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Oberlandesgericht Düsseldorf

I-4 U 120/06

vom 25.04.2006

REWIS: open. smart. legal.

Datenbank für Rechtsprechung Angaben ohne Gewähr

URL: https://rewis.io/s/u/QG6m/

Oberlandesgericht Düsseldorf 4. Zivilsenat

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I-4 U 120/06 vom 25.04.2006

Urteil | Oberlandesgericht Düsseldorf | 4. Zivilsenat

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 08. Juni 2006, Az.: 11 O 219/99 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, 10.225,84 € an das Finanzamt B. F, B., Geschäftszeichen ..., zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 96 % und die Beklagte zu 4 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwen-den, wenn nicht die jeweils andere Partei zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des bei-zutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe I.

Der Kläger verlangt Leistungen aus einer Unfallversicherung von der Beklagten.

Er unterhielt für den Zeitraum vom 2.10.1992 bis 2.10.1997 bei der Beklagten eine private Unfallversicherung, der die Allgemeinen Unfallversicherungs- Bedingungen (AUB 88) zugrunde liegen. Als Invaliditäts-Kapital (Grundsumme) war ein Betrag von 200.000 DM (102.258,38 €) vereinbart, bei Invalidität sollte ab einem Invaliditätsgrad von 70 % die doppelte und ab einem Invaliditätsgrad von 90 % die dreifache Kapitalleistung erbracht werden.

Am 1.11.1993 verunglückte der Kläger. Er stürzte, schlug mit dem Kopf auf und war eine Zeit lang bewusstlos. Er wurde 10 Tage lang stationär in F. / O.

behandelt.

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Unstreitig erlitt er dabei folgende Verletzungen und Beeinträchtigungen:

- ein Schädel-Hirn-Trauma, wobei der Grad dieser Verletzung unklar ist, - ein HWS-Hyperflexionstrauma 1. Grades

- kurzzeitige Bewusstlosigkeit - retrograde Amnesie

- mittelstarke vegetative Symptomatik mit Schwindelanfällen - Gedächtnisstörungen und Kopfschmerzen

Er ist der Ansicht, dass der Unfall vom 1.11.1993 zu einer dauernden Beeinträchtigung seiner Leistungsfähigkeit geführt habe und Invalidität im Sinne der Versicherungsbedingungen eingetreten sei. Sein Gedächtnis und seine Merkfähigkeit seien gestört, er leide unter Kopfschmerzen, Schwindel, Schlafstörungen und Antriebsarmut. Er stelle Leistungseinbußen und eine depressive Entwicklung fest.

Hierzu hat er sich auf ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten von Prof.

Dr. G., FU B. vom 16.2.1996 (Anlage K 2 zur Klageschrift) berufen, wonach aufgrund eines depressiven Syndroms völlige Arbeitsunfähigkeit bestehe. Die Depression sei reaktiv auf das Trauma im November 1993 entstanden.

Er sei mindestens mit einem Grad von 90 % invalide.

Er hat zusätzlich behauptet, dass im Jahr 2003 eine linksseitige Partialruptur des musculus supraspinatus diagnostiziert worden sei, die er sich bei dem Unfall am 1.11.1993 zugezogen habe. Auch hierauf seien seine jetzigen Beschwerden zurückzuführen.

Zwischen den bei dem Unfall erlittenen Verletzungen und den eingetretenen Beschwerden bestehe ein adäquater ursächlicher Zusammenhang.

Die Beklagte sei auch dann zur Leistung verpflichtet, wenn seine Beschwerden psychischer Natur seien, denn es handele sich um Folgen einer erlittenen organischen Verletzung. Im übrigen sei der in § 2 IV AUB 88 normierte Ausschluss krankhafter Störungen infolge psychischer Reaktionen wegen Verstoßes gegen die Grundsätze des Rechtes Allgemeiner Geschäftsbedingungen unwirksam.

