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Häufige Therapiefehler bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes

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F O R T B I L D U N G

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ARS MEDICI 25/26 2007

Zur Behandlung des Typ-2-Diabetes stehen heute fünf verschiedene Substanzgruppen als Tabletten zur Verfügung. Bei der Unmenge an verschiedenen Präparatenamen ist es sicher nicht ungewöhnlich, dass Patienten manchmal nicht wissen, zu welchem Zeitpunkt sie ihre Tabletten einnehmen sollen: vor, zu oder nach der Mahlzeit. Hier sind Fehlermöglichkeiten mit zum Teil ernsthaften Konsequenzen, wie schweren Unterzuckerungen, vorprogrammiert.

G E R H A R D -W. S C H M E I S L

Vor, zu oder nach der Mahlzeit?

Die verschiedenen Substanzgruppen werden mit unterschied- licher Absicht eingesetzt.

1. Metformin

ist die nach wie vor wichtigste Substanz zur Behandlung des insulinresistenten übergewichtigen Typ-2-Diabetikers. Es wird in der Regel zum Frühstück und Abendessen eingenommen und hemmt die Glukoneogenese bei meist moderater Ge- wichtsabnahme (Nebenwirkungen beachten, vgl. Tabelle).

2. Sulfonylharnstoffe

sollen vor der Mahlzeit eingenommen werden, weil über eine Stimulierung der Betazellen zur Mahlzeit mehr Insulin freige- setzt werden soll. Der «Klassiker», das Glibenclamid, wird in der Regel morgens und abends jeweils vor den Mahlzeiten ein- genommen. Fällt das Essen aus, darf die Tablette nicht genom- men werden, eine schwere Hypoglykämie wäre die Folge.

Das Glimepirid (Sulfonylharnstoff der 3. Generation) ist in die- ser Hinsicht einfacher zu handhaben. Die Einmalgabe vor dem

Frühstück ist die Regel – eine 24-Stunden-Wirkung meist gege- ben. Leichtere Unterzuckerungen sind möglich, wenn im Laufe des Tages nichts gegessen wird und morgens eine entsprechend hohe Dosis eingenommen wurde. Das Hypoglykämierisiko unter Glimepirid ist um etwa 40 Prozent niedriger als unter Glibenclamid.

3. Die Glinide (NovoNorm®, Starlix®)

werden nur vor jeder Hauptmahlzeit eingenommen, entfällt diese, wird auch keine Tablette benötigt. Sie setzen schnell und kurz Insulin frei und sind dadurch in der Lage, die gestörte frühe Phase der Insulinsekretion beim Typ-2-Diabetiker besser zu korrigieren als zum Beislpiel Glibenclamid – eine geringere Hypoglykämie-Rate ist die Folge.

4. Die Alpha-Glukosidasehemmer

wie zum Beispiel Glucobay® verzögern die Kohlenhydratauf- nahme im Darm und können wie Metformin alleine genommen

Häufige Therapiefehler bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes

Fallstricke beim Diabetesmanagement

■■

■ Vorteile von Glimepirid gegenüber Glibenclamid sind die einmal tägliche Einnahme und ein niedriges Hypoglykämie-Risiko.

■■

■ Die Leber schüttet während des Sports Glukose aus, die sie sich später jedoch wieder zur Auffüllung der Glykogenspeicher zurückholt (—> Hypoglykämie- gefahr!).

■ Intramuskuläre Injektionen von Kurzzeitinsulin zur raschen Behebung von Blutzuckererhöhungen soll- ten dem Notfall vorbehalten bleiben (bleibende Schäden am Muskel!).

■■

■ Kurzzeit-Analoginsuline sollten nicht regelmässig nach den Mahlzeiten injiziert werden, auch wenn dies manchmal erforderlich und grundsätzlich auch möglich ist. Durch präprandiale Gaben sind bessere Blutzuckerprofile erreichbar.

M M M

M e e e e rr rr k k k k ss ss ä ä ä ä tt tt zz zz e e e e

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nicht zu Hypoglykämie führen. Sie werden unmittelbar vor einer Hauptmahlzeit beziehungsweise mit dem ersten Bissen eingenommen.

5. Die Insulinsensitizer oder Glitazone (Actos®, Avandia®) können mittlerweile nicht nur in Kombination mit anderen oralen Antidiabetika verabreicht, sondern auch mit Insulin kombiniert werden.

Typ-2-Diabetes und Insulin

Je nach Diabetesdauer und Erschöpfungszustand der Betazel- len kommt irgendwann der Zeitpunkt, Insulin dazuspritzen zu müssen. Die oralen Antidiabetika sollten in der Regel weiterge- geben werden – eventuell in dosisreduzierter Form, besonders Metformin –, wodurch sich bis zu einem Drittel an Insulin ein- sparen und so eine Gewichtszunahme vermeiden lässt (norma- lerweise ca. 1–2 kg/Jahr).

