• Keine Ergebnisse gefunden

Oberlandesgericht Hamm 4 UF 94/16 vom REWIS: open. smart. legal. Datenbank für Rechtsprechung Angaben ohne Gewähr URL:

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Oberlandesgericht Hamm 4 UF 94/16 vom REWIS: open. smart. legal. Datenbank für Rechtsprechung Angaben ohne Gewähr URL:"

Copied!
10
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Oberlandesgericht Hamm

4 UF 94/16

vom 12.05.2017

REWIS: open. smart. legal.

Datenbank für Rechtsprechung Angaben ohne Gewähr

URL: https://rewis.io/s/u/zWer/

Oberlandesgericht Hamm 4. Senat für Familiensachen

(2)

1 2 3

4

5

4 UF 94/16 vom 12.05.2017

Beschluss | Oberlandesgericht Hamm | 4. Senat für Familiensachen

Tenor

Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den am 01.03.2016 verkündeten Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Essen wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kindesvater.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Kindeseltern haben sich erst kurz vor der Zeugung des Kindes kennen gelernt. Die Kindesmutter ist in Deutschland geboren, hat dann aber ihre ersten elf Lebensjahre in Serbien verbracht. Nach dem Umzug nach Deutschland hat sie zunächst ein Gymnasium besucht und dann auf einer Gesamtschule das Fachabitur absolviert. Aufgrund der frühen Schwangerschaft hat sie keine weitere Ausbildung gemacht.

Der Kindesvater ist in Nigeria aufgewachsen und im Jahr 2004 nach Deutschland gekommen. Er hatte zwölf Jahre lang die Schule besucht, jedoch keine Ausbildung absolviert. Seine Familie ist in Nigeria verblieben. In Deutschland hat er nach eigenen Angaben lediglich zwei Monate lang eine Schule besucht, weil er ein Studium angestrebt habe. Einen Abschluss hat er jedoch nicht gemacht, sondern stattdessen in verschiedenen Bereichen gearbeitet, zeitweise als Lagerarbeiter.

Die Beteiligten haben sich offensichtlich im Jahr 2005 kennen gelernt und sind eine Beziehung eingegangen, in deren Rahmen die Kindesmutter kurze Zeit später schwanger geworden ist. Mit Urkunde vom 21.4.2006 wurde eine gemeinsame Sorgerechtserklärung abgegeben. Inwieweit die Beziehung nach der Geburt verlaufen ist, wird von den Kindeseltern unterschiedlich dargestellt.

Während die Kindesmutter angibt, der Kindesvater habe sich wenig bis gar nicht um sie und das Kind gekümmert, hat der Kindesvater angegeben, dass man sich

(3)

6

7

8

in der Folgezeit gemeinsam um die Tochter gekümmert habe, wobei er jedoch auch viel unterwegs gewesen sei; gelebt haben die Kindeseltern von den Einkünften der Kindesmutter, die sie vom Jobcenter erhalten hat. Die Kindesmutter hat angegeben, der Kindesvater sei ihr gegenüber bereits zum Ende der Schwangerschaft hin gewalttätig gewesen und dies habe sich auch nach der Geburt des Kindes regelmäßig fortgesetzt. Der Kindesvater habe auch unmittelbar nach der Geburt andere Partnerinnen gehabt. Unstreitig hat er sich wohl nach der Geburt überwiegend in der Wohnung der Kindesmutter aufgehalten, war aber häufiger abwesend. Der Kindesvater und ihm folgend wohl auch die Kindesmutter haben jedenfalls in der Vergangenheit während der frühen Kindheit des Kindes regelmäßig Cannabis konsumiert, der Kindesvater auch häufiger in erheblichen Mengen Alkohol. Im Oktober 2008 ist angesichts einer weiteren tätlichen Auseinandersetzung die Beziehung beendet gewesen.