Er hat in erster Instanz unter Berücksichtigung einer gegenüber der Beklagten ausgebrachten Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Finanzamts F. vom 28.6.1996 über 20.253,90 DM (10.355,65 €) (Bl. 39 GA), ohne einen von der Beklagten erbrachten Vorschuss von 10.000 DM zu berücksichtigen beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 500.000 DM abzüglich eines gepfändeten Teilbetrages von 20.253,90 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat ausgeführt, dass die am 1.11.1993 erlittenen Verletzungen des Klägers für seine nunmehr beklagten Beschwerden nicht ursächlich geworden seien. Es gebe

Hinweise, dass diese Symptome Ursache einer weiteren Erkrankung des Nervensystems des Klägers seien. Sollten die Beschwerden aber auf das Unfallereignis zurückzuführen seien, dann seien sie psychogen und es greife der Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 4 AUB 88.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholen von Gutachten der Professoren A. und G. und ergänzenden Stellungnahmen der Gutachter. Es hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht bewiesen habe, dass die von ihm beklagten Beschwerden durch den Unfall hervorgerufen worden seien. Die Beschwerden des Klägers könnten den bei dem Unfall erlittenen Verletzungen allenfalls für einen Zeitraum von sechs Monaten nach dem Unfall adäquat kausal zugeordnet werden, danach müssten diese Beschwerden abgeklungen seien. Das Ausmaß des Unfalltraumas sei zu gering, um daraus weitergehende Folgen annehmen zu können.

Es bestünden Hinweise auf eine weitere Erkrankung des Klägers, die seine Beschwerden erklären könnten.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger den in erster Instanz gestellten Klageantrag weiter.

Die vom Landgericht beauftragten medizinischen Gutachter hätten die Kausalitätskriterien, die im zivilrechtlichen Verfahren anzuwenden seien, verkannt.

Das Landgericht habe sich nicht mit sämtlichen Einwendungen des Klägers gegen das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. G. auseinandergesetzt, sondern dessen Ausführungen nur zusammenfassend wiederholt.

Die Schlussfolgerungen des Landgerichts aus dem Gutachten des Prof. Dr. G.

seien nicht haltbar.

Das Landgericht gehe davon aus, dass ein adäquater Kausalzusammenhang im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 AUB 88 nicht bestehe. Dabei genüge, dass ein Unfall vorliege, der unfreiwillig zu einer Gesundheitsschädigung geführt habe, was

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unstreitig gegeben sei. Streitig sei, ob der Unfall zur Invalidität geführt habe. Zu dieser Annahme reiche eine hinreichende Wahrscheinlichkeit aus. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Schädigung hirnorganisch nachweisbar sei, sondern allenfalls darauf, ob die jetzt bzw. zum 1.11.1996 (3 Jahre nach dem Unfall) vorhandenen Beschwerden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen seien, was der Fall sei. Dies habe das Landgericht verkannt.

Der Sachverständige Prof. Dr. G. ordne die Beschwerden des Klägers für einen Zeitraum von bis zu 6 Monaten nach dem Ereignis als Unfallfolgen ein. Er spreche für den anschließenden Zeitraum von der Möglichkeit einer anderen Erkrankung des Klägers, die dieselben Symptome zeige, wobei die vorliegenden Symptome nicht psychogener Natur seien, aber auch nicht durch den Unfall hervorgerufen. Darin liege ein falscher Kausalitätsansatz des Sachverständigen, da es im Rahmen des § 287 ZPO nicht um 100 %ige Nachweisführung gehe.

Was die Schwindelsymptomatik angehe, so habe der Sachverständige PD Dr. A.

in seinen Gutachten vom 25.3.1994 und 22.7.1994 die zentrale Gleichgewichtsstörung als Unfallfolge gewertet.

Die Gerichtsgutachter hätten dies ignoriert.