Auch die Kombination von Metformin, einer geringen Menge Glimepirid und Insulin macht Sinn. Bei regelhaft erhöhten Nüchternwerten, wenn also die Glukoneogenese der Leber in der Nacht nicht ausreichend gehemmt wird (durch Insulin), sollte vor dem Schlafengehen (22.00 – 23.00 Uhr) ein Ver- zögerungsinsulin (z.B. NPH-Insulin) s.c. am Oberschenkel injiziert werden (wenn Metformin nicht oder nicht mehr aus- reichend wirkt!).

Wird es früher gespritzt (z.B. 19.00 Uhr), wirkt es häufig schon gegen Mitternacht bis 2.00 Uhr in der Nacht, zu einer Zeit, in der unser Körper sehr insulinempfindlich ist und somit wenig Insulin braucht (Gefahr der Hypoglykämie steigt!).

Das «neue» Levemir® (Analoginsulin) kann aufgrund seines fla- cheren Wirkungsprofils auch schon etwas früher (z.B. 21.00 Uhr) gespritzt werden. Insulin glargin (Lantus®) kann zu jeder be- liebigen Zeit des Tages (aber immer zum gleichen Zeitpunkt) gespritzt werden.

Durch Mahlzeiten-Auslassversuche (Basalratentage) kann überprüft werden, ob auch tagsüber Basalinsulin benötigt wird (z.B. 1 ×Lantus® bzw. 2 ×NPH/Levemir®).

Mischinsuline können besondere Probleme verursachen. Er- höhte Nüchtern-Blutzuckerwerte, zum Beispiel über 200 mg/ dl, führen häufig dazu, dass die abendliche Mischinsulindosis vor dem Abendessen erhöht wird. Sind die Blutzuckerwerte morgens jedoch eher schlechter und ist der Patient oft müde und abgeschlagen, sollte an eine nächtliche Hypoglykämie gedacht, der Blutzucker zwischen 24.00 und 2.00 Uhr gemes- sen und gegebenenfalls die abendliche Dosis sogar reduziert werden.

Typ-1-Diabetes

Trotz in der Regel mehrfacher Schulungen machen auch Typ-1- Diabetiker nicht selten einfache, vermeidbare Fehler. Dazu gehört insbesondere das ständige «Abspritzen» erhöhter Blut- zuckerwerte zum Teil schon ein bis zwei Stunden postprandial, oder auch nachts meist aus Angst vor Folgeschäden.

Häufige Gegenregulationen der Leber mit der Gefahr des Auf- tretens einer Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung sind die Folge – häufige kleinere Unterzuckerungen werden ausserdem oft nicht mehr bemerkt! Dieser Fehler passiert auch häufig Eltern bei der Insulintherapie ihrer Kinder.

H Ä U F I G E T H E R A P I E F E H L E R B E I T Y P - 1 - U N D T Y P - 2 - D I A B E T E S H Ä U F I G E T H E R A P I E F E H L E R B E I T Y P - 1 - U N D T Y P - 2 - D I A B E T E S

ARS MEDICI 25/26 2007

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Tabelle:Orale Antidiabetika: Wirkung, Einnahmezeitpunkte und Gefahren

Hauptwirkung Einnahmezeitpunkt Gefahren

Metformin Verzögerung der Glukose- in der Regel zum Frühstück und Absetzen bei Infekten, Fieber, (z.B. Glucophagel, Siofor®, aufnahme im Darm zum Abendessen Operationen, schweren Leber- und

Mediabet®etc.) Hemmung der Zuckerabgabe Nierenfunktionsstörungen,

aus der Leber (bes. nachts!) Herzschwäche, vor Röntgenkontrast-

Steigerung der lnsulinwirkung mittelgabe, Diät < 1000 kcal

an der Zelle

Acarbose/Miglitol verzögern die Kohlenhydrat- unmittelbar vor einer Hauptmahl- in Kombination mit Sulfonylharn- (Glucobay®/Diastabol®) aufnahme im Darm zeit bzw. mit dem ersten Bissen stoffen Unterzuckerungsgefahr Glinide Stimulierung der Bauch- vor jeder Hauptmahlzeit, wenn keine Tabletten, wenn nicht gegessen

(NovoNorm®, Starlix®) speicheldrüse gegessen wird wird, sonst Hypoglykämiegefahr

Sulfonylharnstoffe Stimulierung der Bauch- in der Regel morgens vor dem schwere Hypoglykämien, wenn trotz Glibenclamid speicheldrüse Frühstück und abends vor dem Tabletten nichts gegessen wird