Gleichwohl ist der Kindesvater offensichtlich in der Wohnung der Kindesmutter verblieben. Im März 2009 erfolgte allerdings der Umzug der Kindesmutter mit dem Kind in eine andere Wohnung.

Der Kindesvater hat dagegen angegeben, dass es zwar teilweise verbale Auseinandersetzungen mit der Kindesmutter gegeben habe, aber keinerlei Ausübung von Gewalt. Der Kindesvater hat angegeben, er sei aus der Wohnung ausgezogen.

Auch die Angaben der beteiligten Kindeseltern zu den Umgangskontakten mit dem Kind nach der Trennung sind sehr unterschiedlich. Die Kindesmutter hat angegeben, dass sich der Kindesvater sehr unzuverlässig verhalten habe und Umgangskontakte nur unregelmäßig erfolgt seien. Der Kindesvater habe sich oftmals nicht an Absprachen gehalten. Auch in diesem Zeitraum ist ganz offenbar regelmäßiger Cannabiskonsum durch die Kindesmutter erfolgt.

Ungefähr Anfang des Jahres 2011 sind dann Umgangskontakte zum Kindesvater aufgrund eines Konflikts abgebrochen worden. Kontakte der beteiligten Eltern miteinander waren ebenfalls selten und endeten nach Angaben der Kindesmutter mit weiteren Gewalttätigkeiten seitens des Kindesvaters. Ein vorläufig letzter Kontakt hat im Rahmen der Einschulung des Kindes im Herbst 2012 stattgefunden, wobei sich der Kindesvater auch hierbei verspätet habe. Auf weitere Versuche der Kindesmutter, Kontakt mit dem Kind zu haben, sei der Kindesvater nicht eingegangen. Erst im Jahr 2014 habe er unvermittelt vor der Haustür der Kindesmutter gestanden und lautstark gefordert, seine Tochter zu sehen.

Der Kindesvater hat dagegen gegenüber der Sachverständigen angegeben, er habe seine Tochter über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren nach der Trennung regelmäßig, zeitweise jedes Wochenende getroffen. Auch Kontakte zur Kindesmutter seien häufiger gewesen. Die Schwierigkeiten in der Kooperation mit der Kindesmutter hätten erst im Jahr 2012 begonnen, seitdem sie eine neue Beziehung eingegangen und zum Islam konvertiert sei. An Absprachen bezüglich

(4)

9

10

11

des Umgangs mit dem Kind habe er sich ganz überwiegend gehalten und sei nur zeitweise nicht erreichbar gewesen. Seit etwa drei Jahren halte er keinen Kontakt mehr zur Kindesmutter sowie zum Kind.

Tatsächlich ist die Kindesmutter nach ihren Angaben im September 2011 vom Christentum zum Islam konvertiert. Im November 2012 habe sie einen neuen Partner kennen gelernt (einen Herrn U mit marokkanischer Staatsangehörigkeit), den sie im Jahr 2013 nach islamischem Recht geheiratet habe. Die Kindesmutter vertritt nach ihren Angaben eine strenge Linie des Islam und trägt eine Vollverschleierung (Niquab).

Die Kindesmutter hat erstinstanzlich die alleinige Übertragung des Sorgerechts auf sich beantragt. Sie hat geltend gemacht, dass sich der Kindesvater in der Vergangenheit ohnehin nicht um das Kind bemüht habe, sondern vielmehr in der Vergangenheit bei Konfliktsituationen damit gedroht habe, ihr das Kind wegzunehmen. Konkreter Anlass für die Einleitung des Verfahrens war, dass der Kindesvater nunmehr wieder Umgang mit dem Kind begehrt hat. Im Rahmen eines parallel laufenden Umgangsverfahrens (AG Essen, 109 F 295/14) haben die beteiligten Kindeseltern im Verhandlungstermin vom 7.10.2014 eine Umgangsvereinbarung dergestalt getroffen, dass fünf begleitete Umgangskontakte mit dem Kindesvater unter Federführung des Jugendamtes stattfinden sollten. Zu diesen Umgangskontakten ist es aber nicht gekommen, weil die Kindesmutter diese aus unterschiedlichsten Gründen abgesagt hat. Der Kindesvater, der erstinstanzlich zunächst lediglich die Antragszurückweisung begehrt hat, hat im Hinblick auf die von der Kindesmutter vereitelten Umgangskontakte die alleinige Übertragung des Sorgerechts auf sich beantragt.