Prof. G. nehme auch nicht Bezug auf das für die Beurteilung maßgebende Datum 1.11.1996. Er gebe auch nicht an, auf welcher Grundlage er sein Gutachten gefertigt habe. Er sei verpflichtet gewesen, alle vorhandenen Arztbriefe und Befunde kritisch zu würdigen und zu berücksichtigen. Der Sachverständige hätte entsprechende Unterlagen gegebenenfalls bei den Ärzten anfordern müssen.

Der Sachverständige Prof. G. sei als Neurologe auch nicht hinreichend zu einer vollständigen Beurteilung kompetent, er hätte interdisziplinäre Zusatzgutachten auf den Gebieten der HNO-Heilkunde, Orthopädie, Röntgenologie und Neuropsychologie einholen müssen.

Prof. G. habe auch eine ihm vorliegende Stellungnahme des HNO-Arztes Prof. E.

nicht verwertet. Danach wären als kausale Unfallfolgen die komplexe Störung der Gleichgewichtsregulation, das myofasziale Schmerzsyndrom und die Zervikalmigräne festgestellt worden.

Der Kläger bezieht sich ergänzend auf ein erstmals mit der Berufungsbegründung vorgelegtes Gutachten vom 29.1.2002, das Prof. E., HNO- Arzt, für das Landessozialgericht Berlin erstattet hat.

Völlig ignoriert worden sei, dass der Kläger einen Schaden an der Halswirbelsäule erlitten habe, hierzu hätte ein orthopädisches Gutachten eingeholt werden müssen.

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Laut Röntgenbefund vom 29.3.1994 sei eine Schädigung der Halswirbelsäule festzustellen, diesen Befundbericht legt der Kläger mit der Berufungsbegründung vor. Diese Schädigung sei unfallbedingt, denn degenerative Veränderungen an der Halswirbelsäule hätten nicht vorgelegen.

Schon am 4.11.1993 bzw. 21.12.93 seien eine Steilhaltung der Halswirbelsäule und weitere Schädigungen festgestellt worden, so festgehalten auch in dem in erster Instanz vorgelegten Bericht des Prof. Dr. S. vom 11.1.1994 (Bl. 345), was Anhaltspunkt für ein Hyperflexionstrauma, eine HWS-Distorsion bzw. ein Schleudertrauma sei. Diese Steilhaltung sei entgegen der Annahme des Sachverständigen nicht ausgeheilt, was aus dem mit der Klageschrift vorgelegten Gutachten des Prof. G. vom 16.2.1996 hervorgehe.

Damit sei erwiesen, dass sich die Halswirbelsäule des Klägers durch den Unfall degenerativ verändert habe. Diese Veränderungen führten zu den beklagten Beschwerden. Das gehe auch aus der Stellungnahme von Prof. E. vom 17.6.2001 hervor, die die Gutachter ignoriert hätten.

Die Gutachter hätten zudem die Partialruptur der Sehne des Musculus supraspinatus übersehen.

Es sei auch wegen einer langen Bewusstlosigkeit des Klägers von einem Schädel- Hirn-Trauma II. Grades auszugehen.

Das Gericht habe das Gutachten von Prof. A. nicht verwerten dürfen, weil es eine neue Begutachtung angeordnet habe. Außerdem habe Prof. A. das Gutachten nicht selbst erstellt.

Die Gutachten gingen fälschlich davon aus, dass bei einem Schädel-Hirn-Trauma sämtliche danach auftretenden Beschwerden folgenlos und vollständig ausheilten. Das sei nicht richtig, denn in 10 – 20 % der Fälle entwickele sich ein chronisch posttraumatisches Syndrom mit entsprechenden Befindlichkeitsstörungen.

Prof. Dr. G. begründe nicht plausibel, warum dieselben Störungen nach 6 Monaten nunmehr nicht mehr auf den Unfall, sondern auf eine von dem Sachverständigen nicht näher festgestellte Erkrankung zurückzuführen seien.

Das Landgericht habe zudem übersehen, dass sich die Beweislast zugunsten des Klägers umgekehrt habe. Die Beklagte sei für den Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. IV AUB beweispflichtig. Den entsprechenden Beweis habe die Beklagte nicht erbracht.

