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Nur mit Kofaktoren

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130 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Oktober 2016 | www.pta-aktuell.de

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iese Form der allergi- schen Reaktion ist eine sogenannte Summati- onsanaphylaxie. Hier- bei benötigen Menschen, die gegen eine bestimmte Substanz allergisch sind, noch weitere Auslöser, um Symptome zu entwickeln. So können beispielsweise Patienten mit einer Weizenallergie problemlos einen Teller Weizennudeln verzehren, doch wenn sie einige Zeit danach Sport treiben, treten Beschwerden auf. Der häufigste Trigger für diese

spezielle Allergieform ist die körper- liche Betätigung, weswegen man auch von der anstrengungsabhängi- gen Anaphylaxie spricht. Die An- strengung führt dazu, dass mehr Magensäure produziert wird, sodass der pH-Wert im Magen sinkt. Hier- durch werden die aufgenommenen Proteine und damit auch die Aller- gene schneller verstoffwechselt und gelangen rascher ins Blut, wo gegen sie gerichtete Antikörper die allergi- sche Reaktion schlussendlich auslö- sen. Bei Betroffenen mit einer ohne-

hin erhöhten Magensäureproduk- tion werden die Symptome nach der Aufnahme des Allergens in Verbin- dung mit einem Trigger somit umso schneller auftreten. Umgekehrt kön- nen Magensäureblocker gegen Sod- brennen das Auftreten der Be- schwerden zeitlich hinauszögern.

Wirklich gefährlich ist jedoch, dass auch eine relativ leichte Anstren- gung bereits als Auslöser genügen kann. So reicht ein Spaziergang oder die Wiederaufnahme von leichten Hausarbeiten nach der Mittagspause

Nur mit Kofaktoren

Erst zwei Brötchen und dann Sport treiben: Für Menschen, die von der anstrengungsabhängigen Anaphylaxie betroffen sind, kann diese Kombination im schlimmsten Fall lebensgefährlich werden.

© AlexRaths / iStock / Thinkstock

PRAXIS ALLERGIE

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | Oktober 2016 | www.pta-aktuell.de

bei manchen Betroffenen bereits aus und es kommt zu mitunter schweren Symptomen. Anstrengungsinduzier- te Allergien sind noch nicht lange bekannt, dementsprechend steht auch die Forschung noch am An- fang.

Weitere Triggerfaktoren Neben Sport als dem hauptsächlichen Trig- ger können auch Alkohol, nichtste- roidale Schmerzmittel (z. B. ASS, Diclofenac und Ibuprofen), Stress oder hormonelle Schwankungen durch Menstruation oder Wechsel- jahre die allergische Reaktion her- vorrufen. Dabei können die Trigger tückischerweise auch von Vorfall zu Vorfall wechseln. Wurde ein Anfall einmal durch Sport ausgelöst, kann er beim nächsten Mal zum Beispiel durch Stress hervorgerufen werden.

Die Symptome reichen von Haut- reaktionen wie Flushing, einem Anschwellen der Schleimhaut oder Nesselsucht über Herzrasen und Schwindel bis hin zu lebensgefährli- chen Beschwerden wie Atemnot. Im schlimmsten Fall kann es zum ana- phylaktischen Schock mit Todes- folge kommen.

Häufigste Form: WDEIA Bei der

„wheat dependent exercise induced anaphylaxis“ (WDEIA) sind die Be- troffenen gegen Weizen, genauer ge- sagt das Protein Omega-5-Gliadin allergisch, einen Bestandteil des Kle- bereiweißes Gluten. Während reine Weizenallergien eher bei Kindern vorkommen, ist die WDEIA auch bei Erwachsenen zu finden. Kreuzaller- gien treten selten auf, sind jedoch möglich, sodass für WDEIA-Betrof- fene dann auch Gerste oder Roggen tabu sind. Dann muss der Speiseplan auf andere Getreidearten wie Buch- weizen oder Amaranth umgestellt werden.