Ihm komme es vor allem darauf an, dass das Kind nicht, wie es bereits seit einiger Zeit geschieht, im islamischen Glauben erzogen werde, sondern für andere Religionen, insbesondere auch für das Christentum, weiterhin offen sei.

Tatsächlich ist es nicht streitig und ergibt sich  insbesondere aus dem Sachverständigengutachten, dass das Kind in der Öffentlichkeit seit dem siebten Lebensjahr, so auch in der Schule, Kopftuch trägt.

Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss das Sorgerecht auf die Kindesmutter alleine übertragen, und zwar ohne das Kind anzuhören und einen Verfahrensbeistand zu bestellen (ob die im Verhandlungstermin anwesende Kindesmutter angehört wurde, ergibt sich aus dem Terminsprotokoll nicht; der zum Termin geladene Kindesvater ist zu diesem ohne Angabe von plausiblen Gründen nicht erschienen). Das Amtsgericht hat seine Entscheidung auf das eingeholte  Sachverständigengutachten der Diplom-Psychologin H gestützt. Aus dem Gutachten gehe hervor, dass die Kindesmutter in jeder Beziehung in der Lage sei, ihr Kind angemessen zu erziehen, während beim Kindesvater deutliche Einschränkungen in der Erziehungsfähigkeit vorlägen. Diese bestünden in einer deutlich eingeschränkten Empathiefähigkeit und in einem geringen Wissen über die Wesensmerkmale eines Kindes. Auch die starke Selbstbezogenheit des

(5)

12

13

Kindesvaters, verbunden mit einer fehlenden Möglichkeit zur selbstkritischen Reflexion, schränkten dessen Erziehungsfähigkeit deutlich ein. Entscheidend sei jedoch, dass es zwischen den Kindeseltern an einer tragfähigen Beziehung mangele, die auch nur ein Mindestmaß an Kooperationsfähigkeit ermöglichen würde. Die Kindeseltern seien in ihren Grundüberzeugungen, ihrer Lebensführung und ihrer Persönlichkeit dergestalt unterschiedlich, dass eine Verständigung über wesentliche Belange des Kindes unmöglich sei.

Der Kindesvater hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt, wobei nicht genau ersichtlich ist, ob er weiterhin die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf sich begehrt oder ob er die Wiederherstellung des gemeinsamen Sorgerechts erstrebt; ausweislich der Ausführungen zum Schluss seiner Beschwerdebegründung scheint aber Letzteres der Fall zu sein. Zur Begründung der Beschwerde ist ausgeführt, dass die Feststellung der Sachverständigen zur Erziehungsfähigkeit des Kindesvaters unzureichend seien, weil sie nur auf einem Gesprächstermin mit diesem und einer Interaktionsbeobachtung beruhten. Die Annahme mangelnder Erziehungsfähigkeit sei nicht auf wissenschaftlicher Basis und aufgrund konkreter Feststellungen zu der Person des Kindesvaters erfolgt.

Die Begründung des angefochtenen Beschlusses lasse nicht erkennen, warum das Gericht der Auffassung sei, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf die Kindesmutter dem Wohl des Kindes am besten entspreche. Vielmehr seien der Kindesmutter Sorgepflichtverletzungen vorzuwerfen, weil sie eine mangelnde Bindungstoleranz in Bezug auf den Kindesvater habe. Zudem habe sie bis zur Erstellung des Gutachtens keine Bemühungen gezeigt, die gesundheitsgefährdende Wohnsituation zu ändern.