Weiter habe das Landgericht den Parteivortrag des Klägers nicht richtig gewürdigt. Bei rechtzeitigem gerichtlichen Hinweis hätte der Kläger die nunmehr eingereichten Unterlagen bereits in erster Instanz vorgelegt.

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Es sei jedenfalls ein HNO-ärztliches Gutachten einzuholen, die bisherigen Gutachter hätten die zentral nicht kompensierte Gleichgewichtsstörung des Klägers bislang nicht ordnungsgemäß bewertet.

Auch die von der HWS ausgehenden Gesundheitsstörungen und die Kopfschmerzen seien nicht bewertet worden.

Die Klageforderung wird unter Berücksichtigung bereits gezahlter 10.000 DM neu berechnet, auf GA Bl. 550 wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 8. Juni 2006, Az.: 11 O 219/99 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 240.177,36 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen

und verteidigt die Entscheidung des Landgerichts.

Der Kläger sei mit dem Inhalt des Gutachtens von Prof. Dr. E. vom 29.1.2002, das erstmals in zweiter Instanz vorgelegt werde, ausgeschlossen.

Die angebliche Schädigung an der Halswirbelsäule sei schon deswegen nicht zu berücksichtigen, weil dieser Befund erst nach Ablauf von drei Jahren erhoben worden sei. Sie sei als Dauerfolge auch nicht bewiesen.

Mit einem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz vom 11.5.2007 weist der Kläger darauf hin, dass die 1993 und 1994 angefertigten Röntgenaufnahmen seiner Halswirbelsäule unzureichend gewesen seien und die auf diese Gutachten gestützten Aufnahmen deswegen fehlerhaft seien. Unfallbedingt habe sich eine chronifizierte Funktionsstörung der HWS gebildet, er beantragt erneut ein interdisziplinäres Gutachten.

II.

Die Berufung des Klägers hat nur in geringem Umfang Erfolg.

Der Kläger hatte wegen des am 1.11.1993 erlittenen Unfalls aus der abgeschlossenen Unfallversicherung einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung berechnet nach einem Invaliditätsgrad von 15 %.

Dies entspricht bei der vereinbarten Versicherungssumme von 200.000 DM (102.258,38 €) einem Betrag von 30.000 DM (15.338,76 €).

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Hiervon sind die von der Beklagten bereits gezahlten 10.000 DM abzuziehen, so dass 20.000 DM (10.225,84 €) verbleiben.

Da das Finanzamt B. F. / P. mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28.6.1996 Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte in Höhe von 20.253,90 DM (10.355,65 €) gepfändet und eingezogen hat, steht dem Kläger keine Forderung gegen die Beklagte mehr zu.

Der Senat legt anhand der Berufungsbegründung, vor allem GA Bl. 550, den vom Kläger gestellten Antrag aber dahin aus, dass er jedenfalls hilfsweise für den Fall eine Zahlung der Beklagten an das Finanzamt begehrt, dass sein Anspruch von der Höhe her geringer sein sollte als der vom Finanzamt gepfändete Anspruch.

Denn aus seinen Ausführungen folgt, dass der Kläger von der gegen ihn gerichteten Forderung des Finanzamtes durch die Beklagte in Höhe der Pfändung befreit werden möchte.

1.

Der Senat kommt aus folgenden Gründen zu einer gegenüber dem Landgericht abweichenden Bewertung der unfallbedingten Invalidität des Klägers:

Die Frage, ob die drei Jahre nach dem Unfall noch bestehenden Beschwerden des Klägers auf dem Unfall oder einer unfallbedingten Verletzung beruhen, ist unter Anwendung des § 287 Abs. 1 ZPO zu beantworten (vgl. nur BGH, VersR 2004, 1477 m.w.NW., ebenso der erkennende Senat, VersR 2003, 1294). Denn die Frage nach dem Umfang des eingetretenen Schadens ist eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität. Danach reicht eine überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit gegenüber anderen Geschehensabläufen, dass der vom Kläger vorgetragene Dauerschaden in kausalem Zusammenhang mit dem Unfallereignis steht (BGH, Urt.v. 17.10.2001, NVersZ 2002, 65). Da nach § 11 Abs. 4 AUB 88 nur der Gesundheitszustand zu berücksichtigen ist, der bis zum Ablauf von drei Jahren prognostiziert werden kann, dürfen später gewonnene Erkenntnisse nicht verwertet werden (vgl. BGH, NJW 1998, 905; NVersZ 2002, 65, 66). Bei mehreren Möglichkeiten muss die Ursächlichkeit des Unfalls jedenfalls eindeutig die wahrscheinlichere sein (Knappmann, Unfallversicherung: Kausalitäts- und Beweisfragen, NVersZ 2002, 1, 2).

Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes sieht sich der Senat auf der Basis der Vielzahl ärztlicher Gutachten und Stellungnahmen, wobei er insbesondere auch das vom Kläger in der Berufungsbegründung vorgelegte Gutachten des Prof. E. vom 29.1.2002 berücksichtigt, in der Lage, eigene ergänzende Feststellungen zu treffen.

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Er ist insoweit nicht nach § 529 I ZPO an die Feststellungen des Landgerichts gebunden.

Der Kläger weist mit der Berufung nämlich zutreffend darauf hin, dass die vom Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme unvollständig geblieben ist, weil beide vom Landgericht herangezogenen Gutachter, die beide Neurologen sind, der vom Kläger bereits in erster Instanz aufgezeigten Möglichkeit, dass sich über eine hals-, nasen-, ohrenärztliche Diagnostik ein objektives unfallbedingtes Beschwerdebild feststellen lässt, nicht weiter nachgegangen sind.

Der Kläger spricht konkret an, dass ein HNO-Arzt die vom Kläger beklagte zentrale Gleichgewichtsstörung als Unfallfolge gewertet habe und bezieht sich hierzu auf die Stellungnahme von PD Dr. A. vom 22.7.1994 (Bl. 343 GA).

Der Senat holt die zu diesem Punkt vom Landgericht nicht getroffenen Feststellungen nach, indem er das am 29.1.2002 für das Landessozialgericht Berlin angefertigte Gutachten von Prof. Dr. E. berücksichtigt.

Von der Durchführung einer weiteren Beweisaufnahme nimmt der Senat Abstand, weil die in dem seit 1999 betriebenen Verfahren vorgelegten über 40 ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten eine für eine Schätzung nach § 287 ZPO hinreichend breite Basis bilden und keine Anhaltspunkte gegen die Qualität des für ein (anderes) gerichtliches Verfahren erstattete Gutachten des Prof. E.

sprechen.

Danach besteht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die vom Kläger beklagte Schwindelsymptomatik unfallbedingt ist, nämlich Folge des bei dem Sturz erlittenen stumpfen Schädelhirntraumas.

Der HNO-Arzt PD Dr. A. hat schon 1994 angenommen (Stellungnahme Bl. 343 GA), dass die Schwindelbeschwerden des Klägers mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf dem erlittenen Kopftrauma beruhen, es seien keine früheren Krankheiten bekannt, die das vorliegende Krankheitsbild hätten auslösen können. Zugleich hat er wegen dieser Gleichgewichtsstörung zunächst eine Minderung der Erwerbstätigkeit von 20 % angenommen (Bl. 343 GA). Im Gutachten vom 3. Mai 1995 (Bl. 476 GA) hat PD Dr. A. bei leicht gebesserten Gleichgewichtsstörungen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 15 % angenommen.