Genau hinsehen Eine anstren- gungsinduzierte Anaphylaxie wird häufig erst spät diagnostiziert, da sie nur in Verbindung mit Kofaktoren auftritt. So erlitt ein Bundesligaspie- ler einen anaphylaktischen Schock,

nachdem er in einer anstrengenden Trainingsphase Soja-Drinks zu sich genommen hatte. Seine eigentlich symptomlose Allergie gegen Soja wurde durch die sportliche Betäti- gung getriggert. Vorher hatte er zwar bereits über längere Zeit Allergiebe- schwerden gehabt, diese waren je- doch relativ leicht und durch einen Allergietest nicht eindeutig feststell- bar. Erst die erhöhte körperliche An- strengung in Verbindung mit dem Allergen führte schließlich aufgrund der starken, plötzlichen Symptoma- tik zur Diagnose „anstrengungsindu- zierte Anaphylaxie“.

Somit ist häufig Detektivarbeit ge- fragt, um die Erkrankung zu erken- nen. Führt sie etwa zu Magen- Darm-Symptomen, glauben viele Ärzte zunächst an eine Zöliakie. An- ders als bei dieser Erkrankung kön- nen Betroffene mit anstrengungs- abhängiger Anaphylaxie jedoch an- dere Getreidesorten vertragen. Erst wenn mittels Prick- oder Provokati- onstest eine Allergie nachgewiesen wurde, die Substanz alleine aber kei- ne Beschwerden auslöst, wird der Verdacht auf eine anstrengungsin- duzierte Anaphylaxie erhärtet. Bei der WDEIA kann ein spezifischer Antikörpertest gegen Omega-5- Gliadine die Verdachtsdiagnose la- bortechnisch erhärten. Bei anderen anstrengungsinduzierten Allergien kann man unter ärztlicher Kontrolle einen Provokationstest mit anschlie- ßender körperlicher Anstrengung durchführen. Kommt es zu einer Re- aktion, gilt die Diagnose als gesi- chert.

Wichtig ist danach, herauszufinden, wann genau und wie häufig die Be- schwerden auftreten. Meist kommt es zu Symptomen, wenn eine halbe bis zwei Stunden nach Verzehr des Allergens Sport getrieben wird. Wie- viel des allergenen Stoffes dabei kon- sumiert wurde, spielt keine wesent- liche Rolle, denn auch kleine Men- gen können in Verbindung mit den auslösenden Kofaktoren zu Sympto- men führen. Infektionen, Medika- mente, Alkohol oder Stress können als Kofaktoren sehr viel rascher zu

anaphylaktischen Reaktionen führen als Sport. Umso wichtiger ist es, die individuellen Trigger zu kennen, um im Falle eines Falles sofort reagieren zu können.

Tipps für den Notfall Die anstren- gungsinduzierte Anaphylaxie ist nach heutigem Kenntnisstand keine Unverträglichkeit, gegen die man im Laufe des Lebens eine Toleranz ent- wickelt, sondern besteht lebensläng- lich. Die Anfälle treten meist jedoch in großen Abständen auf. Wissen die Betroffenen um ihre Triggerfaktoren und richten ihr Leben darauf aus, können sie mit der Allergie meist gut leben. Sind keine Kreuzallergien vor- handen, müssen andere Lebensmit- tel auch nicht gemieden werden, so- dass die Lebensqualität nicht zu sehr unter der Unverträglichkeit leidet.

Da die anstrengungsinduzierte Ana- phylaxie im schlimmsten Fall aber mit einem lebensgefährlichen Schock einhergehen kann, müssen Betrof- fene immer ein Notfall-Set bei sich führen. Dieses enthält neben Korti- son einen Adrenalin-Pen, mit dem man sich im Notfall selbst eine Injek- tion in den Oberschenkel verabrei- chen kann. Tritt der anaphylaktische Schock zum ersten Mal auf und die Betroffenen wissen noch nichts von ihrer Allergie, müssen Umstehende schnell handeln. Die ersten Anzei- chen für einen allergischen Schock sind geschwollene, rote Hautpartien.

Der Betroffene hat Probleme, Luft zu holen, klagt über Kopfschmerzen und ihm wird schwindelig. Manchmal kommt es zu so starker Übelkeit, dass sich der Betroffene heftig über- geben muss. Der Puls rast, was wie- derum zu Panikattacken bis hin zur Todesangst führen kann. Der Patient muss dann sofort in die Schocklage gebracht werden, das bedeutet, man lagert die Beine höher als den Kopf.

Gleichzeitig sollte der Notarzt alar- miert werden. ■

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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