Zudem sei sie in ihrer Förderkompetenz eingeschränkt, insbesondere im Hinblick auf schulische Belange. Die islamische Erziehung sei kritisch zu bewerten. Dem Kindesvater dagegen könne nicht vorgeworfen werden, er zeige kein Interesse an seiner Tochter. In verfahrensmäßiger Hinsicht habe das Amtsgericht es unterlassen, einen Verfahrensbeistand zu bestellen.

Letzteres hat der Senat nachgeholt und Rechtsanwältin E als Verfahrensbeistand bestellt. Diese hat sich dafür ausgesprochen, es bei der Sorgerechtsübertragung auf die Kindesmutter zu belassen. Kommunikationsfähigkeit und Kommunikationsziele seien bei den Kindeseltern nicht mehr gegeben. Dies habe sich insbesondere auch in dem von ihr als Umgangspflegerin begleiteten Umgangsverfahren gezeigt. Es bestünden zwischen den Kindeseltern grundsätzliche, voneinander abweichende Erziehungsvorstellungen. Auch perspektivisch bestünden keine Anhaltspunkte, dass selbst unter Vermittlung Dritter damit zu rechnen wäre, dass die Eltern zumindest auf einem Minimalniveau miteinander kommunizieren könnten. Dem Wohle des Kindes entspreche es besser, wenn die elterliche Sorge von der Kindesmutter allein ausgeübt werde. Das entspreche zum einen dem ausdrücklich geäußerten Willen des Kindes. Zum anderen lebe das Kind seit der Trennung bei der

(6)

14 15

16

17 18

19 20 21

Kindesmutter ohne wesentliche Kontakte zum Kindesvater. Zudem sei der Kindesvater auch deshalb unzuverlässig, weil er sich trotz Terminvereinbarung nicht zu einem Gespräch mit dem Verfahrensbeistand eingefunden habe.

II.

Die zulässige Beschwerde des Kindesvaters hat in der Sache keinen Erfolg, da das Amtsgericht die elterliche Sorge zu Recht auf die Kindesmutter übertragen hat.

Gemäß § 1671 Abs.1 S.2 Nr.2 BGB ist dem Antrag der Kindesmutter auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts stattzugeben, weil vorliegend zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf die Kindesmutter dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

1.

Die Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts ist erforderlich, weil es keine gemeinsame Kommunikationsbasis der Kindeseltern mehr gibt. Das hat die Kindesmutter glaubhaft dem Verfahrensbeistand im Beschwerdeverfahren so übermittelt. Sie hat gegenüber dem Verfahrensbeistand angegeben, dass sie nicht mehr wisse, wann sie das letzte Mal vernünftig mit dem Kindesvater geredet habe. Eigentlich habe sie schon in der Beziehung nicht mit ihm vernünftig reden können. Auf die Frage, ob sie sich vorstellen könne, zumindest hinsichtlich der bei wenigen sorgerechtlichen Fragestellungen notwendigen Entscheidungen gemeinsame Gespräche mit dem Kindesvater, gegebenenfalls unter Vermittlung Dritter, zu führen, erklärte sie, das sei für sie nicht denkbar.

Zur Begründung gab sie an, der Kindesvater und sie hätten grundsätzlich andere Ansichten. Sie habe auch kein Vertrauen zu ihm, er sei ein Lügner und letztlich auch verantwortungslos. Sie habe sieben Jahre versucht, auf ihn zuzugehen, und zwar wegen des Kindes. Letztlich habe das aber nicht geklappt. Wesentlich sei für sie aber auch, dass sie ihn nicht erreichen könne. Schon in der Vergangenheit habe sie ihn nicht zuverlässig erreichen können. Maßgeblich für eine fehlende Kommunikationsbasis sind insbesondere die in erster Linie religiös bedingten völlig unterschiedlichen und nicht miteinander zu vereinbarenden Wert– und Erziehungsvorstellungen der Kindeseltern, wie sie sich auch aus der Beschwerdebegründung des Kindesvaters ergeben. Diese lassen eine Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit nicht mehr als möglich erscheinen.