Prof. Dr. E. führt nun in seinem Gutachten vom 29.1.2002 (dort Bl. 44) aus, dass die von DP Dr. A. gestellte Diagnose einer zentralvestibulären Störung als Ursache der Schwindelsymptomatik bei intaktem Endorgan Labyrinth den Rückschluss auf eine andauernde Irritation der Vestibulariskerngebiete im Hirnstammbereich als Unfallfolge zulässt. Vor diesem Hintergrund hält er eine neuronale Schädigung im Bereich der Vestibulariskerngebiete des Hirnstamms für wahrscheinlich und für die kausale Ursache der Schwindelkomponente der

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Beschwerden des Klägers (Bl. 47 des Gutachtens vom 29.1.2002). Er hat zugleich dokumentiert, dass die Schwindelsymptomatik auch noch 8 Jahre nach dem Unfall bestand.

Diese Feststellungen genügen, damit der Senat sie im Rahmen des § 287 ZPO seiner Bewertung zugrunde legen kann. Die nicht abgeklungene Schwindelsymptomatik, die auf einer psychischen Störung, nicht einer psychischen Reaktion beruht, bewertet der Senat für den Zeitpunkt drei Jahre nach dem Unfall mit einem Invaliditätsgrad von 15 %, dies entspricht der von Dr.

A. diagnostizierten, gegenüber dem ersten Jahr nach dem Unfall verbesserten Symptomatik, die dieser mit 15 % Minderung der Erwerbsfähigkeit bewertet hat.

Der Senat ist sich bewusst, dass diese beiden Begriffe nicht notwendigerweise deckungsgleich sind, gleichwohl bietet die Einschätzung des Dr. A. bei den weiter bestehenden Beschwerden des Klägers einen plausiblen Anknüpfungspunkt für eine Bewertung in der vorgenommenen Höhe.

2.

Im übrigen bleibt es aber bei der vom Landgericht getroffenen Feststellung, dass sich ein Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Beschwerdebild des Klägers - der psychischen Beeinträchtigung, der Ermüdbarkeit, den Kopfschmerzen, jeweils insbesondere zurückgeführt auf eine unfallbedingt degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule - nicht feststellen lässt.

Der Kläger behauptet unter Beweisantritt, dass seine Beschwerden auf eine degenerative Veränderung der Halswirbelsäule zurückzuführen sei, wobei sich diese Veränderung durch den Unfall gebildet hätte. Eine Steilhaltung der HWS werde bereits in dem mit der Klageschrift vorgelegten Gutachten Prof Dr. G.

angegeben.

Diese Behauptung des Klägers findet aber in dem Gutachten von Prof. Dr. G.

vom 16.2.1996 keine hinreichende Stütze.

Der gerichtliche Gutachter Prof. Dr. G. geht entsprechend in seinem Ergänzungsgutachten davon aus, dass ein HWS-Hyperflexionstrauma nicht diagnostiziert sei, im Hauptgutachten geht er von einem unauffälligen Röntgenbefund aus, was mit den Feststellungen des SV Prof. Dr. G.

übereinstimmt, der bei seiner 1998 durchgeführten Untersuchung eine geringgradige Steilhaltung der HWS diagnostizierte (Bl. 31 des Gutachtens) zugleich aber ausführte, dass die ihm vorliegenden früheren Röntgenaufnahmen keinen orthopädisch relevanten Befund abbildeten.

Prof Dr. G. führt aus, dass die Kopfschmerzen des Klägers auf dem Boden geringgradiger degenerativer Veränderungen der knöchernen Halswirbelsäule gedeutet werden könnten, allerdings stehe die geklagte Intensität der Kopfschmerzen in keinem Verhältnis zu dem erhobenen Befund.

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Dieser Wertung steht nicht entgegen, wenn der Kläger nunmehr mit der Berufungsbegründung und, so versteht der Senat den Kläger, auch mit dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11. Mai 2007 unter Hinweis auf Untersuchungsbefunde aus den Jahren 1993 / 1994 darauf verweist, dass er keine Vorschäden an der Halswirbelsäule gehabt habe und nach dem Unfall eine

"Steilhaltung" der mittleren Halswirbelsäule festgestellt worden sei, die der Streckfehlhaltung bei Patienten mit einem durchgemachten Auffahrunfall entsprächen und die auch zwei Jahre nach dem Unfall noch nachweisbar gewesen sei. Denn sowohl Prof. G., als auch Prof. G. halten trotz dieser Hinweise die Schwere der vom Kläger geklagten Symptome mit dem Befund der Steilhaltung für unvereinbar.

