historische Perspektive: Person-in-Environment
(MaryRichmond 1917, DVSG Perspektive seit 1926)
Disziplinäre Perspektive: Transdisziplinarität Sozialer Arbeit und Theorien Sozialer Arbeit bezüglich Teilhabe
Professionelle Perspektive: Gegenstand gesundheitsbezogener Sozialer Arbeit in einem biopsychosozialen Verständnis
Rechtliche Perspektive: Schweiz:
Behindertengleichstellungsgesetz, Deutschland BThG, SGB I-XII, BGB
Fallorientierung und Sozialraumorientierung bei
Teilhabe
Gegenstand
Im Kontext von Erkrankung, Gesundheit und
Behinderung
Alltags- und Lebensbe-
wältigung
Soziale Teilhabe
Erziehung, Bildung und
Befähigung Reduktion
sozialer Probleme
Soziale Teilhabe
Soziale Teilhabe
PiE
Soziales
Kapital Capability Approach
Soziale Netzwerke:
Soz U. vs Soz. Belastung
System und Lebenswelt Juris-
prudenz Soziale
Ungleichheit
Lebensführung und Integration
Partizipation und
Demokratie
Soziale Teilhabe
(Habermas 1981, Kleve 2004, Lambers 2013, Dettmers 2014)
A Inklusion / Integration
• Maximum sozialer Teilhabe, Klientinnen und Klienten erfahren Einbindung in ihre
persönliche Lebenswelt und in die notwendigen Funktionssysteme
B Inklusion / Desintegration
• Eingebunden in Funktionssysteme wie Krankenversorgung und Sozialversicherung,
aber lebensweltorientiert desintegriert durch z.B. fehlende
Unterstützungspersonen und soziales Netzwerk
C Exklusion / Integration
• Mangelnde Einbindung in Sozialsicherungssysteme und unterstützende Institutionen und Organisationen, aber ausreichende persönliche Unterstützung über das eigene
soziale Netzwerk
D Exklusion / Desintegration
• Minimum sozialer Teilhabe: Mangelnde Einbindung von Klientinnen und Klienten in
Sozialsicherungssysteme und unterstützende Institutionen und Organisationen und mangelnde persönliche
Unterstützung über das eigene soziale Netzwerk
Gesundheitsproblem
(Gesundheitsstörung oder Krankheit, ICD-10)
Umweltfaktoren
• materiell
• sozial
• verhaltensbezogen
persönliche Faktoren
• Alter, Geschlecht
• Motivation
• Lebensstil
Körperfunktionen
und -strukturen Aktivitäten Teil-
habe
Bio-psycho-soziales Modell der ICF International Classification of Functioning, Disability and Health
III.
Erfolg
• Adressat*innen
• Angehörige & soziale Netzwerke
• Soziale Arbeit
• Leistungsträger
• Leistungsanbieter
• Gesetzgeber
Wer definiert Erfolg bei der Teilhabe?
Tripel-Mandat
• Bedarfsermittlung: ICF gestützt → Entwicklung von validierten Instrumenten Sozialer Diagnostik
• Strategische Einbindung in Leistungsrecht und Leitlinien §$
− Teilhabe am Arbeitsleben
− Teilhabe und wirtschaftliche Sicherung
− Teilhabe an Bildung
− Teilhabe selbstbestimmte Lebensführung
− Teilhabe Wohnen und Mobilität
− Teilhabe Kultur
(Art. 16 Behindertengleichstellungsgesetz / Schweiz und BTHG / Deutschland / Artikel 26 Charta der Grundrechte EU / UN Behindertenrechtskonvention
Strategische Teilhabeorientierung
Erfolgskriterien
• Integration und Inklusion: soziale Unterstützung und soziale Sicherung
• Zufriedenheit(en) Kooperationspartner
• Lebensqualität, soziales Wohlbefinden (WHO) und Teilhabe
• Kostenreduktion Sozial- und Gesundheitssystem
(Neupert 2015)• Steigerung Autonomie und Partizipation
• Egozentrierte Netzwerkgröße und – qualität
(Hollstein 2010)• Entstigmatisierung und Barriereabbau
Fazit & Ausblick
• Teilhabe ist eine normative politische und rechtliche Ausrichtung in der UN, EU, Schweiz und Deutschland
• Sozialepidemiologische Daten zeigen die Reduktion von Teilhabe aufgrund sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit
• Förderung sozialer Teilhabe ist seit über 100 Jahren eine zentrale Aufgabe professioneller Sozialer Arbeit
• Soziale Arbeit bietet dafür als Disziplin und Profession die notwendigen Theorien und Handlungsoptionen im Kontext PiE und biopsychosozialem Verständnis von Gesundheit und Krankheit
• Teilhabe ohne Einbindung unterschiedlicher Perspektiven von betroffenen Menschen in ihrer Lebenswelt ist nicht möglich
• Teilhabe lässt sich über Leistungsrecht und Lebensführungssysteme differenzieren und ermöglicht somit Zugänge von Wirkungsforschung und Partizipationsforschung in der Sozialen Arbeit
• Teilhabeerfolg durch Soziale Arbeit: nur in Kooperation möglich
Choi S. The Effects of Social Participation Restriction on Psychological Distress among Older Adults with Chronic Illness. J Gerontol Soc Work. 2020 Nov-Dec;63(8):850-863. doi: 10.1080/01634372.2020.1830217. Epub 2020 Oct 12. PMID:
33043850.
Foley EL, Nicholas ML, Baum CM, Connor LT. Influence of Environmental Factors on Social Participation Post-Stroke.
Behav Neurol. 2019 Jan 16;2019:2606039. doi: 10.1155/2019/2606039. PMID: 30800187; PMCID: PMC6360065.
Neupert, Ingo (2015): Die Unversicherten. Humanitäre und ökonomische Herausforderungen für das Gesundheitswesen und die Handlungskompetenz klinischer Sozialarbeit. Forum sozialarbeit + gesundheit, 20(04), 11-15
Thege, B., Köchling-Farahwaran, J., Börm, S., Dettmers, S. (2021): Wege aus sozialer Isolation für ältere Menschen im Kontext Neuer Medien. CONNECT-ED - Ein Projekt zur Verbesserung gesellschaftlicher Teilhabe. Springer VS
Dettmers, S. (2019): Spezifische Kompetenzen gesundheitsbezogener Sozialer Arbeit. In: Dettmers, S.; Bischkopf, J.
(Hg.). Handbuch gesundheitsbezogene Soziale Arbeit –Lehrbuch für Studium und Praxis. Reinhardt Verlag. S. 18-27
Sommerfeld, P. (2019): Integration und Lebensführung. In: Dettmers, S.; Bischkopf, J. (Hg.). Handbuch gesundheitsbezogene Soziale Arbeit –Lehrbuch für Studium und Praxis. Reinhardt Verlag. S. 28-38