Auch der Kindesvater legt nicht dar, wie er sich zukünftig eine solche vorstellt.

Eine Sorgerechtsübertragung auf einen Elternteil ist daher geboten.

2.

Weiterhin ist vorliegend zu erwarten, dass die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter dem Kindeswohl am besten entspricht. Diese Prognose

(7)

22

23

24

stützt sich  - ausgehend von dem Gutachten der Sachverständigen H – auf die allgemein anerkannten Kriterien, die für das Kindeswohl maßgeblich sind. Diese Kriterien sind (s. z.B. bei Johannsen/Henrich-Jaeger, Familienrecht, 6. Aufl., Jaeger, § 1671 BGB, RdNr.52 ff) die allgemeine Erziehungseignung, das Förderungsprinzip, das Kontinuitätsprinzip (im Sinne der Einheitlichkeit, Stabilität und Gleichmäßigkeit der Erziehungsverhältnisse), die Bindungen des Kindes und schließlich der Wille des Kindes.

Hinsichtlich der letzten drei Kriterien ergeben sich nach der Sachlage deutliche Vorzüge einer elterlichen Sorge der Kindesmutter. Wie sich aus dem oben dargestellten Sachverhalt ergibt, lebt das Kind nach der Trennung der Eltern mittlerweile seit ca. acht Jahren bei der Kindesmutter, die allein die Betreuung und Erziehung des Kindes übernommen hat. Tatsächlich gab es nur – und das gilt insbesondere für die letzten Jahre – ganz seltene und sporadische Kontakte zum Kindesvater, wobei letztlich dahinstehen mag, was dafür ursächlich gewesen ist. Faktisch hat das Kind demnach nur Bindungen zur Kindesmutter aufgebaut und keinerlei Bindungen zum Kindesvater. Ergebnis dessen ist, dass das Kind die von der Sachverständigen im Rahmen der Begutachtung initiierte Interaktion mit dem Kindesvater schon im Ansatz verweigert hat. Auch der Wille des Kindes, bei wem es verbleiben will und den es bereits gegenüber der Sachverständigen und im Beschwerdeverfahren in der vom Senat nachgeholten Anhörung geäußert hat, ist ganz klar, nämlich bei der Kindesmutter. Unabhängig davon, ob die Kindesmutter möglicherweise nicht ihrer Wohlverhaltenspflicht (§

1684 Abs. 2 BGB) gegenüber dem Kindesvater nachgekommen ist, ist jedenfalls Tatsache, dass das mittlerweile elfjährige Kind unter keinen Umständen zum Kindesvater will. Diesen eindeutigen Willen zu brechen und dem Kindesvater das Sorgerecht zu übertragen, ist jedenfalls nicht dem Kindeswohl förderlich.

Im Hinblick auf das Förderungsprinzip ist in tatsächlicher Hinsicht zunächst zu konstatieren, dass die Kindesmutter das Kind trotz schwieriger Verhältnisse (sowohl in persönlicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht) recht gut erzogen hat. Das Kind ist ausweislich der Feststellungen der Sachverständigen normal entwickelt und eine ordentliche Schülerin. Kritisch im Hinblick auf die Erziehungseignung der Mutter, ist allerdings nach dem Ergebnis des Gutachtens aus Sicht des Senats zu bewerten, dass die streng islamische Erziehung des Kindes für das Kind eher ungünstig ist und bisweilen mit sozialen Einschränkungen einhergeht, welche den Erfahrungsraum und die Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes auch langfristig beschränken können.