Dabei ist Prof. G. auch die vom Kläger angegebene Partialruptur des musculus supraspinatus bekannt gewesen (Bl. 287 GA), ohne dass der Kläger darlegt, welche Schlussfolgerung der Gutachter aus dieser Kenntnis heraus unterlassen hätte.

Der Gutachter hat auch nicht übersehen, dass in den ärztlichen Unterlagen von Prof. S., nämlich in der Rechnung vom 15.12.1993 ein Schädel-Hirn-Trauma 2.

Grades angegeben ist. Diesen Gesichtspunkt hat der Sachverständige gesehen, wie aus dem Ergänzungsgutachten vom 24.8.2005 (Bl. 424 GA) deutlich wird.

Danach geht der Gutachter in Kenntnis der Rechnung Prof. Dr. S. weiterhin von einem Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades aus, was auch sämtlichen vorgelegten Behandlungsunterlagen und ärztlichen Stellungnahmen – bis auf die erwähnte Rechnung – entspricht.

Die Würdigung des Gutachtens Prof. Dr. G. durch das Landgericht ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Die von Prof. Dr. G. aufgezeigte Möglichkeit, dass die Beschwerden des Klägers auf einer unfallunabhängigen Erkrankung beruhen können, hat das Landgericht berücksichtigt. Auch das vom Kläger herangezogene Gutachten von Prof. Dr. G. vermutet eine andere Erkrankung des Klägers als Ursache der Beschwerden, er spricht von einer beginnenden Polyneuropathie (S. 34 des Gutachtens), die in keinem Zusammenhang mit dem Unfallereignis stehe.

Auch wenn man die weiteren Ausführungen in dem angesprochenen Gutachten von Prof. Dr. E. berücksichtigt, lässt sich nicht feststellen, dass die über den Schwindel hinausgehenden Beeinträchtigungen des Klägers unfallbedingt sind.

Prof. E. verweist darauf, dass bei der Diagnose nach Aktenlage eine Aufhebung der Schwindelsymptomatik hätte eintreten können, was aber nicht der Fall sei.

Grund hierfür könne die Traumatisierung der HWS-Muskulatur sein, aber auch eine permanente axonale Schädigung des Zentralnervensystems nach stumpfem Schädelhirntrauma (Bl. 37 des Gutachtens). Dabei führt er weiter aus, dass es, was aus der fachärztlichen Untersuchung zurückzuschließen sei, zu

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einer Hyperflexionsverletzung der Halswirbelsäule gekommen sei und die nach dem Unfallereignis permanente Weiterbelastung des HWS-Muskulatur und der Schultergürtelmuskulatur einen chronischen Reizzustand zur Folge hätte, der zu einer Persistenz der Schmerz- und Schwindelsymptomatik habe führen müsse.

Diese Angaben werden aber entscheidend relativiert. Er führt zunächst weiter aus (Bl. 41), dass er sich nicht zur Genese neuropsychologischer Beeinträchtigungen äußern könne und verweist hierzu auf ein von ihm eingeholtes Zusatzgutachten von Frau Dr. F. (Bl. 41 des Gutachtens), in dem eine Neurasthenie (neurologisch ausgelöste schnelle Ermüdbarkeit, Kraftlosigkeit) diagnostiziert werde, die keine kausale Unfallfolge sei.