(z.B. Euglucon®) Abendessen

Glimepirid Stimulierung der Bauch- in der Regel einmal morgens Hypoglykämien, wenn nichts geges- (z.B. Amaryl®) speicheldrüse und zusätzliche vor dem Frühstück sen wird

Gewebewirkungen

Glitazone Insulin-Empfindlichmacher morgens bzw. morgens und keine Hypoglykämien unter alleiniger (Actos®, Avandia®) (= Insulinsensitizer) abends unabhängig von den Gabe; Ödeme (Kontraindikation: Herz-

Mahlzeiten insuffizienz I bis IV)

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ARS MEDICI 25/26 2007

Sehr schwankende «unerklärliche» Blutzuckerwerte sollten an eine Gastroptose des Magens denken lassen: Die Blutzucker- werte sollten in der Zukunft in einem etwas höheren Bereich (120 mg/dl) angesiedelt werden. Kurzzeit-Analoginsuline hel- fen, die Gefahr der Hypoglykämie weiter zu reduzieren.

Sport wirkt nach

Vor, während und nach stärkerer sportlicher Anstrengung muss die Insulindosis reduziert und es müssen gegebenenfalls zu- sätzliche Sport-BEs gegessen werden. Daran denken viele Typ- 1-Diabetiker nicht. Deshalb gilt: Vor körperlicher Aktivität sollte das Insulin reduziert werden, das während der körperlichen Aktivität besonders stark wirkt. Bei ganztägigen stärkeren sportlichen Aktivitäten ist auch die Dosis des abendlichen Ba- salinsulins herabzusetzen, um Hypoglykämien in der Nacht und am Morgen des folgenden Tages (Spät-Hypoglykämien) zu vermeiden.

Ist der Blutzucker vor der sportlichen Aktivität zu niedrig, müs- sen entsprechende Kohlenhydrate gegessen werden, ist der Blutzucker zu hoch, zum Beispiel 250 mg/dl, und es findet sich ein wenig Aceton im Urin (Keto-Diabur-Test), sollte eine ge- ringe Menge an Kurzzeitinsulin gespritzt werden, zum Beispiel 1–2 IE, um der Gefahr der Ketoazidose vorzubeugen.

Zusammenfassung

Eine gute Blutzuckereinstellung sowohl beim Typ-1- als auch beim Typ-2-Diabetiker hängt sehr stark von seinem individuel- len Engagement ab. Schulung und regelmässiges Training sind nach wie vor die Basis einer optimalen Blutzuckereinstellung.

Fehler sind nicht immer vermeidbar. Deshalb sollte eine regel- mässige Überprüfung der Einstellung durch den Arzt oder die Diabetesberaterin respektive -assistentin erfolgen.

Eine enge und «partnerschaftliche» Zusammenarbeit zwischen medizinischem Personal und den betroffenen Diabetikern scheint mir gerade heute ein «Muss» unter dem Aspekt von Lebensqualität und der Vermeidung von Folgeschäden.

Dr. med. Gerhard-W. Schmeisl Internist/Angiologie Diabetologie, Sozialmedizin Deegenbergklinik D-97688 Bad Kissingen E-Mail: schmeisl@deegenberg.de

Interessenlage: Der Autor deklariert Vortragstätigkeit für Abbott Diabetes Care, temporäre Beraterfunktion bei Roche Diagnostics sowie Teilnahme an einem Advisory Board der Firma Lilly.

Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 8/2007. Die Über- nahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.

LESERZUSCHRIFT ZU «MF59 – EIN WIRKVERSTÄRKER IN IMPFST

LESERZUSCHRIFT ZU «MF59 – EIN WIRKVERSTÄRKER IN IMPFST OFFEN» OFFEN»

in ARS MEDICI 22/07, S. 1097–1099

In diesem Artikel findet sich – unter «Merksätze» sowie in erweiterter Form auch im Text – der Satz:

«Die Öl-in-Wasser-Emulsion MF59 war nach mehr als 70 Jah- ren das erste alternative Adjuvans, das für die Anwendung beim Menschen eine Zulassung bekam.»

Dieser Satz ist falsch. Der Impfstoff gegen Hepatitis A Epaxal® enthält als «alternatives» Adjuvans Virosomen und

ist in der Schweiz seit 1994 zugelassen. Gleiches gilt für den Influenzaimpfstoff Inflexal® V, der seit 1997 in der Schweiz

zugelassen ist.

Dr. Roland Hoos-Michelotti Scientific and Medical Affairs Berna Biotech AG

4051 Basel

E C H O

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