Insoweit stellt es für das Kind einen Nachteil dar, dass ihm von der Kindesmutter eine Vollverschleierung und sowohl von dieser als auch von ihrem derzeitigen Lebenspartner vorgelebt wird, dass persönliche Gespräche mit Personen des jeweils anderen Geschlechts nur unter erheblichen Einschränkungen möglich sind.

(8)

25

26

27

28

Insgesamt ist nach dem Ergebnis des Gutachtens den Angaben des Kindes aber zu entnehmen, dass es selbst einen positiven Bezug zur Schule hat sowie eine hohe berufliche Ausbildung anstrebt, so dass nicht von einer seitens der Kindesmutter vermittelten geringfügigen Bedeutung von Schule und Bildung auszugehen sei. Zudem sei nach den eigenen Darstellungen des Kindes gegenüber der Sachverständigen von einer den kindlichen Bedürfnissen entsprechenden Freizeitgestaltung sowie einer ausreichenden sozialen Integration auszugehen. Diese gegenüber der Sachverständigen gemachten Angaben des Kindes haben sich in seiner Anhörung durch den Senat bestätigt. N hat angegeben, dass es in der Schule keinerlei Probleme wegen des Tragens des Kopftuches gebe, zumal auch einige andere Mitschülerinnen das Kopftuch trügen.

Im Hinblick auf die Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter im Übrigen hat die Sachverständige ein liebevolles und zugewandtes Erziehungsverhalten gegenüber dem Kind feststellen können. Einschränkungen im Rahmen der Förderkompetenz bestehen wohl deshalb in gewisser Weise, als dass die Kindesmutter nicht vollumfänglich die Förderung und Unterstützung des Kindes im schulischen Bereich sicherstelle; so sei den Angaben der Klassenlehrerin des Kindes zu entnehmen, dass das Kind Schulaufgaben im häuslichen Rahmen unzureichend fertig stellt sowie wiederholt unentschuldigt Unterricht versäumt.

Ebenso einschränkend hat die Sachverständige ausgeführt, dass die Bindungstoleranz der Kindesmutter im Hinblick auf den Kindesvater derzeit als eingeschränkt zu beurteilen sei, weil die Kindesmutter die Bedeutsamkeit des Vaters für die psychosoziale Entwicklung des Kindes nicht (mehr) anerkenne.

Insgesamt hat die Sachverständige aber dargelegt – was trotz der aufgezeigten negativen Gesichtspunkte gut nachvollziehbar erscheint -, dass die Erziehungsfähigkeit der Mutter aktuell jedenfalls keinen grundlegenden Einschränkungen unterliegt.

Im Hinblick auf die von der Sachverständigen ermittelte eingeschränkte Erziehungsfähigkeit des Kindesvaters - die Sachverständige hat insoweit ausgeführt, dass ein geringes Wissen über die Wesensmerkmale des Kindes bestehe sowie eine nur deutlich eingeschränkte Empathiefähigkeit sowie das Fehlen einer selbstkritischen Auseinandersetzung mit eigenen Anteilen an den familiären Entwicklungen und der aktuellen Situation - mag zwar methodisch zu kritisieren sein, dass die Sachverständige diese Erkenntnisse anhand nur eines Gespräches mit dem Kindesvater und einer tatsächlich nicht zustandegekommenen Interaktion des Kindesvaters mit dem Kind gewonnen hat. Tatsache ist aber auch hier, dass der Kindesvater sich jedenfalls nicht nachdrücklich darum bemüht hat, regelmäßigen Umgangskontakt mit dem Kind zu haben bzw. sich in Erziehungsfragen einzubringen. Unabhängig von den zwischen den Kindeseltern streitigen Umständen, die dazu geführt haben, dass

(9)