Prof. E. bewertet zwar Schwindel und Kopfschmerzen als kausale Unfallfolgen, zeigt aber auf, dass die Gewichtung der einzelnen Beschwerdesymptome in den verschiedenen Zeiträumen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht konstant gewesen sei, so dass eine klare Zuweisung der Ursache für die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der reinen Unfallfolge in den letzten Jahren nicht möglich sei (Bl. 43 Gutachten). Auch die von ihm gestellte Diagnose belege nicht zwingend eine relevante Schädigung in ZNS-Bereichen, die kausal die kognitiven und mnestischen Leistungsdefizite erklären könne (Bl. 46 des Gutachtens). Die otoneurologischen Befunde ließen eine neuronale Schädigung im Bereich der Vestibulariskerngebiete des Hirnstammes wahrscheinlich erscheinen, dies könne jedoch nur die Schwindelkomponente kausal erklären. Hinsichtlich der weiteren Beschwerden spreche außer dem zeitlichen Zusammenhang nichts für eine Ursächlichkeit des Unfalls. Daraus ergibt sich aber, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese Beschwerden ebenfalls unfallbedingt sind, auch nach den Angaben von Prof. E. nicht besteht.

Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Unfall für die zur Invalidität des Klägers führenden sonstigen Beschwerden ursächlich geworden ist, läst sich danach zugunsten des Klägers nicht begründen. Das gilt auch, wenn man davon ausgeht, dass in 10 – 20 % der auftretenden Fälle nach einem Schädel-Hirn- Trauma ein chronisch posttraumatisches Syndrom mit unspezifischem Beschwerdekomplex auftritt. Diese Möglichkeit und den Stand der wissenschaftlichen Diskussion hierzu zeigt schon das Gutachten von Prof. Dr. A.

vom 2.3.01 (S. 14 – 16, Bl. 128 – 130 GA) auf.

Damit wäre aber lediglich dargelegt, dass die Behauptung des Kläger zwar möglich, aber bei einem Wahrscheinlichkeitsgrad von 10 – 20 % der Fälle die Ursächlichkeit der Verletzungen vom 1.11.1993 für die Beschwerden nicht überwiegend wahrscheinlich ist. Jedenfalls beanspruchen demgegenüber die Ausführungen des Sachverständigen Prof. G., dass unfallursächliche Beschwerden nach den organischen Befunden spätestens nach sechs Monaten abgeklungen sein müssten, keine geringere Wahrscheinlichkeit.

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Auch die weiteren Angriffe des Klägers gegen die Sachverständigengutachten haben keinen Erfolg.

Prof. A. hat zwar das Gutachten durch einen Oberarzt erstellen lassen, aber durch seine Unterschrift die vollständige Verantwortung für die Richtigkeit des Gutachtens übernommen. Dies spielt aber im Ergebnis keine Rolle, da das Urteil des Landgerichts sich insoweit auch auf die Gutachten von Prof. Dr. G. stützt.

Welche konkreten vorhandenen Unterlagen nun Prof. G. nicht berücksichtigt hätte und welche Auswirkungen das auf die Begutachtung gehabt hätte, trägt der Kläger mit der Berufung nicht vor.

Schließlich greifen auch die übrigen Vorwürfe des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts nicht durch.

Das Landgericht hat die Beweislast für die Unfallursächlichkeit der geltend gemachten Invalidität zutreffend beim Kläger gesehen.

Der Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 11. Mai 2007 ist im übrigen, soweit er neues Vorbringen enthält, nicht zu berücksichtigen. Dieser Vortrag ist nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist und zudem nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 17.4.2007 eingegangen. Es ist zudem nicht erkennbar, warum dieser Vortrag zumindest teilweise nicht früher hätte eingereicht werden können. So wäre dem Kläger die Vorlage des Attestes der Ärztin Dr. R. vom 21.9.2004 bereits in erster Instanz möglich gewesen.

Der Senat hat zudem keinen Schriftsatznachlass für neuen Vortrag gewährt, sondern lediglich eine Stellungnahmefrist zu einem Vergleichsvorschlag eingeräumt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 I; 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10; 711 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 240.177,36 € K. Dr. W. C.

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