29

30

31 32

33 34 35

der Kindesvater das Kind nur wenig gesehen hat, hätte es bei wirklichem Interesse an dem Kind Mittel und Wege gegeben, gegebenenfalls unter Einschaltung der Gerichte, größeren Einfluss auf die Erziehung des Kindes zu nehmen. Dass der Kindesvater dies in den letzten Jahren erst gar nicht mehr versucht hat, ist sicherlich ein starkes Indiz für sein fehlendes Interesse, ebenso wie die Tatsache, dass der Kindesvater sich im Beschwerdeverfahren auf entsprechende Anschreiben nicht bei dem Verfahrensbeistand zwecks Führung eines Gespräches gemeldet hat. Soweit der Kindesvater als wesentliches Motiv für seine Rechtsverfolgung die Verhinderung der Erziehung des Kindes im strengen islamischen Glauben anführt, stellt dies, wie bereits oben dargelegt, keinen Gesichtspunkt dar, der durchgreifend gegen eine Erziehungseignung der Kindesmutter bzw. für eine bessere Erziehungseignung des Kindesvaters spricht.

Selbst wenn demnach im Ergebnis möglicherweise aus Sicht des Senats durchaus ins Gewicht fallende Einschränkungen im Hinblick auf die Förderkompetenz bzw. Erziehungseignung der Kindesmutter - insbesondere im Hinblick auf die oben dargestellte Vermittlung streng islamisch geprägter Verhaltensweisen - bestehen, kann insgesamt keinesfalls von einer besseren Erziehungseignung bzw. Förderkompetenz des Kindesvaters ausgegangen werden. Der Kindesvater legt insoweit auch gar nichts dafür dar, warum er das Kind trotz fehlender Erfahrung und trotz fehlender Bindung zum Kind besser fördern und erziehen können sollte als die Kindesmutter. Hierfür fehlt auch jeder tatsächliche Anhaltspunkt. Selbst wenn es hier im Hinblick auf die Erziehungseignung des Kindesvaters gewisse Unklarheiten geben sollte, weil die Sachverständige bisher nicht genügend Erkenntnisquellen hatte, so sprechen doch die weiteren Kritierien des Kindeswohles, nämlich Kontinuitätsgesichtspunkte, die Bindungen des Kindes und der Wille des Kindes entscheidend für eine Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Kindesmutter.

Angesichts der grundsätzlich differierenden Wert- und Erziehungsvorstellungen der Kindeseltern, seien sie auch religiös geprägt, ist eine Übertragung aller Sorgerechtsbereiche auf die Kindesmutter erforderlich, weil die insoweit unterschiedlichen Wertvorstellungen in alle Lebensbereiche hineinwirken.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81 Abs.1, 84 FamFG und die Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren hat ihre Rechtsgrundlage in § 45 Abs. 1 FamGKG.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(10)

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 70 Abs. 2 FamFG).

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Dass der Kläger über eine abgeschlossene Ausbildung als Dipl.-Ing.- Elektroingenieur (FA) verfügt und anschließend eine IHK-Ausbildung

Seine Ansprüche hat er deshalb auf die Zeit ab dem Urlaubsjahr 2006 beschränkt, weil das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 29.03.2009 (9 AZR 983/07, NZA 2009, 538)

Verfügen Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr aus einem vorherigen befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis zum

Da der vom Kläger beklagte Bandscheibenvorfall somit entweder schon im Rahmen einer bewussten Eigenbewegung erlitten wurde oder, soweit man in dem Ausfallschritt

Zudem ist ganz offensichtlich (nur) die Beschwerdeschrift für den Antragsteller zu 16) an die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin zu 2) weitergeleitet worden, denn

Der Kläger behauptet unter Beweisantritt, dass seine Beschwerden auf eine degenerative Veränderung der Halswirbelsäule zurückzuführen sei, wobei sich diese Veränderung

Folgt allerdings bereits aus der Art der (gemeinsamen) Unterbringung, dass die Menschenwürde des Gefangenen berührt ist, kommt es für die verfassungsrechtliche Beurteilung auf

2 OWiG gerügt werden, dass der Betroffene zu Unrecht nicht vor der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden ist, muss deshalb zur ordnungsgemäßen